Protocol of the Session on October 14, 2015

(Beifall FDP und Astrid Damerow [CDU])

Fakt ist aber auch, dass in Deutschland seit vielen Jahren ein hohes Schutzniveau und strenge Regelungen bei der Zulassung und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln gelten. Das Minimierungsgebot ist bereits genannt worden. All dies ist aus gutem Grund so, schließlich sollen die Verbraucher, die Umwelt und die Anwender geschützt werden.

Weiter ist Fakt, dass es in Deutschland seit vielen Jahren zur guten fachlichen Praxis gehört, dass die Landwirte beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sachkundig sein müssen.

Ein weiterer Fakt, den ich nennen möchte: Angesichts der steigenden Weltbevölkerung ist ein effizienter Einsatz der Ressource Boden unbedingt notwendig.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Von Wasser auch!)

- Frau Kollegin, beispielsweise ist der Ertrag von Weizen ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln etwa um die Hälfte geringer. Das können Sie nicht abstreiten, das ist so. Das zeigt angesichts zunehmender Flächenkonkurrenz in Deutschland die Notwendigkeit des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Es ist also notwendig, dass man die Effizienz steigert. Warum sonst setzt man Pflanzen

schutzmittel ein? - Vielleicht können Sie uns das erklären, wenn Sie alles besser wissen. Fakt ist aber, dass ein verantwortungsvoller Einsatz von Pflanzenschutzmitteln einen erheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen hat. Laut einer Studie von Wissenschaftlern der Berliner Humboldt-Universität belaufen sich die Wohlstandsgewinne durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf etwa 4 Milliarden €.

Ich will noch einen Fakt nennen: Für die Vermeidung von Resistenzbildungen bei Schadorganismen ist es unverzichtbar, dass eine ausreichend große Auswahl von verschiedenen Pflanzenschutzmitteln zugelassen und in der Praxis einsetzbar bleibt. Ich gehe davon aus, dass der Minister all diese Fakten kennt. Daher muss er aus dem Bericht etwas anderes ableiten.

Dann kam dieses Gutachten, da wurde noch einmal tief in die Mottenkiste grüner Agrarpolitik gegriffen, und siehe da: Man erfindet mal eben eine neue Steuer. Die Forderung nach einer Pestizidsteuer mag im innerparteilichen Wahlkampf gut ankommen, gar keine Frage. Darüber hinaus aber sind die Pläne vollkommen unsinnig. Ich wundere mich sehr, dass Sie dieses Thema gar nicht erst aufgegriffen haben, Herr Dr. Habeck. Die Kollegin Redmann hat doch zu Recht gesagt: Das muss in den Parlamenten, im Bundestag und in den Landtagen, diskutiert werden, und Sie schweigen dies hier einfach tot. So schüchtern kenne ich Sie gar nicht. Vielleicht sagen Sie nachher noch einmal etwas dazu. Ich glaube, es lohnt sich, über eine mögliche Pestizidsteuer eine Debatte zu führen. Hierzu will ich gern schon einige Argumente nennen:

Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft würde durch die Kostenerhöhung weiter eingeschränkt werden. Die Nahrungsmittelproduktion könnte insgesamt gefährdet werden, und auch biologisch birgt die Sondersteuer Gefahren, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Stichwort Resistenzbildungen.

Sie sagen auch, Sie wollten die eingenommenen Mittel an die Landwirtschaft zurückgeben. Hier möchte ich frei nach Goethe zitieren: Ihre Botschaft vernehme ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

An Frau Fritzen gerichtet möchte ich sagen, was ich mir vorstelle: Ich stelle mir vor, dass wir, anstatt neue Steuern zu erfinden, Pflanzenschutz nachhaltig gestalten sollten. Nachhaltigkeit ist ein Thema der Grünen. Es bedarf Innovationen, neuer Techni

ken, verbesserter Produkte und auch weiterhin sachkundiger Anwender. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Für die Fraktion der PIRATEN hat Herr Abgeordneter Sven Krumbeck das Wort.

(Zurufe PIRATEN)

Pardon, Frau Abgeordnete Beer, das ist hier falsch angekommen. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns PIRATEN ist klar: Der europäische Vorreiter beim Umweltschutzziel hinkt beim Gewässerund Trinkwasserschutz leider hinterher.

