Protocol of the Session on June 19, 2015

Um die wichtige Kooperation von Jugendlichen für die Zukunft abzusichern, lassen wir nicht nach und stellen weiterhin Geld für unser Ostseejugendforum zur Kieler Woche zur Verfügung. Wir stellen ein tolles Forum auf die Beine. Auch wenn wir gegenüber unseren Partnern in der Ostseeregion noch Überzeugungsarbeit leisten müssen: Ich freue mich auf unsere Gäste in der kommenden Woche.

(Beifall SPD und Angelika Beer [PIRA- TEN])

Die Ostseekooperation ist nicht nur Selbstzweck. Wir wollen mit unseren Partnern im Ostseeraum wirtschaftlich zusammenwachsen. Dafür gibt es im INTERREG-Programm richtig viel Geld - alles nachlesbar im Bericht. Wir werden in dieser Tagung den Antrag der Küstenkoalition zur Nordseestrategie gemeinsam mit fünf Fraktionen - leider ohne FDP, aber alle anderen sind dabei - beschließen. Ich bedanke mich dafür, dass der Europabericht ausführlich die Notwendigkeit einer eigenen Strategie beschreibt. Wir alle wissen, dass die nationalen Regierungen hier noch eher zurückhaltend reagieren. Das macht das Ziel aber nicht falsch oder gar überflüssig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Zeiten wie diesen, in denen in der Welt Kriege und die Unterdrückung Andersdenkender herrschen, können wir Partnerschaften, Freundschafspflege, Parlamentariertreffen und Konferenzen gerade auf regionaler Ebene nicht hoch genug wertschätzen. Dabei sollte für uns der Dialog mit unseren russischen Partnern vor dem Hintergrund der zunehmenden schwierigeren Beziehungen zwischen EU und Russland weiterhin einen wichtigen Stellenwert haben. Wer sich die Anmeldeliste für das Ostseejugendforum für nächste Woche anguckt, sieht: Wir haben auch Gäste aus Kaliningrad dabei. Das finde ich super.

(Beifall)

Vielleicht ist mir die persönliche Bemerkung an der Stelle auch gestattet: Ich hätte mir auch den Besuch der russischen Marine zur Kieler Woche vorstellen können.

(Beifall SPD und Angelika Beer [PIRA- TEN])

Abschließend will ich sagen, dass es wichtig bleibt, europapolitische Aktivitäten nicht nur auf das Europaressort zu beschränken. Wir sind alle gefragt. Das hat auch meine Kollegin Astrid Damerow betont. Ich empfehle Ihnen allen den Europabericht zur Lektüre. Und auch ich schließe mich dem Antrag auf Überweisung in alle Ausschüsse mit Ausnahme des Petitionsausschusses zur abschließenden Beratung an. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Angelika Beer [PIRATEN])

Vielen Dank. - Nun hat für die Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN Herr Abgeordneter Bernd Voss das Wort.

(Regina Poersch)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal vorweg einen herzlichen Dank an die Landesregierung für diesen Bericht. Es ist gut, dass sich die Landesregierung in so vielen Bereichen außerhalb unserer Landesgrenzen in Kooperation mit Nachbarstaaten, Partnerregionen, im Ostseeraum, im Nordseeraum und ganz woanders stark engagiert. Ein ganz besonderer Dank geht hier auch an unsere Landesaußenministerin Anke Spoorendonk.

(Beifall BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Dieses Engagement brauchen wir. Wir brauchen schleswig-holsteinische Landesaußenpolitik, gerade weil wir mit den Herausforderungen im eigenen Land klarkommen wollen. Da hilft Abschottung und das Schmoren im eigenen Saft überhaupt nicht. Kooperationen und partnerschaftliches Miteinander über die Landesgrenzen hinweg erweitern den Horizont und machen uns offen für innovative Lösungsansätze.

Ich glaube, es ist ein wertvolles Gut, dass wir im Moment in Schleswig-Holstein und in Deutschland eine ziemlich pro-europäische Stimmung haben. Dafür sollten wir weiter kämpfen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt SPD und SSW)

Vor drei Monaten haben wir hier über das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und die Schwerpunkte der Fraktionen dazu debattiert und einen einstimmigen Beschluss hinbekommen. Ich habe in meiner Rede die Herausforderungen formuliert, vor denen wir und vor denen Europa heute steht - und ich sage bewusst Europa und nicht EU.

Eben hat bereits Regina Poersch deutlich gemacht: Wir gerade in Schleswig-Holstein sind über die verschiedenen Ostseezusammenarbeiten sehr eng auch in Krisenzeiten in der Zusammenarbeit mit Russland und den russischen Regionen tätig. Das ist ein wertvolles Gut.

