Protocol of the Session on October 14, 2015

Wir haben topausgebildete Landwirte hier in Schleswig-Holstein, sind eine Gunstregion. Alles das haben wir rauf und runter diskutiert. Diesen Tagesordnungspunkt hätte man auch in gemeinsamer Debatte mit dem nächsten verbinden können. Aber ich finde die getrennte Debatte gar nicht schlecht, denn so kann ich zweimal darauf hinweisen, wie schlecht dieser Antrag aus unserer Sicht gestaltet ist.

Nachdem die Tierhalter dran waren, sind jetzt die Ackerbauern dran, und ich möchte Sie, Herr Minister, direkt auf einen Bericht hinweisen, der nicht aus Ihrem Haus kommt, sondern vom Umweltbundesamt, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit, im Jahr 2015 vorgestellt wurde. Dieser Bericht beschäftigt sich mit dem Themenschwerpunkt Wasser, Grundwasser, Trinkwasserqualität in Deutschland. Merkwürdigerweise, und das lässt mich stutzen, kommt dieser Bericht zu ganz anderen Ergebnissen. Nun ist meine Verwirrung relativ groß: Wer ist denn nun zuständig? Das

(Sandra Redmann)

Bundesgesundheitsamt, das Umweltbundesamt, oder das Umweltministerium in Schleswig-Holstein - mit ganz unterschiedlichen Aussagen?

Ich will - mit Erlaubnis des Präsidenten - aus einer ganz aktuellen Pressemitteilung vom 12. Oktober 2015 zitieren, die Umweltbundesamtpräsidentin Frau Maria Kratzberger.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Krautzberger! - Hans-Jörn Arp [CDU]: Das ist egal! Er kennt sie ja doch nicht!)

Sie hat laut einer dpa-Meldung gesagt: In den letzten 30 Jahren hat sich das Grundwasser, was Pestizideinspülungen angeht, absolut verbessert. Es gibt rückläufige Trends in der Belastung; das ist die Bundesaussage.

Hier wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. Das kann es so nicht sein. Das verschreckt nicht nur mich - und jetzt passen Sie auf, Frau Redmann -, das verschreckt natürlich auch denjenigen, der jeden Tag die Zeitung liest. Wie soll er denn jetzt reagieren? Gibt es wirklich Belastungen in Schleswig-Holstein, die man ernst nehmen muss, und muss ein Umweltminister oder vielleicht auch eine Sozialministerin in irgendeiner Form tätig werden, oder gibt es sie nicht? Da beziehe ich mich wieder auf die Bundeszuständigkeit.

Ich hätte mich auch gefreut, wenn Sie auf Ihre in Auftrag gegebene Studie eingegangen wären. Sie wollen eine Steuer auf Pflanzenschutzmittel erheben. Das hat Frau Redmann eben zu Recht in Teilen kritisch gesehen. Aus meiner Sicht ist die Studie bisher relativ undifferenziert. Ich erkläre Ihnen auch, warum. Sie verteuert die eingesetzten Betriebsmittel. Das wird von den Bauern bisher eindeutig als Strafsteuer gesehen. Hauptkritikpunkt ist, dass die Agrarwissenschaft in diese Studie nicht eingebunden war. Außerdem werden Sie, wenn Mittel günstig sind, wenige Effekte beim Einsparen haben. Versehen Sie ein günstiges Mittel mit einer Strafsteuer, wird es nur geringfügig teurer und insofern vermehrt eingesetzt werden. Da sind wir beim nächsten Tagesordnungspunkt. Gerade das Roundup Glyphosat - das werden wir noch besprechen ist eines der günstigsten Herbizide, das eingesetzt wird. Wenn sie den Preis um 20 % verteuern, wird es wenige Ansätze zum Sparen und wenig Sparabsichten geben.

(Beifall CDU)

Insofern ist der angesetzte Hebel aus unserer Sicht völlig falsch.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal darauf eingehen, warum es bei uns in der Gesellschaft überhaupt Pflanzenschutzmittel gibt. Sie wissen alle, sie sind gut 50 Jahre im Einsatz. Das haben Sie richtig geschildert. Bisher haben sie absolut nur zu Verbesserungen geführt: Die Lebensmittel sind sicher. Die Lebensmittel sind sauber. Die Lebensmittel sind auch noch gesund.

(Zuruf: Nee!)

- Das können Sie nachher wiederlegen. Denken Sie an die Verpilzung von Getreide.

Ich möchte Ihnen eine Empfehlung mit auf den Weg geben. Warum konzentrieren Sie sich nur auf das Wasser? Beproben Sie doch die Lebensmittel direkt. Sie werden sehen, dass fast alles in Ordnung ist. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Marlies Fritzen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So kennen wir nicht nur Heiner Rickers, so kennen wir die CDU: Verharmlosen, Verneinen von Sachen, die in dem Bericht, wenn Sie ihn denn gelesen hätten, Herr Kollege Rickers, eindeutig nachgewiesen sind. Der Minister hat einige Zahlen genannt. Im Bericht sind weitere genannt. Sie tun hier so, als gebe es überhaupt kein Problem.

