Protocol of the Session on September 16, 2015

(Beifall FDP)

Warum beschweren Sie sich denn eigentlich beim Bund, wenn es darauf gar nicht ankommt, dass relativ mehr Mittel nach Bayern und Baden-Württemberg fließen als nach Schleswig-Holstein? Wenn es darauf gar nicht ankommt, müssen Sie sich doch gar nicht beschweren. Dann ist doch alles in Ordnung.

Es kommt also darauf an. Es kommt auch darauf an, was Sie in diesem Land dafür tun, dass die In

vestitionen erhöht, aber nicht weiter vermindert werden. Sie streben eine Investitionsquote von 5 % im Jahr 2020 an. Schlechter kann man nicht darauf hinwirken, dass die Zukunft nicht ordentlich gestaltet werden kann, als mit dem Ausweis einer solchen Projektion.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer sich als Haushälter stolz vor eine derartig niedrige Investitionsquote stellt, wer betonen muss, man investiere in Köpfe und nicht in Beton, der hat bisher wenig verstanden.

Weniger soll es nach den Grünen geben. Sie wollen Schleswig-Holstein den kommenden Bürgerinnen und Bürgern ohnehin nur als ein großes Radwegenetz hinterlassen. Ich sehe eine Zukunft auch für Vehikel mit mehr als zwei Rädern in SchleswigHolstein. Wenn wir daran nicht arbeiten, dann werden wir feststellen, dass wir auch als Tourismusland nicht mehr gefragt sein werden, weil die Touristen in die Gebiete reisen werden, bei denen sie nicht einen Tag brauchen, um dorthin zu reisen, sondern sie entscheiden sich für Ziele, die sie im Stundentakt erreichen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einerseits hat die Landesregierung keinerlei Skrupel, eine historisch niedrige Investitionsquote vorzulegen. Andererseits gibt sie sich beinahe weltmeisterlich in Sachen Ausgaben. Lassen Sie mich ein eklatantes Beispiel für den Sparwillen der Landesregierung anführen.

Meine Fraktion hat vor einiger Zeit einen Gesetzentwurf eingebracht, der ein Prüfungsrecht des Landesrechnungshofs bei der Eingliederungshilfe vorsah. Einer der größten Haushaltstitel - Titelgruppe 65, Sozialgesetzliche Leistungen, zu finden im Einzelplan 10 - ist eine riesige haushalterische Blackbox. Warum ist das eine riesige Blackbox? Es geht um 707,5 Millionen € für das nächste Jahr. Es geht um 707,5 Millionen €, von denen wir nicht wissen, wie sich die Kosten im Einzelnen zusammensetzen.

Wir reden von Steigerungen dieser Haushaltsansätze um fast 3 % pro Jahr. Das ist völlig intransparent und völlig unkontrolliert. In Anbetracht dessen, worüber wir in den Haushaltsberatungen im Ausschuss später diskutieren, und in Anbetracht der Höhe der späteren Änderungsvorschläge ist dieser Betrag mehr als bemerkenswert.

(Beifall FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte in Erinnerung rufen, dass sich die regierungstragenden Fraktionen unter Führung der Sozialdemokraten ge

(Wolfgang Kubicki)

gen die Transparenz und gegen die Kostenkontrolle in dieser Titelgruppe ausgesprochen haben. Sie haben unseren Gesetzentwurf abgelehnt und gleichwohl damit unter Beweis gestellt, welchen Stellenwert die Reduzierung von Ausgaben in Ihrer Haushaltspolitik tatsächlich hat, nämlich keinen.

Wie sorgsam die Landesregierung mit der haushaltspolitischen Zukunft des Landes umgeht, wurde eindrucksvoll vom Landesrechnungshof in dessen Bemerkungen 2015 beschrieben. Dort heißt es:

„Insgesamt liegen die geplanten Nettoausgaben 2015 um 20 % über dem Niveau von 2008 … Bisher sind die Ausgabensteigerungsraten in Schleswig-Holstein zudem überdurchschnittlich im Vergleich zu anderen Bundesländern. Besonders groß sind die Unterschiede zu anderen Konsolidierungsländern.“

Staatssekretär Dr. Nimmermann hat in einem Gastbeitrag in „Schleswig-Holstein“ am Sonntag vom 6. September 2015 zur Ausgabensteigerung Stellung bezogen. Er schreibt:

„Die Kritiker halten dagegen, die notwendige Haushaltskonsolidierung erlaube im Prinzip überhaupt keine Erhöhung der Ausgaben. Sie übersehen dabei, dass in einer wachsenden Wirtschaft der Haushalt auch konsolidiert werden kann, wenn das Ausgabenwachstum unterhalb des Einnahmewachstums liegt.“

Das Argument des Rechnungshofs ist trotzdem nicht von der Hand zu weisen. Es geht nicht allein um die Ausgabensteigerung, sondern um die Höhe der Ausgabensteigerung. Man könnte glauben, dass sich Schleswig-Holstein als Konsolidierungsland dem Sparen, also einer moderaten Ausgabensteigerung verschrieben hat. Dem ist leider mitnichten so.