Der Bericht der Landesregierung - dafür bedanke ich mich ebenso wie für die Einladung, in Berlin teilzunehmen, was mir aber leider nicht möglich war - zeigt auf, dass diese kein wirklich flächendeckendes Problem erkennt. Sie stellt aber auch fest, dass Pestizide, die seit Jahren keine Zulassung mehr besitzen, nachgewiesen werden. Was also ist zu tun?

Ist die Idee von Robert Habeck, eine Pestizidsteuer einzuführen, das Gelbe vom Ei? Wir sind insoweit etwas vorsichtig; denn Verbote sollten immer die letzte Stufe sein und dürfen keineswegs ideologisch begründet sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Rückstände von Pflanzenschutzmitteln im Grund- und Trinkwasser sind ein echtes Problem, und die Gewässerqualität im sogenannten Echten Norden ist gefährdet. Das ist jedenfalls das Ergebnis unserer Überlegungen, wenn man diesen Bericht liest.

Pflanzenschutzmittel, die täglich auch in Gärten, Feldern und Grünflächen versprüht werden, sind eine Gefahr für unsere Gewässer. Pflanzenschutzmittel sind chemische Gifte, die Pflanzen vor Schadorganismen schützen sollen. Sie töten, sie vertreiben und hemmen die Keimung, das Wachstum und die Vermehrung von Organismen.

Wie kommen diese Gifte in unser Wasserglas? Diese Pestizide werden überwiegend in der Landwirtschaft, aber auch in Kleingärten eingesetzt. Aufgrund ihrer hohen Wasserlöslichkeit gelangen diese Substanzen beziehungsweise Abbauprodukte, diese sogenannten Metaboliten, aufgrund ihrer hohen Wasserlöslichkeit und in Verbindung mit hohen

(Oliver Kumbartzky)

Niederschlägen und durchlässigen Bodentypen über den natürlichen Wasserkreislauf in das Grund- und Trinkwasser. Da diese Stoffe extrem langsam abgebaut werden, belasten deren Rückstände und das Abbauprodukt auch Jahre später noch unser Grundwasser. Dies allein sollte für uns alle ein Grund dafür sein, eine weitere Verunreinigung zu vermeiden und den Einsatz von diesen Giften ganz grundsätzlich zu überdenken.

(Beifall PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwar liegen die von den Wasserwerken genutzten Grundwasserleiter häufig tiefer als die Messstellen, aber jedem von uns ist doch klar, dass dieses nicht mehr lange gutgehen kann. Es muss daher etwas beim Gewässerschutz passieren.

Sauberes und pestizidfreies Trinkwasser ist ein Gemeinschaftsgut von hohem Wert, weshalb wir in der Verantwortung stehen, dieses zu schützen. Die Menschen erwarten doch zu Recht, dass wir Wasser vor der Verunreinigung durch Pestizide und deren Abbauprodukte schützen.

(Beifall PIRATEN)

Aber nicht nur das Grundwasser ist gefährdet - das ist hier gesagt worden -, sondern auch in Oberflächengewässern sind Pestizide ein Problem. Wie giftig diese Pflanzenschutzmittel sind, zeigt sich bei aquatischen Lebensgemeinschaften. Damit meine ich jetzt Algen, Amphibien, Fische und auch Singvögel, die sehr empfindlich auf direkte und indirekte Pestizidbelastungen reagieren. Diese sind ein guter Indikator für den Zustand unseres Ökosystems.

Viele Trinkwasserversorger in Norddeutschland stellen an ihren Grundwasserqualitäten Rückstände von diesen Pflanzenschutzmitteln fest und müssen deshalb das Wasser filtern. Die Kosten für diese Notwendigkeit tragen aber nicht etwa die Verursacher, sondern werden an die Verbraucher weitergereicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass überhaupt Pestizidrückstände gefunden werden, ist ein echter Grund zur Besorgnis und sollte uns auch im zuständigen Ausschuss detailliert beschäftigen.

