Protocol of the Session on December 9, 2020

Warum also überhaupt dieser Antrag? Damit will ich auch eine Frage der GdP beantworten. Zu dem tief empfundenen Respekt für das Berufsbild der Polizistin beziehungsweise des Polizisten gehört auch, dass wir sie vor Einflüssen schützen, die ihnen und ihrer Reputation schaden können.

(Beifall FDP und CDU)

Ich finde es daher gut und richtig, zielgerichtet zu hinterfragen, wieso es in anderen Teilen Deutschlands oder in den Metropolen anders ist. Ein Vorwurf aus dem polizeilichen Alltag ist beispielsweise, dass „ihr mich nur kontrolliert, weil ich so aussehe“. Wenn aber nach einem Täter südländischen, schmächtigen Typs gefahndet wird, macht es keinen Sinn, einen hellblonden Bodybuilder aus Skandinavien zu kontrollieren. Pauschale Vorwürfe machen also keinen Sinn. Es macht aber Sinn, Fehlverhalten in der öffentlichen Verwaltung und bei der Polizei, sobald es auftritt, strikt zu ahnden. An dieser Stelle möchte ich die vorbildliche, stringente und professionelle Ahndungskultur der Landespolizei Schleswig-Holstein ausdrücklich loben.

(Beifall FDP, CDU, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Es ist ein guter Schritt, wenn das Innenministerium hier gezielt die wesentlichen Eckpfeiler, wie das Werteverständnis und die Grundhaltung der Landespolizistinnen und -polizisten, hinterfragt und eben nicht von vornherein infrage stellt. In § 34 des Beamtenstatusgesetzes, das unmittelbar für die Landespolizei gilt, heißt es unter anderem:

(Aminata Touré)

„Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. … Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.“

Damit ist eine wichtige Leitplanke definiert. Die Landespolizei und dieses Haus sind eine Wertegemeinschaft und Wertepartnerschaft. Das ist gut für alle, und das sollte man nicht infrage stellen.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleichwohl halte ich diese Studie für sinnvoll. Wir erhoffen uns dadurch wertvolle Erkenntnisse für verschiedene Bereiche. Ich zum Beispiel möchte gerne wissen, wo und in welchem Milieu die Polizei, aber auch andere öffentliche Einrichtungen besonders für Einflüsse auf ihre Grundeinstellung empfänglich sind. Ich würde auch gerne erfahren, wie und warum Frustration entsteht, die eine Veränderung der Einstellung zur Folge haben kann. Vielleicht ist es manchmal einfach auch nur ein Hilferuf des Beamten oder der Beamtin. Aber wir müssen uns die Frage stellen: Warum ist das so?

Schließlich möchte ich auch gerne wissen, was wir dagegen tun können. Wir können jetzt diese wichtigen Erkenntnisse gewinnen und die erforderlichen Schritte darauf folgen lassen. Damit tragen wir nach meiner festen Überzeugung einen weiteren Teil dazu bei, den Respekt gegenüber unserer Polizei zu stärken und zu erhalten.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und nicht zuletzt: All dies trägt zu einer weiteren Versachlichung der Diskussion bei. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Lars Harms [SSW])

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatten der letzten Monate über verschiedene Möglichkeiten für Polizeistudien haben meiner Meinung nach offenbart, wie zwiegespalten wir gesellschaftlich in zweierlei Sachen sind: in unserem Verhältnis zur Polizei und im Umgang mit

Rassismus. Mein Eindruck war oft, dass die individuellen Beiträge zur Polizei vom Entweder-oder geprägt waren, entweder bedingungslose Treue oder systematische Ablehnung, entweder der Polizei das Vertrauen entziehen oder Polizei als Institution nicht kritisieren dürfen. Gleichzeitig gibt es eine irgendwie im leeren Raum wabernde Debatte, weil belastbare Zahlen fehlen. Da hat es nicht geholfen, wie lange sich der Bundesinnenminister dem Vorschlag gegenüber gesperrt hat, die Frage nach strukturellem Rassismus in der Polizei untersuchen zu lassen.

