Protocol of the Session on June 18, 2015

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Anita Klahn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich im Namen der FDPFraktion bei der Bürgerbeauftragten, Frau El Samadoni, und ihrem Stellvertreter, Herrn Richert. Ich

danke auch Ihrem Team für den vorgelegten Bericht, vor allem aber für Ihre gute Arbeit in dem Berichtszeitraum.

(Beifall)

An dieser Stelle möchte ich persönlich hervorheben, dass die Zusammenarbeit mit Ihnen, Frau El Samadoni, geprägt ist von ausgesprochener Fachkompetenz, dem persönlichen Interesse an den Sachfragen und gleichzeitig auch an den Menschen. Ich erlebe Sie an der Stelle wirklich ausgesprochen engagiert und angenehm. Ebenso wie Frau RathjeHoffmann es schon sagte, finde ich es bereichernd, den installierten regelmäßigen Gedankenaustausch mit Ihnen zu führen. Ich wünsche mir, dass wir den auch weiter so führen werden.

(Beifall FDP und Katja Rathje-Hoffmann [CDU])

Ebenfalls ein ganz besonderer persönlicher Dank von mir im Zusammenhang mit einem Thema, das Sie leider in Ihrem Bericht nicht erwähnt haben, nämlich Ihrem Engagement im Bereich der Antragsgewährung von Mutter-und-Kind-Kuren. Sie haben sich dort schnell und persönlich dafür eingesetzt, dass das Antragsverfahren weniger Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Antragsteller vornimmt. Dafür ganz, ganz herzlichen Dank.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP], Sandra Red- mann [SPD] und Wolfgang Dudda [PIRA- TEN])

Meine Damen und Herren, wie wichtig aber auch allgemein anerkannt die Arbeit der Bürgerbeauftragten ist, kann man an den seit Jahren hohen Eingabezahlen ablesen. Nach wie vor ist das Hauptproblemfeld die Grundsicherung der Arbeitsuchenden. Auch wenn hier die Zahlen ganz leicht nach unten gehen, 1.070 Eingaben im Jahr 2014 zeigen deutlich auf, dass hier auf allen Ebenen noch viel zu leisten ist.

Wenig zufriedenstellend ist für mich, dass sich weiterhin die Bürgerinnen und Bürger über die fehlende Nachvollziehbarkeit der Leistungsbescheide und die suboptimale Beratung in den Jobcentern beklagen. Hier teile ich ausdrücklich die Forderung der Bürgerbeauftragten - auch der vorherigen -, dass verstärkt sachkundiges Personal in den Jobcentern beschäftigt werden muss. Es darf einfach nicht passieren, dass aktuelle Rechtsprechung nicht bekannt ist, und Betroffene dann nur über den Klageweg zu ihrem Recht kommen.

Besonders betroffen machen die Einzelfallschilderungen, wie zum Beispiel bei dem Streit um die Fi

(Dr. Marret Bohn)

nanzierung einer Schulbegleitung. In der laufenden Diskussion um Schulassistenzen haben Sie sich, Frau El Samadoni, durchaus kritisch, aber auch sehr konstruktiv, im Sinne der Betroffenen artikuliert. Ich fand das ehrlich gesagt mutig. Wir hoffen natürlich auch, dass es hier bald eine gute und dauerhafte Lösung gibt, an der Sozial- und Bildungsministerium aufgefordert sind, sich zu beteiligen und aktiv einzubringen.

Ich hoffe genauso wie Sie, dass das angekündigte Bundesteilhabegesetz endlich kommt und Menschen mit Behinderung endlich auch eine echte Perspektive erhalten, aus dem System der Sozialhilfe herauszukommen.

Meine Damen und Herren, erstmalig liegt uns der Bericht der Antidiskriminierungsstelle vor, den Sie, Frau El Samadoni, in Personalunion mit zu verantworten haben. Denn dieser Bereich knüpft letztendlich auch direkt an Ihre Tätigkeit als Bürgerbeauftragte an und hat, wie Sie so schön beschrieben haben, einen doch werbenden Charakter für diese besondere Problematik im Zusammenhang von Diskriminierungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Durch diese Stelle ist das in der Öffentlichkeit doch bekannter geworden.

Schwerpunkte lagen in beiden Jahren jeweils im Bereich der Arbeitswelt, zunehmend aber auch bei Benachteiligungen aufgrund von Behinderung, Geschlecht oder ethnischer Herkunft. Ihre Änderungsvorschläge, um das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz praxistauglich zu machen, sollten zielorientiert in der weiteren politischen Diskussion verfolgt werden. Von daher unterstütze ich die Anregung, auch den Innen- und Rechtsausschuss mit einzubinden.

