Protocol of the Session on September 16, 2015

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

CDU, SPD, Grüne und FDP, wir alle waren in unterschiedlichen Kombinationen in Regierungsverantwortung, als Bank und Länder Beschlüsse gefasst haben, die Teil des heutigen Dilemmas sind. Ich erwarte, dass sich alle zu ihrer Verantwortung bekennen. Das gilt auch für die Frage, wie wir mit Folgekosten für den Landeshaushalt umgehen.

Meine Damen und Herren, sobald feststeht, wann und in welcher Höhe alte Verpflichtungen durch neue Finanzzusagen ersetzt werden müssen, werden wir gemeinsam mit dieser Verantwortung der Altlast umgehen müssen.

Die Landesregierung wird die nächsten Tage nutzen, um die weiteren notwendigen Gespräche zu führen: mit unserem Partner in Hamburg, der Bank, der Europäischen Kommission, der Bundesbank, der Bundesbankenaufsicht, dem Bundesfinanzministerium und der Europäischen Zentralbank. Ich werde den Beteiligungsausschuss wie bisher zeitnah informieren. Ich bedanke mich bei allen Fraktionsvorsitzenden für die Wahrung der Vertraulichkeit der Gespräche, die wir in den letzten Tagen geführt haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion als Antragstellerin hat der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Ministerin, ich danke Ihnen für den Bericht. Ich akzeptiere - wie immer -, dass Sie als Verantwortliche in der Regierung dafür Sorge tragen müssen, dass Spekulationen über die Zukunftsfähigkeit der Bank jedenfalls nicht von der Regierung ausgelöst werden, damit in dem Marktumfeld, in dem sich die HSH Nordbank bewegt, keine übermäßigen Irritationen auftreten. Wir als Fraktion haben diesen Bericht beantragt, weil ich es für befremdlich, um nicht zu sagen unerhört halte, dass der Vorstandsvorsitzende der HSH Nordbank in einer Bilanzpressekonferenz mit einer Frechheit erklärt, die Bank sei nicht überlebensfähig, wenn die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein ihr nicht Altlasten abnähmen. Das ist die gleiche Bank, die uns seit 2008 immer wieder erklärt, wie gut es ihr geht, oder, wenn es ihr nicht gut geht, wie sie mit den von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen dazu beitragen kann, dass es ihr wieder besser geht.

Ich erinnere an Folgendes: Die Bank ist als Institut kontinuierlich fortgeführt worden, unabhängig davon, wer gerade Verantwortung trug. Diejenigen, die jetzt Verantwortung tragen, können sich nicht darauf berufen, dass das die Vorgänger waren. 2008 hat uns der Bankvorstand im Finanzausschuss eine Kapitalerhöhung in Höhe von 1 Milliarde € schmackhaft gemacht. Wir als FDP haben nicht zugestimmt. Die damalige Erklärung war, man brauche dies, um Geschäftsfelder auszuweiten. In Wahrheit war es nichts anderes als ein Verlustausgleich zum Ende des Jahres.

Frau Ministerin Heinold, im Jahr 2009 waren wir beide in der Opposition. Damals ist die Entscheidung getroffen worden, nicht unter den SoFFinSchirm zu gehen, sondern das selbst zu machen, dass die Länder insgesamt 3 Milliarden € an Kapital zuführen und eine Garantie in Höhe von 10 Milliarden € ausbringen. Die Erklärung war, das reiche aus, um mit dem Problem fertig zu werden. Die Idee, die ich nachvollziehen kann, die ich aber damals schon für falsch hielt, war: Wenn wir Wertaufholungspotenzial haben, dann soll das zu unseren Gunsten und nicht zugunsten des Bundes oder wem auch immer gehen.

Es gab einen Vorstandsvorsitzenden Lerbinger, der völlig überraschend, ohne dass vorher jemand kon

(Ministerin Monika Heinold)

sultiert worden ist, erklärt hat, man könne 3 Milliarden € der Garantie zurückgeben, weil man auf einem guten Weg sei, das Geschäftsmodell funktioniere und man eine Perspektive habe. Dann erfahren wir aus der Presse, dass das alles nicht funktioniert, dass die Bank tot ist, wenn die Länder jetzt nicht einsteigen.

Wo leben wir? - Wir als Fraktion haben einmal aufgeschrieben, dass sich jede Erklärung, die am Anfang eines Jahres abgegeben worden ist, am Ende des Jahres als unzutreffend herausgestellt hat, was die Überlebensfähigkeit der Bank angeht.

Jetzt hören wir - ich zitiere nur, was ich öffentlich aus der Presse weiß -, dass die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein - in welcher Form auch immer - mit je 5 Milliarden € Cash die Bank retten sollen. Ich sage Ihnen voraus: Das wird nicht ohne parlamentarische Begleitung gehen. Das wird auch nicht gehen, ohne dass wir das öffentlich sehr intensiv diskutieren, weil ich den Menschen in Schleswig-Holstein nicht mehr erklären kann, mit welcher Selbstverständlichkeit wir dieser Bank, die uns dazu noch beschissen hat, wie sie uns gerade erklärt hat, Geld hinterherschmeißen, während wir an anderer Stelle sparen müssen und Riesenprobleme haben.

