Protocol of the Session on June 18, 2015

Vom Grundsatz her ist wohl jedem hier klar, dass niemand wegen seines Geschlechts, seiner Religion oder zum Beispiel aufgrund seines Alters benachteiligt werden darf. Doch in der Praxis sieht es leider häufig noch ganz anders aus. Allein die Tatsache, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz als rechtliche Grundlage kaum bekannt ist, spricht doch Bände. Egal ob in der Verwaltung oder in der freien Wirtschaft: Vielerorts fehlt es ganz offensichtlich an Sensibilität für dieses wichtige Thema und für die unterschiedlichen Abstufungen der Diskriminierung.

Ich will sagen, auch wenn sich vieles mit den Jahren verbessert hat, ist uns als Partei zweier nationaler Minderheiten, nämlich der Friesen und der dänischen Minderheit, Diskriminierung in ihren verschiedenen Formen alles andere als fremd. Keine Frage: Oft fängt es schleichend und vermeintlich ganz harmlos an, aber wir merken immer wieder, wo das hinführen kann, und wir haben viele Gruppen in unserer Gesellschaft, die mit diesen Problemen kämpfen. Mit dem Aktionsplan für die Akzeptanz vielfältiger sexueller Identitäten oder mit dem Themenjahr gegen Antidiskriminierung sind hier im vorliegenden Tätigkeitsbericht sehr wichtige und richtige Punkte angesprochen worden, und wir sind darauf aufmerksam gemacht worden. Auch hieraus geht im Grunde sehr deutlich hervor, dass es ja häufig Minderheiten sind, die Opfer von Benachteiligung und Diskriminierung werden. Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass sich die Antidiskriminierungsstelle dieser Punkte annimmt.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt SPD und PIRATEN)

Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht des SSW auch sehr sinnvoll, dass neben dem Flüchtlingsbeauftragten auch der Beauftragte für Menschen mit Behinderung und unsere Minderheitenbeauftragte in Form von Gastbeiträgen zu Wort kommen. Denn diese Beiträge lenken die Aufmerksamkeit auf Fälle, die eben auch außerhalb des Geltungsbereichs des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes liegen. Das ist gut und unheimlich wichtig. Gerade weil all diese Probleme kaum von jetzt auf gleich gelöst werden können, halte ich diese Beiträge auch für die Zukunft für wichtig und würde es

sehr begrüßen, wenn sie ein fester Bestandteil des Berichts werden würden.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Wolfgang Baasch [SPD])

Zusammenfassend kann ich nur mit einem lachenden und einem weinenden Auge sagen: Wenn man so einen Bericht sieht, ist da unheimlich große Dankbarkeit für den Einsatz, der hier geleistet worden ist. Aber letztendlich hoffe ich ja, dass wir irgendwann einmal so weit in unserer Gesellschaft kommen, dass wir solche Berichte gar nicht mehr brauchen. - Jo, vielen Dank.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Beratung.

Es ist beantragt worden, die Berichte Drucksachen 18/2911 sowie 18/2912 federführend dem Sozialausschuss zu überweisen. Der Bericht Drucksache 18/2912, das ist der zur Antidiskriminierungsstelle, soll mitberatend auch im Innen- und Rechtsausschuss behandelt werden - beides zur abschließenden Beratung. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dies einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Entwicklung und Gefahren des Extremismus in Schleswig-Holstein

Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Drucksache 18/3054

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Zur Beantwortung der Großen Anfrage erteile ich zunächst dem Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten, Herrn Stefan Studt, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beantwortung dieser Großen Anfrage zeigt: Schleswig-Holstein sieht sich mit extremistischen Bestrebungen aus allen Phänomenbereichen konfrontiert. Die Antwort unterstreicht aber auch die Gefährdungseinschätzung und -prognosen zu den verschiedenen Extremismusformen, die bereits

(Flemming Meyer)

im Verfassungsschutzbericht für das vergangene Jahr gegeben wurden. Die größte Gefahr für die innere Sicherheit geht weiterhin vom islamistischen Terrorismus aus. Die rechtsextremistische Szene verliert an Einfluss und Organisationskraft, der Linksextremismus ist in Schleswig-Holstein kaum bemerkbar.

