Protocol of the Session on October 12, 2017

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Volker Schnurrbusch [AfD])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/226 dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

Bezahlbares Wohnen in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/233

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich erteile das Wort für die Landesregierung dem Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über den Mangel an Wohnungen ist auch in diesem Haus schon sehr viel gesagt worden. Unstreitig ist: Wir haben einen sehr hohen Nachholbedarf. Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wir haben Gott sei Dank das Glück, dass wir ein wachsendes Land sind, in dem die Menschen gern leben wollen. Es ist wohl einfacher, sich mit den Problemen eines wachsenden Landes zu beschäftigen als mit einem Land, in dem die Menschen ihre Heimat aufgeben.

Die Lösungsansätze sind eigentlich bekannt, was nicht bedeutet, dass die Umsetzung insgesamt trivial sein wird. Wir haben in Schleswig-Holstein folgende Ausgangslage.

Erstens haben wir generell zu wenig Wohnraum in allen Preissegmenten, insbesondere für Familien, für Angestellte, für Normalverdienerinnen und Normalverdiener. Bis zum Jahr 2030 benötigen wir zwischen 122.000 und 154.000 zusätzliche Wohnungen. Das ist eine immense Zahl.

(Minister Dr. Heiner Garg)

Zweitens brauchen wir auch und vor allen Dingen Wohnraum für Menschen, die sich nicht am Markt selbst versorgen können. Wir brauchen den geförderten Wohnungsbau in den verschiedenen Stufen. Wir brauchen Hilfe für Menschen, die diese Hilfe brauchen.

Um alle Nachfragen decken zu können, müssten gerade in diesem Segment mindestens 1.600 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt werden. Derzeit und in der jüngeren Vergangenheit sind es immerhin 1.000 Wohnungen, die geschaffen wurden.

Welche Auswirkungen der Wohnraummangel hat, zeigt sich am Beispiel der Mittelzentren im Hamburger Umland. Als eigene Erfahrung als Oberbürgermeister einer Stadt kann ich Ihnen sagen: Zum Schluss hatten wir 14,50 € Nettokaltmiete pro Quadratmeter für eine frei finanzierte Neubauwohnung. Meine Damen und Herren, das heißt für eine 70-m²-Wohnung deutlich über 1.000 € Kaltmiete. Das kann selbst ein Durchschnittsverdiener nur noch mit erheblichen Schwierigkeiten bezahlen, wenn er denn überhaupt eine Wohnung findet.

Erfreulicherweise hat der Wohnungsbau in Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren erheblich Fahrt aufgenommen. Rund 24.000 Wohnungen wurden allein 2015 und 2016 fertiggestellt. Auch die Zahl der Baugenehmigungen stieg kontinuierlich. 2016 sind es inzwischen knapp 16.000 gewesen. Das ist natürlich sehr zu begrüßen, denn nur ausreichender Neubau in allen Preiskategorien führt zu einem Absinken der Mieten. Dieser Weg ist - ich glaube, darüber sind wir uns alle einig - konsequent fortzusetzen.

Auch der geförderte Wohnungsbau hat in den vergangenen zwei Jahren deutlich zugenommen. Das liegt daran, dass Schleswig-Holstein diesbezüglich gut aufgestellt ist. Im Zweckvermögen und im Landeshaushalt stehen ausreichend Darlehensmittel zur Verfügung. Auch nach 2019 wird die Landesregierung diese Mittel nutzen, um bezahlbaren Wohnraum zu fördern.

Auch das Zuschussverfahren mit Bundesmitteln hat sich bewährt. Doch entgegen den ursprünglichen Erwartungen sind die Bundesmittel bereits zu diesem Zeitpunkt für die Jahre 2016 und 2017 aufgebraucht. Für 2018 ist bereits heute an vielen Stellen eine Mittelbindung erfolgt. Das zeigt, wie hoch der Bedarf ist. Er wird auch weiter hoch bleiben. Das heißt, der Bund muss auch in Zukunft weiter Verantwortung tragen. Die neue Bundesregierung muss weiterhin Mittel hierfür bereitstellen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es ist ein Ansinnen an alle, die an einer zukünftigen Koalition mitarbeiten, dafür zu sorgen, dass hierfür Gelder bereitgestellt werden.