Mir fehlte manchmal der Prozess, einen Schritt zurückzutreten und noch einmal ganz genau darauf zu blicken, wie es bei uns in Schleswig-Holstein tatsächlich ist. Die Landespolizei ist - das ist uns allen etwas schmerzlich bewusst - auch in den letzten Jahren nicht frei von Schlagzeilen gewesen. Die Vorfälle in Eutin 2016 und jüngst veröffentlichte Chats eines hohen Polizeigewerkschafters haben viel Aufmerksamkeit erfahren. Das lässt sich nicht ignorieren; denn auch Einzelfälle können das Bild einer Institution prägen.

Daher geht es uns als SSW nicht um einen Generalvorwurf gegenüber der Polizei; davon bin ich sehr weit weg. Aber es geht um Aufklärung, auch im Eigeninteresse der Polizei. Gibt es in irgendeiner Art Anhaltspunkte für menschenverachtende Haltungen in der Polizei? Gibt es das Dulden rassistischen Verhaltens, oder gibt es strukturelles Wegsehen bei extremistischen Äußerungen?

Bisher kann man glücklicherweise feststellen, dass es in Schleswig-Holstein dafür keine Anhaltspunkte gibt. Die antragstellenden Fraktionen halten es selbst fest: Der Lagebericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden lässt für Schleswig-Holstein kein strukturelles Problem vermuten. Auch unsere Polizeibeauftragte bestätigt das in ihrem Tätigkeitsbericht.

Aber ein tatsächliches Bild der Lage haben wir damit nicht bekommen. Wir wissen nichts über Dunkelziffern, und wir arbeiten immer wieder mit einzelnen Erzählungen statt mit einem wissenschaftlichen Überblick. Für so etwas braucht es eben Studien.

Wie vielschichtig das Forschungsfeld Polizei bereits jetzt ist, habe ich durch meine Kleine Anfrage im November erfahren: Da gab es 24 interdisziplinäre Forschungsfragen seit 2019 zu Themen wie Diversity in der Polizeiausbildung, Krisenkommunikation oder Vorurteilsstrukturen, für die unsere

(Jörg Hansen)

Landespolizei Daten bereitgestellt, Informationen vermittelt oder beraten hat. Nach Forschungsmüdigkeit sah mir das nicht aus.

Wichtig ist für mich vor allem, dass wir weiter offen über solche Fragen diskutieren können, gerade auch in Institutionen, deren Mitglieder darauf angewiesen sind, einander vertrauen zu können. Unsere Polizistinnen und Polizisten kommen in ihrer beruflichen Laufbahn in Situationen, in denen ihre körperliche Unversehrtheit vom Vertrauen in ihre Kollegen abhängt. Aber Wegsehen und Schweigen oder gar das Deckeln von Verhaltensweisen aus falsch verstandener Solidarität bringen uns gesellschaftlich nicht weiter. Korpsgeist kann auch Vertrauen verspielen.

In Schleswig-Holstein hat sich in den letzten Jahren viel getan. Hier ist ein Prozess in Gang gekommen, auf den ich politisch stolz bin. Wir haben als Küstenkoalition zum Beispiel das Amt der Polizeibeauftragten eingerichtet,

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

und es wurden die Führung der Polizeischule in Eutin gewechselt und Lehrpläne überarbeitet. Zuletzt hat sich die Schule dem Programm „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ angeschlossen. Das ist genau der richtige Weg.

Unsere Bürgerinnen und Bürger - so ist jedenfalls mein Eindruck - vertrauen unserer Polizei. Aber eines ist eben auch klar: Vertrauen muss man sich immer wieder erarbeiten, und unsere Polizei tut das jeden Tag. Aber die große mediale und gesellschaftliche Debatte des letzten Jahres, die - man könnte schon fast sagen - weltweit geführt worden ist, macht an den Grenzen Schleswig-Holsteins nicht halt. Auch wenn es von einigen als ungerecht empfunden wird, ist es eben von besonderer Wichtigkeit zu zeigen, dass unsere Polizei transparent, integer und empathisch arbeitet. Das staatliche Gewaltmonopol der Polizei benötigt gewissermaßen einen Vertrauensvorschuss der Bürgerinnen und Bürger.

