Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung und stelle fest, dass der Berichtsantrag, Drucksache 19/2632, durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.
a) Kapazitäten und Arbeitsbedingungen auf Schlachthöfen und in der Fleischverarbeitung in Schleswig-Holstein
b) Regelmäßige Überwachung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in der Fleischindustrie in Schleswig-Holstein sicherstellen
Zu a) erteile ich das Wort dem Herrn Berichterstatter des Sozialausschusses, dem Abgeordneten Werner Kalinka.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Für den Bericht zu b) erteile ich dann für die Landesregierung dem Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es ist aus meiner Sicht erfreulich, dass sich die Bundestagsfraktionen auf einen Kompromiss zum Arbeitsschutzkontrollgesetz verständigt haben. Ich will sehr deutlich sagen: Wir aus Schleswig-Holstein haben einen Kompromissvorschlag gemacht, der 10 % bei der Leiharbeit vorsah. Jetzt sind es 8 % in einer dreijährigen Evaluati
onszeit. Ich hätte mir mehr vorstellen können. Aber ich glaube, man kann schon sagen, wenn das Gesetzgebungsverfahren jetzt reibungslos läuft, was nicht mehr an uns liegt, dann kann das zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Es ist ein notwendiger Schritt, um die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie tatsächlich nachhaltig zu verbessern. Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, dass die Initiative von 16 Bundesländern, ausgehend von Schleswig-Holstein, maßgeblich dazu beigetragen hat, dass wir das nun miteinander hinbekommen.
Ein Teil der im neuen Arbeitsschutzkontrollgesetz vorgesehenen Änderungen betrifft alle Branchen und nicht nur die Fleischindustrie; darauf will ich noch einmal ausdrücklich hinweisen. So sind feste Besichtigungsquoten von jährlich 5 % in allen Betrieben spätestens ab 2026 vorgesehen. Für diese Kontrollen ist die Staatliche Arbeitsschutzbehörde der Unfallkasse Nord zuständig. Die StAUK wird also mehr Personal benötigen, um diese Quote zu erfüllen. Im Haushaltsplan für das kommende Jahr und in der Finanzplanung bis 2026 hat diese Koalition den zusätzlichen finanziellen Bedarf für weitere Stellen deswegen konsequenterweise bereits berücksichtigt.
Sobald das Gesetz vom Bund verabschiedet ist, wird mein Haus zunächst die Betriebe über die Neuregelungen informieren müssen. So können die Verantwortlichen in den Betrieben prüfen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.
Das neue Gesetz sieht vor, dass die Schwerpunkte der Kontrollen in Abhängigkeit vom Gefährdungspotenzial für die Beschäftigten gesetzt werden. Für mein Haus und für die StAUK ist das grundsätzlich nichts Neues. Per Erlass habe ich die StAUK am 30. Juni 2020 bereits angewiesen, angesichts der Coronaviruspandemie und der damit verbundenen Gefahren für die Gesundheit der Beschäftigten die Kontrollen in den Fleischbetrieben ganz erheblich auszuweiten. Die StAUK hat zunächst zweimal pro Woche die großen Betriebe mit Werksvertragsbeschäftigten kontrolliert. Zusätzlich wurden fisch-, geflügel- und fleischverarbeitende Betriebe mit über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und solche Betriebe kontrolliert, bei denen der Anteil der Beschäftigten aus Werkvertragsunternehmen über 30 % betrug. Zudem wurden auch die Unterkünfte der Beschäftigten in der Fleischindustrie und die Beförderung von der Unterkunft zum Betrieb kontrolliert. Bis Ende August hat die StAUK 21
fleisch-, fisch- und geflügelverarbeitende Betriebe insgesamt 108-mal überprüft. Die Kontrollen Ende August 2020 sind dann etwas reduziert worden, und die Kontrolldichte ist Anfang Oktober 2020 noch einmal angepasst worden, nachdem deutlich weniger Mängel in den Betrieben festgestellt worden sind.
Bereits Anfang Mai 2020 hatte die StAUK mit den Kontrollen in den Erntebetrieben begonnen und diese ausgeweitet, nachdem die Kontrollen in den fleischverarbeitenden Betrieben zurückgefahren wurden. Bis Mitte November 2020 hatte die Arbeitsschutzbehörde 112 Erntebetriebe kontrolliert und dabei 125 Mängel festgestellt. Die Kontrollen werden weiterhin unangekündigt durchgeführt und konzentrieren sich aktuell auch auf die Erntebetriebe für Weihnachtsbäume.