Allein das Zur-Verfügung-Stellen von zinsgünstigen Darlehen beim derartigen aktuellen Wohnungsmarkt reicht nicht aus. Wir müssen definitiv - wie in den letzten Jahren - in den Bereich der Förderung kommen.

Seien Sie versichert, meine Damen und Herren, egal wie der Bund entscheiden wird - das Land wird, wenn nötig, auch eigene Lösungen in diesem Bereich schaffen.

Mit nur einer Maßnahme werden wir dem grundsätzlichen Wohnraummangel nicht begegnen können. So wichtig der geförderte Wohnungsbau ist, können wir den Bedarf allein damit in Zukunft nicht decken. Vielmehr müssen wir Maßnahmen ergreifen, um den Wohnungsbau in allen Bereichen zu intensivieren.

Wir müssen den frei finanzierten Wohnungsbau ebenso im Blick behalten wie das private Eigentum, denn gegen steigende Mietpreise gibt es kaum bessere Sicherungen als Wohnungseigentum. Auch gemeinschaftliches Wohnen, genossenschaftliches Wohnen sind Modelle, die wir unterstützen werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie es mich einmal ganz deutlich sagen: Das Instrument der Mietpreisbremse allein betrachtet hat sich in der alltäglichen Praxis, so haben wir es wirklich erlebt, nicht bewährt. Es geht in der Zukunft insgesamt und vor allen Dingen um die Frage, wie wir Gestehungskosten und damit natürlich auch die Mieten dauerhaft senken können. Gestehungskosten heißt, an den Wurzeln des Hauses anzufangen. Dazu müssen wir erstens Baustandards hinterfragen. Weitere Verschärfungen können wir uns nicht leisten, denn diese werden an die Mieterinnen und Mieter weitergegeben. Einig sind wir uns aber sicherlich, dass am Brandschutz, an der Barrierefreiheit und an der Standsicherheit natürlich nicht gerüttelt werden darf.

Zweitens. Wir müssen Genehmigungsprozesse beschleunigen und kostengünstiger gestalten. Ich nenne nur das Schlagwort Typengenehmigungen und Genehmigungsfiktionen.

Drittens. Wir müssen Kommunen motivieren, von den bestehenden vielfältigen Instrumenten, die es in der Republik gibt, auch Gebrauch zu machen. Ins

(Minister Hans-Joachim Grote)

besondere aber, und das ist die Grundvoraussetzung, müssen wir mehr Grundstücke an den Markt bringen, um Bauflächen zur Verfügung zu stellen und vorhandene Baulandreserven zu mobilisieren.

Wir als Land werden unseren Beitrag dazu liefern. Es ist im Koalitionsvertrag vereinbart, weitere Flächen auszuweisen, aber wir wollen auch das Thema Flächenrecycling und das Recycling leer stehender Brachen als einen Baustein nutzen, denn es kann nicht das berühmte Schlagwort der „Donut-Gemeinden“ um sich greifen. Wir müssen neben dem Bau von Wohnungen auch Stadtentwicklung im Auge behalten.

Baukostensenkungskommissionen hat es bereits vor zwei Jahren gegeben, und es hat eine Vielzahl an weiteren Möglichkeiten gegeben, die dort aufgezeigt wurden, um voranzukommen. Konkrete Umsetzungen gab es jedoch bislang zu wenige. Aufseiten des Bundes, des Landes und der Kommunen gibt es noch deutlichen Nachholbedarf. Hier heißt es, erhebliche Aufklärungsarbeit dahin gehend zu leisten, welche Möglichkeiten zur Finanzierung auch für Wohnungsunternehmen nicht nur in Schleswig-Holstein bestehen.

Aber wir dürfen auch vor einer Entwicklung nicht die Augen verschließen: In immer mehr Gemeinden und Städten wird zwar der Wunsch nach bezahlbarem Wohnen laut und mit Verve vorgetragen, aber gleichzeitig wird mit großer Mehrheit betont, dass die Gemeinde doch bitte nicht weiter wachsen möge, da die Belastungsgrenze in Bezug auf weiteres Wachstum doch erreicht sei. Dies wird ganz unterschiedlich begründet. Bei Lärm, Luftqualität, Verkehrsbelastungen und vor allem den Kosten für neue Infrastrukturen sind dies zumindest ernst zu nehmende und zu würdigende Kriterien. Die allgemeine Aussage: „Wir sind inzwischen genug Menschen in unserer Stadt“, ist, so finde ich, nicht akzeptabel.

