Protocol of the Session on September 16, 2015

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Wo?)

- Der Gesetzentwurf soll es ermöglichen, in der Hauptsatzung solche Weisungen auszuschließen. Vor diesem Hintergrund ist das eine Schwächung der demokratischen Kontrolle. Abgesehen davon wollen Sie die Kontrolle durch die Kommunalaufsicht abbauen. Wenn Unternehmen bundesweit, weit außerhalb unseres Landes tätig sind, soll das künftig gar nicht mehr zu genehmigen sein.

Wenn Sie einmal nach Nordrhein-Westfalen schauen, wo das Gesetz schon gelockert wurde, wo also schon einmal so etwas Ähnliches gemacht wurde, beobachten Sie, dass Kommunen inzwischen sogar außerhalb Deutschlands aktiv sind und Kraftwerke in Kolumbien, in der Türkei, auf den Philippinen und in Botswana betreiben.

Vor diesem Hintergrund kann ich nur sagen - das ist der letzte Satz, Frau Präsidentin -: Der Gesetzentwurf ist in der vorliegenden Form ein Dokument der Fahrlässigkeit. Ich befürchte, dass er die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land noch teuer zu stehen kommen wird und dass nicht nur die Kommunen für solche Fälle die Verantwortung tragen werden, sondern auch der Landtag, der das ermöglicht hat.

(Beifall PIRATEN - Zurufe SPD)

Vielen Dank. - Ich schlage vor, dass Sie diese Debatte im Ausschuss fortsetzen und wir jetzt dem Kollegen Lars Harms die Gelegenheit geben, für die Abgeordneten des SSW seine Position dem Plenum bekannt zu machen.

Frau Präsidenten! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor wenigen Jahren erlebten sogenannte Cross-Border-Geschäfte einen echten Boom. USTrusts versprachen deutschen Kommunen hohe Gewinne, wenn diese ihnen ihre Infrastruktur verkauften. Die Amerikaner wollten sich Steuervorteile sichern, und die deutschen Kommunen rechneten mit hohen Einnahmen durch den Verkauf ihres Silbers zumindest in der Theorie.

Viele Kommunen haben ihre Infrastruktur beziehungsweise Teile davon tatsächlich an US-Konzerne verkauft. Meine Damen und Herren, bei wirtschaftlicher Betätigung besteht immer das Problem, dass so etwas auch schiefgehen kann. Auch in Flensburg waren entsprechende Pläne schon weit fortgeschritten, bis der SSW in der Ratsversammlung die Frage nach den Risiken stellte. Bekanntlich hat Flensburg sein Abwassernetz weder über den Atlantik verkauft noch von dort zurück geliehen.

Cross-Border kam für die gewählten kommunalen Vertreter aufgrund der unwägbaren Risiken nicht infrage. Damit hat die demokratische Kontrolle wahrscheinlich Verluste in Millionenhöhe vermieden. Diese wurden wohl bei fast allen Cross-Border-Geschäften eingefahren, zum Beispiel beim Verkauf der Bodenseewasserleitung. Das sind Verluste, die letztlich der Verbraucher und der Steuerzahler tragen müssen.

Wie das Flensburger Beispiel zeigt, funktioniert die demokratische Kontrolle. Voraussetzung ist eine zeitnahe und ausführliche Information der demokratischen Ebenen. Die Kommunalpolitiker müssen sich ihr eigenes Urteil auf der Grundlage einer verständlichen Darstellung machen können. Transparenz ist dabei das A und O.

Meine Damen und Herren, in dieser Hinsicht entwickelt der vorliegende Entwurf sinnvolle Leitplanken, sodass ich mir sicher bin, dass, wenn wir so etwas beschließen, die Kommunalpolitik tatsächlich genügend Möglichkeiten hat, solche Geschäfte entsprechend zu kontrollieren.

Trotzdem besteht Beratungsbedarf. Es ist nämlich zu bezweifeln, ob gerade die kleinen und kleinsten Kommunen ihre Rechte im vorgeschlagenen Rahmen überhaupt wahrnehmen können. Bereits jetzt haben viele Kommunen ganze Aufgabenfelder an Zweckverbände übertragen, weil sie diese nicht aus Bordmitteln erfüllen können. Mit der Aufgabenübertragung geht in vielen Fällen ein Verzicht auf Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten einher.