(Beifall FDP und Hartmut Hamerich [CDU])

Ich sage noch eines dazu: Sieht man sich die Zwischenbilanz der Bank einmal an, stellt man fest, dass auch die öffentlichen Erklärungen zumindest missverständlich sind. Sie sind so formuliert, dass der Empfängerhorizont etwas anderes liest, als der Senderhorizont vermittelt. Er kann sich immer darauf berufen, er habe alles gesagt. Der Empfängerhorizont sagt: Wir sind auf einem guten Weg.

Das Geschäftsmodell der HSH Nordbank funktioniert nicht. Sie ist nicht Geschäftsbank im Norden. Sie hat nur 30 % ihres gesamten Geschäftsumfeldes im Norden. Sie ist der Immobilienfinanzierer mit obendrein ein bisschen etwas an Unternehmen aus Schleswig-Holstein und Hamburg geworden. Im Immobilienbereich sammelt sie momentan wieder die Risiken ein, Frau Ministerin, was Sie schon daran erkennen können, dass das Zinsdifferenzgeschäft bei der Bank so gut aussieht. Das bedeutet, dass sie Kredite mit etwas höheren Zinsen ausgibt, die sie nur deshalb nehmen kann, weil die Kreditnehmer bei dem momentanen Marktumfeld woanders gar nicht finanziert werden.

Die Erklärung: „In fünf Jahren geht es vielleicht wieder besser“, mag glauben, wer will. Bei den Frachtraten im Schiffsbereich, bei den Werten

der Schiffe, die dort stehen, können wir sicher sagen, dass sie angesichts der Weltkonjunktur, die sich entwickelt und absehbar vorhanden ist, irgendwann auf die Schrottpreise gehen.

Ein Letztes. Wenn sich das Land Schleswig-Holstein mit Ihrer Führung dazu bereit erklären sollte, als Bad Bank aufzutreten, das heißt, zu Marktpreisen makelbehaftete Kredite aufzukaufen, sage ich Ihnen: Sie verstoßen gegen das Haushaltsrecht dieses Landes. Dem Land ist es untersagt, an Spekulationsgeschäften teilzunehmen, und zwar mittelbar und unmittelbar. Wir werden das auch nicht auf sich beruhen lassen. Wir haben in unserer Fraktion überlegt, dass wir notfalls versuchen, das Haushaltsrecht dieses Haushaltsgesetzgebers gerichtlich zu erstreiten.

Noch einmal, Freunde: Seit 2008 sind wir mit Hoffnung versehen worden. Wir haben Geld ohne Ende hinterhergepumpt. Die Renditen der Einlagen sind seit über 15 Jahren null. Es gibt kein anderes Investment, das so schlecht abgeschnitten hat.

Über die Aussage: „Die Bank ist am Ende des Jahres tot, wenn wir nicht 5 Milliarden € auf den Tisch legen“, sollten wir sehr intensiv nachdenken. Denn das fällt uns allen auf die Füße, auch wenn das strukturelle Defizit dann nur um 100 Millionen € oder 150 Millionen € steigt. Im Zweifel ist das Geld weg; wir kriegen es nicht wieder. Wir müssen sehr intensiv darüber nachdenken, ob wir das wollen. Herzlichen Dank.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter, ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie fast ausschließlich parlamentarische Begriffe verwendet haben.

Als Nächster hat der Abgeordnete Tobias Koch von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Steuerzahler sollen nicht noch einmal für die Schieflage einer Bank aufkommen müssen. Das war die Lehre aus der Finanzmarktkrise 2008/2009. Dafür wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Anstrengungen unternommen: Basel III, Stresstests, Bankenabgabe, Abwicklungsmechanismen wurden eingeführt.

Was der Vorstandsvorsitzende der HSH Nordbank jetzt hingegen fordert, ist das genaue Gegenteil all

(Wolfgang Kubicki)

dieser Bemühungen. Wenn die Haupteigentümer der HSH Nordbank, also die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein, die Altlasten der HSH übernehmen, dann stehen wieder die Steuerzahler für deren Verluste gerade. Allerdings haften die Länder ohnehin mit der wieder auf 10 Milliarden € aufgestockten Garantie und mit dem Restbetrag der Gewährträgerhaftung von rund 15 Milliarden € für die HSH Nordbank. Diese Risiken gilt es, gegeneinander abzuwägen. Festzustellen ist, dass das Haftungsrisiko zumindest nach oben klar begrenzt ist und zudem von Jahr zu Jahr mit Auslaufen der Gewährträgerhaftung weiter sinkt.

