Protocol of the Session on October 14, 2015

Erstens: Abstimmung zu a), Antrag der Fraktion der PIRATEN, Drucksache 18/3407. Vor Eintritt in die Abstimmung weise ich darauf hin, dass der Landtag nach § 12 der Geschäftsordnung auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder - das wären

18 Abgeordnete - verpflichtet ist, eine Enquetekommission einzurichten. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Das sind die Mitglieder der Fraktion der PIRATEN. Wer ist dagegen? - Das sind die Abgeordneten aller anderen Fraktionen. Damit ist der Antrag Drucksache 18/3407 abgelehnt.

Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/3424, ergänzt um den Antrag der FDP-Fraktion, Drucksache 18/3463. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wer ist dagegen? - Das sind die Abgeordneten der Fraktion der PIRATEN. Wer enthält sich? - Dann ist gegen die Stimmen der Abgeordneten der PIRATEN dieser Antrag mit überwältigender Mehrheit angenommen. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Christopher Vogt [FDP] - Heiterkeit)

- Manchmal hilft es ja, richtig abzustimmen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 41 auf:

Pestizidrückstände in Gewässern

Bericht der Landesregierung Drucksache 18/3319

Ich erteile dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herrn Dr. Robert Habeck, das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der 34. Tagung, also vor zwei Plenartagungen, hat der Landtag die Landesregierung gebeten, über die Befunde von Pflanzenschutzmitteln oder Pestiziden in Gewässern, Grundwasserkörpern oder Fließgewässern und Seen zu berichten. Der Bericht liegt vor, und ich stelle ihn hiermit vor.

Wir haben für diesen Bericht die Daten von 2010 bis 2014 ausgewertete, also über vier Jahre. In Grundwasser und Oberflächengewässern sind Pestizide und Pflanzenschutzmittel nachweisbar. Im Grundwasserkörper sind es 36 %. Ausgewertet wurden 387 Messstellen. Diese 36 % besagen, dass in diesen vier Jahren ein Befund vorkam. Wenn

mehrere Befunde vorkamen, wurde immer der höchste für die weitere Begutachtung der Daten gewertet. Es wurde festgestellt, dass die Überschreitung des Grenzwertes in 3 % der Grundwasserkörper gegeben war. Bei den nicht relevanten Metaboliten, das sind Abbauprodukte, die höhere Orientierungswerte haben, waren ebenfalls 3 % der Grundwassermessstellen betroffen, die über diesem Grenzwert lagen.

Diese Stoffe, die eingetragen wurden und die wir jetzt nachgewiesen haben, sind teilweise vor Jahren oder gar Jahrzehnten eingetragen worden. Bei einigen Chemikalien konnte man feststellen, dass es Wirkstoffe waren, die schon lange verboten sind, beispielsweise Pestizide, die im Rübenanbau angewandt wurden. Das heißt also, dass erstens Pflanzenschutzmittel den Grundwasserkörper erreichen und zweitens, wir uns zu vergegenwärtigen haben, es mit Problemen zu tun zu haben, die uns erst Jahre oder Jahrzehnte später einholen werden.

Deswegen ist es richtig - und es ist mir wichtig, das an dieser Stelle zu betonen -, was sowohl die EUKommission wie die Bundesregierung festgesetzt und als Maßnahme beschrieben haben, dass es Reduktionsziele vor dem Hintergrund der menschlichen Gesundheit und dem Schutz des Grundwassers geben soll, nämlich den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln als Risiko um 30 % zu reduzieren. So sagt es die Europäische Kommission.

Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass die Pflanzenschutzmittel so eingesetzt werden, dass Gefahren und Risiko für Mensch, Tier und Naturhaushalt minimiert werden sollen. Wenn das die beiden Körperschaften so feststellen, scheint es ja anerkannt zu sein, dass es ein Minimierungsgebot geben muss. Im Umkehrschluss heißt das auch, dass EU-Kommission wie auch Bundesregierung nicht der Meinung sein können, dass alles gut ist.

Bei den Fließgewässern sind die Befunde deutlich höher. Von 327 Messstellen wurden bei 91 % Pflanzenschutzmittel oder deren Abbauprodukte nachgewiesen. Das waren 298 Stellen. 58 Wasserkörper haben die Qualitätsnorm der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie überschritten. 10 % der Wasserkörper in Schleswig-Holstein sind aufgrund von Nachweisen von Pflanzenschutzmitteln nicht in einem guten ökologischen Zustand, definiert durch die Wasserrahmenrichtlinie und die Pflanzenschutzrichtlinie der Europäischen Kommission. Besonders häufig wurde in diesen Fällen ein Abbauprodukt von Glyphosat festgestellt, AMPA. Es ist in 68 % der Befunde nachgewiesen worden.

