Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Keine Frage: Allein schon das Wort „Zwangsbehandlung“ ist für die überwältigende Mehrheit der Menschen zuallererst einmal negativ besetzt. Man denkt direkt an die zwangsweise Verabreichung von Medikamenten oder an Fixierung und damit an Freiheitsentzug. Für sich genommen sind solche Maßnahmen natürlich schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte eines Menschen.
Man kann der Auffassung sein, dass so etwas durch gar nichts zu rechtfertigen ist. Ich habe deshalb grundsätzlich Verständnis für die Forderung, jegliche Form der Zwangsbehandlung abzuschaffen. Aber die Realität sieht nun einmal ganz anders aus. Es gibt Fälle, in denen Menschen vorübergehend oder sogar dauerhaft nicht mehr in der Lage sind, selbst zu entscheiden, welche Maßnahmen und welche Form der Behandlung für sie gut und richtig sind.
Natürlich würde ich mir wünschen, dass diese Fälle weniger werden und eines Tages vielleicht gar nicht mehr vorkommen, doch leider nehmen sie in unserer heutigen Gesellschaft tendenziell eher zu. Deshalb brauchen wir hier klare gesetzliche Regelungen, die dafür sorgen, dass derartige Maßnahmen mit Augenmaß und damit möglichst selten angewandt werden.
Wir alle wissen, dass in den vergangenen Jahren gerade im Umgang mit psychisch Erkrankten und geistig behinderten Menschen vieles in Bewegung ist. So hat zum Beispiel das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit von Behandlungen gegen den Willen der Patienten stark begrenzt. Auch wenn es an der einen oder anderen Stelle hakt, haben wir uns auf den Weg gemacht, um mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention allen voran die Rechte von geistig und seelisch behinderten Menschen zu stärken. Auch wenn es dadurch nicht immer einfacher wird, hier in der Gesetzgebung ein Gleichgewicht zu finden, begrüßen wir die Stärkung der Rechte der Betroffenen ausdrücklich.
Mit dem aktuellen Urteil aus Karlsruhe ist auch klar, dass wir als Land in der Pflicht sind, die Zwangsbehandlung untergebrachter Menschen neu zu regeln. Deshalb werden wir im vorliegenden Gesetzentwurf nicht nur die notwendigen Voraussetzungen für derartige Maßnahmen klar definieren, sondern vor allem auch die Grenzen für das ärztliche Handeln. Allen ist bewusst, dass gerade diese klar definierten Grenzen ungemein wichtig sind, um Patientinnen und Patienten vor Ungerechtigkeit und Willkür zu schützen. Denn für uns steht fest: Wenn Zwangsbehandlung, dann so menschenwürdig wie überhaupt möglich.
Im vorliegenden Entwurf wird daher zum Beispiel die zwangsweise Verabreichung von Medikamenten als wirklich allerletztes Mittel festgelegt. Davor muss ernsthaft und ausgiebig versucht werden, den Betroffenen von der Sinnhaftigkeit zu überzeugen und ein Einverständnis zu erzielen.
Daneben ist natürlich auch immer strikt auf die Erfolgswirkung und auf die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen zu achten. Nicht zuletzt muss all dies genau überwacht und dokumentiert werden und steht unter richterlichem Entscheidungsvorbehalt.
Zwangsmaßnahmen darf es nur in absoluten Ausnahmefällen geben. Wir können aber nicht völlig darauf verzichten. In jedem Einzelfall muss gewissenhaft zwischen dem Schutz der Allgemeinheit oder den Menschen im unmittelbaren Umfeld und den persönlichen Rechten des Betroffenen abgewogen werden. Hierfür bieten das Psychisch-KrankenGesetz und das Maßregelvollzugsgesetz den notwendigen Rahmen. Die Möglichkeit zur Zwangsbehandlung wird auf gerichtlich genehmigte Fälle begrenzt. Ärzte haben in Zukunft genau wie die Pflegefachkräfte klare Vorgaben, die ihnen die nötige Sicherheit im Umgang mit diesen sensiblen Fällen geben. Ich denke, wir sind mit diesen Gesetzen auf einem richtig guten Weg. - Jo tak.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Drucksache 18/2839, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der Piratenfraktion und der FDPFraktion. Gegenstimmen? - Das sind die anderen Fraktionen und die Abgeordneten des SSW. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Jetzt lasse ich über den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 18/1363, in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dieses Gesetz ist gegen die Stimmen von FDP und PIRATEN angenommen.
Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/2494 (neu) - 2. Fassung
Ich erteile das Wort der Frau Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Frau Abgeordneten Barbara Ostmeier - oder wer auch immer sie vertreten mag. - Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Herr Abgeordnete Dr. Axel Bernstein.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Statistisch gesehen wird fast täglich in SchleswigHolstein ein Polizeibeamter oder eine Polizeibeamtin im Dienst verletzt. Da muss man gar nicht, wie beispielsweise gestern in Frankfurt, auf Ausnahmesituationen mit eskalierender Gewalt schauen, sondern es sind in der Regel die ganz alltäglichen Einsätze, die harmlos beginnen und dann zu einer Verletzung von Polizeibeamten führen. In aller Regel ist der angegriffene Polizist oder die angegriffene Polizistin nicht als Person, nicht als Individuum gemeint, sondern als Repräsentant des Staates, als Repräsentant einer Behörde. In diesem Sinne sehe ich uns als Landtag in einer besonderen Verantwortung.
Gestern wurde auch darauf hingewiesen, dass insbesondere unsere Landespolizei Respekt verdient hat. Wenn wir gemeinsam feststellen und beklagen, dass dieser Respekt eher ab- als zunimmt, dann ist dies der richtige Ort und der richtige Punkt einzufordern, dass der Polizei der Respekt entgegengebracht wird, den sie verdient.
Zu solchen Appellen gehört auch, dass wir das, was wir als Parlament beitragen können, tun, um den Respekt und die Wertschätzung auszudrücken. Dabei ist mir sehr bewusst, dass wir das in der Vergangenheit nicht immer durchgängig tun konnten oder getan haben. Ich denke da durchaus selbstkritisch zurück an die Entscheidungen, die wir in eigener Regierungszeit zum Urlaubs- und Weihnachts
geld getroffen haben, die sicherlich nicht als besonderer Ausdruck der Wertschätzung angekommen sind. Ich denke aber auch an inhaltliche Entscheidungen wie beispielsweise die Kennzeichnungspflicht bei geschlossenen Einsätzen oder die Ankündigung eines Polizeibeauftragten, der eine Beschwerdestelle über die Polizei sein soll und ganz sicher auch kein Ausdruck von Wertschätzung ist.
Auch vor diesem Hintergrund steht die Initiative der CDU-Landtagsfraktion, dass wir uns wünschen, dass Beamte und Angestellte des Landes, die im Dienst angegriffen und verletzt werden, einen besonderen Schutz des Landes verdienen, nämlich in dem Falle, in denen ihnen ein Schmerzensgeldanspruch zuerkannt, zugesprochen wird, sie ihn aber bei den Tätern nicht eintreiben können, weil diese nicht zahlen können oder wollen. Wir schaffen jetzt eine Regelung, die es ermöglicht, in solchen Fällen den Schmerzensgeldanspruch an das Land zu übertragen und zumindest den materiellen Ausgleich für die Verletzung zu bekommen.
Die Regelung, die wir heute in zweiter Lesung beraten und beschließen, beinhaltet eine gute und großzügige Übergangsregelung, die dem politischen Ziel, diese Regelung zum Jahresbeginn 2015 in Kraft zu setzen, gerecht wird, und sie beinhaltet eine Bagatellgrenze von 250 €, ab der Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht werden können. Ich denke, das ist angemessen, auch gerade, wenn man sich anschaut, in welchen Gehaltsregionen die Betroffenen in aller Regel unterwegs sind. Wir schaffen damit nach meinem Kenntnisstand die bundesweit günstigste Regelung für die Beamten und Angestellten eines Bundeslandes. Ich glaube, das ist etwas, worauf wir als Schleswig-Holsteinischer Landtag insgesamt ein bisschen stolz sein dürfen.
