- Warum sind Sie denn schon wieder so verärgert, wenn Sie etwas hören müssen, was Sie vielleicht nicht so gern hören wollen?
Vielen Dank, Herr Kollege. Hier ist gar keiner nervös oder aufgeregt. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, dass es immer grüne Position war, dass wir die Handelsabkommen TTIP und CETA ablehnen, wenn dadurch eine Absenkung sozialer und ökologischer Standards droht und wenn „privater“ Investorenschutz Teil des Abkommens wird. Wenn es dazu kommt, dass die Stan
dards nicht abgesenkt werden, dann ist das Zustandekommen eines Handelsabkommens überhaupt kein Problem.
Von daher ist die Position, die Herr Al-Wazir gestern gegenüber den Medien offenbar vertreten hat, sehr konsistent mit dem, was wir Grüne beispielsweise auch hier in der Koalition mit den Sozialdemokraten und dem SSW beantragt und mehrfach beschlossen haben.
- Ich freue mich, dass der Kollege Rasmus Andresen die Position jetzt noch einmal bekräftigt hat, die die FDP bei diesem Thema - ich selber habe dazu gesprochen - hier in diesem Plenarsaal von Anfang an vertreten hat. Selbstverständlich dürfen keine Standards abgesenkt werden. Das war natürlich immer auch unsere Position.
- Es tut mir leid, Herr Kollege Breyer, ich möchte die Diskussion über das Thema TTIP jetzt nicht weiterführen, weil ich noch ein paar andere Stichworte ansprechen will.
Zur deutsch-dänischen Zusammenarbeit. Frau Ministerin Spoorendonk, ich freue mich, dass Sie so optimistisch in die Zukunft sehen und dass das, was Sie an positiven Entwicklungen im Bericht darstellen, aus Ihrer Sicht nicht Schnee von gestern ist, sondern dass man daran anknüpfen kann. Ich finde schon, ein Wahlergebnis, bei dem die rechtspopulistische Dänische Volkspartei in der neuen Wahlperiode die zweitstärkste Partei in Dänemark mit erheblich gestärktem Einfluss auf die Regierungsarbeit geworden ist, ist ein wenig Anlass zur Besorgnis. Im „Nordschleswiger“ liest man beispielsweise heute den Hinweis, dass die Dänische Volkspartei zusammen mit zwei anderen eher eurokritischen Parteien in Europafragen eine Sperrminorität im Folketing hat. Ich darf daran erinnern, dass wir früher aufgrund des Einflusses der Dänischen Volkspartei schon einmal die Einführung von Grenzkontrollen im deutsch-dänischen Grenzraum gesehen haben. Mit ein bisschen Besorgnis muss man, meine ich, schon auf die zukünftigen Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit mit Dänemark schauen.
Eine ganz kurze Anmerkung zum Thema OstseeJugendsekretariat. Der Bericht schildert die leider nicht erfolgreichen Bemühungen des vorigen Jahres
um eine Anschlussfinanzierung. Nun haben wir auch das wurde hier schon von Kollegen genannt quasi als kleinen Ersatz das Ostsee-Jugendforum im Rahmen der Kieler Woche. Ich gestatte mir hier eine kleine kritische Anmerkung. Wir haben gesehen, dass wir dieses Mal gerade einmal zehn junge Menschen aus dem gesamten Ostseeraum haben gewinnen können. Da muss ich anfügen: Aus meiner Sicht gibt es natürlich Grenzen, an denen eine solche Veranstaltung auch schon einmal die Peinlichkeitsschwelle überschreitet. Ich sage das mit aller Vorsicht. Nach der diesjährigen Veranstaltung sollten sich die europapolitischen Sprecher einmal zusammensetzen, um zumindest einen Austausch über die Zukunft dieses Formats zu führen.
Jetzt sind noch 3 Sekunden übrig. Die nutze ich, um zu sagen: Ich freue mich über die Entscheidung der EU-Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Pkw-Maut zu führen.