(Präsident Klaus Schlie)

Lange Rede kurzer Sinn: Die Befunde sind nicht so, dass wir jetzt in Alarmismus verfallen. Sie sind aber besorgniserregend, und sie sind ein Handlungsauftrag, das, was in trockenen, papierenen Worten häufig festgestellt wird, auch einmal einzuhalten.

Gute landwirtschaftliche Praxis bedeutet - und so ist es ja auch gesetzlich festgelegt -, Pflanzenschutzmittel erst dann einzusetzen, wenn alle anderen Maßnahmen nicht wirksam sind. Die Praxis scheint mir mitunter eine andere zu sein. Wir müssen im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln vorsichtiger sein. Wir müssen uns den Auftrag, den Kommission und Bundesregierung formuliert haben, zu Herzen nehmen und Strategien überlegen, wie wir den Mitteleinsatz so steuern, dass möglichst wenig Belastung von Grundwasser und Fließgewässern vorkommen.

Dies ist auch von den Wasserversorgern hier in Schleswig-Holstein und vom BDEW auf Bundesebene erkannt worden. Das ist in den Tagungsprotokollen der Wasserversorger gut nachzulesen. Insofern ist es ein Auftrag an uns alle, der weit über Parteigrenzen hinausgeht. Es geht tatsächlich darum, die Lebensgrundlage Wasser für die Zukunft zu gewährleisten. Für die Zukunft heißt eben nicht nur in dieser Legislaturperiode, sondern aufgrund der langen Sicherungswege von Pflanzenschutzmitteln auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich eröffne die Aussprache. Die Fraktion der SPD steht als Erstgenannte unter dem ursprünglichen Berichtsantrag. Deswegen erteile ich Frau Abgeordneter Sandra Redmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Umweltministerium hat uns auf Antrag der Küstenkoalition seinen Bericht über Pestizidrückstände in Gewässern vorgelegt. Im Namen der SPD-Fraktion möchte ich Minister Habeck und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses für den detaillierten Bericht danken.

(Beifall SPD)

Auslöser für den Antrag waren die aktuellen Ergebnisse der Messungen von Pestizidrückständen an Grundwassermessstellen und in Oberflächengewäs

sern in Schleswig-Holstein. Klar ist, dass im Grundwasser und in den Oberflächengewässern Pflanzenschutzmittel und deren Abbauprodukte nachgewiesen wurden, und dies in ganz SchleswigHolstein.

Gerade im Bereich des Grundwassers sollten uns die vorgelegten Zahlen alarmieren. Davon betroffen ist dadurch natürlich auch die Trinkwasserversorgung. Die Wasserversorger in Schleswig-Holstein weisen schon seit Jahren darauf hin, dass Handlungsbedarf besteht. Zwar sind die Befunde im Bezug auf Grenzwertüberschreitungen nicht besorgniserregend, aber gleichwohl - so die Aussage im Bericht - nicht akzeptabel.

Ein besonderes Problem stellen hierbei die nicht relevanten Metaboliten dar. Sie stammen teilweise von nicht mehr zugelassenen Wirkstoffen, müssen also schon viele, viele Jahre da sein, aber auch von aktuell zugelassenen Wirkstoffen.

Aus trinkwasserhygienischen Gründen schlägt das Umweltbundesamt einen gesundheitlichen Orientierungswert vor, der nach Zulassungskriterien allerdings in einer höheren Konzentration freigesetzt werden darf. Was für ein Unsinn. Hier muss es zu einer Harmonisierung der Rechtsgrundlage auf EU- und Bundesebene kommen, wie im Bericht zu Recht gefordert wird.

(Beifall SPD)

Aber auch in Schleswig-Holstein ist es geboten, zu einer einheitlichen Verwaltungsumsetzung zu gelangen. Das wurde von den Wasserversorgern nämlich auch angemahnt und ist ein Punkt, den wir intensiv diskutieren sollten, und der dann natürlich auch häuserübergreifend diskutiert werden muss.

