Protocol of the Session on July 15, 2015

(Anhaltender Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir eine weitere Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Marion-DöhnhoffGymnasiums aus Mölln. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, Frau Abgeordnete Eka von Kalben, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit fast drei Jahren arbeitet diese Landesregierung mit und für die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein. Das sind drei Jahre, die uns Applaus und auch Kritik eingebracht haben, drei Jahre, in denen diese Koalition ihre politischen Schwerpunkte umgesetzt und das Land sozialer, offener, gerechter und grüner gemacht hat. Das waren drei Jahre, in denen viel erreicht wurde und in denen die Herausforderungen nicht kleiner geworden sind. Ich danke dem Ministerpräsidenten für seine Ausführungen und für seinen Ausblick auf die zweite Hälfte der Legislaturperiode.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Noch einmal drei Jahre?)

- Die Legislatur hat eine bestimmte Dauer. Wir werden weiter regieren, und wir werden sehen, was wir dann darüber hinaus umsetzen.

Lieber Herr Günther, wenn das, was hier vorgestellt wurde, Märchen sind, und wenn wir nicht mehr versprechen, als wir halten, gleichzeitig aber zu viel ausgeben, dann passt das irgendwie nicht zusammen. Sie werfen uns immer vor, dass wir zu viel Geld ausgeben, dass wir auf der einen Seite zu viel Geld für die Polizei, für die Kitas und die Schulen ausgeben. Auf der anderen Seite fordern Sie, dass wir an anderen Stellen mehr machen sollen. Das passt nicht zusammen. Lieber Herr Günther, Sie sind derjenige, der hier ohne Ende Märchen verkündet. Wir klauen weder Räder, noch ist in diesem und im nächsten Jahr ein Polizist weniger auf der Straße.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

(Dr. Ralf Stegner)

Lieber Herr Günther, wir haben auch keine Baustellen geschaffen. Weder haben wir Straßen geschottert, noch haben wir Hochschulen zerstört. In den Krankenhäusern haben wir auch nicht dafür gesorgt, dass die OP-Säle saniert werden müssen.

Meine Damen und Herren, wir haben von der Bevölkerung den Auftrag bekommen, dieses Land bis 2017 zu gestalten, und wir werden das auch tun. Politische Weitsicht heißt aber auch, darüber hinaus zu denken. Es heißt auch, Zukunft zu gestalten. Ich bin nicht umsonst in eine Partei eingetreten, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben hat, die sich in ihrer Zukunftswerkstatt über das Jahr 2050 Gedanken macht. Unsere Gesellschaft steht vor Herausforderungen, die über eine, zwei oder drei Legislaturperioden hinausgehen: Das Klima, der demografische Wandel, die digitale Welt. Wir brauchen weitreichende Lösungen, keine Flickschusterei.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt SPD und SSW)

Dennoch: Unser Handeln in den nächsten beiden Jahren stellt dafür wichtige Weichen. Es gilt nämlich beides: Wir müssen heute Lebensverhältnisse schaffen, die die Menschen glücklich leben lassen mit guter Arbeit, guter Bildung und gesunder Umgebung, mit Bedingungen, die Lust machen, sich zu beteiligen und sich in die Demokratie einzubringen. Gute Lebensverhältnisse für Kinder und Alte, für Familien und für Alleinstehende; all dies ist heute unser Auftrag, dem wir gerecht werden müssen. Das aber darf nicht zulasten zukünftiger Generationen gehen, die genau diesen Anspruch ebenfalls haben. Deshalb funktioniert Wirtschaft nur im Einklang mit Natur und Klimaschutz, und Politikgestaltung funktioniert nur im Einklang mit kluger Haushaltskonsolidierung. Die heutige Politik muss die Zukunft im Blick haben.

Deshalb geht es nicht nur um die kurzfristigen Effekte, sondern - und dafür ist die Umweltpolitik ein gutes Beispiel - es geht darum: Wenn wir heute falsche Weichenstellungen schaffen, dann kann das fatale Wirkungen haben. Lassen Sie mich dafür ein Beispiel nennen. Vor zweieinhalb Wochen hat das Kabinett eine Strategie zur Rettung des Wattenmeeres beschlossen. Das Watt droht abzusaufen, weggespült zu werden und zu verschwinden. Das wäre der Verlust eines einzigartigen Naturraums. Einen vergleichbaren Raum gibt es nirgendwo auf der Welt. Das wäre der Verlust eines wichtigen Wirtschaftsraums. Betroffen wären die Muschelfischer, vor allem aber der Tourismus. Ein Verlust des Wattenmeeres wäre auch das Ende eines effizi

