Protocol of the Session on September 16, 2015

Der Herr Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung im Juni 2012 erklärt, ich zitiere:

„Moderne Infrastruktur ist auch, aber nicht nur, Asphalt und Beton. Wissen, Einfallsreichtum und Kreativität sind die wichtigsten Ressourcen unseres Landes.“

Herr Ministerpräsident, ich würde gern wissen, wie Sie mit Wissen, Einfallsreichtum und Kreativität von A nach B kommen. Denn das ist die Voraussetzung dafür. Sie müssen auch in die Schulen kommen können, auf Straßen, die funktionieren, die nicht der Verkehrssicherung wegen gesperrt werden müssen. Ich brauche immer noch funktionierende Straßen.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, liebe Frau von Kalben, wenn Sie denn bei Unternehmen waren, sage ich Ihnen: Die Tatsache, dass wir

(Wolfgang Kubicki)

heute so viel Geld ausgeben können, liegt daran, dass wir eine funktionierende Wirtschaft haben. Wir sollten doch alles dafür tun, dass die Wirtschaft weiter funktionieren kann, weil unsere Steuereinnahmen davon abhängen.

(Beifall FDP)

Also sollten wir doch gelegentlich darauf hören, was sie benötigen, damit sie weiterhin funktionieren können.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Zum Beispiel Fachkräfte!)

- Ja, Frau von Kalben, zum Beispiel Fachkräfte. Zu der Frage der Fachkräfte kommen wir gleich noch. Aber sie brauchen doch eine vernünftige Infrastruktur, weil sie Güter und Dienstleistungen tatsächlich nur auf diese Art und Weise zu ihren Kunden und zu ihren Märkten bewegen können. Das geht nicht, indem man es im Internet einfach nur anklickt, dadurch wird es noch nicht ausgeliefert. So einfach ist Latein. Wenn Sie das nicht begreifen wollen, tut mir das im Zweifelsfall wirklich leid.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen doch schauen, was passiert: Wenn China hustet, bekommen wir die Grippe. Wenn die Amerikaner ihre Zinspolitik nach oben anpassen, werden die Schwellenländer in die Grütze gehen. Das bedeutet, dass unsere Exportwirtschaft einen dramatischen Einbruch erleben wird - was jeder weiß. Das bedeutet dann, dass auch Sie künftig nicht mehr soziale Leistungen und Leistungen für Flüchtlinge aus dem Füllhorn finanzieren können, weil das entsprechende Steueraufkommen nicht mehr zur Verfügung steht. Wer will, dass es so bleibt, wie es gegenwärtig ist, muss etwas dafür tun und auf die Wirtschaft hören, statt ihr dauernd Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach dem Infrastrukturbericht der Landesregierung stellen wir nüchtern fest, was Sache ist. 1.160 km des Landesstraßennetzes sind dringend sanierungsbedürftig. 90 Millionen € pro Jahr sind erforderlich, um nur den Erhaltungsstau bei den Landesstraßen abzubauen. Insgesamt - so steht es zumindest im Infrastrukturbericht - beläuft sich der Mittelbedarf im Zeitraum von 2015 bis 2024 bei den Verkehrssystemen auf 1,6 Milliarden €. Achtung: Davon sind 1,1 Milliarden € ungeklärte Finanzierung. Sie geben 28 Millionen € pro Jahr statt 90 Millionen € pro Jahr aus. Wir wissen, dass jeder Euro, der heute nicht ausgegeben wird, künftig 3,16 € kostet. Sie

sparen momentan zulasten der Zukunft. Sie sparen momentan zulasten der Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes. Das ist keine vernünftige Politik. Das muss man jedenfalls ansprechen.

(Beifall FDP)

Ich finde es schon bemerkenswert, in welcher Klarheit hier Sozialdemokraten und Grüne den Präsidenten des Steuerzahlerbundes vors Brett nehmen. Nach meiner Kenntnis ist er Sozialdemokrat. Er war lange Zeit Präsident des Rechnungshofes.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Wir kritisieren auch Sozialdemokraten!)

- Dann fangen Sie einmal damit an, Ihren Bundesvorsitzenden zu kritisieren, Herr Kollege Dr. Stegner.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das traut er sich nicht!)

