Protocol of the Session on March 19, 2015

(Bernd Heinemann)

men, sondern allein das Für und Wider der gesetzlichen Regelungen.

Neben dem unmittelbaren Thema Zwangsbehandlung ist ein weiterer wichtiger Aspekt in die Novellierung eingeflossen. Das war uns Grüne und auch den Koalitionspartnern ein sehr wichtiges Anliegen. Mit der Durchführung des Maßregelvollzugs sind in Schleswig-Holstein zwei Kliniken beliehen, die diese Aufgabe schon seit vielen Jahren wahrnehmen. Das Gesundheitsministerium übt die Fachaufsicht über den Maßregelvollzug aus und stellt demokratische Legitimation dieser hoheitlichen Aufgabe sicher. Zusätzlich wird jetzt geregelt, dass Personalentscheidungen der forensischen Kliniken der Zustimmung des Ministeriums bedürfen. So ist gewährleistet, dass die staatliche Legitimationskette in Bezug auf grundrechtsinvasive Behandlungseingriffe gewährleistet ist.

Meine Kollegin Marret Bohn und ich sind uns einig, dass wir heute die Grundlage für eine angemessene und rechtssichere, zwangsweise Behandlung von psychisch kranken Menschen in SchleswigHolstein schaffen. Schleswig-Holstein bekommt zwei gute und vor allem praktikable Gesetze. Zukünftig werden die Rechte der betroffenen Menschen besser berücksichtigt und gewahrt. Bezüglich der FDP-Anträge schließe ich mich vollumfänglich den Ausführungen des Kollegen Heinemann an. Danke schön.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Stutzig macht mich tatsächlich der Redebeitrag des Kollegen Heinemann. Ich frage mich tatsächlich bei Ihrem ersten einleitenden Satz, was für ein merkwürdiges Menschenbild Sie haben.

Lassen Sie mich zu Beginn klarstellen, dass meine Fraktion in der Breite den Änderungen am Psychisch-Kranken-Gesetz und am Maßregelvollzugsgesetz durchaus hätte zustimmen können, wir aber insbesondere zu den Regelungen zur Videoüberwachung Bedenken haben. Insofern möchte ich auch an dieser Stelle das Verfahren schlicht und einfach infrage stellen. Denn ein Gesetzentwurf, der ein so sensibles Thema behandelt, hätte des parlamenta

risch üblichen Verfahrens von schriftlicher und mündlicher Anhörung bedurft. In einer mündlichen Anhörung - Sie wissen, dass ich die im Sozialausschuss beantragt habe und sie mit Ihrer Einstimmenmehrheit einfach niedergestimmt wurde - wollte ich gezielt zu unserer Einschätzung nachfassen, ob wir es richtig bewerten, ob man den neuen § 25, den Sie eingebracht haben - mit expliziten Regelungen zu dieser Videoüberwachung - so mittragen kann. Ihre Kritik geht ganz schlicht und ergreifend ins Leere. Sie haben uns diese Chance verwehrt.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Sie, Herr Kollege Peters, pauken ein Gesetz durch, das seit über einem Jahr im Ausschuss liegt. Sie hätten durchaus auch noch vier Wochen auf das Ende der Durchführung einer mündlichen Anhörung warten können. Das wäre sinnvoll gewesen. Eine Dringlichkeit in der Form, wie Sie sie im Ausschuss darzustellen versucht haben, habe ich nicht gesehen.

Ich möchte jetzt aber - ehrlich gesagt - lieber inhaltlich auf unseren Änderungsantrag eingehen, den wir für sehr wichtig halten. Es geht um Videoüberwachung im Maßregelvollzug. Ich gehe davon aus, dass wir alle einer Meinung sind, dass Videoüberwachung im Regelungsbereich des PsychischKranken-Gesetzes nichts zu suchen hat und deswegen zu Recht dieser Passus nur für den Bereich des Maßregelvollzugs aufgenommen wurde. Aber auch im Maßregelvollzug sollte über die genaue Ausgestaltung nachgedacht werden. Den Vergleich, den die PIRATEN zwischen PsychKG und Maßregelvollzugsgesetz in diesem Bereich ziehen, trifft aus unserer Sicht nicht zu. Aber wenn Menschen videoüberwacht werden - auch unter den im Gesetzentwurf definierten Voraussetzungen -, ist es immer noch ein ganz massiver Eingriff in Grundrechte. Wir haben also einen in höchstem Maße grundrechtssensiblen Bereich vorliegen. Hier ist ein besonderer Schutzbereich, und an Eingriffe müssen ganz besonders hohe Anforderungen gestellt werden.

(Beifall Christopher Vogt [FDP])

Da reicht es mir nicht aus, einzig und allein den ärztlichen Vorbehalt zu haben.

