Protocol of the Session on November 20, 2020

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es fällt schon schwer, nach diesen einleitenden Worten dann doch auf den Antrag der AfD einzugehen, aber das muss hier getan werden.

Schon die Überschrift Ihres Antrags ist eine Zumutung. Sie sprechen von Religion des Terrors und bringen das in Verbindung mit dem sogenannten politischen Islam. Ich empfehle Ihnen, sich besser zu informieren, was unter dem Begriff des politischen Islam wissenschaftlich verstanden wird. Wir haben in Hamburg das German Institute for Global and Area Studies, ein Leibniz-Institut, einen

Thinktank in Deutschland. Gehen Sie dahin, und lassen Sie sich informieren, wofür politischer Islam steht. Dieser politische Islam steht auch für Demokratieentwicklungen in arabischen Ländern, und das unterschlagen Sie, wenn Sie den politischen Islam gleichsetzen mit terroristischem Islamismus. Aber diese Differenzierung ist dringend nötig.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Aber das passt ja wunderbar in Ihr Konzept. Sie werfen ganz viele unterschiedliche Aspekte und Begriffe in einen Topf, rühren alles einmal kräftig durch, um dann am Ende den Eindruck zu erwecken, dass der Islam, also die Religion, für die jüngsten Terrorakte verantwortlich ist. Das ist infam. Es ist widerwärtig, und es ist in schlimmster Form diskriminierend.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt CDU)

Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir nach den verabscheuungswürdigen Anschlägen der letzten Wochen in Europa der Bedrohung des Islamismus entschieden entgegentreten werden. Diese Anschläge geben Anlass zu größter Sorge. Sie zeigen, dass unter dem Deckmantel der Religion - insofern gibt es natürlich einen Bezug - Terror verübt wird, um unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft anzugreifen, uns zu verunsichern und zu terrorisieren.

Aber wir können da durchgucken. Wir können erkennen, dass das mit Religion aber auch überhaupt nichts zu tun hat. Die aktuelle Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus ist hoch und darf nicht unterschätzt werden, und sie wird auch nicht unterschätzt. Wir müssen der Gefahr ins Gesicht sehen, dass der extremistische Islamismus leider in europäischen muslimischen Gemeinden zunehmend Wurzeln schlagen kann. Deshalb müssen wir uns kritisch fragen, wie es überhaupt zu solchen Milieus in Deutschland und auch in anderen Ländern Europas kommen konnte, wie es dazu kommen konnte, dass Menschen sich aus unserer zivilen Gesellschaft verabschieden und zu einer ernst zu nehmenden Gefahr für unsere Gesellschaft werden.

Das Grundübel, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, war und ist, dass wir es zugelassen haben, hier in Deutschland in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts Parallelgesellschaften zu fördern Wir haben es als deutsche Gesellschaft versäumt, die Gastarbeiter, die zu uns gekommen sind und die einen erheblichen Anteil am Wiederaufbau Deutschlands haben, zu integrieren, wir haben sie ausge

(Lasse Petersdotter)

grenzt. Erinnern wir uns, jedenfalls die Älteren unter uns, an die Schimpfwörter, die wir für Italiener hatten, die wir für Portugiesen, Spanier oder Türken hatten. Das hatte mit Integration und Akzeptanz, mit Aufnahme nichts zu tun. Das war pure Abgrenzung und Ausgrenzung. Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich hier Parallelgesellschaften entwickelt haben, die heute ein Problem für uns sind.

Dagegen müssen wir massiv angehen. Deshalb ist es für uns unbedingt erforderlich, dass wir endlich damit anfangen, unsere Integrationsarbeit hier in Deutschland zu verbessern, damit wir die Menschen, die zu uns kommen und die auch zu uns kommen werden, in diese Gesellschaft integrieren, ihnen unsere Werte vermitteln, damit es zu diesen Auswüchsen überhaupt nicht kommen kann und damit fremde Mächte und Organisationen, die diesen Terrorismus fördern und fordern und uns damit bedrohen, hier keinen Nährboden haben und keine Rekrutierungsmärkte entwickeln können, weil wir die Integration zu sehr vernachlässigt haben.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und SPD)

Wir müssen darüber hinaus die Ursachen für die stark radikalisierten Mitglieder der Szene und den Hass der betreffenden Menschen wirklich wissenschaftlich erforschen, und wir müssen vorausschauend handeln, um weitere Radikalisierungen zu verhindern. Dafür müssen wir die bestehenden gesetzlichen Instrumente besser ausschöpfen, Präventionsprojekte fördern und weiterentwickeln, auch solche der Türkischen Gemeinde, und vor allem wie gesagt - unsere Integrationsarbeit verbessern.

Meine Damen und Herren, was wir nicht brauchen, sind neue Gesetze und Verordnungen, die massiv in die Rechte aller Menschen in Deutschland eingreifen werden und in der Regel die Sicherheitslage nicht wirklich verbessern.

Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ein Satz noch: Die Verschärfung von Gesetzen ist letztlich häufig nur ein Placebo, wir brauchen andere Maßnahmen, um gegen Radikalisierung besser und spürbar vorzugehen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt CDU)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer sich den Ursprungsantrag des Abgeordneten Schaffer ansieht, der könnte meinen, dass bezüglich der islamistischen Gefährder in der Vergangenheit in Deutschland nichts getan wurde und dass diese Menschen hier ungehindert tätig sein können. Das sind, gelinde gesagt, Fake News.

Sehen wir uns doch einmal die wirklichen Zahlen an. Noch 2017 hatten wir 720 in Deutschland gemeldete islamistische Gefährder. In diesem Jahr sind es, Stand 1. September 2020, nur noch 627. Die Anzahl ist also merklich geringer geworden, und ich nehme es vorweg: Das hat etwas mit Abschiebungen zu tun.

Um aber die Lage genauer einschätzen zu können, sind zwei Fakten entscheidend. Der erste Fakt ist, dass von diesen 627 Gefährdern 320 Deutsche sind. Das heißt, man kann über die Hälfte dieser Menschen gar nicht abschieben. Der zweite Fakt ist, dass sich laut Bundeskriminalamt circa die Hälfe der genannten islamistischen Gefährder gar nicht in der Bundesrepublik aufhalten. Die meisten sind in Kampfgebiete gezogen. Jemand, der nicht hier ist, kann somit nicht ausgewiesen werden, auch das ist logisch.

Legt man diese Zahlen zugrunde, dann haben wir ungefähr 300 ausländische islamistische Gefährder, von denen sich möglicherweise die Hälfte im Ausland befindet. Es bleiben somit potenziell vielleicht 150 bis 200 ausländische islamistische Gefährder, die dann gegebenenfalls auswiesen werden könnten. Und, meine Damen und Herren, man tut es auch. Allein im letzten Jahr wurden 54 islamistische Gefährder abgeschoben. Das Land NordrheinWestfalen lässt gerade per Gutachten herausfinden, ob solcherlei Abschiebungen von Gefährdern noch leichter möglich sein können.

Es mag im Einzelfall tatsächlich Abschiebehemmnisse geben, nämlich, wenn eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der jeweiligen Person besteht. Das kommt aber gar nicht so oft vor, wie der Antrag von Herrn Schaffer glauben machen will. Im Gegenteil, es wird in viele Länder abgeschoben: nach Algerien, nach Marokko, nach Tunesien, in den Irak, nach Pakistan, nach Russland und in viele andere Länder. Im Übrigen sei in einer Nebenbemerkung gesagt, dass es für die Abschiebung

(Jan Marcus Rossa)

von Gefährdern nicht notwendig ist, ein Land als sicheres Herkunftsland zu deklarieren.

Sie können also sehen, dass hier durchaus gehandelt wird und dass unsere Sicherheitsbehörden auch eng an diesen Gefährdern dran sind, denn die, die noch hier sind, und die, die in jedem Fall hierbleiben werden, weil sie Deutsche sind, werden engmaschig beobachtet. Das gilt im Übrigen auch für die anderen Gefährder. Es gibt nämlich nicht nur Islamisten, sondern es gibt auch in anderen Bereichen Gefährder.

Das Bundeskriminalamt listet derzeit 70 rechtsextremistische Gefährder und einen linken Gefährder. Genau wie bei anderen extremistischen Haltungen auch, graben wir den islamistischen Gefährdern das Wasser nur dann ab, wenn wir schon am Anfang bei der Radikalisierung - anfangen. Und da kann man dann sagen, dass der Jamaika-Antrag und auch die Ergänzung der SPD genau den richtigen Ansatz verfolgen.

In dem Wissen, dass alle rechtlichen Möglichkeiten zur Abschiebung von islamistischen Gefährdern genutzt werden, müssen wir doch sehen, dass wir Deradikalisierungsprogramme brauchen, um allen anderen auch den richtigen Weg auf den richtigen Pfad zu zeigen. Hier müssen wir mit den Migrantenorganisationen zusammenarbeiten. Wir müssen klarmachen, welche demokratischen und freiheitlichen Grundwerte für uns unabdingbar sind, und das ist eine Aufgabe, die Alteingesessene genauso haben wie auch diejenigen, die in den letzten Jahrzehnten zu uns gekommen sind.