Denn so, wie Gabriel momentan in Europa auftritt, ist das der hässliche Deutsche, den die Europäer nicht wollen, der den Menschen erklärt: Wenn du nicht meiner Meinung bist, dann kürzen wir die Zahlungen. - Das ist ungefähr so, als ob man sagen würde: Wir marschieren mit unserer Kavallerie ein. - Damit kann man Europa nicht auf einen Nenner bringen.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter Kubicki, gestatten Sie eine Bemerkung oder Frage des Abgeordneten Dr. Stegner?

Lassen Sie mich zwei Dinge sagen. Zum einen sagen Sie doch sehr häufig, wenn Ihnen jemand so etwas vorhält, dass man die Kritik an einem Argument nicht davon abhängig macht, welcher Partei er angehört. So halten wir das mit dem Vorsitzenden des Steuerzahlerbundes auch. Das ist das eine.

Der zweite Punkt: Finden Sie es wirklich richtig, dass in der Europäischen Union Defizitsünder oder Staaten, die gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen, Sanktionen bekommen, aber diejenigen, die gegen das simple Solidaritätsprinzip verstoßen, weiterhin

(Wolfgang Kubicki)

Fördergelder in ungeschmälerter Höhe bekommen? Finden Sie das wirklich richtig? Ist das die Wertegemeinschaft Europa? Ich finde, nicht.

- Herr Kollege Dr. Stegner, ich fange mit der letzten Frage an und komme dann zur ersten. Ich finde es nicht richtig. Andererseits hat die Europäische Kommission darauf hingewiesen, dass es diese Sanktionsmöglichkeit momentan nach Europäischem Recht nicht gibt. Ich bin ein Vertreter des Rechts und nicht einfach der politischen Willkür, anders als Sie es möglicherweise für richtig halten. Dann müssen wir die Verträge ändern oder Sanktionsmöglichkeiten schaffen, die es momentan noch nicht gibt. Aber sich hinzustellen und zu sagen: „Wir stellen unsere Zahlungen ein“, ist europarechtswidrig.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Europa basiert darauf, dass wir das Recht akzeptieren, wenn wir das nicht mehr tun, dann gnade uns Gott.

Zum Zweiten: Ich bin davon ausgegangen, dass die Sozialdemokraten Herrn Altmann zum Rechnungshofpräsidenten gemacht haben, weil sie an seiner Kompetenz keinen Zweifel hatten. Auf nichts anderes wollte ich hinweisen. Sie haben ihn für kompetent erachtet. Dann müssen Sie seine Kompetenz vielleicht auch einmal in Anspruch nehmen, wenn es Ihrer politischen Auffassung nicht entspricht. Ich teile die Auffassung von Herrn Altmann, was die Problemlage des Landes und die Ausgabestruktur des Landes angeht.

Herr Abgeordneter Kubicki, gestatten Sie eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Stegner?

Immer wieder gern. Wir nähern uns ja langsam auch mental und menschlich an.

(Heiterkeit FDP und SPD)

Ich will gern noch etwas zum europäischen Recht sagen. Es hat mich sehr beeindruckt, was Hans-Dietrich Genscher in der letzten Woche gesagt hat. Als man sich nicht so richtig an Schengen gehalten hat, hat er gesagt: Mir ist es lieber, dass in einer Notsituation humanitär geholfen wird, als das man sich auf die Buchstaben von Verwaltungsrecht bezieht. - Da hatte

Hans-Dietrich Genscher ausdrücklich recht, möchte ich sagen.

- Ja, diesen Satz würde ich auch unterschreiben, dass man in einer Notsituation - das gibt das Recht ja auch her - von bestimmten Regeln abweichen darf, Herr Dr. Stegner. Aber ich bin im Zweifel darüber, ob diese humanitäre Maßnahme von Frau Merkel so intelligent war, weil ich ja sehe, dass sich diese humanitäre Maßnahme nicht fortsetzt. Sehe ich, dass Deutschland jetzt bereit ist, die Flüchtlinge, die an der serbisch-ungarischen Grenze gestrandet sind, aufzunehmen, sie einfach herzuholen? Sehe ich es richtig, dass auch die Sozialdemokraten im Bund zugestimmt haben, in Deutschland wieder Grenzkontrollen einzurichten? Was ist das denn anderes als das Gegenteil von humanitären Maßnahmen, bei denen gesagt wird, wir nehmen Flüchtlinge auf, unabhängig davon, welche Regeln gelten?