Bei der Lösung der Zukunftsaufgaben darf sich die EU nicht abschotten. Das sind Friedenssicherung, Stabilität und Integration, sozialer Ausgleich, Energiewende und Umbau der Wirtschaft.

Der Bericht reicht ja auch noch über die Grenzen Europas hinaus. Besonders beim Thema Flüchtlinge und Migration wird das deutlich. Wir sind aufgefordert, unseren Teil dazu beizutragen, dass

Europa auch an seinen Außengrenzen das Prinzip der Menschenwürde nicht infrage stellt und die Menschenrechte nicht sicherheitspolitischen oder gar wirtschaftspolitischen Erwägungen unterordnet.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir begrüßen es, dass die Europäische Kommission die Themen Migration und gemeinsames Asylsystem weit oben auf die politische Agenda gesetzt hat. Die viel gebashte Kommission ist da in vielen Punkten erheblich weiter als die nationalen Regierungen, auch als unsere Regierung in Berlin.

Wir haben zu diesem Thema im Europaausschuss gemeinsam mit dem Innen- und Rechtsausschuss eine Anhörung durchgeführt und als Folge im Landtag auch einen Beschluss zu mehr Flüchtlingsschutz in Europa gefasst: Seenotrettung gewährleisten, Kontrolle der Grenzschutzagentur Frontex durch das Europäische Parlament, humanitäre Visa - um nur einige Stichworte zu nennen.

Der Bericht, den wir vorgelegt bekommen haben, ist vielfältig, und jedes einzelne Thema ist so wichtig, dass es schwerfällt, in dieser Debatte einzelne Aspekte herauszugreifen. Bemerkenswert ist zum Beispiel die neue polnisch-deutsch-schleswig-holsteinische Zusammenarbeit zur Kartierung von Munitionsaltlasten in der Ostsee, unter anderem auch im Bereich der Flensburger Förde.

Ein Thema ist jedoch in diesen Tagen von so großer Brisanz, dass ich nicht daran vorbeikomme, mich auch dazu zu äußern, obwohl die Landesregierung und auch wir hier im Parlament keinen direkten Einfluss darauf haben. Das ist das Thema Wirtschafts- und Währungsunion oder kurz gesagt: Grexit.

Ich hoffe, dass es am Montag auf dem EU-Gipfel zu einer Einigung kommen wird. Ich hoffe, das Experiment am lebenden Patienten eines Austritts Griechenlands aus der Währungsunion bleibt uns erspart. Es hätte nicht nur für die griechische Bevölkerung eine noch weitere Verschlimmerung der ohnehin schon in Teilen desolaten Lebensumstände zur Folge. Es ist auch für uns mit unkalkulierbaren Risiken verbunden.

Eine Wirtschaft, die wie unsere sehr stark auf Exporte ausgerichtet ist, profitiert auch sehr stark von der gemeinsamen Währung, ist zugleich aber auch anfällig gegenüber Instabilitäten im Währungssystem. Daher finde ich das Pokerspiel im Rat, an dem sich auch die Bundesregierung ganz wesentlich be

teiligt, schwer erträglich. Das kann auch gehörig schiefgehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Noch eine aktuelle Meldung dieser Tage steht damit im Zusammenhang: Das Aufkaufprogramm für Staatsanleihen der Europäischen Zentralbank war rechtens, so das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von vor wenigen Tagen. Gut, dass es insoweit Rechtsklarheit gibt. Für mich ist die Entscheidung auch nachvollziehbar, die sich darauf gründet, der Ankauf sei nicht dem Bereich der Wirtschaftspolitik zuzurechnen.

Ich denke aber auch, dass die Handlungsweise der EZB eine Notmaßnahme ist und auch bleiben muss. Das ist letztlich eine Folge von Politikversagen im Bereich der Wirtschaftspolitik. Wirtschaftspolitik, Steuerpolitik, aber auch Sozialpolitik werden noch zu wenig als gemeinsame Aufgabe in der EU verstanden.

Hier sehe ich ein wichtiges Feld für die europäische Integration. Auch das Europäische Parlament muss in diesen Bereichen erheblich mehr Einfluss bekommen. Die Politik und die Demokratie in Europa dürfen nicht vor den Finanzmärkten kapitulieren. Europa funktioniert nicht, wenn man es in Gewinner und Verlierer aufspaltet. Eine Showdown-Politik à la Merkel mag sich die Bundeskanzlerin am Wochenende vielleicht als Western im Fernsehen anschauen. In der EU funktioniert sie jedenfalls nicht, sondern sie wird schiefgehen. Davor bewahre uns am Montag die Sitzung des Europäischen Rates.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Herr Kollege Dr. Ekkehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem der Kollege Voß für die Grünen sozusagen den globalgalaktischen Rundschlag vollzogen hat, möchte ich zumindest einen von ihm genannten Punkt aufgreifen: Grexit. Auch ich finde, es wäre wünschenswert, man fände in dieser Frage eine Lösung. Aber man bekommt zunehmend Zweifel, ob es für eine konstruktive Lösung in Athen derzeit auch die entsprechenden Partner gibt, die man dafür bräuchte.