Und da passiert auch schon etwas in SchleswigHolstein, wie zum Beispiel die Projekte mit den Türkischen Gemeinden zeigen. Zu einer solchen Verdeutlichung unserer Werte gehört auch, dass extremistische Vereine wie zum Beispiel die Grauen Wölfe verboten werden. Wir müssen darüber hinaus auch negativen Einfluss aus dem Ausland eindämmen. Das heißt, Geldflüsse müssen überwacht und der Konsularunterricht an den Schulen hinterfragt werden. Imame müssen in Deutschland ausgebildet werden, so wie es jetzt in Osnabrück geschehen soll, und dann sukzessive die aus dem Ausland entsandten Imame ersetzen. Solche Maßnahmen sind in jedem Fall nachhaltiger und effektiver als Debatten über Gefährder-Abschiebungen, die ohnehin schon stattfinden.

Es geht hier darum, dass wir viele Menschen haben, die hier bleiben, die radikalisiert worden sind. Ob wir denen helfen können, weiß ich gar nicht. Aber worum es eigentlich gehen muss, ist, dass keine

neuen Leute dazukommen. Das ist unsere eigentliche Aufgabe. Ich finde, da müssen wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, damit eben keiner mehr in diese Radikalisierungsspirale hineinkommt. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der AfD-Abgeordnete Jörg Nobis.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Gefährdungslage im Land ist hoch. „Mit Anschlägen muss jederzeit gerechnet werden“, sagte vor zwei Wochen noch Bundesinnenminister Horst Seehofer im Deutschen Bundestag. Er führte die Gefahr dann näher aus. Da habe ich etwas andere Zahlen als Sie, Herr Harms.

Es gibt in Deutschland mindestens 615 den Sicherheitsbehörden bekannte islamistische Gefährder. Davon hätten 217 ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit und 117 sowohl die deutsche als auch eine andere Staatsangehörigkeit. Es bleibt dann die größte Gruppe übrig: mindestens 281 ausländische islamistische Gefährder leben in Deutschland, meine Damen und Herren.

Der Auftrag an die Innenminister sollte also klar sein: Für mindestens 281 Gefährder muss schnellstmöglich ein Weg gefunden werden, sie dauerhaft außer Landes zu schaffen, und zwar unter Ausnutzung sämtlicher rechtlicher Möglichkeiten.

Wenn die Gesetze dafür zurzeit nicht ausreichen sollten - wie schnell ein neues Gesetz durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht werden kann, das haben wir in dieser Woche ja beim sogenannten Bevölkerungsschutzgesetz gesehen. Hier geht es tatsächlich einmal darum, die Bevölkerung zu schützen. Sorgen Sie also für die sofortige Aufenthaltsbeendigung von 281 islamistischen Gefährdern ohne deutschen Pass!

Das hat selbst Heiko Maas damals schon gesagt. Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt sagte er - ich zitiere:

„Abschiebehaft sollte … für Gefährder auch dann verhängt werden dürfen, wenn die Herkunftsstaaten bei der Rückführung nicht kooperieren.“

(Lars Harms)

Im nächsten Schritt ist natürlich auch bei den 117 Gefährdern mit doppelter Staatsangehörigkeit zu prüfen, ob diese nicht in Übereinstimmung mit Artikel 16 unseres Grundgesetzes ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlieren können. Ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit darf nur aufgrund eines Gesetzes eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird, was bei einer doppelten Staatsangehörigkeit ja nicht der Fall ist.

Setzen Sie sich also in Berlin dafür ein, dass so ein Gesetz geschaffen wird, damit von den Sicherheitsbehörden als Gefährder eingestufte Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit ihre deutsche Staatsangehörigkeit per Gesetz verlieren und des Landes verwiesen werden können!

Herr Innenminister, ich fordere Sie auf: Nutzen Sie alle Möglichkeiten, die Sie haben in Berlin und anderswo, um nicht deutsche Gefährder aus Deutschland zu schaffen!

(Zurufe SPD: Hallo! Sag mal! - Weitere Zu- rufe)

Ich bedanke mich, dass Sie mir zugehört haben.

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Doris von Sayn-Wittgenstein.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! „Schüler droht seiner Lehrerin mit Enthauptung“, titelte die Berliner Tageszeitung am 12. November 2020. Hierbei handelte es sich nicht um einen Ausrutscher, sondern nach Bekanntwerden dieser Drohung meldeten sich weitere fünf Berliner Lehrer, die ebenfalls unverhohlene Morddrohungen erhalten hatten.

Ob Gewalt gegen Andersgläubige oder Sharia-Gerichte in abgeschotteten Vierteln deutscher Städte wo der Islam zur Mehrheit wird, ist er totalitär und aggressiv.

Die Anschläge von Nizza, Paris und Wien - um nur einige wenige zu nennen - und das vielsagende Schweigen der islamischen Länder hierzu sind wie die sprichwörtliche biblische Schrift an der Wand. Muss ein moderner Rechtsstaat eine Religion dulden, die gegen seinen demokratisch normierten Wertekanon verstößt und die staatlich verfasste Ordnung ablehnt, ja, sie sogar aktiv bekämpft? Diese Frage hat zum Beispiel Österreich schon in der Weise beantwortet, dass dort, wo der Islam in