(Beifall FDP)

Man muss schon sehr genau aufpassen, Herr Dr. Stegner, damit man sich nicht in seiner eigenen Argumentation verfängt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, interessanterweise hat die Landesregierung den Abbau des Sanierungsstaus auf die Zeit von 2018 bis 2030 verschoben. Das hört sich unheimlich gut an: IMPULS 2030, so ähnlich wie Agenda 2010 - nur: Die funktionierte sofort. Aber hier verschiebt die Landesregierung die Bemühungen in die nächste Legislaturperiode, von der wir erstens gar nicht wissen, ob es diese Regierung dann überhaupt noch gibt - das mag ja sein -, und zweitens, ob die Situation sich bis dahin nicht so gewandelt hat, dass die erklärten Annahmen, die der IMPULS-2030-Projektion zugrunde liegen, angesichts der Situation, die wir schon beschrieben haben, überhaupt noch realistisch sind.

Wenngleich das Programm einen recht kraftvollen Namen trägt, Frau Ministerin, verbirgt sich dahinter doch eher etwas Kraftloses. Denn kraftvoll kann man zu dem Schluss kommen, dass es besser gewesen wäre, mit dem Abbau des Sanierungsstaus bereits jetzt zu beginnen, um ein Zeichen dafür zu setzen, dass man das kann. Wie peinlich, Herr Minister Meyer - er ist leider nicht da -, dass SchleswigHolstein in den fünf Jahren der rot-grünen-blauen Regierung nicht einen einzigen Kilometer der A 20 gebaut hat! Wie peinlich, dass Sie das alles in die Zukunft verschieben! Was ist das für ein Ausweis der Leistungsfähigkeit auch der Planungsbehörden unseres Landes? - So einfach ist das.

(Wolfgang Kubicki)

Um das an dieser Stelle auch noch aufzunehmen: Wir halten relativ wenig von dem Vorschlag der Union, die Verantwortung insgesamt auf den Bund zu übertragen, weil dadurch die Planungskapazitäten, die wir dringend brauchen, um mit den entsprechenden Problemen fertig zu werden, auch nicht verbessert werden.

(Tobias Koch [CDU]: Schlechter können Sie nicht mehr werden!)

- Wir haben lange bei uns darüber diskutiert, Herr Kollege Koch. Wir werden sehen, wie lange der Nord-Ostsee-Kanal braucht und wie lange der Tunnel unterhalb des Nord-Ostsee-Kanals in Rendsburg im Auftrag der Bundesverwaltung braucht. Dann gnade uns Gott vor der Übertragung der Maßnahme des Landes auf den Bund.

(Beifall Dr. Kai Dolgner [SPD] - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Ich muss jeden Tag durch den Kanal! - Heiterkeit)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiteres Beispiel dafür, was die Landesregierung ebenfalls nicht schafft, ist eine anständige Investitionsquote. Es mutet beinahe so an, als ob sich die Landesregierung mit Händen und Füßen dagegen wehrt, die Investitionsquote auf ein adäquates Niveau anzuheben.

Frau von Kalben ist leider nicht anwesend. Selbstverständlich sagt die Investitionsquote etwas über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes in der Zukunft aus. Was denn sonst? Herr Albig war einmal Sprecher von Herrn Steinbrück. Dieser war Finanzminister und ist Ökonom. Erkundigen Sie sich einmal bei Herrn Steinbrück, was dieser zur Investitionsquote sagt.

Warum geht es den Bayern möglicherweise besser als uns? Warum geht es den Baden-Württembergern möglicherweise besser als uns? Diese Länder geben bis zu 100 % mehr für Investitionen aus als wir. Sie halten ihre Infrastruktur intakt. Deshalb ist deren Wettbewerbsfähigkeit entsprechend hoch.

(Beifall FDP)