Damit die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie dauerhaft verbessert werden, werden die Kontrollen in den großen fleischverarbeitenden Betrieben ab Anfang des kommenden Jahres wieder ausgeweitet. Die StAUK wird umfassend prüfen, ob und wie die neuen Anforderungen des Arbeitsschutzkontrollgesetzes tatsächlich umgesetzt werden. Vorgesehen ist ein zeitlich befristeter, gebündelter Einsatz der Aufsichtskräfte der StAUK. Mit dem neuen Gesetz müssen Gemeinschaftsunterkünfte, in denen vier oder mehr Beschäftigte wohnen, auch außerhalb des Geländes eines Betriebes oder einer Baustelle die arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen erfüllen. Daher werden auch diese Gemeinschaftsunterkünfte überprüft, die der Arbeitgeber stellt. Zudem besteht für die Arbeitgeber die Pflicht, die Unterbringung der Beschäftigten gegenüber den Behörden zu dokumentieren, was die Kontrollen für die StAUK erleichtern soll. Ziel der Kontrollen ist, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Fleischindustrie strukturell und nachhaltig zum Wohle der dort beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbessert wird.
Die Überprüfung wird in engem Austausch mit anderen Behörden erfolgen. Meine Damen und Herren, wenn Sie sich ein bisschen mit der Materie beschäftigt haben, dann wissen Sie, dass das auch gar nicht anders sein kann. Dieses Verfahren hat sich bewährt. Mein Haus hat bereits 2018 bei der Informations- und Überwachungskampagne zu den Unterbringungs- und Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen und in der fleischverarbeitenden Industrie genau diese Zusammenarbeit eingeleitet. Dabei hat die StAUK eng mit Zoll, Bauordnungsämtern und den Gesundheitsämtern zusammengearbeitet.
Gerade mit dem Zoll wird eine enge Kooperation erforderlich sein. Hintergrund ist das Verbot von Fremdpersonal im Kerngeschäft der Schlachtung, der Zerlegung und grundsätzlich auch in der Verarbeitung in großen fleischverarbeitenden Betrieben. Das kann nur der Zoll auf der Grundlage des Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetzes kontrollieren. Dafür benötigt er entsprechend die Informationen der StAUK. Umgekehrt benötigt die Staatlichen Arbeitsschutzbehörde Daten über aufgezeichnete Arbeitszeiten, die beim Zoll liegen. Die in der Fleischindustrie eingeführte Pflicht zur digitalen Zeiterfassung ermöglicht in Zukunft genau diese effektive Kontrolle, dass die Beschäftigten tatsächlich den gesetzlichen Mindestlohn erhalten und die zulässigen Höchstarbeitszeiten eingehalten werden können. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank für Ihren Bericht. Ich erkenne ausdrücklich an, dass mehr kontrolliert wird und dass schärfere Regeln insbesondere für die Unterbringung und Überprüfung möglicher Infektionen erlassen wurden. Sie haben dankenswerterweise auch mehr Personal zugesagt. Das wird sicherlich noch konkreter zu besprechen sein.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Kontrollen und die öffentliche Wahrnehmung der zum Teil inakzeptablen Bedingungen auch bei uns erst verstärkt wurden, als NDR und andere diese Missstände noch einmal thematisiert und aufgedeckt haben und damit das ehrenamtliche Engagement des Stützkreises Kellinghusen, der Kirchen und der Gewerkschaften honoriert haben. Für dieses Engagement möchte ich mich ausdrücklich bedanken.
Wir haben alle noch die Bilder aus Bad Bramstedt, Böklund und Satrup vor Augen. Auch in Schleswig-Holstein zeigen diese das systematische Versagen seit vielen Jahren und die Verantwortungslosigkeit einer ganzen Industrie, nicht des Handwerks.
mussten. Ich habe das nicht für möglich gehalten, obwohl ich mich schon seit vielen Jahren mit Arbeits- und Gesundheitsschutz beschäftige.
