Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der islamistische Terrorismus war nie verschwunden. Daran haben uns in den letzten Wochen die Anschläge in Wien, Nizza, Paris und Dresden unerbittlich erinnert. Jeder Mensch, der Opfer eines solchen Anschlages wurde, ist einer zu viel. Deswegen gelten in diesem Moment unsere Gedanken zuallererst den Angehörigen der Ermordeten und der Verletzten.
Terrorismus ist keine normale Kriminalität. Er ist dem Wortsinn nach Schrecken. Er will das Zusammenleben in unserer freien Gesellschaft verändern. Der sogenannte IS hat bereits vor fünf Jahren im Netz seine Ziele in entlarvender Deutlichkeit skizziert. Jeder islamistische Anschlag in der westlichen Welt soll antiislamische Stimmung wachsen lassen. Er soll Polarisierung befeuern, Muslime stigmatisieren und in der Folge in die Arme militanter Islamisten treiben. Die Anschläge der vergangenen Wochen sind Angriffe auf unsere freien Gesellschaften. Aber sie sind vor allem auch Anschläge auf das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Es ist unsere Aufgabe als Demokratinnen und Demokraten, dafür zu sorgen, dass dieser perfide Plan nicht aufgeht.
(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])
Unser Rechtsstaat hat das Gewaltmonopol, und unser Rechtsstaat garantiert ein hohes Maß an Sicherheit. Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt. Ich bin wirklich nicht der Meinung, dass
Ganz anders übrigens als Flüchtlinge, die wir aktuell einsperren - in Glückstadt dankenswerterweise mit Kinderspielplatz -, obwohl sie beim besten Willen nichts verbrochen haben.
Wir müssen damit leben, dass es in einer offenen, freien Gesellschaft keine absolute Sicherheit geben kann. Ich habe deshalb wenig Verständnis dafür, dass jeweils fünf Minuten nach einem Anschlag der nächstbeste Vorschlag zur Gesetzesverschärfung kommt. Das nützt der politischen Profilierung; der Sache nützt es nicht.
Unser Rechtsstaat ist auch dann gefragt, wenn es reale oder wahrgenommene Konflikte zwischen Grundrechten gibt. Unser Grundgesetz sichert die Freiheit des Glaubens, des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Aber es sichert auch die Meinungsfreiheit. Ersteres steht nicht über Letzterem. Das gilt auch für Karikaturen, die nicht jedem gefallen müssen.
Der Islam gehört zu Deutschland. Musliminnen und Muslime sind seit vielen Jahrzehnten selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft. Es ist entscheidend, dass wir diesen Teil unserer Gesellschaft vor den Spaltungsversuchen schützen. Wir müssen mehr auf die klugen Köpfe derer hören, die um Hilfe bitten, wenn es um wirksame Prävention gegen Islamismus geht. Dazu würde es beispielsweise gehören, die Islamkonferenz aufzuwerten, die progressiven Kräfte zu stärken, aber auch all jenen Organisationen, die erwiesenermaßen vom Ausland gesteuert oder finanziert werden, konsequent eine rote Linie aufzuzeigen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es braucht nicht nach jedem Anschlag erneut einen politischen Wettbewerb um die lauteste oder schrillste Forderung. Erst recht braucht es keine Rechten und Rassisten, die solche Anschläge nutzen, um ihr eigenes Süppchen zu kochen. Denn es ist kein Geheimnis: Islamisten und Rassisten teilen ein Ziel. Sie wollen kein friedliches Zusammenleben, sie wollen diese Gesellschaft auseinandertreiben. Wer sich ihre Ideologien anschaut, der kann die Parallelen nicht übersehen: Beide sind autoritär. Beide verachten unsere Demokratie, auch wegen der Freiheiten, die bei uns alle Menschen genießen, egal welchen Geschlechts, welcher Herkunft, welcher sexuellen Orientierung. Beide sind sich einig in ihrem Antisemitismus. Beide folgen Menschen
Wir wollen keinen Kulturkampf. Es geht auch nicht um Religion. Auch unsere christliche Kirche hat mit Kreuzzügen und Inquisition nicht nur eine gute Vergangenheit. Nein, heute geht es um den Missbrauch von Religion, um Gewalt zu begründen. Es muss einen klaren Konsens geben: Wir lehnen Gewalt ab, egal von wem sie ausgeht, egal gegen wen sie sich richtet, egal wie sie begründet wird.