(Beifall PIRATEN und SPD)

Wir PIRATEN fordern deshalb verbesserte Konzepte zum Schutz unserer Gewässer. Ich glaube, wir sollten durchaus auch die Vorschläge aus dem Agrarbereich aufgreifen. Dort wird gesagt: „Was soll jetzt wieder eine Steuer? Wir brauchen mehr Aufklärung, und wir brauchen mehr Kurse für die

Landwirte.“ Das ist durchaus kein Widerspruch, sondern ich glaube, wir müssen an vielen Stellen handeln.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

In einer idealen Welt sollten im Trinkwasser keinerlei Pestizide oder deren Abbauprodukte gefunden werden. Es ist daher unsere Aufgabe, die Oberflächengewässer als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu erhalten und das Grundwasser als Quelle nicht nur unseres Trinkwassers, sondern auch zur Bewässerung der Felder zu schützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir freuen uns auf die Beratungen im Umwelt- und Agrarausschuss. In diesem Zusammenhang ist zu überlegen, ob wir nicht auch den Europaausschuss beteiligen sollten, weil ja auch die EU-Richtlinie eine Rolle spielt. Der Schwerpunkt jedoch liegt selbstverständlich bei uns. Wir bedanken uns für den Anstoß bei Umweltminister Habeck. Aber, wie gesagt: Eine grüne Steuer hilft nicht zur Verbesserung unserer Umwelt, sondern wir sollten alle Vorschläge in die Diskussion einbeziehen. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN)

Das Wort für den SSW hat der Herr Abgeordnete Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Einsatz von Pestiziden ist nicht hundertprozentig kontrollierbar. Das heißt: Wenn das Gift raus ist, dann wirkt es auch dort, wo es nicht gewollt ist, und es lässt sich nicht mehr zurückholen. Damit wären wir dann auch schon bei dem vorliegenden Bericht, für dessen Vorlage ich mich auch noch einmal bedanken möchte.

Bereits seit den 80er-Jahren gibt es Funde von Pflanzenschutzmitteln, PSM, im Grundwasser. Dies hat seinerzeit dazu geführt, dass 1989 strenge Grenzwerte eingeführt wurden, was zur Stilllegung von Förderbrunnen und Versorgungsanlagen in Schleswig-Holstein führte. Das Problem von PSM im Grundwasser ist also bereits seit über drei Jahrzehnten bekannt.

Wenn wir heute den Bericht lesen, müssen wir feststellen, dass das Problem nicht kleiner geworden ist. Dem Bericht liegen die aktuellen Analyseergebnisse für Grundwasser aus dem Zeitraum von 2010 bis 2014 zugrunde. In diesem Zeitraum wur

(Angelika Beer)

den 387 Grundwassermessstellen - einmalig oder mehrfach - auf PSM-Wirkstoffe oder veränderte Abbaustoffe, Metaboliten, untersucht. Das Ergebnis zeigt, dass in 139 dieser Messstellen Wirkstoffe oder Abbaustoffe nachgewiesen wurden. Bei 12 Untersuchungen wurden Wirkstoffe oder relevante Metabolite gefunden, die den gesundheitlichen Orientierungswert weit überschreiten. Bei 9 Messstellen wurde der gesundheitliche Orientierungswert von nicht relevanten Metaboliten gemessen. Insgesamt wurden Wirkstoffe und/oder deren Abbaustoffe nahezu flächendeckend ermittelt.

Auch wenn Häufigkeit und Höhe der Befunde nicht auf ein massives flächendeckendes Problem schließen lassen, dürfen wir es auf keinen Fall verharmlosen. Wenn wir das Problem nicht angehen, dann wird es irgendwann auch in trinkwasserführende Schichten gelangen.

(Beifall SSW und SPD)

Die Untersuchungsergebnisse der Oberflächengewässer sind noch gravierender. Nahezu flächendeckend, das heißt in 91 % der Messstellen, werden PSM-Wirkstoffe nachgewiesen.

Der Bericht macht deutlich, dass die Wirkstoffe und deren Abbauprodukte zur Nichterreichung der Umweltziele der Wasserrahmenrichtlinie beitragen. Es herrscht also durchaus Handlungsbedarf. Pflanzenschutzmittel gehören weder ins Oberflächenwasser noch ins Grundwasser. Wir werden dieses Problem aber so schnell nicht lösen können. Die Untersuchungen der grundwasserführenden Schichten machen nämlich sehr deutlich, dass die Tiefenverlagerung der Stoffe sich Jahre bis Jahrzehnte hinziehen kann.

Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit lag der bundesweite Pestizidabsatz im Jahre 1993 bei knapp 29.000 t und im Jahre 2013 bei rund 44.000 t. Das entspricht einem Zuwachs von 51 %. Auch wenn daraus nicht hervorgeht, um welche Wirkstoffe es sich handelt, gibt es doch einen Überblick darüber, wie sehr der Verbrauch von PSM gestiegen ist.