Ein letzter Punkt, meine Damen und Herren. Es ist bereits über die Möglichkeit eines Ombudsmanns oder einer Ombudsfrau gesprochen worden. Ich glaube auch, wir brauchen Menschen, die direkt zu den Jugendlichen hingehen. Wir brauchen - so kennen wir das aus dem skandinavischen Raum - eine aufsuchende Jugendhilfe, sodass sich der Jugendliche nicht an eine Stelle oder an einen Sozialarbeiter wenden muss, der für ihn zuständig ist und der oder dem er nicht über den Weg traut. Es geht darum, dass unabhängige Menschen in die Einrichtungen hineingingen und versuchen, einen dauerhaften Kontakt mit den Jugendlichen aufzubauen, damit die Jugendlichen auch Vertrauen gewinnen können.
Das, meine Damen und Herren, ist allerdings eine teure Tasse Tee. Wenn wir das machen - ich wäre sehr dafür, dies zu tun -, dann müssen wir auch Geld dafür in die Hand nehmen. Dann geziemt es sich nicht, uns Prügel dafür anzudrohen, dass wir für solche Maßnahmen Geld ausgeben, wo wir doch so wenig Geld haben, sondern dann sollten wir dies auch wirklich tun.
Darüber müssen wir politisch diskutieren, meine Damen und Herren, und genau zu dieser Fragestellung haben wir von den Vorrednern von CDU und FDP nichts gehört. Das ist das eigentlich Traurige an dieser Debatte.
Es ist wirklich ein Armutszeugnis, dass Sie sich keinerlei Gedanken darüber machen, wie man den Leuten helfen kann, sondern nur Ihre politischen Spielchen spielen.
- Schade, lieber Kollege Kubicki, dass Sie das zugelassen haben. Ich hätte mich darüber gefreut, wenn Sie den Mut gehabt hätten, einmal über diese Themen hier zu sprechen und nicht nur mit Schlamm um sich zu werfen. - Vielen Dank.
Für die Landesregierung hat die Ministerin für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung, Frau Kristin Alheit, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Vielen Dank für die Gelegenheit, auch hier zu berichten. Ich möchte sie nutzen, um allen Abgeordneten, auch denen, die nicht bei den beiden Sitzungen des Sozialausschusses anwesend waren, meine Sicht der Dinge darzulegen.
Beginnen möchte ich mit etwas, was ich auch in den vergangenen Wochen schon gesagt habe und was ich für entscheidend halte. Ich finde es extrem schmerzhaft, dass in Schleswig-Holstein Jugendliche, dass Mädchen in Jugendhilfeeinrichtungen nicht den Schutz erhalten haben, den sie benötigt hätten.
Es gibt nach den mir bekannten Akten keinen Hinweis darauf und auch keine Erinnerung meinerseits, dass ich von dem, was wir jetzt an Vorwürfen erfahren und an Erkenntnissen im Fall Friesenhof gewonnen haben, bis zur Anfrage der Fraktion DIE LINKE in Hamburg im Mai 2015 persönlich Kenntnis gehabt hätte. Richtig und wahr ist allerdings: Ich hätte angesichts der Besonderheiten dieses Falles Kenntnis haben sollen. Ich habe es bereits in den Sitzungen des Sozialausschusses gesagt: Arbeitsweise, Kommunikationswege und, ja, auch die Frage, was bei uns im Ministerium und im Landesjugendamt als hervorgehobenes Ereignis wahrgenommen wird, müssen auf den Prüfstand. Und, meine Damen und Herren, all das ist jetzt auf dem Prüfstand; dafür habe ich gesorgt.
Es war immer und bleibt mein Anspruch, den Schutz von Kindern und Jugendlichen in unserem Land zu stärken. Auch dabei bleibe ich. Ich bleibe dabei, dass wir vieles auf den Weg gebracht haben, um den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu stärken. Mein Ministerium arbeitet engagiert an einer Stärkung der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen. Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche auch in den Einrichtungen zu Wort kommen und dass ihre Anliegen gehört werden. Wir haben gerade auch im Kontext mit dem Bundeskinderschutzgesetz - und nicht erst dann - die Beschwerdemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen gestärkt. Wir arbeiten auch gemeinsam mit dem Kinderschutzbund ganz intensiv am Schutz vor sexuellen Übergriffen in Einrichtungen.