Ich persönlich unterstütze Ihre Forderung, die Deckelung des Entschädigungsanspruchs bei Nichteinstellung EU-konform auszugestalten. Ein weiteres besonderes Augenmerk werden wir natürlich auf die Justizvollzugsanstalten werfen müssen, da uns in der jüngsten Vergangenheit aus diesen verstärkt Klagen erreichen, dass Häftlinge in ihrer Religion begründete Lebensgewohnheiten nicht ausleben können, insbesondere wenn es um koschere Nahrung geht.

Grundsätzlich sind auch in diesem Bericht die Einzelfallschilderungen nachhaltig wirkend und geben nur einen kleinen Eindruck von dem persönlichen Leid der Petenten.

Ich freue mich von daher, dass wir beide Berichte im Sozial- und auch im Innen- und Rechtsausschuss beraten werden. Ich betone: beide Berichte, denn

auch in dem Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten sind genügend Anregungen enthalten, die der Innen- und Rechtsausschuss aufgreifen könnte. Ich freue mich also auf die weitere Zusammenarbeit, und ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, Sandra Redmann [SPD] und Birte Pauls [SPD])

Vielen Dank. - Für die Fraktion der PIRATEN hat der Kollege Wolfgang Dudda das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, ein paar selbstkritische Worte an dieses Parlament - das schließt auch meine Fraktion mit ein: Wenn der Bericht der Beauftragten für soziale Angelegenheiten wohlwollend geschätzt - maximal ein Drittel der Abgeordneten interessiert, dann läuft etwas falsch, dann ist bei uns etwas nicht in Ordnung. Da müssen wir uns alle an die eigene Nase fassen, meine Fraktion genauso wie alle anderen hier auch.

Der Bericht selbst verdient nämlich Aufmerksamkeit - das haben meine Vorredner bereits gesagt -, und in dem Bericht steht drin: Es gibt viel Verzweiflung. Wir brauchen mehr Menschlichkeit im System der sozialen Sicherung. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sozialbehörden muss bewusster werden, welch wichtige Aufgabe sie erfüllen und dass ihre Entscheidungen auch von existenzieller Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger sind. - Und darum geht es hier heute.

Sie, sehr geehrte Frau El Samadoni, haben Ihren Tätigkeitsbericht als Bürgerbeauftragte in diesem Land wörtlich begleitet. Ich darf an dieser Stelle sagen, wie wohltuend Ihre Worte für mich waren, und dass ich Ihnen diese Mahnung voll und ganz abnehme. Im Namen meiner Fraktion danke ich einleitend für diesen Satz, aber auch vor allem für Ihren Einsatz, der diese Worte täglich begleitet. Sie erinnern sich: Wir hatten keine Vorschusslorbeeren für Sie. Der Start war holprig, aber umso lieber sage ich heute, dass wir froh sind, dass wir Sie haben und dass Sie sich für die Menschen einsetzen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Ihr Tätigkeitsbericht zeigt, dass viel zu tun ist für denjenigen, der für die Rechte der Schwachen kämpft, dass viel zu tun ist für all diejenigen, die sich gegen Behördenwillkür ebenso wenden wie gegen Unrecht per Gesetz. Sie zeigen in Ihrem - üb

(Anita Klahn)

rigens erfrischend neu gestalteten - Bericht auf, welche Themen immer noch auf den Nägeln brennen, Herr Kollege Baasch hat es eben auch angeführt.

Das sind vor allem die Themen der sogenannten Hartz-IV-Empfänger. Ein Drittel aller Beschwerden beziehen sich darauf. Es gibt aber auch andere Dinge wie die differenzierte Betrachtung, Schulbegleitung, Schulassistenz. Vor dem Hintergrund hätte ich mir schon gewünscht, dass auch von der Regierung heute ein Wort zu diesem Bericht gefallen wäre.

(Beifall PIRATEN und Heike Franzen [CDU])

Sie zeigen aber auch auf, dass die Menschen in den Behörden oft völlig überlastet sind, sodass sie fehlerhafte und unvollständige Bescheide versenden oder sich in ihrer gängigen Kommunikationsroutine zu weit von den Antragstellern entfernt haben, sodass beide Seiten verlernt haben, miteinander zu sprechen und sich auch zu verstehen. Das ist der vornehme Ausdruck dafür, dass man aneinander vorbeiredet und dass das Verhältnis zwischen dem Kunden und dem Sachbearbeiter einfach nicht stimmt. Sie haben immer wieder deutlich gemacht, dass Sie das genauso stört wie uns alle. Das ist auch ein zentraler Punkt der Kritik an den Behörden. Der ist übrigens frei von der Unbestimmtheit der beklagten Bestimmungen nach dem Sozialgesetzbuch.