(Heiner Rickers [CDU]: Haben Sie den Be- richt überhaupt gelesen?)

Das ist fahrlässig und verantwortungslos - auch im Sinne der Landwirtschaft.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Pestizide sind Unkraut- und Insektenvernichtungsmittel. Von manchen werden sie auch verniedlichend Pflanzenschutzmittel genannt. Es sind Mittel, die in der Natur nicht vorkommen. Sie treffen häufig die Falschen, weil sie eben nicht zwischen Nützlingen und Schädlingen unterscheiden und somit auch sogenannte Nichtzielorganismen treffen. Im Falle des Grundwassers, aus dem wir hier in Schleswig-Holstein unser Trinkwasser zu 100 % gewinnen, ist dieser Nichtzielorganismus der Mensch - auch Sie alle, die Sie hier sitzen.

(Heiner Rickers)

Die Pestizidbelastung für die menschliche Gesundheit in bedenklicher Konzentration hatte in Schleswig-Holstein bereits die Stilllegung von Förderbrunnen zur Folge. Auch dieses haben Sie gerade eben nicht nur nicht angesprochen, sondern Sie haben sogar so getan, als gebe es so etwas nicht. Sprechen Sie einmal mit Ihren Kollegen auf Föhr.

Wir wissen also seit Langem: Hier tickt eine Zeitbombe, nur hören will sie kaum einer - die CDU schon gar nicht. Weil die Pestizide oft erst nach Jahrzehnten den Weg durch den Boden, durch die Grundwasserschichten, gefunden haben, messen wir heute Stoffe im Trinkwasser, die seit Langem verboten sind. Der Minister hat es angesprochen. Ich sage es Ihnen noch einmal, Herr Rickers, falls Sie den Bericht nicht gelesen haben sollten - was ich glaube. Bei 3 % gibt es sogar eine Grenzwertüberschreitung.

Wenn Sie mit den Wasserversorgern reden würden, dann würden Sie sehen, dass Sie als Landwirt hier nicht unschuldig verfolgt werden, wie Sie es hier darstellen wollen, sondern dass wir ein ernsthaftes Problem haben.

Diese Grenzwertüberschreitung beziehungsweise diese Probleme durch die Belastung sind seit Jahren gleich geblieben. Immer wieder heißt es: Wir entwickeln neue Stoffe, sie sind völlig unbedenklich und leicht abbaubar. Nach jahrelangem massenhaftem Einsatz werden diese Stoffe dann doch mit ihren ökologischen und gesundheitlichen Folgen als fatal erkannt. Dann wird es Verbote oder Anwendungsbeschränkungen geben. Die Industrie entwickelt daraufhin wieder neue, angeblich noch wirksamere und angeblich noch ungefährlichere Stoffe. Weitere Jahrzehnte später schlagen sich die Wasserversorger, die Untersuchungslabore, die Überwachungsbehörden - aber nicht die CDU - mit den alten Wirkstoffen und ihren giftigen Abbauprodukten herum. Da sind wir heute, und dies beschreiben wir - wie Sie im Positiven - im Negativen seit 50 Jahren. Aus den sogenannten Pflanzenschutzmitteln sind nämlich längst Schadstoffe geworden, die letztlich auch die menschliche Gesundheit bedrohen.

Es entspricht allerdings nicht dem Verursacherprinzip, dass die Wasserversorger, die Wasserkunden und die Steuerzahler mit diesen Kosten belastet werden. Auch das möchte ich hier noch einmal sehr deutlich hervorheben.

Pflanzenschutzmittel, Pestizide, in Flüssen und Seen mögen im ersten Moment weniger brisant erscheinen als im Grundwasser, denn wir trinken die

ses Wasser ja nicht. Trotzdem gibt es infolge der EU-Wasserrahmenrichtlinie auch strenge Vorgaben für zulässige Konzentrationen von Schadstoffen in Oberflächengewässern. Ich erinnere daran, dass wir den guten ökologischen Zustand, den wir eigentlich in diesem Jahr erreicht haben sollten, in keinem der Gewässer erreichen, und zwar trotz massenhafter Beratung nicht. Herr Rickers, alle Ihre Landwirtschaftskollegen wissen um die Problematik, dass diese Belastung nicht abnimmt, sondern eher zunimmt.

Der Zusammenhang mit den Oberflächengewässern wird im Bericht ebenfalls dargestellt. Diese sind nicht völlig getrennt von den Grundwasserleitern. Zum anderen schädigen diese Schadstoffe Lebensgemeinschaften der Gewässer und reichern sich schließlich in der Nahrungskette an. Das hat die Kollegin Redmann gesagt.

