Protocol of the Session on December 10, 2020

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Stephan Holowaty das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich glaube, es gibt eine Sache, die uns allen klar ist: Die Corona-App könnte eine ganz große Rolle darin spielen, Infektionen nachzuvollziehen, mehr Sicherheit zu geben und die Coronapandemie bei uns besser in den Griff zu bekommen.

Aber leider ist sie bislang keine Erfolgsgeschichte. Sie ist sehr spät gekommen, sie ist wenig attraktiv für den Benutzer, sie hat zu wenig Funktionen, sie mag verwirrend sein und die Entwicklung war milde gesagt - außerordentlich teuer: über 7 Millionen € in der Kernentwicklung. Inzwischen liegt der Zeiger inklusive Betrieb, inklusive Hotline, inklusive allem Drum und Dran bei über 60 Millionen €, die der Bund für die Corona-App ausgegeben hat. Nur zum Vergleich: Die Entwicklungskosten der irischen App, die ähnliche Funktionen haben soll und einen ähnlichen Zweck erfüllt, liegen bei 850.000 €.

Meine Damen und Herren, es ist Zeit für ein Update, und es ist wichtig und dringend Zeit für ein Update der Corona-App.

(Beifall FDP - Serpil Midyatli [SPD]: Ganz großes Kino!)

Lassen Sie uns auch die positiven Seiten sehen! Datenschutz ist eine der ganz großen Stärken. Es ist in der Tat, Frau Kollegin, in gewissem Maß großes Kino, dass es gelungen ist, in der App ein hohes Datenschutzniveau - einen Datenschutz by design einzubinden, etwas, was wir Anfang des Jahres von einer staatlichen Initiative nicht unbedingt erwartet hätten, wenn wir uns an die Diskussionen erinnern, die sich um die zentrale Datenhaltung drehte, wenn wir uns an die Diskussion erinnern, ob aus Bayern bestimmte Kollegen Zugriff auf die Daten haben können, um andere, nicht pandemiebezogene Themen damit abzuarbeiten. Da ist es in der Tat ganz

großes Kino, dass wir es geschafft haben, ein Datenschutzmodell in dieser App umzusetzen, das wirklich für sich spricht und seinesgleichen sucht.

(Beifall FDP und Hans Hinrich Neve [CDU])

Dieses Datenschutzmodell - unabhängig davon, welches Vertrauen in der Diskussion damals verlorengegangen ist - ist genau der Grund, weshalb wir dieser App vertrauen können und weshalb es sich genau lohnt, ein Update mit vielen neuen Funktionen durchzuführen, um sie wesentlich nützlicher zu machen. Die Kollegen haben viele Ansätze und viele Ideen gerade dargestellt. Letztendlich wollen die Menschen doch genau eine Sache, eine ganz einfache Sache: eine App, die mich informiert, ob ich Menschen mit Coronainfektion so nah gekommen bin, dass ich mir Sorgen machen muss, dass ich mir Gedanken machen muss, und eine App, die, wenn ich positiv getestet worden bin, andere darüber informiert: Achtung, da war was, pass auf dich auf, lass dich gegebenenfalls testen! Wir wollen eine App, die es möglich macht, mehr Kontakte im Fall der Fälle nachzuverfolgen, Menschen zu warnen schnell, automatisch, einfach und ganz wichtig: zuverlässig.

Ich möchte bei all dem, was bereits gesagt worden ist, auf besonders eine Kernfunktion eingehen: Was vielen Menschen wichtig ist, ist die zuverlässige und unkomplizierte Testverfolgung. Wer getestet worden ist und beim Test seine Handynummer und/ oder seine E-Mail-Adresse hinterlegt hat, der soll sein Testergebnis direkt auf das Handy geliefert bekommen, egal ob positiv oder negativ, egal ob PCRoder Schnelltest. Eine SMS, eine E-Mail, dann ein Klick, und die App dokumentiert meinen eigenen Test - das ist ziemlich trivial, wenn man es rein technisch sieht.

Aus Sicht der Labore muss das ein vollautomatischer Prozess sein, technisch ein simpler Webservice, eine Schnittstelle, die ein halbwegs begabter Programmierer - seien wir ehrlich - innerhalb weniger Tage programmieren und testen kann. Das ist für mich die Kernfunktion, die eine solche App in der nächsten Version haben muss.