Ihr Tätigkeitsbericht ist kein Dokument des Versagens unserer Systeme, wohl aber der Fehler in unseren Systemen. Immer wieder legen Sie den Finger in die Wunde, lassen nicht locker und setzen sich unermüdlich dafür ein. Ich darf Ihnen noch einmal ehrlich unseren Dank dafür aussprechen.

(Beifall PIRATEN und Klaus Schlie [CDU])

Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass die Probleme nicht in der Weise abgebaut werden, dass es weniger Antragsteller gibt, sondern es werden immer mehr. Das zeigt einerseits, dass immer mehr Menschen auf die Bürgerbeauftragte zählen, was auch gut ist, und den Weg zu ihr finden. Es untermauert aber, dass die strukturellen Defizite nicht in der Weise abgebaut werden, wie individuell geholfen wird. Und hier gilt es, eine politische Brücke zu schlagen. Das ist nicht Ihre Aufgabe, Frau El Samadoni, das ist unsere Aufgabe in der Politik. Das haben Sie uns jetzt - wie man früher sagte - ins Gebetbuch geschrieben. Ihren Hinweisen zu folgen, ist unser Auftrag. Die Ausschussüberweisung ist dafür ein erster vernünftiger Schritt. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN, vereinzelt BÜND- NIS90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, bevor wir fortfahren, bitte ich Sie, mit mir gemeinsam eine weitere Schülergruppe der Immanuel-KantSchule aus Neumünster hier im Landtag zu begrüßen. - Herzlich Willkommen!

(Beifall)

Nun hat der Kollege Flemming Meyer von den Abgeordneten des SSW das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Um einmal ganz ehrlich zu sein: Ich hätte mir gewünscht, dass diese zwei Berichte nicht zu einem Tagesordnungspunkt zusammengefasst worden wären,

(Beifall SSW, vereinzelt CDU, SPD, BÜND- NIS90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

denn ich denke, dass jeder Bericht für sich sehr wichtig ist und einen eigenen Tagesordnungspunkt verdient hätte.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aus beiden gehen ganz klare Handlungsempfehlungen an uns alle hervor. Vor allem befassen sich beide mit ganz konkreten Problemen der Menschen hier in unserem Land.

Allein ein kurzer Blick auf den Tätigkeitsbericht unserer Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten zeigt ja, dass die seit Jahren bestehenden Schwierigkeiten in der Sozialgesetzgebung bei Weitem nicht gelöst sind. Ein leichter Rückgang bei den Eingaben zum Themenbereich SGB II ist für sich genommen natürlich erfreulich, aber gleichzeitig entstehen wieder neue Unsicherheiten, zum Beispiel bei Fragen zum Rentenpaket oder zur Grundsicherung im Alter.

Auch vor diesem Hintergrund will ich unserer Beauftragten, Frau El Samadoni, und auch ihren Mitarbeitern und ihrem ganzen Team an dieser Stelle ausdrücklich für das große Engagement und den unermüdlichen Einsatz danken. - Vielen Dank!

(Beifall SSW, SPD, vereinzelt CDU, FDP und Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Wolfgang Dudda)

Nicht zuletzt, weil es sich bei dem vorliegenden Antidiskriminierungsbericht um den allerersten dieser Art handelt, hätte ich mir eben gewünscht, dass dazu eine gesonderte Debatte geführt worden wäre. Denn auch dieser bietet aus Sicht des SSW viele wertvolle Anregungen und genügend Stoff für intensive weitere Debatten.

Vom Grundsatz her ist wohl jedem hier klar, dass niemand wegen seines Geschlechts, seiner Religion oder zum Beispiel aufgrund seines Alters benachteiligt werden darf. Doch in der Praxis sieht es leider häufig noch ganz anders aus. Allein die Tatsache, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz als rechtliche Grundlage kaum bekannt ist, spricht doch Bände. Egal ob in der Verwaltung oder in der freien Wirtschaft: Vielerorts fehlt es ganz offensichtlich an Sensibilität für dieses wichtige Thema und für die unterschiedlichen Abstufungen der Diskriminierung.