Damit das so bleibt, werden wir beiden Anträgen zustimmen. Wir könnten auch gut damit leben, dass wir das Ganze an den Ausschuss geben. Vielleicht macht es Sinn, zu beiden Anträgen die Meinung der Polizei zu hören. Wir haben jetzt gut über sie geredet, aber vielleicht sollten wir auch mit ihr reden. Vielen Dank.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist ja ungewöhnlich, aber das kann man ja mal machen! - Unruhe)

Für den Zusammenschluss der AfD hat der Abgeordnete Claus Schaffer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte um einen angeblich gar strukturellen Rassismus in der Polizei hat bundesweit mit den Black-Lives-Matter-Demonstrationen einen emotionalen Höhepunkt einerseits und einen rationalen Tiefpunkt andererseits erreicht.

(Anhaltende Unruhe)

In den USA besteht eine vollkommen andere Situation hinsichtlich der Polizei, ihrer Ausbildung und auch der Polizeigewalt. Dennoch wurden unbegründete Vorwürfe von Willkür, Gewalt und Rassismus auf unsere Polizei übertragen. Ohne jede Reflexion wurde so ein ganzer Berufsstand unter Generalverdacht gestellt.

Die in den USA von Extremisten unterwanderte Black-Lives-Matter-Bewegung lieferte der hiesigen Linkenpolitik ein willkommenes Betätigungsfeld. Die Polizei zu schwächen steht bekanntermaßen schon länger auf der Agenda der Linken.

(Anhaltende Unruhe - Glocke Präsidentin)

Es dauerte nicht lange, da tauchten erste Studien auf, die zu belegen versuchten, was politische Zielrichtung war.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Die Universität Bochum lieferte angebliche Hinweise auf eine rassistische Polizei. Dass in der Studie wissenschaftlich fragwürdige Opferbefragungen ein sehr einseitiges Bild zeichneten, wurde vielfach kritisiert. In der Öffentlichkeit jedoch blieb der Vorwurf des Rassismus an der Polizei hängen.

Dann kam - wie auch heute wieder - der Begriff des Racial Profiling in Umlauf. Weil das englische Wort irgendwie auf ein rassistisches Handeln hinzudeuten schien, war der nächste Vorwurf geschaffen. Betroffen war hier beispielsweise die Bundespolizei, die als eine ihrer Aufgaben die Bekämpfung der illegalen Migration aufweist.

Welche Personen aber kontrolliert man zum Beispiel in deutschen Zügen, wenn man illegale Migration aus Syrien, Afghanistan, Irak oder Nordafrika allgemein als statistisch belegte Hauptherkunftsländer und -regionen erkannt hat? Natürlich sind das Personen, die dem Phänotypus dieser Herkunftsregionen entsprechen. Das ist normale Polizeiarbeit.

(Lars Harms)

Das läuft dann unter dem Begriff Racial Profiling. Man ordnet Menschen eben nach dem äußeren Anschein einer regionalen Herkunft zu, mit allen dazugehörigen Fehlern und auch Trefferquoten.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Typus der Rechtsra- dikalen!)

Der Bericht der Polizeibeauftragten hat für unsere Landespolizei keine Hinweise auf Rassismus und schon gar nicht auf einen strukturellen Rassismus ergeben. Ich bin sehr dankbar, dass auch das hier wieder deutlich gesagt wurde.

Nach unserer Auffassung sollte das Thema damit vom Tisch sein, denn alles andere kann die Polizei in sich selbst klären, wie es in der PD AFB bereits der Fall war.

Ihr Antrag - ich bin dankbar dafür - erkennt dies an. Sie machen trotzdem weiter und bereiten so den Boden für die Demontage des Ansehens der Polizei in der Bevölkerung. Damit fördern Sie ein Klima der Verunsicherung in der Polizei. Denn Beamte werden sich künftig genau überlegen, ob es der eigenen Karriere förderlich ist, Recht und Gesetz ohne Ansehen der Person anzuwenden, beziehungsweise ob die politische Bedeutung der Herkunft einer Person über der rechtlichen Bedeutung steht. Das sollten wir auf keinen Fall zulassen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so eine Unterstel- lung! - Unruhe)

Für die Landesregierung hat das Wort die Ministerin für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung, Dr. Sabine Sütterlin-Waack.

„Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, die Landesverfassung und alle in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen.“