(Beifall FDP, Joschka Knuth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nun gibt es aber Labore, die mit Faxen arbeiten, die Faxen machen, die meinen, es gehe nicht anders, die - so wird einem dann schulterzuckend gesagt, wenn man das hinterfragt; wir haben es in der Anhörung gehört - zu klein seien für aufwendige Prozesse. Es gibt also Labore, die hochsensible und

(Joschka Knuth)

hochtechnische Tests mit potenziell infektiösem Material durchführen, die aber keinen Internetanschluss haben wollen, die keinen PC haben wollen, die keinen Laptop oder Smartphone haben, die stattdessen ein Testergebnis ausdrucken oder aufschreiben, in ein Fax legen, die Nummer wählen und dann warten, bis das Blatt Papier eingezogen worden ist. Das kann es meines Erachtens nicht sein. Ich habe solche Ausreden satt.

(Beifall FDP und Joschka Knuth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb ist es wichtig, dass wir auch die Labore verpflichten, diese Schnittstellen, die wir hier brauchen, zu nutzen, um User sehr schnell, sehr direkt, nicht erst über Anrufe, sondern direkt über die App über ihre Testergebnisse zu informieren. Es gibt im Jahr 2020 keinen Grund mehr für ein Fax. Das kann mir kein Labor erzählen.

(Vereinzelter Beifall FDP und Beifall Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es geht um das Wollen, nicht um das Finden von Ausreden. Deshalb braucht die Corona-App ein schnelles, ein klares Update, einen Relaunch. Unser Antrag zeigt im Detail den Weg dafür auf - mit ganz wichtigen Features.

Ich danke Ihnen ganz herzlich und hoffe, dass das zügig umgesetzt wird. Wir werden sehen: Wir werden es brauchen.

(Beifall FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat Christian Dirschauer das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer Reihe dicht beieinanderstehender Dominosteine kann man das Umfallen nur stoppen, wenn man einen oder zwei Steine aus der Reihe entfernt. Bei einer Epidemie ist das genauso: Nur werden keine Steine, sondern Infizierte und potenziell Infizierte aus dem Spiel genommen, indem man sie in Quarantäne schickt. Das begreift eigentlich jedes Kind. Tatsache ist aber, dass viele Menschen nicht mehr wissen, wen sie vor sieben Tagen alles gesehen haben, wer also in Quarantäne gehört. Die Kontaktnachverfolgung durch das Gesundheitsamt nach einer Coronainfektion kann nur so gut sein, wie die Daten, die das Amt bekommt.

Genau dabei sollte die App helfen. Sie tut es aber nicht. Sie ist in diesem Punkt leider unzureichend. Es mag an der schnellen Entwicklung liegen oder an den hohen Vorgaben des Datenschutzes. Das interessiert mich nur bedingt, denn die Kurve können wir nur drücken, wenn sich weniger Menschen anstecken, als das jetzt der Fall ist, und dazu benötigen wir eine bessere Corona-App.

Im Frühjahr luden Millionen Menschen die App herunter. Schon damals zeigte sie Schwächen. Immer wieder musste sie auf einigen Geräten manuell erneut geladen werden, hängte sich auf oder zeigte merkwürdige Fehlermeldungen. Das kennen wir vermutlich alle. Die Kinderkrankheiten scheinen überstanden, aber immer noch meldeten im November viele User unerklärliche Abstürze der App. Darum gab es zuletzt am 26. November 2020 ein weiteres Update. Immer noch gibt es nicht die Möglichkeit, mehr als einen QR-Code pro App zu generieren. Wer schon einmal nach einem Test einen Code bekommen hat, bekommt beim zweiten Mal eine Fehlermeldung. Zwei- oder mehrmals Testen sieht die App nämlich nicht vor. Auch das muss schleunigst geändert werden. Aber auch dafür interessieren mich nicht die Gründe. Die einzige bundesweite Waffe gegen das Virus - das ist nun einmal die App - muss endlich störungsfrei funktionieren und zügig ausgebaut werden!

Immer noch entziffern die Zuständigen im Gesundheitsamt handschriftliche Listen, die unter anderem Kirchengemeinden nach den Gottesdiensten oder Altenheime führen. Schon deswegen sind elektronische Kontakttagebücher so wichtig und mehr als eben nur wünschenswert. Der Virologe Christian Drosten hatte schon im Oktober 2020 auf dieses sehr effektive Hilfsmittel hingewiesen. Passiert ist aber seitens derjenigen, die für die Corona-WarnApp zuständig sind, bisher nichts. Deswegen gibt es inzwischen eine Handvoll neuer Apps aus privater Hand, die in den jeweiligen Stores diese Lücke füllen wollen. Es kann doch nicht wahr sein, dass die deutsche Corona-Warn-App das nicht hinbekommt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der SSW unterstützt also auch in diesem Punkt die Initiative der regierungstragenden Fraktionen voll und ganz. Die Corona-Warn-App muss unverzüglich um ein Kontakttagebuch erweitert werden.