Das hat ja den Bundesverkehrsminister sofort zu einer Vollbremsung veranlasst. An diesem Beispiel sieht man, wie gut Europa ist und wie gut Europa wirken kann. Ein erfahrener Kollege hat mich vorher im bilateralen Gespräch mit der Bemerkung, man wisse ja nicht, wie dieses Verfahren vor dem EuGH ausgehen werde, auf den Boden der Tatsachen herunterholen wollen. Dazu sage ich: Wenn es 2017 doch zur Einführung kommen sollte
- ja, letzter Halbsatz -, dann haben wir 2017 ein paar Termine, bei denen man das Thema Pkw-Maut politisch ansprechen und dann endgültig wegräumen könnte. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei diesen jährlichen europapolitischen Debatten überlege ich mir immer: Wenn du als Fünfter zu reden anfängst, was
sollst du dann eigentlich noch sagen? - Ich überlege mir dann immer die Brücke zu dem, was die Menschen, die uns zuhören, vielleicht gerade bewegt. Da kann man nur sagen: Europa scheint immer mehr in schlechter Verfassung zu sein. Ein Bericht wie der unsere - ich schließe mich dem Dank an zeigt: Wir sind zwar nur ein kleines Stück Europa, aber Schleswig-Holstein nimmt die Aufgaben ernst. Wir versuchen in allen Bereichen, das Gute von diesem Europa, das uns so wichtig ist, zu verbessern und zu stärken. Ich finde, das ist eine Herausforderung.
An der Stelle will ich mich auch bei den Kollegen für die Zusammenarbeit im Europaausschuss bedanken - bei allen Differenzen, die wir manchmal haben. Es ist entscheidend, dass wir in wichtigen Punkten, wenn es etwa, wie vorhin, um den ländlichen Raum oder, wie beim letzten Mal, um die Flüchtlingspolitik Europas geht, gemeinsame Positionierungen finden. Ich denke, das stärkt vielleicht auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nicht nur in die Landespolitik, sondern auch in das Gute von Europa, das wir wahren und schützen wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gehe nur auf einige Bereiche ein. Wir haben im vergangenen Jahr sehr intensiv über die Versuche diskutiert, mehr Bürgerinnen und Bürger zur Europawahl zu bekommen und die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Ganz erreicht haben wir unser Ziel mit 43,3 % nicht. Aber ich denke, dass wir schon jetzt anfangen sollten, zu überlegen, wie wir das im Hinblick auf die nächsten Wahlen verbessern können. Denn die Negativschlagzeilen - bis auf die Maut, da gebe ich Herrn Dr. Klug durchaus recht - sind weit übergreifend.
Für viele Bürgerinnen und Bürger sind die Europäische Union und ihr Parlament total weit weg. Sie sehen ihre Bedürfnisse vor Ort nicht widergespiegelt. Es dauert alles zu lang und wird zu wenig berücksichtigt. Oft wird kritisiert - ich muss sagen: zu Recht -, dass diese europäische Politik zu intransparent ist und dass man sie in weiten Teilen nicht nachvollziehen kann. Als wir diese Woche Subsidiarität im Hinblick auf die Verordnungen zu Möglichkeiten der Anpflanzung genveränderter Pflanzen geprüft haben, ist mir aufgefallen, dass man, wenn man sich so etwas als Nichtjurist durchliest, schlichtweg sagen muss: Sorry, was machen die da eigentlich? - Ich denke, auch da ist Verbesserung dringend notwendig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen - auch das ist ein Teil des Berichtes - sollte sich die Europäische Union weiterhin wirklich ernsthaft Gedanken über die künftige Rolle der nationalen Parlamente machen. Damit meine ich ausdrücklich auch die Landesparlamente. Wir haben zwar den Ausschuss der Regionen, aber die Europäische Union braucht uns als Mittler, um den Bürgerinnen und Bürgern die europäische Politik verständlich zu machen und nahezubringen, gerade mit Blick auf die zunehmenden europaskeptischen und rechtspopulistischen Parteien in einigen EU-Ländern und die vor zwei Tagen neu gegründete rechte Fraktion um Marie Le Pen. Denn das heißt: mehr Geld, mehr Macht für Rechtsextremisten, Ausländerfeinde und Anti-EU-Positionen. Das kann uns nicht ruhen lassen.