Wir müssen also die Kommunen irgendwann handlungsfähiger machen, damit sie die neuen Rechte dann auch nutzen können. Es ist nämlich schon ein bisschen merkwürdig, dass Kleinstkommunen zwar formale Rechte haben, diese an Zweckverbände übertragen und die Zweckverbände dann wiederum die wirtschaftliche Betätigung beaufsichtigen sollen. Der kleine gewählte Gemeindevertreter hat dann null Chance, irgendwelche Informationen zu bekommen. Das liegt an den Verträ

(Dr. Patrick Breyer)

gen, die der Zweckverband geschlossen hat. Und er hat natürlich auch null Chance, da Einfluss zu nehmen. Wenn wir ein solches Gesetz machen, wofür ich sehr bin, muss man sich irgendwann über kurz oder lang über die Strukturen auf kommunaler Ebene Gedanken machen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es dreht sich um zwei Bereiche, einerseits um den Breitbandbereich. Dabei ist ganz wichtig zu wissen, dass Breitband tatsächlich Daseinsvorsorge ist. Es geht darum, dass Breitband auch Voraussetzung dafür ist, dass sich Unternehmen ansiedeln. Es ist also eine Grundlage dafür, dass Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden. Deshalb ist es schon sehr wichtig, dass Kommunen hier Einflussmöglichkeiten haben.

Wir haben in Nordfriesland schon sehr viel in diesem Bereich getan. Es gibt dort eine Breitbandnetzgesellschaft, die versucht, viel zu machen. Wir haben unter anderem in Risum-Lindholm, in den Reußenkögen oder in Struckum Glasfasernetze installieren können. Wir hoffen natürlich, dass viele Gemeinden diesem Weg folgen.

Aber das ist eben klassische wirtschaftliche Betätigung. Derzeit wird da noch ein wirtschaftlicher Bereich abgearbeitet. Es ist eigentlich keine kommunale Aufgabe, Breitbandnetze zu betreiben. Aber wenn wir den Kommunen jetzt diese Möglichkeit eröffnen, spielt auch das Wort „Daseinsvorsorge“ da wieder eine Rolle. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzentwurf auch eine gesellschaftspolitische Komponente.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Bemerkung des Kollegen Callsen?

Selbstverständlich gern.

Herr Callsen, bitte.

Herr Kollege Harms, Sie haben eben die in der Tat guten Beispiele aus Nordfriesland erwähnt, wo Kommunen im Breitbandausbau erfolgreich tätig sind. Können Sie mir denn die Frage beantworten, warum es überhaupt Handlungsbedarf gibt, die rechtliche Basis jetzt zu ver

ändern, sprich woran es im Moment scheitert?

Es geht darum, dass Kontrollmöglichkeiten für die kommunale Ebene verbessert werden müssen. Wenn man so will, ist das ein Justieren. Es geht darum, dass Breitband derzeit noch nicht rechtlich geregelt ist und dass eine rechtliche Unsicherheit besteht, ob man das, was man derzeit in Nordfriesland macht, über eine Gesellschaft überhaupt machen darf.

Natürlich hat auch die kommunale Ebene einen Anspruch darauf, dass wir auf Landesebene die gesetzlichen Grundlagen schaffen, dass man das mit Sicherheit machen darf. Wir werden das mit der kommunalen Ebene im Rahmen der Anhörung auch noch diskutieren. Aber es ist unsere Pflicht, als Landespolitiker dafür zu sorgen, dass die Kommunen die entsprechende Möglichkeit haben, sich dieser wirtschaftlichen Betätigung zu widmen, ohne die Angst zu haben, in irgendeiner Art und Weise an rechtliche Grenzen zu stoßen. Das ist der Hintergrund für diesen Gesetzentwurf, Kollege Callsen.

Wir haben außer Breitband noch einen zweiten Bereich, der eine Rolle spielt, nämlich die Frage der Windparks. Auch dieses Thema kenne ich aus Nordfriesland sehr gut. In der Tat gibt es viele Kommunen, die sich dort selbst gern engagieren würden. Sie wollen nicht nur Flächen ausweisen, damit der Bauer Geld mit seiner Pacht und das Unternehmen sein Geld mit den Windmühlen verdienen. Die Kommunen selbst wollen vielmehr im Rahmen der Daseinsvorsorge in der Energieversorgung tätig werden.

Das ist aus meiner Sicht ein richtiger Weg, denn das ermöglicht den Kommunen neue Einnahmequellen. Ich würde sogar behaupten: Das Geschäft mit der Windenergie ist relativ überschaubar, auch für kommunale Vertreter, und kann aus meiner Sicht dazu beitragen, dass unsere Kommunen Mehreinnahmen bekommen und entsprechend handlungsfähiger werden können. Das spielt eine riesige Rolle. Vor diesem Hintergrund halte ich den Gesetzentwurf für eine richtig gute Initiative.