Die FDP-Fraktion weiß, wie wichtig es ist, gerade in wirtschaftlich guten Zeiten mit hohen Steuereinnahmen für Wirtschaftswachstum in diesem Land Schwung zu holen. Wir wissen darum, was jetzt wichtig ist für Schleswig-Holstein. Das werden wir mit unseren Haushaltsanträgen auch dokumentieren.

Die Landesregierung hat dagegen eine andere Ausgabepolitik. Sie vollführt ein regelrechtes Kunststück. Sie gibt eine Menge Geld mehr aus - mehr denn je -, schafft es aber dennoch, weniger zu investieren. Das muss Ihnen tatsächlich erst einmal jemand nachmachen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte erklären Sie doch den Bürgerinnen und Bürgern, warum unsere

Straßen, unsere Brücken und unsere Schulgebäude weiter verfallen. Ich könnte sagen, woran man sparen könnte, um das umzusetzen.

Sie geben im Haushaltsjahr 2016 unter anderem 200.000 € für die zweisprachige wegweisende Beschilderung in Nordfriesland aus. Das macht aber nur dann Sinn, wenn die Straßen auch befahren werden können, die zweisprachig ausgewiesen werden. Auch darauf kann man vielleicht kurzfristig verzichten, um zunächst einmal die Probleme zu lösen.

Ein weiteres Beispiel aus dem Haushaltsentwurf 2016, der den Sparwillen - oder besser gesagt: den Ausgabewillen - der Regierung zum Ausdruck bringt, ist der sagenhafte Anstieg des Haushaltstitels „Repräsentationsmittel“ im Einzelplan 03 Ministerpräsident, Staatskanzlei - um 65 % im Vergleich zum Ansatz 2013.

(Christopher Vogt [FDP]: Donnerwetter!)

Es muss offensichtlich mehr PR gemacht werden, weil die Menschen in Schleswig-Holstein von der guten Qualität der Politik an sich nicht überzeugt sind. Deshalb braucht man mehr Repräsentationsmittel. Ansonsten würde es keinen Sinn machen, diese Position aufzustocken.

(Beifall FDP - Zuruf Johannes Callsen [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Haushalt sind nicht nur Repräsentationsmittel verborgen, es finden sich auch wahre Haushaltsrisiken. Am 18. August 2015 meldeten der Norddeutsche Rundfunk und die „Süddeutsche Zeitung“, dass sich die HSH Nordbank mit der Staatsanwaltschaft Köln auf eine Strafzahlung in Höhe von 22 Millionen € geeinigt habe. Hintergrund waren Ermittlungen gegen die Bank, die über ihre Luxemburger Filiale wohlhabenden Kunden bei der Hinterziehung von Steuern geholfen oder sie sogar teilweise zur Steuerhinterziehung angestiftet haben soll. Ich finde es bemerkenswert, dass eine Bank, die zu einem beträchtlichen Teil von Steuergeldern profitiert hat, ihren Kunden bei der Steuerhinterziehung hilft und damit den Anteilseignern Hamburg und SchleswigHolstein wahrscheinlich beträchtlichen finanziellen Schaden zugefügt hat. Das ist schon bemerkenswert.

Einerseits laut nach Hilfe rufen, wenn es darum geht, die Bank weiter mit öffentlichen Geldern zu stützen, andererseits aber dem Helfer auf diese Art und Weise ins Kreuz zu treten, das können und wollen wir nicht ohne Weiteres akzeptieren.

(Wolfgang Kubicki)

Ich sage es ganz deutlich: Dieser Vorgang ist definitiv keine Petitesse und hat möglicherweise Konsequenzen, die sehr viel schwerer wiegen könnten, als es viele zunächst erahnt haben. Denn mit der Zahlung an die Kölner Staatsanwaltschaft und dem Eingeständnis der Bank, dass es Fälle von Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegeben habe, fällt dieser Vorfall unter die Bestimmungen des von SPD, Grünen und SSW eingeführten Korruptionsregistergesetzes.

(Christopher Vogt [FDP]: Endlich haben wir einen gefunden!)

- Endlich haben wir jemanden, der in dieses Korruptionsregister eingetragen werden kann.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Im Korruptionsregistergesetz heißt es: Wer der Steuerhinterziehung nicht nur verdächtig ist, sondern nach § 153 a StPO belangt worden ist oder wenn keine Zweifel an der Schuld bestehen, ist er ins Korruptionsregister einzutragen und von allen künftigen Vergaben jeweils für das nächste halbe Jahr auszuschließen.