Wenn wir wollen - darum geht es uns -, dass die Rechte von allen Kindern und allen Jugendlichen kein abstraktes Verfassungsbekenntnis bleiben, sondern dass sie im Alltag gelebt werden, dass die Kinder und Jugendlichen wirklich im Alltag zu Wort kommen, müssen wir dies tun, und das, meine Damen und Herren, habe ich auch im Sozialausschuss dargelegt.
Was ich mit diesen Beispielen für unser Bemühen um einen besseren Kinder- und Jugendschutz ganz sicher nicht vermitteln wollte, ist die Botschaft, es gebe da kein Problem. Meine Damen und Herren, ich lasse mich und mein Handeln selbstverständlich hinterfragen. Das ist gut so, und das ist gerade eine Stärke unseres politischen Systems. Was ich aber nicht akzeptiere, sind Aussagen, ich würde die Situation schönreden. Ich bin mir, ehrlich gesagt, auch sicher, dass ich in keinem der im Sozialausschuss geführten Dialoge einen Anlass hierfür gegeben habe. Ich will übrigens darauf hinweisen, dass es durchaus auch Kritik daran gibt und dass auch die Ansicht vertreten wird, dass wir mit unseren Beteiligungsrechten ein bisschen übertreiben.
All das ist aber kein Grund, sich auszuruhen, und das war mir auch immer klar. Wir alle wissen - das ist auch schon von anderen Rednern gesagt worden -: Eine Garantie dafür, dass gar nichts passiert, gibt es leider nie. Aber unsere Aufgabe ist es, Strukturen aufzubauen, die Kinder und Jugendlichen so weit wie möglich schützen, und sie vor allem durch Partizipation in die Lage zu versetzen, ihre Rechte auch wirklich einzufordern. Auch deshalb haben wir das Landesjugendamt nach der Regierungsübernahme im Jahr 2013 bereits von vier auf sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter personell erweitert,
um Kontrollen verstärkt wahrnehmen zu können. Das haben wir nicht erst als Reaktion jetzt, sondern von Beginn der Legislaturperiode an gemacht, weil es mein Anspruch ist, den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen zu stärken.
Aktuell haben wir das Landesjugendamt um zwei weitere fachlich erfahrene Mitarbeiterinnen beziehungsweise Mitarbeiter aufgestockt, um dieses weiter zu stärken; denn gerade jetzt erfahren wir ja, dass verstärkt Hinweise eingehen, die uns die Möglichkeit geben, vermehrt Einrichtungsbesuche vorzunehmen. Wie eine angemessene Personalausstattung für ein gut arbeitendes Landesjugendamt aussieht, werden wir sicherlich nach Auswertung
Ich habe es im Ausschuss gesagt, und ich sage es auch hier, meine Damen und Herren: Ja, schon jetzt, vor Abschluss der Auswertungen des Falls, in der Rückschau, die wir gemeinsam vornehmen, müssen wir feststellen, dass es Probleme gibt, und es ist mein Anliegen, diese aufzuarbeiten.
Es besteht aber nicht das Problem, dass nicht gehandelt worden ist. Wo es Hinweise und Beschwerden gab, war das Landesjugendamt tätig. Sie werden das den Akten im Rahmen Ihrer Akteneinsicht entnehmen können. Dies geschah eben nicht als Reaktion auf Anfragen der Hamburger Bürgerschaft, ganz im Gegenteil. Sie müssen sich das einmal überlegen. Die Anfrage dokumentiert gerade, dass sich das Landesjugendamt schon länger mit dem Fall Friesenhof befasst und Auflagen erteilt hat.
Ein Problem dabei ist sicher - das ist hier schon zur Sprache gekommen -, dass das SGB VIII den Heimaufsichten ganz klar vorgibt: Beraten vor Anordnen. Wenn also Fehler festgestellt werden, dann muss grundsätzlich zunächst beraten werden. Erst dann kann nach entsprechender Kontrolle über das Abstellen der Fehler eine Anordnung erfolgen. Erst danach, wenn festgestellt worden ist, dass das nicht umgesetzt worden ist, kann man zu schärferen Maßnahmen kommen. Dabei muss sich das staatliche Handeln immer an rechtsstaatlicher Verhältnismäßigkeit messen lassen.
So wurden auch in der Vergangenheit im Friesenhof von der Heimaufsicht immer wieder Missstände festgestellt und entsprechend gehandelt. Dennoch sage ich auch hier in der Rückschau: Ich finde, es hat zu lange gedauert, bis das Heim geschlossen wurde. Für eine abschließende Bewertung, dass das Heim, wie manche jetzt schon feststellen können, bereits vor einem Jahr hätte geschlossen werden können, scheint es mir aber, ehrlich gesagt, etwas früh. Dass der Friesenhof in den hier geschilderten Abläufen jetzt geschlossen wurde, basiert nicht auf einem Jahr lang Nichtstun, sondern gerade auf der Grundlage, die die Arbeit des Jugendamtes in der Zeit gelegt hatte.