Lassen Sie uns das Ganze im Ausschuss beraten, insbesondere auch mit den kommunalen Landesverbänden. Dann bekommen wir eine vernünftige Lösung hin. Ich finde, wir sollten den Kommunen durchaus etwas zutrauen. Ich finde, wir sollten den Kommunen durchaus Kontrollmöglichkeiten ge

(Lars Harms)

währen. Das haben unsere Kommunalvertreter verdient. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. - Bevor ich dem Kollegen Kai Dolgner das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile, bitte ich Sie, mit mir gemeinsam auf der Tribüne Mitglieder der AG 60 plus des SPD-Kreisverbandes aus Dithmarschen zu begrüßen. - Herzlich willkommen im Kieler Landeshaus!

(Beifall)

Nun hat der Abgeordnete Kai Dolgner von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Breyer hat ja den Ruf, allgemein sehr fleißig zu sein. Also gehe ich davon aus, dass er das nicht überlesen hat. Dann frage ich mich, warum hier einfach die Unwahrheit behauptet wird, und zwar bezüglich der Bilder der Kommunen beziehungsweise Gemeinden, anderswo würden sie im Ausland jetzt frei investieren können.

(Widerspruch Dr. Patrick Breyer [PIRA- TEN])

- Das waren die Beispiele mit Kolumbien und so weiter. Wenn sie hier nicht zutreffen, darfst du sie hier auch nicht nehmen. Dann ist das in der Argumentation unredlich. Das ist eine unredliche Art der Argumentation.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Widerspruch Wolfgang Dudda [PIRATEN])

- Herr Dudda, Sie können gern den Kopf schütteln, aber ich erzähle Ihnen, was im Gesetzentwurf tatsächlich steht.

(Zuruf Wolfgang Dudda [PIRATEN])

Danach beantworte ich gern Ihre Zwischenfrage. Bisher mussten kommunale wirtschaftliche Betätigungen jenseits der Landesgrenzen bei der Kommunalaufsicht nur angezeigt werden. Jetzt ändern wir diesen Paragrafen, dass landesüberschreitende Tätigkeiten natürlich nicht mehr angezeigt werden müssen. Es ist mit Blick auf den Hamburger Rand auch komplett albern, so etwas zu machen. Schließlich haben wir den gleichen Rechtsrahmen in

Deutschland. Da sind auch keine Cross-Border-Geschäfte mit anderen Steuersystemen möglich.

Jetzt soll Folgendes geändert werden: Die Anzeigepflicht entfällt für landesübergreifende Tätigkeiten. Stattdessen wird es eine Genehmigungspflicht dafür geben, im Ausland tätig zu werden. Das ist eine eindeutige Verschärfung und keine Abschaffung. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie hier an die Wand gemalt haben, Herr Breyer.

(Wortmeldung Dr. Patrick Breyer [PIRA- TEN])

- Nein, ich lasse jetzt keine Zwischenfragen mehr von Ihnen zu. Ich fordere jeden auf, einmal den letzten Absatz auf Seite 34 zu lesen und sich die Rede von Herrn Breyer zu schnappen. Dann können Sie überlegen, wie redlich diese Ausführungen an der Stelle waren.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

An die Wand zu malen, wir würden quasi die Schleusen dafür öffnen, dass irgendwelche wild gewordenen Kommunalos - - Dieses Bild finde ich übrigens auch spannend. Man kommt immer mit den Negativbeispielen; das stört mich bei dieser Debatte auch. Die meisten kommunalen Unternehmen in Schleswig-Holstein sind extrem erfolgreich und finanzieren von den Gewinnen die öffentliche Hand. In Rendsburg-Eckernförde könnten die Kreishäfen ohne die Abfallwirtschaftsgesellschaft gar nicht betrieben werden. An vielen Orten könnten die Freibäder oder die Hallenbäder ohne die Stadtwerke nicht betrieben werden. Das würde ein Privater nie betreiben. Das geht nur mit den kommunalen Unternehmensverbänden.

(Jette Waldinger-Thiering [SSW]: So ist das!)

Und sie sind extrem erfolgreich. Wir wissen auch, dass es Probleme gibt. Das ist gar keine Frage. Man hat die Erfahrung gemacht, dass einem an dieser Stelle immer die gleichen Beispiele um die Ohren gehauen werden. Das ist ganz gut, denn dann gibt es offensichtlich nicht ganz so viele. Aber natürlich sehen wir die Risiken. Deshalb wollen wir auch die Kontrolle hierbei erhöhen. Jeder, der anderswo tätig werden will, muss sich diesen Regeln unterwerfen. Sonst ist er in der Kommunalwirtschaft falsch.

Herr Kollege Dr. Klug, nur mal so ganz nebenbei: Sie sagten, der Verein der Geschäftsführer sei mit uns unzufrieden; für den machten wir das. Wir machen eben keine Klientelpolitik für Geschäftsführer