Darüber hinaus bietet sich hier aber auch die Gelegenheit, einmal deutlich zu machen: Die Landesregierung weist das Stigma des Extremismus nicht willkürlich zu. Sie legt bei der Prüfung der unterschiedlichen Extremismusfelder keine unterschiedlichen Maßstäbe an, und sie ist auch nicht auf irgendeinem Auge blind. Die Verfassungsschutzbehörde ist bei der Beurteilung politischer Bestrebungen an Recht und Gesetz gebunden. Danach darf sie im Wesentlichen nur solche Bestrebungen beobachten, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten. Dies trifft auf rechtsextremistische Bestrebungen genauso zu wie auf linksextremistische oder islamistische. Die Anhänger der verschiedenen Spielarten des Extremismus zielen jeweils darauf ab, den Kernbestand unserer Verfassung abzuschaffen oder außer Kraft zu setzen.

Ein wesentliches Merkmal des Rechtsextremismus ist beispielsweise die Ablehnung und Bekämpfung des Gleichheitsgrundsatzes.

Linksextremisten verfolgen ebenfalls das Ziel, unsere Staatsordnung zu überwinden. Sie wollen stattdessen entweder zu einer vermeintlich gleichberechtigten, aber totalitären Staatsform oder zu herrschaftsfreien Räumen gelangen.

Ein vorrangiges Ziel der Islamisten ist die Errichtung eines Gottesstaates.

Mit einem demokratisch verfassten Rechtsstaat haben all diese Vorstellungen nichts zu tun. Dabei muss es für die Beamten des Verfassungsschutzes im Rahmen der Aufgabenerfüllung ohne Belang sein, ob das Gegenüber einen Führerstaat, Gottesstaat oder eine Diktatur des Proletariats anstrebt.

Deutlich wird in der Antwort darüber hinaus - ich glaube, das ist der wirklich wichtige Kernpunkt -, dass Extremismus auch ein Jugendphänomen bleibt. Überall finden sich extremistische Organisationen, die mit ihren Aktivitäten und ihrer Propaganda gezielt auf Jugendliche und junge Erwachsene eingehen. Es gibt in jedem Extremismusbereich jugendspezifische Aktionsformen oder Szenen, die hauptsächlich aus jüngeren Anhängern bestehen. Im Linksextremismus sind dies vor allem autonome

Gruppierungen, bei den Rechtsextremen die Neonazis und im Islamismus die Salafisten.

Diesen schändlichen Einflüssen wirkt die Landesregierung ressortübergreifend entgegen. Die grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Extremismus beginnt dabei schon in der Schule oder in den Jugendeinrichtungen und ist fester Bestandteil des Lehrplans. Damit einher geht natürlich auch eine intensive Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte oder der Betreuungskräfte. Flankiert werden diese Anstrengungen von einem Netz präventiver Maßnahmen, die sich vor allem im Bereich des Rechtsextremismus etabliert und bewährt haben.

Meine Damen und Herren, die Antworten zeigen deutlich, dass ein Vergleich der Situation in Schleswig-Holstein mit anderen Bundesländern nur punktuell möglich ist. In beinahe jedem Bundesland gibt es phänomenspezifische Besonderheiten. Gründe hierfür sind die jeweilige Bevölkerungsstruktur, eine unterschiedliche Integrationsentwicklung und natürlich regionale Besonderheiten.

Betrachtet man schließlich die mit der Anfrage erbetene Statistik der extremistischen Kriminalität, werden große Unterschiede sowohl regional innerhalb der Phänomenbereiche als auch zwischen den einzelnen Phänomenbereichen deutlich. So unterscheiden sich die Fallzahlen und die Art der Delikte zwischen den einzelnen Bereichen erkennbar.

Im Rechtsextremismus sind beispielsweise allgemein hohe Fallzahlen im mittleren dreistelligen Bereich und eine Häufung von Straftaten im Bereich der Propagandadelinquenz - wie zum Beispiel das Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole - zu verzeichnen. Sie konzentrieren sich räumlich eher im südlichen Bereich des Landes. Im Islamismus dagegen ist lediglich eine kleine Fallzahl zu benennen und eine sehr unterschiedliche Delinquenzqualität festzustellen. Die Fälle ereignen sich überwiegend in den kreisfreien Städten sowie im Hamburger Rand.