enten Küstenschutzes. Ohne Watt müssten die Deiche viel höher sein. Ein Verlust des Wattenmeeres wäre auch ein Bruch mit der kulturellen Identität des ganzen Landes. Das hat nichts mit dem Denken in Legislaturperioden zu tun. Das ist nachhaltig, und das sind Zukunftsinvestitionen. Das ist es, was diese Regierung leistet.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Meine Damen und Herren, weil diese Regierung über diese Legislaturperioden hinaus denkt, liegt ihr auch die Unterstützung der schleswig-holsteinischen Familien am Herzen. Wir werden ab 2017 jede Familie um 100 € im Monat entlasten, die einen Krippenplatz bezahlen muss. Wir unterstützen damit Eltern, die wieder in den Beruf einsteigen wollen. Das ist das Gegenteil vom dem, was Sie, liebe CDU, mit Ihrem Betreuungsgeld machen. Wir wollen Kind und Karriere ermöglichen, Sie Kind und Küche. Das ist der Unterschied.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das ist wirtschaftspolitisch auch angesichts des Fachkräftemangels völliger Irrsinn. Für eine Politik, die wir sachlich für richtig halten, die zukunftsweisend ist, nehmen wir auch gern Geld in die Hand; denn ohne Geld geht es nicht. Wir entlasten richtig, sodass es ankommt. Zur Investition in die Zukunft gehört auch - ich sage auch: vor allem -, dass wir die Qualität der Kitas gemeinsam mit den Kommunen verbessern werden.

Meine Damen und Herren, mit mehr als 20 Millionen € verbessern wir den Fachkräfteschlüssel in den Kitas. Hinzu kommt die Erhöhung der Sprachmittel auf mittlerweile 8 Millionen €; das sind 2 Millionen € mehr in diesem Haushalt. Das entlastet die Erziehenden und führt zu einer besseren Förderung der Kleinkinder. In der Kita entscheidet sich, wer die Chance auf einen guten Bildungsabschluss erhält, unabhängig vom Elternhaus. Das, meine Damen und Herren, ist meiner Meinung nach eine Frage der Gerechtigkeit, das ist eine entscheidende Frage der Gerechtigkeit. Denn dieses Land muss jedem Kind alle erdenklichen Chancen geben. Dass das bei uns leider nicht gegeben ist, dass dies immer noch abhängig ist vom Bildungsstand, vom Geldbeutel der Eltern, das ist eine Schande für dieses Land und für Deutschland.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

(Eka von Kalben)

7 % Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher in 2012 in Schleswig-Holstein; das nehmen wir nicht hin. Das ist Vergeudung von Talenten, es ist ungerecht und unsinnig. Fachkräfte zu gewinnen, ist schon jetzt eine schwierige Aufgabe, es ist Wettbewerb. Wir müssen uns deshalb Vorteile erarbeiten. Das geht in erster Linie über Bildung. Genau deshalb haben wir die Jugendberufsagenturen und ihre Weiterentwicklung so entschieden vorangetrieben. Deshalb verwendeten wir die BAföG-Mittel für mehr als insgesamt 700 Lehrerinnen und Lehrer, was Sie nicht wollten, liebe Opposition. Deshalb haben wir 300 Lehrerinnen und Lehrer mehr für die Flüchtlingsbetreuung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Deshalb finanzieren wir 300 Schulassistentinnen und Schulassistenten und Schulbegleitung in Höhe von 18 Millionen €.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Deshalb finanzieren wir mit 17 Millionen € die Schulsozialarbeit an den Schulen. Wir investieren in die Köpfe des Landes, auch wenn sich das nicht in Investitionsquoten abbildet. Wir machen das, weil es nötig ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, Krippe, Kita, Schule, Jugendberufsagenturen, in jedem Bereich setzen wir Pflöcke.

Fehlen noch die Hochschulen. In den letzten Jahren haben wir uns auf die Infrastruktur der Hochschulen konzentriert, haben große Sondervermögen angelegt zur Sanierung und zum Bau. Das war gut und ist gut angelegtes Geld.