Frau Ministerin, ich kann mir schwer vorstellen, dass ein Unternehmen, das dem Korruptionsregistergesetz unterfällt, in den nächsten sechs Monaten mit Steuermitteln gestützt wird, um mit den Problemen fertig zu werden, von denen der jetzige Vorstand behauptet, der Vorgängervorstand sei dafür verantwortlich, das uns aber seit 2008 kontinuierlich hinters Licht geführt hat hinsichtlich der Prognosefähigkeit der Bank und ihrer eigenen Geschäftsfähigkeit. Das wird noch ein sehr interessanter Vorgang.

(Beifall FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können Bauunternehmen und anderen nicht mitteilen, warum sie belastet werden sollen, aber bei der Bank, an der das Land Schleswig-Holstein beteiligt ist, sieht man darüber hinweg, dass Steuerhinterziehungen in Milliardenhöhe mitfinanziert worden sind.

Die FDP-Fraktion war immer gegen das Gesetz, aber es hat nun einmal Gesetzeskraft. Deshalb dürfen wir nicht einfach darüber hinweggehen, wenn es uns einmal nicht passt. Wir sind sehr gespannt, wie ernst die Landesregierung es mit diesem Gesetz meint. Es darf für kein Unternehmen eine Ausnahme gelten, unabhängig davon, ob das Land beteiligt oder nicht beteiligt ist.

Ein weiteres Haushaltsrisiko - das meine ich nicht menschlich, sondern technisch - stellt die Flücht

lingskrise dar. Schleswig-Holstein steht angesichts der neuesten prognostizierten Flüchtlingszahlen von mehr als einer Million Menschen vor einer enormen, wenn nicht sogar historischen Aufgabe. Die Flüchtlingswelle ebbt nicht ab. Stattdessen kann man beinahe von einer nicht endenden Flüchtlingsflut sprechen. Herr Ministerpräsident, warum Sie in einer emphatischen Übertreibung das Schicksal der Flüchtlinge als Vitaminspritze für Schleswig-Holstein, quasi als Gottesgeschenk, bezeichnet haben, weiß ich nicht. Ich halte es nicht für ein Gottesgeschenk, dass Menschen aus ihrer Heimat fließen müssen, weil ihr Leben und ihre Gesundheit bedroht sind.

(Beifall FDP)

Es gehört eben mehr dazu, als nur einen Willkommensgipfel abzuhalten oder Menschen vor Ort in die rechte Ecke zu stellen, nur weil sich diese offen und auch konstruktiv gegen die Pläne der Landesregierung in Sachen Erstaufnahmeeinrichtungen stellen. Herr Kollege Stegner ist zwar gerade nicht da, aber er kann es ja nachlesen. Ich warne dringend davor, Probleme gerade hier nicht anzusprechen mit der Begründung, man würde damit antidemokratischen Kräften Vorschub leisten. Wenn wir Probleme nicht ansprechen und diskutieren, dann leisten wir antidemokratischen Kräften Vorschub,

(Beifall FDP)

weil das Gefühl entsteht, dass man nicht über das reden darf, was den Menschen auf der Seele brennt. Deshalb müssen wir offen diskutieren, welche Probleme damit verbunden sind.

Ich höre immer wieder gern die Forderung, dass die Integrationsfähigkeit gesteigert werden müsse. Aber dazu gehört auch, dass wir verpflichtende Deutschkurse einführen. Wenn es diese nicht gibt, werden wir Parallelgesellschaften erleben, die wir nicht haben wollen und die von den Menschen nicht akzeptiert werden.

Wir müssen jetzt, Frau Ministerin, die Ausbildungskapazität bei der Polizei ausweiten, weil wir wissen, dass wir drei Jahre Vorlauf brauchen, bis die Polizisten tatsächlich zur Verfügung stehen. Es nützt doch nichts, wenn wir Stellen ausschreiben, aber keine Menschen haben, die von ihrer Ausbildung her auf diese Stellen gesetzt werden können.

Wir müssen deutlich machen, dass wir mit bestimmten Regelungen - es geht nicht nur um Geld nicht weiterkommen. Wenn wir das Baurecht und auch die Bauleitplanung nicht ändern, werden wir die Unterkünfte für die Flüchtlinge, die jetzt bei uns

(Wolfgang Kubicki)

sind, erst in einem Jahr oder in zwei Jahren haben, übrigens zu Kosten, die niemand bezahlen kann.

Also stimme ich auch hierbei Herrn Breitner zu: Wir müssen uns einmal über die Frage unterhalten, ob die Standards, die wir uns für den Normalbetrieb gesetzt haben, auch für Flüchtlingsunterkünfte gelten dürfen, die jetzt schnell errichtet werden müssen, weil wir nicht wollen können, dass Menschen längere Zeit in Zelten oder Containern untergebracht sind.