Noch einmal: Die Botschaft ist nicht, dass keine Fehler gemacht wurden. Dass es ein Fehler war, dass ich über die Häufigkeit der besonderen Vorkommnisse aus dem Bereich des Landesjugendamtes nicht informiert war, das habe ich bereits erklärt, und das wiederhole ich hier: Das war ein Fehler.
Das betrifft aber zudem unterschiedliche Punkte. Das betrifft zum Beispiel den Vorwurf, der in einem Aufsatz einer Dithmarscher Richterin gegen die Jugendämter - übrigens überall in der Republik - formuliert wurde, dass viele Jugendliche in Heimen in Schleswig-Holstein von den entsendenden Jugendämtern gar nicht hinreichend betreut würden. Das führe zu besonderen Gefahrensituationen. Es betrifft auch die offenbar ungeklärte Frage, wer denn eigentlich tatsächlich Ansprechpartner ist, wenn es keinen Amtsvormund gibt und auch die Erziehungsberechtigten wegen unterschiedlicher Gründe nicht in dieser Funktion als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Das ist ein bundesweites, strukturelles Problem, das in dem Aufsatz so beschrieben wird. Um diese Verbesserung müssen wir uns kümmern, wenn die Situation von Jugendlichen in Einrichtungen, die weit weg von zu Hause sind, verbessert werden soll.
Nicht zuletzt betrifft der Aufklärungsbedarf natürlich auch strukturelle und persönliche Fehler in meinem Haus und dabei auch in meinem Leitungsstab. Selbstverständlich gibt es dafür eine Verantwortliche: Das bin ich.
Ich stehe zu dieser Verantwortung. Dass nun Fehler aufgearbeitet und die richtigen Konsequenzen gezogen werden, das ist die Verantwortung, die ich dabei jetzt annehme.
Damit haben wir bereits begonnen. Eine Reihe von Maßnahmen habe ich bereits in der vergangenen Woche angekündigt. Wir brauchen einen engen Austausch mit den Heimatjugendämtern, mit den entsendenden Jugendämtern und auch mit der Polizei. Wir brauchen standardisierte neue Verfahren. Wir brauche striktere Regeln in der Betriebsgenehmigung, und wir brauchen eine verschärfte Kontrollpraxis. Davon bin ich überzeugt.
Ich sage auch: Weitere Maßnahmen werden wir diskutieren, wenn wir und auch Sie im Rahmen der Akteneinsicht den Fall vollständig ausgewertet haben. Das - ich weiß, dass viele an dieser Stelle eher schnelles und hartes Durchgreifen erwarten braucht aber Zeit, wenn man es gut machen will. Sie mögen das kritisieren, aber Aktionismus, der nicht auf Sachauswertung beruht, ist ehrlich gesagt nicht meine Sache. Ohne eine gute Analyse der Strukturen und der Abläufe im Landesjugendamt, aber auch des Zusammenwirkens der vielen Beteiligten im Bereich des Kinder- und Jugend
Ich habe berichtet, dass wir den Landesjugendhilfeausschuss bitten werden, die Arbeitsweise des Landesjugendamtes intensiv unter die Lupe zu nehmen. Da werden Experten aus der Praxis und die Fachsprecherinnen und Fachsprecher der Fraktionen mit am Tisch sitzen. Das ist, wie ich finde, eine richtig gute Grundlage. Selbstverständlich ist die Akteneinsicht selbst ebenfalls ein wichtiger Teil der Aufklärung. Ich bin sicher, wie eben schon gesagt, dass wir auch im Lichte der Erkenntnisse dann gemeinsam vieles noch einmal diskutieren und präziser werden diskutieren können. Ich will aber ehrlich gesagt - auch sagen: Ich hätte mir schon gewünscht, dass Sie sich erst die Akten ansehen und sich dann zur Arbeit des Landesjugendamts äußern.
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Martin Habersaat [SPD]: Das wä- re das erste Mal gewesen!)
(Hans-Jörn Arp [CDU]: Sie sind doch dafür verantwortlich und nicht das Landesjugend- amt! - Weitere Zurufe)
Was meine Person angeht: Ich lasse mich auch für unterlassene oder für fehlerhafte Entscheidungen kritisieren, selbstverständlich. Ich lasse mir aber