Die Beantwortung der Großen Anfrage macht deutlich, wie groß die Herausforderungen im Bereich des Islamismus sind und wie die Landesregierung aufgestellt ist. Die Sicherheitsbehörden waren und sind auch weiterhin in der Lage, umsichtig, flexibel und angemessen zu reagieren. Ich sage jedoch sehr deutlich, dass unsere Sicherheitsbehörden nicht allwissend sind und das auch nicht sein können und nicht sein dürfen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Minister Stefan Studt)

Ich kann keine absolute Sicherheit garantieren, ich kann aber garantieren, dass die Sicherheitsbehörden im Rahmen ihrer Möglichkeiten und des rechtlich Erlaubten alles tun, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. Dabei sind Polizei und Verfassungsschutz auch immer auf wachsame Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Der Schutz und die Verteidigung unserer Freiheit sind eine Aufgabe aller Demokraten. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Axel Bernstein von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal ganz herzlichen Dank für die ausführliche Beantwortung der Großen Anfrage. Wenn man in eine Auswertung einsteigt, dann kann man zunächst einmal feststellen: Die Befunde bieten keinen Anlass zur Panik, sie geben aber ausreichend Anlass zur Besorgnis. Deshalb sollten wir als Parlament die Befunde auch ernst nehmen und daraus in ruhiger Ausschussarbeit die entsprechenden Schlüsse ziehen.

Herr Minister, ich möchte mich ganz ausdrücklich bei Ihnen für die Analyse bedanken, die Sie heute hier noch einmal mündlich vorgetragen haben. Das Bekenntnis dazu, dass es keinen guten und keinen schlechten Extremismus gibt, war wichtig. Ich glaube, der Hinweis, dass die Landesregierung alle Extremismusbereiche gleichermaßen im Fokus hat, ist ein ganz bedeutsamer Punkt, und er ist deswegen war es mir wichtig, dass Sie das erwähnt haben - keine Selbstverständlichkeit.

Ich möchte zu Beginn drei Zitate nennen.

Erstes Zitat:

„Für Schleswig-Holstein bleiben Rechtsradikale weiterhin das größte Problem.“

Zweites Zitat:

„Im Gegensatz dazu belegen die Erkenntnisse über Linksradikale in Schleswig-Holstein kein relevantes Gefährdungspotenzial …“

Drittes Zitat:

„Völlig unverständlich bleibt jedoch, wie die Verfassungsschutzbehörde den Islamismus

kurzfristig als die bedrohlichste Bewegung in Schleswig-Holstein einschätzt.“

Diese wegweisenden Aussagen meines Lieblingskollegen von den Grünen, Herrn Peters, sind gerade einmal ein Jahr alt, und zeigen, dass hier durchaus Beratungsbedarf besteht.

(Beifall CDU)

Es mag einfach eine Analyse sein, die jetzt zugegebenermaßen ein Jahr alt ist - daran kann sich etwas geändert haben -, wir müssen aber auch darauf achten, dass wir nicht aus falsch verstandener Toleranz glauben, dass eine durchgehen lassen zu können, während wir an der anderen Stelle mit aller Härte vorgehen. Das Leitbild einer wehrhaften Demokratie ist es, gegen alle Feinde der Freiheit vorzugehen, ganz egal aus welcher Ecke - politisch oder religiös - sie kommen.

Mein Dank an dieser Stelle gilt den Sicherheitsbehörden, der Polizei und ganz explizit dem Verfassungsschutz in Schleswig-Holstein für seine hervorragende Arbeit, die er leistet. Ich sage das in diesen Tagen ganz bewusst, wo es geradezu Mode zu sein scheint, Nachrichtendienste einem gewissen Bashing zu unterziehen. Ohne die hervorragende Arbeit der Verfassungsschutzbehörden in Schleswig-Holstein und anderswo und der übrigen Dienste wäre unsere Sicherheit bislang nicht so gut geschützt worden, wie es der Fall ist.

(Beifall CDU)

Wir haben in Schleswig-Holstein eine lange und gute Tradition im Kampf gegen Neonazis, und das hat auch Erfolg. Denn zu Recht, Herr Minister, haben Sie darauf hingewiesen, dass sich kaum noch auszumachende Organisationsstrukturen in Schleswig-Holstein finden. Linksextremisten haben in urbanisierten Räumen ihre Schwerpunkte und sind offensichtlich deutschland- und europaweit vernetzt und eingebunden.

Die dominierende Gefahr in der Tat ist der Islamismus. Dabei geht es insbesondere auch um Rückkehrer aus dem Machtbereich des IS beziehungsweise um Personen, die sich vielleicht mit dem Gedanken tragen, sich dorthin auf den Weg zu machen.