Um konkret zu machen, worüber wir reden, erlaube ich mir - mit Erlaubnis der Präsidentin -, den katholischen Pfarrer Peter Kossen aus Rheda-Wiedenbrück zu zitieren - er formuliert es zwar für die Situation in Gütersloh, aber auch allgemein für die Fleischindustrie -:
„Diese Leute … werden hier ausgebeutet. Sie werden verschlissen … Sie werden zu Konditionen beschäftigt und untergebracht, die nicht zu rechtfertigen sind … Einfach verbraucht man Menschen...“
Seit Jahren werden Teile der Fleischwirtschaft wegen ihrer Arbeits- und Unterkunftsbedingungen massiv kritisiert, geschehen ist zu wenig. Hier sind offensichtlich Menschen und Unternehmer am Werke, denen die Kritik, denen Gesetze und denen die Menschen egal sind.
Konsequenterweise hat deshalb Minister Heil das Arbeitsschutzkontrollgesetz auf den Weg gebracht, um die Missstände bei den Vertragsverhältnissen, bei der Unterbringung und der Arbeitszeit zu unterbinden.
Wir haben in diesem Haus darüber gesprochen. Ich kann nur dringend appellieren, dass das Gesetz jetzt ohne weitere Öffnungsklauseln beschlossen wird.
Sehr geehrter Herr Minister, natürlich haben wir zur Kenntnis genommen, dass auch Sie schon vor Ausbruch der Pandemie aktiv eine Verbesserung des Arbeitsschutzes in der Fleischindustrie angemahnt haben. Ich will ausdrücklich anerkennen, dass Sie im vergangenen Jahr eine Aufklärungskampagne für die Werkverträgler auf den Weg gebracht haben, um diese über ihre Rechte zu informieren.
Man muss sich trotzdem auf der Zunge zergehen lassen: Nach über 20 Jahren Arbeitsschutzgesetz brauchen wir ein Arbeitsschutzkontrollgesetz, also ein Gesetz, das kontrolliert, ob sich jemand an den gesetzlichen Arbeitsschutz hält, und das auch, weil die Fleischindustrie meint, sich nicht an die Gesetze halten zu müssen. Selbstverpflichtung und Ehrenkodex sind bei den „Fleischbaronen“ offensichtlich nicht viel wert.
Aber auch beim Arbeitsschutzkontrollgesetz reden wir noch nicht einmal über die Basics eines modernen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Ich möchte daran erinnern, was das seit 25 Jahren gültige Ar
beitsschutzgesetz von allen Unternehmen, auch in der Fleischindustrie, verlangt. Ich möchte ein paar Punkte nennen und kann ansonsten nur empfehlen, sich das Gesetz einmal genauer anzusehen.
Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet jeden Arbeitgeber, Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, die eine Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten zum Ziel haben, Gefährdungen für das Leben und die physische und psychische Gesundheit durch die Arbeitsbedingungen, Arbeitsabläufe, Arbeitsmittel regelmäßig zu analysieren und zu vermeiden, eine geeignete Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und die erforderlichen Mittel dafür bereitzustellen, Führungskräfte und Beschäftigte systematisch und ausführlich über den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu informieren.
Eigentlich ist jeder Arbeitgeber bei bekannten Gefährdungen nicht nur verpflichtet, Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu entwickeln, sondern auch persönlich haftend, wenn er dies nicht tut. Das gilt übrigens für alle Beschäftigten im Betrieb, also auch für Leiharbeiter, Werkverträgler und so weiter, also auch alle in der Fleischindustrie; alle haben sich daran zu halten.
Tatsächlich hat aber weniger als die Hälfte der Betriebe einen arbeitsmedizinischen Dienst, noch weniger haben eine betriebliche Organisation zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, nur 10 % der Betriebe verfügen über einen vollständigen Prozess der Gefährdungsbeurteilung. Ich befürchte, dass das in der Fleischindustrie noch schlechter aussieht.
Die Frage ist, warum sich so viele Betriebe letztlich nicht an das Arbeitsschutzgesetz halten. Es gibt sicherlich viele Antworten darauf. Eine ist, dass es zu wenig Kontrollen und kaum Sanktionen gibt. Nicht nur in der Fleischindustrie muss mehr kontrolliert und beraten werden. Hierzu reichen die Ressourcen der StAUK sicherlich nicht aus. Der Minister hat es gesagt: Die Ressourcen des staatlichen Arbeitsschutzes müssen dringend aufgestockt werden. Wir werden das im Sozialausschuss noch genauer behandeln müssen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.