Meine Damen und Herren, es gibt nicht die eine, schnelle Patentlösung für die Herausforderungen im Wohnungsbau. Wir haben zu viele Einflussfaktoren, die teilweise gleichzeitig anzuwenden sind beziehungsweise die sich kumulieren. Zuallererst muss das notwendige Bauland zur Verfügung stehen. Die Kommunen müssen eine aktive Baulandpolitik betreiben. Dafür fehlt es gerade in kleineren Gemeinden häufig an dem notwendigen Personal und den finanziellen Ressourcen. Wir werden im Rahmen einer Baulandoffensive als Land in diesem Bereich Verantwortung übernehmen und den Kommunen Unterstützung anbieten.

Vor allem: Es ist zu kurz gesprungen, wenn wir nur über den Wohnungsneubau sprechen. Wohnungsmodernisierung, Umnutzungen sowie das Teilen und Zusammenlegen von Bestandsimmobilien gehören genauso in den Fokus, wenn es um die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum geht.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wohnungsbau geht für Kommunen immer mit Folgebelastungen einher. Ausbau der Infrastruktur, Schulen, Kitas, Mobilität und Versorgung; das sind Aufgaben, die eine Gemeinde in diesem Zusammenhang zu schultern hat, und das sind Aufgaben, bei denen wir als Land, so meine ich, nicht wegschauen können. Auch dies gehört zum Themenkomplex „bezahlbares Wohnen“.

Die Verantwortung für Wohnen kann zudem nicht an der Gemeindegrenze aufhören. Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum für Familien, für Alleinstehende, für Jüngere ebenso wie für Ältere, für Studierende und für Auszubildende ist eine gesamtregionale Frage und eine gesamtregionale Aufgabe. Standortentwicklung braucht grenzübergreifendes Denken.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir müssen und wollen als Land die interkommunale Zusammenarbeit auch im Bereich des Wohnungsbaus stärker unterstützen. Dafür müssen wir uns mehr auf die unterschiedlichen Stärken der verschiedenen Regionen Schleswig-Holsteins konzentrieren. Ländlicher Raum und Zentren stehen nicht gegeneinander, sondern können sich in Kooperationen gegenseitig ergänzen und stärken.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir werden deshalb fördern, dass neue Anreize gesetzt werden können, um diese Zusammenarbeit der Regionen zu intensivieren und damit neue Potenziale auch im Wohnungsbau gemeinsam zu heben.

Gemeinsamer Aufwand heißt auch gemeinsamer Nutzen, das gilt auch für die Erträge. Wir müssen auch im Rahmen des FAG neu denken, wie solche Kooperationen im wirtschaftlichen Bereich ausgeglichen werden.

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein ist ein attraktives Land, das für viele Menschen reizvolle Lebensbedingungen bietet. Deshalb sind wir auch ein wachsendes Land. Ich habe es zu Beginn gesagt: Es ist wesentlich besser und leichter, über

(Minister Hans-Joachim Grote)

die Probleme eines wachsenden Landes zu sprechen als über die Probleme einer schrumpfenden Gesellschaft. Das ist für uns etwas Gutes, und dafür brauchen wir eine zielgerichtete und steuernde Wohnungsbauentwicklung aus einer Hand.

Diese Landesregierung hat die dafür wesentlichen Kompetenzen alle unter einem Dach gebündelt. Die Landesplanung, die Städtebauförderung, die ländlichen Räume sowie die Bereiche Bauen und Wohnen agieren nun alle in einem Ministerium und arbeiten sehr eng zusammen. Ich versichere Ihnen, meine Damen und Herren: Diese gebündelten Kompetenzen werden wir sinnvoll einsetzen und die positiven Entwicklungen weiter vorantreiben, die wir in den vergangenen Jahren erlebt haben. Und mit den unterschiedlichen Partnern, die wir bereits am Tisch haben, werden wir positive Impulse setzen. Ich bin zuversichtlich, dass wir diese Mammutaufgabe bezahlbaren Wohnraums in SchleswigHolstein auch in Zukunft meistern werden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, durch die Berichterstattung des Herrn Innenministers ist es jetzt so, dass allen Rednern insgesamt 12 Minuten Redezeit zustehen würden. - Nunmehr erteile ich für die SPD-Fraktion Frau Abgeordneter Özlem Ünsal das Wort.

(Beifall)