In unseren Oberflächengewässern stellt sich die Situation noch dramatischer dar. Fast flächendeckend wurden Pflanzenschutzmittel nachgewiesen, insbesondere Herbizide im Einsatz gegen Unkraut lassen sich landesweit nachweisen. Aber auch Fungizide gegen Pilzkrankheiten und Insektizide treten in einzelnen Regionen unterschiedlich stark auf. Deutlich ist auch das Zusammenwirken mehrerer Wirkstoffe. Dies führt eindeutig zu einem Artenverlust in unseren Gewässern. Ein ausreichender Schutz der Biodiversität ist nicht mehr gegeben. Zukünftig werden circa 40 % der Fläche Europas wegen Pestizidbelastung aus der Landwirtschaft keinen guten ökologischen Status mehr erhalten. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: 40 %!

(Minister Dr. Robert Habeck)

Die Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie werden wir kaum erreichen können. Was dies bedeutet, sollte ebenfalls diskutiert werden. Wir stehen da vor einem Riesenproblem. Eine Reduzierung des Pestizideinsatzes ist unumgänglich. Die Errichtung von Pufferzonen an Gewässern kann niemand ernsthaft infrage stellen. Dadurch wird zumindest die Menge reduziert, die durch Regenwasser vom Acker in das Gewässer gespült wird. In der Nähe von landwirtschaftlichen Flächen ist eine zurückgehende biologische Vielfalt zu beobachten. Der Artenverlust in Gewässern ist erschreckend. Wer das abstreitet, der hat den Schuss nicht gehört, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Dass der Minister jetzt Schritte zur Minimierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln einleitet, ist folgerichtig und konsequent. Zurzeit wird daher öffentlich eine mögliche Steuer auf Pflanzenschutzmittel diskutiert und geprüft. - Aber lassen Sie mich sagen, Herr Minister: Diese Diskussion sollten wir im parlamentarischen Raum noch intensiver führen.

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Ange- lika Beer [PIRATEN])

Kann dies der richtige Weg sein? Wie wirkt sich dies auf die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein aus? Welche Erfolge erwartet man dadurch? Schädigt das insbesondere die kleineren Landwirte? Was ist mit den Herstellern von Pflanzenschutzmitteln, wo bleibt deren Verantwortung, was sollen diese tun? Wenn man sich das Verantwortungsbewusstsein von Großkonzernen wie Monsanto anschaut, kann einem nur schlecht werden.

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Ange- lika Beer [PIRATEN])

Dazu wird sicherlich Kirsten Eickhoff-Weber, wie ich sie kenne, gleich etwas in ihrem Beitrag sagen.

Können wir damit die gewünschten Verbesserungen erreichen, müssen nicht flankierende Maßnahmen entwickelt werden? Das sind Fragen, die wir in der nächsten Zeit diskutieren müssen.

Es ist gut, dass Sie, Herr Minister, diese Diskussion auch auf Berliner Ebene angestoßen haben, damit Bewegung hineinkommt. Im Umweltausschuss werden wir dann gemeinsam darüber diskutieren. Vielen Dank.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie gemeinsam mit mir Schülerinnen und Schüler der ErnstBarlach-Gemeinschaftsschule aus Wedel. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Heiner Rickers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Pestizidrückstände in Gewässern“ heißt der von der Landesregierung vorgelegte Bericht, und ich staune nur, dass der Minister auf das Thema der Besteuerung von Pflanzenschutzmitteln nicht direkt eingegangen ist. Frau Redmann hat das gemacht - ein vorsichtiger Versuch, das Ganze wieder ein wenig einzufangen. Warum? Ein Landesentscheid hat mit der Bundesebene nichts zu tun. Am Ende wird dann das Gutachten, das das Land in Auftrag gegeben hat, auf Bundesebene diskutiert, um sich damit dort auch eine Position zu verschaffen.

Aber der Reihe nach: Wie fühlt man sich, wenn man Landwirt ist? Erst sind die Tierhalter durchs Dorf getrieben worden, dann sind die Biogasanlagen durchs Dorf getrieben worden, jetzt - das war vorauszusehen - werden die Ackerbauern angefeindet, die in der ganzen Diskussion von dem grünen Minister bisher noch relativ verschont wurden.

Wir haben topausgebildete Landwirte hier in Schleswig-Holstein, sind eine Gunstregion. Alles das haben wir rauf und runter diskutiert. Diesen Tagesordnungspunkt hätte man auch in gemeinsamer Debatte mit dem nächsten verbinden können. Aber ich finde die getrennte Debatte gar nicht schlecht, denn so kann ich zweimal darauf hinweisen, wie schlecht dieser Antrag aus unserer Sicht gestaltet ist.