Wir schlagen daher folgende drei Änderungen vor:

Erstens. Eine Videoüberwachung in Wohn- und Schlafräumen ist ausgeschlossen. Wir müssen hier den Vergleich zum normalen Strafvollzug ziehen. Nach § 46 Untersuchungshaftvollzugsgesetz ist die Überwachung in Hafträumen im normalen Straf

(Burkhard Peters)

vollzug ausgeschlossen. Nur bei besonderen Gefährdungslagen in besonders gesicherten Hafträumen ist dies erlaubt. Es ist doch nicht sachgerecht, dies im Strafvollzug auszuschließen, aber im Maßregelvollzug die Überwachung von Wohn- und Schlafräumen zu erlauben. Da stimmt für uns die Verhältnismäßigkeit nicht. Es sollte daher auch ausgeschlossen werden. Die Überwachung in Interventions- und Aufenthaltsräumen bleibt möglich.

Zweitens. Da es sich um so einen grundrechtssensiblen Bereich handelt, brauchen wir für die Anordnung der Videoüberwachung dringend einen Richtervorbehalt. Diese Entscheidung allein einem Arzt zu überlassen, ist zu wenig und passt auch nicht in den sonst üblichen hohen Standard des Grundrechtschutzes in unserem Rechtssystem.

Kollege Heinemann, an dieser Stelle möchte ich daran erinnern: Wir haben einen Richtervorbehalt bei einer Blutentnahme. Stellen Sie da doch bitte einmal die Verhältnismäßigkeit her. Auch kann in dem vorliegenden Fall nicht das Argument „Gefahr im Verzug“ ins Feld geführt werden, da wohl kaum auf die Schnelle durch Techniker entsprechende Kameras installiert werden könnten. Nein, bei „Gefahr im Verzug“, zum Beispiel durch Selbstgefährdung, müssten meines Erachtens ganz andere Maßnahmen ergriffen werden, zum Beispiel wäre ein Pfleger mit einer Sitzwache zu beauftragen.

(Beifall PIRATEN)

Drittens. Da es sich im Maßregelvollzug um Straftäter handelt, scheint es für uns eine Selbstverständlichkeit zu sein, dass Kontakte zu Anwälten nicht videoüberwacht werden dürfen. Daher sollte diese Ergänzung aufgenommen werden.

Kollege Heinemann, das Beispiel, das Sie gebracht haben, ist unterirdisch. Dafür sollten Sie sich bei allen entschuldigen.

(Zuruf Bernd Heinemann [SPD])

- Mir fehlen schlicht und einfach die Worte.

(Bernd Heinemann [SPD]: Das merkt man!)

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Mit den vorgeschlagenen Änderungen wird unser Rechtsstaat gestärkt. Da Sie schon angekündigt haben, dass Sie unserem Änderungsantrag nicht zustimmen werden, werden wir dem gesamten Gesetzentwurf ebenfalls nicht zustimmen können, denn diese Fragen sind für uns existenziell.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat der Abgeordnete Dr. Patrick Breyer.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das zum Thema Rechtsstaat, Herr Dolgner! - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Ich habe nur gefragt, was für die FDP existenziell ist!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nun ganze zwei Jahre her, dass wir PIRATEN einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Rechte von Menschen mit psychischen Störungen vorgelegt haben, die geschlossen untergebracht und behandelt werden. Wie schwer dieser Grundrechtseingriff ist, hat schon die Ministerin in ihrer Rede geschildert. Es ist in der Tat so, dass man eine geschlossene Unterbringung und Behandlung möglichst durch verstärkte ambulante Behandlungsangebote vermeiden sollte, die auch besser wirken.

Kernanliegen unseres Gesetzentwurfs ist es gewesen, die Bürgerrechte besser zu schützen, und zwar geht es hier um Bürger, die ihre Rechte oft nicht selbst wahrnehmen können und die der Unterbringungsanstalt sozusagen ausgeliefert sind. Ich kann nur das unterstreichen, was meine Vorredner schon gesagt haben: Es kommt ganz schnell einmal dazu, dass Menschen, die geistig eigentlich klar sind, zwangsweise untergebracht werden können, zum Beispiel nach einem Unfall mit Kopfverletzungen. Wenn sie gegen ärztlichen Rat vorzeitig gehen wollen, wird oftmals gefragt, ob das auf einer psychischen Störung beruht. Ich habe schon mehrfach mit Menschen zu tun gehabt, die völlig klar waren und bei denen eine solche Unterbringung erfolgt ist, ohne dass sie tatsächlich eine psychische Krankheit aufgewiesen haben. So etwas kann jedem von uns passieren, und wir wollten die einschlägigen Gesetze umfassend reformieren, um die Bürgerrechte besser zu schützen.