Wir schlagen darüber hinaus vor, dass die CoronaApp das Infektionsgeschehen in den Schlachthöfen berücksichtigen sollte. Deshalb sollte neben den Sprachen Arabisch, Französisch und Russisch die App auch in Rumänisch und Bulgarisch verfügbar sein. Viele Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter in

(Stephan Holowaty)

den Schlachthöfen kommen aus Bulgarien und Rumänien. In dieser Berufsgruppe hatten wir bereits große Infektionszahlen. Darum ist der Einsatz der App hier besonders wichtig.

Wichtig bleibt aber neben der technischen Weiterentwicklung auch, dass wir den Menschen fortlaufend weiter erklären, welchen großen Nutzen die App hat und wie sie zu bedienen ist. Denn - das wissen wir alle - die Technik ist immer nur so gut, wie der Mensch, der sie bedient. - Vielen Dank.

(Beifall SSW und Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Stefan Weber.

(Zurufe AfD)

- Verzeihung, Verzeihung, Verzeihung, und danke für den Hinweis.

Für den Zusammenschluss der Abgeordneten der AfD hat der Abgeordnete Claus Schaffer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Um die Corona-App ist es recht still geworden. Das ist dann auch schon das Beste, was man aktuell zu diesem Fehlschlag sagen kann. Annähernd 23 Millionen Downloads sind keine Erfolgsgeschichte, besonders dann nicht, wenn man die großen Hoffnungen bedenkt, die man mit dieser App verbunden hat. Und wieder ist es dann auch eine Frage der Akzeptanz, die aufgrund fehlender Transparenz nicht in erforderlichem Maße aufzubauen ist.

Etwa 3,3 Millionen Testergebnisse wurden bis Mitte November übermittelt, nicht alle Nutzer geben ihre Ergebnisse in das System. Das Misstrauen und die Sorge um die eigenen sensiblen Daten ist offenbar noch immer zu groß. Dazu passt dann auch, dass die Kritik von Datenschützern einfach nicht abreißen will. Nicht alle, und vor allem ältere Systeme nicht, sind für diese App geeignet. Funktionsaussetzer und Fehlfunktionen finden in einem Ausmaß statt, welches man eher Beta-Versionen zuschreiben würde. Unklar ist noch immer Effektivität und Nutzen dieser App. Sie wird zwischenzeitlich sogar als zahnloser Tiger bezeichnet.

Diesen Eindruck hat offensichtlich die Bundesregierung auch selbst, denn etwa seit dem Sommer

hat sie eine gewisse Distanz zur Weiterentwicklung dieser App erkennen lassen.

(Zuruf CDU: Das stimmt gar nicht!)

Die Debatte um die Corona-App - so liest man dreht sich inzwischen um weniger Datenschutz und mehr persönliche Informationen für die Gesundheitsämter. Mitunter wird auch eine Pflicht zur Installation dieser App diskutiert.

(Serpil Midyatli [SPD]: Wer denn?)

Das ist allerdings rechtlich schon sehr abwegig.

Da hier nun bereits die Grundfunktionen als Wunschdenken in der Entwicklung steckengeblieben sind, ist es doch reichlich ambitioniert, was der Antrag hier heute vorstellt. Weitere Schnittstellen für Restaurantbesuche und andere Freizeitaktivitäten bereitzustellen, ist wirklich ein hohes Ziel.

Gerade das Aufsetzen auf Systeme von Apple und Google bereitet zudem Sicherheitsexperten Kopfzerbrechen. Auf ein entsprechendes Sicherheitspapier des Bereichs Cyber-Sicherheit der TU Darmstadt sei hier verwiesen.

69 Millionen € Entwicklungskosten bis jetzt, keine ausreichende Zahl an Nutzern, keine ausreichende Funktionalität, Ineffektivität, kaum Nutzen. - Meine Damen und Herren, das sind die Schlagworte, die der aktuellen Corona-App zuzuordnen sind. Manchmal muss man von einem toten Pferd absteigen. Wir lehnen den Antrag daher ab. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Jetzt hat der Abgeordnete Stefan Weber das Wort zu einem Kurzbeitrag.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schaffer, ich muss Ihnen da widersprechen. Die Corona-App ist aus meiner Sicht ein Erfolg. Das ist von meinen Kollegen auch schon genannt worden: Eine staatliche App, die so viel Zuspruch von den Datenschützern, vom Bundesdatenschutzbeauftragtem, und vom Chaos Computer Club bekommen hat, das ist schon ein Erfolg. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass diese App vorangebracht wird.

(Vereinzelter Beifall SPD, CDU und FDP)