Sie haben Glyphosat angesprochen, auf das wir später noch eingehen werden. Die Weltgesundheitsorganisation hat diesen Stoff kürzlich als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Dieser Stoff verbreitet sich immer mehr in der Umwelt und wurde bereits in einigen schleswig-holsteinischen Seen und häufiger noch in Fließgewässern nachgewiesen. Der Minister hat es gesagt, und es steht im Bericht: In über 90 % von Schleswig-Holsteins Flüssen und Bächen - also fast flächendeckend - finden sich Pestizide, die nachgewiesen wurden. Das Landeslabor hat in Wasserproben 125 verschiedene Pestizide und deren Abbauprodukte untersucht und nachgewiesen. Meine Damen und Herren, das ist die neue Vielfalt der modernen Landwirtschaft. Das ist keine Vielfalt mehr auf dem Acker, dafür aber ein vielfältiger Chemiecocktail in den Gewässern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Strategie für die Reduzierung des Einsatzes ist erforderlich. Die Pestizidsteuer wurde genannt. Sie diskreditieren diesen Vorschlag natürlich. Das war nicht anders zu erwarten. Mit keinem einzigen Wort aber sagen Sie, wie Ihrer Meinung nach diese massive Belastung der Umwelt und letztlich unseres Trinkwassers reduziert werden soll. Darauf gehen Sie überhaupt nicht ein. Sie diskreditieren jeden Vorschlag, der gemacht wird.

Herr Kollege Rickers, ich habe Sie eben so verstanden, dass Sie die Steuer nicht wollen. Dann müssen Sie, und das ist die Logik aus Ihren Worten, konsequenterweise zu einem Totalverbot kommen. Da hätten Sie mich an Ihrer Seite.

(Marlies Fritzen)

Frau Abgeordnete!

Darüber können wir noch einmal beim nächsten Tagesordnungspunkt diskutieren, wenn Sie Ihren Antrag zu Glyphosat vorstellen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Oliver Kumbartzky das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich danke ganz herzlich für den Bericht. Er setzt sich sehr anschaulich mit der Thematik der Pestizidrückstände in Gewässern auseinander. Dabei wird eine Unterscheidung zwischen Grundwasser und Oberflächengewässern getätigt, was ich richtig finde.

In der Zusammenfassung der Pflanzenschutzmittelbefunde im Grundwasser steht geschrieben, dass Pflanzenschutzmittel in das Grundwasser gelangen können. Das ist richtig. Weiter heißt es aber, und hier möchte ich auch zum Beweis dafür, dass ich den Bericht gelesen habe, zitieren:

„Höhe und Häufigkeit der Befunde lassen nicht auf ein massives flächendeckendes Problem schließen. Die Tatsache, dass die Stoffe verlagert worden sind, erfordert aber nach wie vor eine große Achtsamkeit bei der Anwendung.“

Die Befunde stellen aufgrund der sehr langsam verlaufenden Tiefenverlagerung einen Eintrag aus früheren Jahren bis Jahrzenten dar. Das dürfen wir nicht verkennen. Festzuhalten ist zudem, dass einige der gefundenen Stoffe bereits seit mehreren Jahren keine Zulassung mehr besitzen. Nichtdestotrotz ist natürlich eine Ursachenanalyse vorzunehmen.

Ich komme noch einmal zu den Oberflächengewässern: Der Bericht zeigt auf, dass in den Jahren 2010 bis 2014 an 298 Oberflächengewässer-Messstellen, das entspricht 91 %, Pflanzenschutzmittelwirkstoffe nachgewiesen wurden. Das ist eine sehr hohe Zahl, gar keine Frage. Natürlich bedarf es hier einer genauen Ursachenanalyse.

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Fritzen, es ist selbstverständlich, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln eine große Achtsamkeit erfordert. Wir brauchen darüber eine sachliche und fachliche Debatte. Sie aber sagen einfach: Am besten müsste man Pflanzenschutzmittel komplett verbieten. Das begreife ich nicht als Teil einer sachlichen und fachlichen Debatte.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Wir müssen einmal überlegen: Warum gibt es Pflanzenschutzmittel? - Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass wir in Deutschland die weltweit strengsten Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel haben. Ebenfalls nicht außer Acht lassen dürfen wir die Tatsache, dass die heutige Messtechnik den Nachweis extrem kleiner Mikrospuren ermöglicht, deren Abwesenheit in der landwirtschaftlichen Produktion niemand garantieren kann.

Die Frage lautet doch: Was machen wir mit dem vorliegenden Bericht? Was leiten wir aus ihm ab? Unstrittig ist, dass die Verwendung von nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln illegal ist und konsequent verfolgt werden muss.

(Beifall FDP und Astrid Damerow [CDU])