(Beifall FDP)

Eine zweite ganz kurze Anmerkung dazu: Ich finde es sehr erstaunlich, dass jedenfalls in der deutschen politischen Öffentlichkeit viel mehr Besorgnis und Aufregung beim Thema Grexit spürbar geworden ist, jedenfalls in der letzten Zeit - man kann auch sagen: in den letzten Monaten -, im Vergleich zu der Frage: Was wäre eigentlich die Konsequenz, wenn Großbritannien aus der EU ausscheiden würde? Das ist nämlich nach dem Ausgang der Unterhauswahlen im Vereinigten Königreich durchaus auch eine Gefahr. Das wäre aus meiner Sicht für Europa ein viel größeres Drama, als wenn Griechenland - sicherlich auch nicht ohne Probleme aufgrund des Scheiterns der zurzeit laufenden Verhandlungen zwischen Griechenland und der Eurogruppe aus der Eurozone ausscheiden müsste. - So weit meine Anmerkungen zu den Themen, die der Kollege Voß angesprochen hat.

Der Bericht, den die Landesregierung abgegeben hat und den Frau Ministerin Spoorendonk uns vorgestellt hat, spricht eine Reihe von Punkten an. Ich will nur ganz kurz einige Stichworte aufgreifen.

So wird die neue Agenda der EU-Kommission unter der Leitung von Jean-Claude Juncker dargelegt. Einer der Stichpunkte ist die neue Migrationspolitik, die die EU-Kommission anstrebt. Ich finde, der Vorschlag, insoweit eine gerechte Lastenverteilung zu entwickeln, ist sehr vernünftig. Es ist zu bedauern, dass es dazu von einer Reihe von Mitgliedsländern bislang schon erheblichen Gegenwind gegeben hat. Der Weg zu einer solchen gerechten Lastenverteilung wird sicherlich nicht einfach sein.

Wenn beispielsweise die „Welt“ auf der Basis einer neuen Umfrage gestern vermeldet, dass nahezu jeder zweite Flüchtling oder Asylbewerber in der EU eigentlich gern nach Deutschland möchte, dann kommt man bei aller Notwendigkeit und Bereitschaft, in Deutschland eine Willkommenskultur zu entwickeln, sehr wohl zu dem Schluss: Ab einer bestimmten quantitativen Entwicklung wird auch unser Land überfordert sein, dieses in vernünftiger Weise leisten zu können.

(Beifall FDP)

Weil man sich wirklich Sorgen machen muss um den Bestand einer guten Willkommenskultur, ist es wichtig, dass wir in der EU unter den 28 Mitgliedsländern zu einer vernünftigen Lastenverteilung auch bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern kommen.

(Beifall FDP)

(Bernd Voß)

Zu meinem zweiten Stichwort wird auf den Seiten 16 ff. etwas in dem Bericht ausgeführt, und das betrifft TTIP. Wir haben heute im Pressespiegel gelesen, dass die Wirtschaftsminister des Bundes und der Länder sich einstimmig für TTIP ausgesprochen haben. Das ist ein Thema, über das wir auch hier schon verschiedentlich debattiert haben. Es gab zwei vernünftige Bedingungen. Eine Bedingung ist: Es soll ein bilateraler Handelsgerichtshof zwischen den USA und der EU eingerichtet werden anstelle der „privaten“ Schiedsgerichte. Der zweite Punkt ist die Beteiligung des Bundesrats. Auch das finde ich nachvollziehbar und richtig, Herr Wirtschaftsminister. - Leider ist er nicht mehr hier.

Ich darf zitieren, was der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir laut Bericht des „Hamburger Abendblatts“ erklärt hat. Er betonte, die Amtskollegen seien auch offen für die Übernahme von US-Standards, wenn diese strenger seien als die EU-Regeln. Wörtliches Zitat:

„Das ist ja durchaus in manchen Bereichen der Fall.“

Man sieht, es gibt bei diesem Thema TTIP auch vonseiten prominenter grüner Amtsträger ganz neue Töne, als wir sie früher in diesem Plenarsaal gehört haben.

(Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

- Warum sind Sie denn schon wieder so verärgert, wenn Sie etwas hören müssen, was Sie vielleicht nicht so gern hören wollen?