Ich will das nicht gleichsetzen, aber das Wahlergebnis in Dänemark, unserem Nachbarland, mit dem uns so viel verbindet, macht mich schon ausgesprochen besorgt.
Wir haben den Wahlkampf verfolgt. Es ging gegen Ausländer. Die Fragestellung war, wie die Mittel im Land ausgegeben werden, ob das, was in Dänemark gerade für Flüchtlinge ausgegeben wird, nicht viel besser genutzt werden kann, um den Wohlstand zu verbessern. Das ist schwer erträglich für uns mit unserer Überzeugung. Ich denke, dass wir ganz erhebliche Anstrengungen auch im Bereich der Zusammenarbeit mit Dänemark erbringen sollten, diejenigen Kräfte zu stärken, die sich auf diesen rechtspopulistischen Weg nicht einlassen wollen.
Ansprechen möchte ich auch kurz TTIP, obwohl es hier bereits genannt worden ist. Für die Menschen hier bei uns ist es ein Problem, wenn diese Verhandlungen völlig intransparent über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg geführt werden.
Da hilft es auch nicht, wenn ein Grüner auf einmal Positionswechsel betreibt und sagt: Das kann man doch alles so machen.
- Ich habe es verstanden. Dazu kenne ich die Grünen gut genug. Das ist ein Positionswechsel. Tarek Al-Wazir äußert sich oft genug. - Dennoch werden die nationalen Parlamente und auch wir nur zögerlich informiert. Die Bürgerinnen und Bürger sind in diesen Prozess nicht eingebunden.
Zum Thema Flüchtlinge. Vielleicht ist es sogar die größte gesellschaftliche Herausforderung Europas, wenn es jetzt um die Bewältigung der zunehmenden Flüchtlingsströme geht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, morgen ist der Weltflüchtlingstag. Nach den aktuellen Zahlen haben wir schätzungsweise 60 Millionen Flüchtlinge. Wir wissen - das haben wir diese Woche im Rahmen des Nachtragshaushalts diskutiert -, dass es mehr werden, auch für Schleswig-Holstein.
Es kann nicht sein, dass wir es zulassen, dass die EU nur noch Abschottungspolitik betreibt. Sie sagt zwar, sie möchte ein Migrationskonzept, eine Strategie erstellen, sie sagt, sie möchte gerechter verteilen, aber gerade in der Flüchtlingspolitik in den jüngsten Debatten ist es die Renationalisierung, die dem im Wege steht. Die Mitgliedstaaten der EU sind nicht bereit, gemeinsam eine solidarische Flüchtlingspolitik zu gestalten.
Ich hoffe, dass die Signale, die aus Schleswig-Holstein geschickt werden, vielleicht doch noch den einen oder anderen Positionswechsel durchsetzen können. Denn die Entwicklung der Europäischen Union geht genau in die falsche Richtung. Wir brauchen starke Bündnispartner.
Wir wissen doch, dass Migration immer ihre eigenen Wege findet. Wir wollen verhindern - dazu haben wir hier einen Konsens -, dass diese Menschen auf dem Weg der Hilfe im Mittelmeer untergehen, und das ist unsere Herausforderung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. - Ich habe noch eine Bitte, die ich noch gern erwähnen möchte. Ich würde mich sehr freuen, wenn dafür die Forderung der FUEV nach einem
EU-Kontaktausschuss als Schnittstelle der Minderheiten in Brüssel Realität wird, und wir das diskutieren und möglichst auch unterstützen. Das sind Antworten auf die Grenzschließungen Ungarns in Richtung Serbien. Wir haben die Möglichkeiten. Vielen Dank, Frau Ministerin, dass Sie sich dafür einsetzen. Ich denke, wir werden mit unserer Stimme dann auch weiterhin laut zu vernehmen sein.