(Beifall PIRATEN)

Der Gesetzentwurf der Landesregierung, über den wir heute reden, ändert im Wesentlichen nur das, was das Bundesverfassungsgericht bereits als verfassungswidrig verworfen hat. Er sieht vor, dass eine Zwangsbehandlung gegen den Willen des untergebrachten Menschen nur nach umfangreicher Aufklärung und nach richterlicher Prüfung möglich ist und dass sie unzulässig ist, wenn sich der untergebrachte Mensch in freier Entscheidung, zum Bei

(Anita Klahn)

spiel ausweislich einer Patientenverfügung, entschieden hat, lieber ohne Behandlung in der entsprechenden Anstalt zu verbleiben. Es ist gut, dass den betroffenen Menschen dieses Wahlrecht endlich eingeräumt wird.

Gut ist auch, dass wir uns in den Ausschussberatungen, die ernsthaft und sachlich gewesen sind - danke dafür -, darauf verständigen konnten, dass der Vorschlag der PIRATEN, die Untergebrachten über externe Hilfemöglichkeiten und Ansprechpartner besser aufzuklären, eine Mehrheit gefunden hat. Sich an externe Ansprechpartner wenden zu können, ist für die untergebrachten Menschen extrem wichtig, weil sie sich der Anstalt ansonsten gänzlich ausgeliefert fühlen.

(Vereinzelter Beifall)

Leider hilft dieser Gesetzentwurf jedoch vielen weiteren Problemen nicht ab, wegen derer wir vergeblich Änderungen beantragt haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen besonders von den regierungstragenden Fraktionen, warum schreiben Sie nicht ausdrücklich in das Gesetz, dass niemand zum Schutz vor sich selbst eingewiesen werden darf, der in freier Entscheidung bestimmt, lieber mit den Risiken seiner Krankheit in Freiheit leben zu wollen? Wenn es sowieso so gewollt ist, wie Sie gesagt haben, kann man das doch ins Gesetz schreiben. Warum regeln Sie nicht die Behandlung und Medikamentierung von Menschen, die gar keinen Willen äußern oder äußern können? Das bleibt ungeregelt.

Wie ist es zu verstehen, dass nach diesem Gesetz körperliche Eingriffe nur dann der Einwilligung bedürfen sollen, wenn sie nach Meinung des behandelnden Arztes mit erheblicher Gesundheitsgefahr verbunden sind?

(Zuruf Bernd Heinemann [SPD])

Was ist, wenn der Arzt sagt: „Die Sache ist ungefährlich, jetzt mache ich einfach einmal den Eingriff.“? Das kann doch nicht richtig sein!

(Zuruf Wolfgang Baasch [SPD])

Es wäre wichtig gewesen klarzustellen: Was soll in Fällen gelten, in denen nach Meinung des Arztes keine erhebliche Gesundheitsgefahr vorliegt? Auch das muss der Einwilligung bedürfen. Warum wollen Sie außerhalb akuter Notfallsituationen zumindest vorübergehend eine Zwangsbehandlung auch ohne richterliche Genehmigung zulassen, auch das ohne Not?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Vertreter der Koalition und der Wissenschaftliche

Dienst haben uns Hinweise gegeben, wie man das Gesetz bürgerrechtsfreundlich interpretieren könnte, doch solange Sie eine ausdrückliche Klarstellung im Gesetz ablehnen, wird - so fürchte ich nur der Jurist mit viel Zeit und Materialien das vielleicht erkennen können, nicht aber der betroffene Bürger, der Arzt oder der Bereitschaftsrichter in Eilfällen, der auf die Materie nicht spezialisiert ist. Weil Sie Regelungen ablehnen, die andere Länder wie Hamburg oder Baden-Württemberg eingeführt haben, bleibt das Gesetz verfassungsrechtlich anfechtbar und wird womöglich schon bald wieder von den Gerichten beanstandet werden. Ein derart unsensibler Umgang mit Menschen mit psychischen Störungen ist mit uns PIRATEN nicht zu machen.

(Beifall PIRATEN und Anita Klahn [FDP])

Schließlich - damit komme ich zum Schluss, Frau Präsidentin - ist es für uns inakzeptabel, dass Menschen mit psychischen Störungen im Maßregelvollzug künftig sogar unter Videoüberwachung gestellt werden sollen. Menschliche Betreuung durch technische Überwachung ersetzen zu wollen, ist nicht nur menschenunwürdig, sondern schadet dem Behandlungserfolg und ist damit kontraproduktiv.

(Beifall PIRATEN und FDP)

Auch zum Schutz vor Übergriffen ist es nötig, dass Menschen anwesend sind und nicht nur eine Kamera. Vor dem Hintergrund werden wir PIRATEN uns weiter für einen besseren Schutz von Menschen einsetzen, die in psychiatrischen Einrichtungen geschlossen untergebracht sind. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN und FDP)