Wer Gewalt anwendet, der verabschiedet sich aus dem Konsens der Demokraten. Dem muss der Rechtsstaat einen Riegel vorschieben.
Ich will dem Antrag der AfD nicht mehr Aufmerksamkeit widmen, als er verdient. Aber es ist natürlich nicht bloße Unachtsamkeit, wenn Sie den Landtag heute beschließen lassen wollen, dass es derzeit keine andere Ideologie gebe, die den europaweiten Terrorismus so präge wie der politische Islam. Das ist bewusste Unterschlagung der Ideologie der Rechtsterroristen, die ebenfalls europaweit ihr Unwesen treiben, und die Hauptgefahr kommt in Deutschland nach wie vor von rechts, meine sehr verehrten Damen und Herren.
François Hollande, der während der großen Anschläge von Paris vor fast genau fünf Jahren französischer Präsident war, hat sich vor einigen Tagen mit einem bemerkenswerten Interview zu Wort gemeldet. Darin hat er all denen widersprochen, die sich nach der Ermordung von Samuel Paty in Islamkritik und Forderungen nach Verschärfungen gegenseitig überboten haben. Ich finde, ein Satz von ihm verdient besondere Beachtung: Wir müssen beides gleichzeitig tun - den islamistischen Terrorismus bekämpfen, aber dabei auch wir selbst bleiben.
Das war übrigens auch die Antwort, die der norwegische Ministerpräsident nach dem schrecklichen Attentat auf Utøya gab. Wir müssen bei uns selbst bleiben! Sicherheit und Freiheit - beides gehört zusammen.
Es ist schade, dass die Koalition die Hinweise, die wir in unserem Antrag gegeben haben, nicht aufgenommen hat. Ich will Ihnen aber sagen, dass wir mit Blick auf die Rechtsradikalen hier im Haus den Konsens bevorzugen und deshalb Ihrem Antrag zustimmen werden. Ich glaube, dass es ein wichtiges
Zeichen ist, wenn die Demokraten in diesem Hause sagen: Wir wenden uns gegen Gewalt, egal, von wem sie ausgeht. Dahinter treten die Differenzen zurück, die wir sonst im Einzelnen miteinander haben mögen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Terrorismus hat immer das Ziel, eine Gesellschaft durch Angst und Schrecken zu destabilisieren. Dabei geht es nicht nur um ein diffuses kollektives Empfinden und eine politische Polarisation in einer Gesellschaft; es geht auch explizit um das Schüren ganz persönlicher Ängste und von Ressentiments, um das Säen von Argwohn und um das Zurückziehen auf sich selbst, auf diejenigen, die einem ähnlich erscheinen beziehungsweise die man für ähnlich hält. Das gehört zu den zentralen Zielen der Taten von Nizza, Paris, Dresden, Wien und an vielen anderen Orten weltweit, an denen islamistischer Terror mordet und tyrannisiert.
Unsere Aufgabe muss es sein, diesem Plan - und es ist ein expliziter Plan, eine eindeutige Strategie nicht auf den Leim zu gehen. Deswegen spreche ich auch im Namen meiner Fraktion den Opfern und den Hinterbliebenen mein tiefes Beileid aus.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP, SSW, Dr. Frank Brodehl [frakti- onslos] und Doris Fürstin von Sayn-Wittgen- stein [fraktionslos])
Ich spreche auch den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die in den sehr unübersichtlichen Terrorlagen tätig werden müssen, meinen Dank aus.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP, SSW und Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [fraktionslos])
Diese Terrorlagen gehen immer mit einer hohen Gefahr für das eigene Wohlergehen und die eigene Gesundheit einher, und in den ersten Minuten herrscht viel Durcheinander. Meist ist zunächst von mehreren Täterinnen oder Tätern die Rede.
gegen den Islamismus auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und sie gegebenenfalls zu verbessern. Es geht darum, sie auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen, nicht auf ihre Stammtischfähigkeit.