Mit der Auslagerung der Altlasten an eine staatliche Bad Bank entsteht hingegen eine vollkommen neue Situation. Ich hatte bereits in der Landtagstagung im Juli darauf hingewiesen, dass eine Auslagerung von Altlasten unmittelbar mit Verlusten bei der HSH Nordbank verbunden ist, die sich aus der Differenz zwischen Buchwert und Marktwert ergeben. Für diese Verluste müssten die Länder aus der Garantie aufkommen, was zu einer sofortigen Inanspruchnahme in Milliardenhöhe Maximum: 10 Milliarden € - führen würde. Anschließend stehen die Länder dann aber auch für die Altlasten bei der Bad Bank gerade.

Worum handelt es sich dabei? - Es handelt sich überwiegend um Kredite für Schiffe, die mittlerweile zehn Jahre alt sind. Veranschlagt man die Lebensdauer eines Containerschiffes mit 30 Jahren, so ist das zwar erst ein Drittel der Lebensdauer, aber die damals gebauten Schiffe mit einer Ladungskapazität von 10.000 bis 14.000 TEU sind von der nächsten Schiffsgeneration längst abgelöst worden, die bis zu 20.000 Container transportiert.

Schiffe dieser neuen Größe besitzen damit aufgrund ihrer geringeren Betriebskosten pro Container einen klaren Wettbewerbsvorteil, weshalb trotz Schifffahrtskrise immer mehr Schiffe der neuesten Generation gebaut werden, weshalb es ein Überangebot an Transportkapazitäten gibt, weshalb wiederum die Charterraten am Boden bleiben. Mit anderen Worten: Die zehn Jahre alten Schiffe der HSH Nordbank sind nicht mehr wettbewerbsfähig, und sie werden es auch in Zukunft nicht mehr sein. Deshalb dürfen wir uns nichts vormachen: Bei einer Übernahme von Altlasten zum aktuellen Marktwert durch eine staatliche Bad Bank gibt es keine realistischen Wertaufholungschancen in der Zukunft, sondern die Länder bleiben auf den Verlusten sitzen, bis am Ende nur noch der Schrottwert der Schiffe übrig bleibt.

(Beifall CDU und FDP)

Das ist genau der Grund dafür, dass sich die HSH Nordbank von diesen Altlasten und genau diesen Verlusten trennen will.

So erschreckend dieses Szenario auch ist, so muss es doch abgewogen werden gegenüber einem bereits geschilderten Haftungsrisiko aus Garantie und Gewährträgerhaftung. Für uns als CDU-Fraktion ist klar, dass wir uns für die Variante entscheiden werden, die den Steuerzahler am wenigsten belastet. Der Schutz des Landesvermögens, oder in diesem Fall besser gesagt die Verlustminimierung, muss unser oberstes Ziel sein. Welche Variante das sein wird, wird man erst entscheiden können, wenn das Ergebnis der Verhandlungen mit der EU-Kommission vorliegt. Zum jetzigen Zeitpunkt darüber zu spekulieren und ohne Kenntnis von Zahlen eine Abwicklung der Bank ins Spiel zu bringen, ist nicht nur verfrüht, sondern auch dazu geeignet, der Bank und damit dem Land und dem Steuerzahler Schaden zuzufügen.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Umgekehrt ist es aber auch genauso fahrlässig, die Gefahren herunterzuspielen. Nicht anders würde ich die Aussage der Finanzministerin im NDR-Beitrag vom 10. September 2015 interpretieren, die da lautete: Ob es einen Schaden für den Landeshaushalt gibt und wie hoch dieser sein wird, könne sie nicht sagen.

Doch, das kann man sagen. Natürlich kann man das sagen, denn egal, ob die Länder nun für die HSH Nordbank haften oder ob sie die Altlasten in einer staatlichen Bad Bank übernehmen; es wird die Steuerzahler so oder so Milliarden kosten.

Herr Abgeordneter Koch, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Sehr gern.

Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Ich habe nur ein logisches Problem, Herr Kollege Koch. Wie wollen Sie denn abwägen, was die Steuerzahler am wenigsten kostet, wenn Sie damit nicht inzident auch gleich eine Abwicklung

(Tobias Koch)

mit ins Spiel bringen? Sie haben gesagt, das sei unverantwortlich. Das müssen Sie aber gedanklich, denn sonst können Sie nicht entscheiden, was im Zweifel weniger kostet.

Herr Kollege Wolfgang Kubicki, der Unterschied besteht zwischen gedanklich abwägen und öffentlich äußern. Denken Sie einmal einen Augenblick darüber nach.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Sie glauben also, die Menschen in Schleswig-Holstein schlafen auf dem Baum, denn sie hören jetzt zwar Ihre Aussage, aber sie verstehen das, was Sie inzident damit sagen wollen, nicht?

- Nein, Herr Kollege Kubicki, ich glaube, dass wir Politiker Verantwortungsbewusstsein dahin gehend haben müssen, was wir öffentlich sagen und ob wir mit unseren Aussagen Entwicklungen herbeireden, die wir eigentlich verhindern wollen. Das, was wir abwägen und beraten, was wir in unseren Gremien diskutieren, ist dagegen eine andere Frage.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und Lars Harms [SSW])