Mein ausdrücklicher Dank geht an die übrigen Fraktionen des Landtags, die diese Initiative sehr positiv aufgegriffen haben. Wir haben im Innenund Rechtsausschuss ausgesprochen sachorientiert und zügig beraten können und jetzt auch ein gutes und weitgehend einvernehmliches Ergebnis gefunden. Deswegen gibt es keinen Anlass, in irgendeiner Form eine Schärfe in die Diskussion hineinzubringen. Allerdings bleibt bei mir ein ganz kleiner fahler Beigeschmack zurück. Das Innenministerium hat, als wir den Vorschlag unterbreitet haben, zunächst festgestellt, man sehe keinen Bedarf, da solche Fälle so gut wie gar nicht vorkämen. Die Zahlen, die auf Schätzungen der GdP beruhen, sagen etwas anderes. Ich denke, es ist gut, wenn wir mit
dieser Regelung künftig für den Bereich der Polizei, aber auch andere Bereiche der Landesverwaltung gesicherte Zahlen haben.
Für mich bleibt festzuhalten: Wenn diese Regelung am Ende nur dazu beiträgt, dass in einem einzigen Fall die entsprechende Wertschätzung, die wir empfinden und ausdrücken wollen, auch ausgedrückt wird, hat sich diese Regelung gelohnt. Ich bedanke mich für die guten Beratungen und bitte um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass wir heute die gesetzliche Regelung zum sogenannten Schmerzensgeldfonds nach wirklich kurzer Beratung fraktionsübergreifend beschließen können und damit der Weg frei gemacht wird, betroffene Beamtinnen und Beamte zumindest finanziell für das erlittene Leid zu entschädigen. In den Fällen, in denen ein Anspruch besteht, der nicht eintreibbar ist, wird zukünftig das Land Schleswig-Holstein eintreten. Das ist gelebte Fürsorge des Dienstherrn in SchleswigHolstein.
Prellungen, Platzwunden, Schnittverletzungen, Knöchelverletzungen und Glassplitter in den Augen sind nur einige Verletzungsarten, die Polizeibeamtinnen und -beamte tatsächlich im Dienst erleiden. Ich finde, aktueller als heute kann dieses Thema gar nicht sein, wenn wir die Bilder von gestern noch vor Augen haben.
Gestern wurden bei der Demonstration der Blockupy-Bewegung in Frankfurt rund 150 Einsatzkräfte nicht nur der Polizei verletzt, einige sogar schwerer. Aus Schleswig-Holstein haben an diesem Einsatz in Frankfurt 180 Beamtinnen und Beamte teilgenommen. Ich freue mich, dass wir Gott sei Dank keinen Verletzten in Schleswig-Holstein beklagen, obwohl die Freude begrenzt ist, weil uns auch die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten der anderen Bundesländer am Herzen liegen.
Einsatz einzugehen; denn er steht exemplarisch für eine Art und Weise der Demonstrationsbewegung, die wir alle nicht wollen können. Ich erwarte an dieser Stelle eine parteiübergreifende Abgrenzung zu diesen Gewalttätern.
Wir werden ja demnächst über Versammlungsfreiheit und die entsprechenden Regelungen diskutieren. Aber das hat für mich mit normalem demokratischen Demonstrationsgeschehen nichts mehr zu tun.
Warum sage ich das? Ich sage das, weil ich glaube, dass das pure Gewalt ist, vorsätzlich und hinterlistig. Ich sage das aber auch, weil solchen Demonstrationen, was die Vorbereitung und die Zusammenarbeit mit der Polizei angeht, schon eine gewisse Haltung vorausgeht. Ich erwarte, dass wir auch über die Möglichkeiten nachdenken, die wir als Parteien haben, mit diesen Bündnissen zusammenzuarbeiten. Ich erwarte allerdings von denen eine andere Haltung als diese: Ein Sprecher der Blockupy-Bewegung in Frankfurt hat noch am Montag, also drei Tage vor der angekündigten Demonstration, den Polizeieinsatz als absurd und als Skandal bezeichnet. Die Polizei wolle von ihrer repressiven Linie nicht abrücken. Er weise ein Bürgerkriegsszenario zurück. In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass die große Unbekannte das Verhalten der Polizei sei. Ob die Demo eskaliere, hänge davon ab, wie sich die Polizei verhalten werde.