An dieser Stelle will ich aus dem AfD-Antrag nur einen Punkt herausziehen, den Begriff „politischer Islam“. Das ist ein Kampfbegriff, der verwendet wird, um zivilgesellschaftliches Engagement von Musliminnen und Muslimen zu erschweren und im Zweifelsfall zu kriminalisieren. Das, was die AfD durch die Verwendung dieses Begriffs am Ende des Tages wünscht, ist, dass Musliminnen und Muslime nicht aktiv werden, dass sie nicht das machen, was Kollege von der Heide hier angesprochen hat, zum Beispiel gemeinsam mit jüdischen und christlichen Gemeinden für die Verankerung berechtigter religiöser Interessen in der Landesverfassung einzutreten. Genau das ist es, was Sie stört. Sie wollen Musliminnen und Muslime in der Gesellschaft unsichtbar machen und so zivilgesellschaftliches Engagement verhindern, zumindest erschweren.
Das ist genau nicht der Weg, den wir gehen möchten. Wir stehen an der Seite muslimischer Gemeinden in Schleswig-Holstein, sowohl im Kampf gegen Islamismus als auch im Kampf gegen Sie, Herren von der AfD.
An dieser Stelle sei mir das Eingehen auf eine Frage gestattet, weil die Debatte in den letzten Wochen einen bestimmten Drive bekommen hat: Sind politisch linke Kräfte in Deutschland eigentlich konsequent genug in der Ablehnung islamistischer Umtriebe, und grenzt man sich ausreichend von diesen ab?
Um diese Auffassung zu haben, muss man schon sehr ignorant sein, was politisch linke Kräfte, gerade solche aus der kurdischen Community, und was queere Muslime in Deutschland angeht. Migrantische linke Kräfte weisen seit Jahren darauf hin, was für islamistische Umtriebe es auch in Deutschland gibt. Sie weisen darauf hin, dass das ein Problem, eine Gefahr ist.
Die meisten Opfer von islamistischen Übergriffen und Morden sind übrigens immer noch Muslime. Deshalb müssen wir genauer hinschauen. Dort sitzt Expertise, die leider viel zu oft übersehen wird.
Islamismus ist dezentral organisiert; das macht es so wahnsinnig schwierig. In der Forschung spricht man auch von „Franchise-Terrorismus“. Jeder kann sich - wie bei McDonalds - die Idee auf die Fahne schreiben und gilt dann als Teil des Gesamtkonzerns. Das macht auch die Beobachtung schwer. Das bedeutet für uns, dass wir noch viel mehr hinschauen müssen. Deutlich wird auch: Islamismus hat keine Nationalität.
Wir müssen zusehen, dass wir die Szene weiterhin im Fokus der Beobachtung behalten. Wir dürfen aber auch bei der Beobachtung von Einzelpersonen nicht nachlassen. Wir lassen die Angst, den Schrecken und die gesellschaftliche Stabilisierung durch islamistische Kräfte in dieser Gesellschaft nicht zu. Wir reagieren mit Mut, Aufklärung und sicherheitspolitischer Entschlossenheit. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Anteilnahme gilt heute in besonderem Maße den Opfern des islamischen Terrors und den Angehörigen, die unter den Folgen dieser terroristischen Übergriffe in den letzten Wochen lange leiden werden. Wir werden diesen Terror nicht dulden. Wir werden uns ihm entgegenstellen. Wir werden mit den Opfern Solidarität üben müssen. Dafür treten wir hier und heute, in dieser Plenardebatte, ein.
Aber wir werden auch in unseren politischen Ausrichtungen neue Wege gehen müssen, um der Gefahr des Islamismus entgegenzutreten.