Doch wir wollen unsere Hochschulen auch als Talentschmiede ausbauen. Wir wollen gute Arbeitsbedingungen, gute Betreuung, Raum für Ideen und Eigensinn. Wir wollen Wissenschaftskultur. Deshalb geben wir uns mit Baumaßnahmen nicht zufrieden. Wir bessern die Grundhaushalte der Hochschulen richtig auf, im kommenden Jahr 10 Millionen €, aufwachsend auf 25 Millionen €. Das machen wir zusätzlich zu den 30 Millionen € aus dem Hochschulpakt III, die wir verstetigen. Wir sorgen für die Hochschulen jetzt und für die Studierenden in der Zukunft. Das sind Investitionen, die sich lohnen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, die Hochschulen können der Motor dafür sein, Schleswig-Holstein moderner zu machen. Die Welt verändert sich rasant. Noch sind wir nicht ausreichend auf die Digitalisierung aller Lebensbereiche vorbereitet,

(Beifall PIRATEN)

weder technisch noch mental. Es ist gut, dass die Regierung dieses Thema zu einem Schwerpunkt der nächsten zwei Jahre machen wird. Denn trotz Hackerangriffen und Cyberwars bietet die digitale Arbeitswelt riesige Chancen für die gesamte Gesellschaft. Die Digitalisierung erleichtert die Kommunikation, die Produktion der Industrie eröffnet Bildungschancen. Letztlich kann sie auch die Demokratie verbessern. Deshalb gehen wir den Breitbandausbau an, und wir schaffen die Infrastruktur von morgen für das Lernen, für das Wirtschaften fürs Leben. Auch das sind nachhaltige Investitionen.

Da wir wissen, dass die schöne neue digitale Welt auch etliche Risiken in sich birgt, ist es auch an dieser Stelle gut und richtig, nicht nur die Kabel zu verlegen und die Bagger rollen zu lassen, sondern in Medien, Erziehung und Know-how zu investieren. Wir müssen dafür sorgen, dass niemand abgehängt wird, weder technisch noch intellektuell. Ich bin in dem Zusammenhang auch sehr froh darüber, dass wir die erfolgreiche Arbeit des Datenschutzes in Schleswig-Holstein haben und heute vermutlich auch eine gute Nachfolgerin für unseren hervorragenden Datenschützer Thilo Weichert wählen werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, je schneller die Welt modern wird, je mehr sie abzuheben scheint, desto wichtiger ist es auch, die Wurzeln nicht zu verlieren. Ich spreche von kulturellen Wurzeln und von kulturellen Identitäten. Gerade in den schwersten Zeiten in Irland, als sich die Arbeitswelt vom Kopf auf die Füße gedreht hat und sich die Gesellschaft sehr schnell umstellen musste, schnellten die Anmeldungen für die Gälisch-Kurse in die Höhe. Niemand von uns würde auf die Idee kommen, die Zweisprachigkeit der irischen Ortsschilder infrage zu stellen. Auch und gerade eine Gesellschaft, die moderner wird, braucht Identität und kulturelle Wurzeln.

(Eka von Kalben)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, ist das Klientelpolitik, sind das Wahlgeschenke. Dieser Vorwurf: Zwei Jahre vor der Wahl - Sie wissen selbst, wie lange das noch hin ist - sind doch für eine Wahlentscheidung eine halbe Ewigkeit. Bitte schön, geschenkt. Aber das ist eine interessante Auffassung von Politik. Lieber Herr Günther, von Ihnen lasse ich mir gern Klientelpolitik vorwerfen. Familien, Kinder, Studierende, Schülerinnen und Schüler sind natürlich unsere Klientel, genauso wie Polizistinnen und Polizisten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Selbstständige und Erwerbslose. Unser Klientel sind die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, im Norden mit seinen Minderheiten und im Hamburger Rand mit den zuziehenden Familien. Ihre Klientel ist das nicht? - Gern.

Ehrlich gesagt, aus nichts anderem kann ich eine größere Bestätigung ziehen als aus diesen Vorwürfen, meine Damen und Herren von der Opposition. Dies zeigt nur eines: Wir machen das Leben in diesem Land besser. Das passt Ihnen nicht; so einfach ist das.

Wenn Sie dann den Vorwurf erheben, wir hätten 1,3 Milliarden € mehr Steuereinnahmen, dann sage ich: Ja, das stimmt. Es gibt mehr Geld. Davon gehen etwa 500 Millionen € in mehr Personalkosten, Tarifsteigerungen und Pensionslasten. Wenn Sie das nicht wollen, dann wundere ich mich über die Redebeiträge und die Pressemitteilungen, die wir im letzten Jahr lesen konnten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Davon gehen 400 Millionen € in den kommunalen Finanzausgleich. Wenn Sie das nicht wollen, dann sagen Sie das bitte Ihren Vertreterinnen und Vertretern vor Ort.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Der Rest des Geldes geht an unsere Klientel, die Bürgerinnen und Bürger von Schleswig-Holstein, für Bildung, für Polizei, für bessere Infrastruktur.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)