Protocol of the Session on March 19, 2015

Ja, bitte.

Herr Kollege Dr. Stegner, Sie sind ja auch stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD.

(Zuruf: Sechster!)

- Das ist relativ egal. Habe ich Sie jetzt dahin gehend richtig verstanden, dass Sie die heute in der „Süddeutschen Zeitung“ wiedergegebene Aussagen Ihres Parteivorsitzenden und des Fraktionsvorsitzenden der SPD im Deutschen Bundestag - der Artikel hat die Überschrift: „Einsamkeit ist der Preis der Freiheit - SPD-Parteichef Sigmar Gabriel befiehlt dem Justizminister die Vorratsdatenspeicherung. Heiko Maas muss jetzt mit gefesselten Händen verhandeln.“; das ist der Artikel -: „Wir brauchen das“ - die anlasslose massenhafte Vorratsdatenspeicherung, allerdings befristet -, nicht teilen?

- Wenn ich diesen Artikel richtig im Kopf habe, dann wird darin auch meine Haltung dazu zitiert. Das ist der Artikel von Heribert Prantl, glaube ich, in dem er heute in der „Süddeutschen Zeitung“ darauf hinweist, dass ich mich kritisch geäußert habe. Ich bleibe bei meiner kritischen Haltung. Übrigens mein letztes Gespräch, dass ich mit dem Bundesvorsitzenden zu dieser Frage geführt habe - ich lasse Sie daran jetzt einmal ein bisschen teilhaben, insofern ist das ja etwas richtig Spannendes hier im Landtag -, ging in die Richtung, dass selbstverständlich auch Sigmar Gabriel davon ausgeht, dass der Vorschlag, den Heiko Maas machen wird, einer ist, der mit den Prinzipien vereinbar ist, die das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof gesetzt haben. Sie werden - so glaube ich - nicht finden, dass Sigmar Gabriel gesagt hat, er sei für eine anlasslose, massenhafte Vorratsdatenspeicherung. Das wäre auch nicht klug, wenn er das täte. Ich kann mich nicht entsinnen, dass er das so formuliert hätte.

Ich froh, dass ich die Frage habe beantworten können. Ich will aber zur - Anke Spoorendonk würde es sagen, gelegentlich tut sie das - Conclusio kommen, die für mich heißt: Ich glaube, dass jegliche rechtliche Grundlage für ein Instrument wie die anlasslose massenhafte Vorratsdatenspeicherung fehlt und dass wir uns damit beschäftigen müssen, Ermittlungsinstrumente zu finden, die im Rahmen der Verfassung sind. Wer die Freiheiten übertrieben einschränkt, um die Sicherheit zu gewährleisten, verliert am Ende beides. Deswegen sind wir dafür,

(Dr. Ralf Stegner)

Bürgerrechte zu wahren und die Sicherheit zu gewährleisten. Das ist unsere Position.

(Beifall SPD)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Burkhard Peters.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns heute hier im Plenum bereits das dritte Mal mit der Vorratsdatenspeicherung. Bisher haben wir dazu klar ablehnende Beschlüsse gefasst. Ich kann es daher relativ kurz machen, weil auch heute keine Änderung in dieser Beschlusslage stattfinden wird.

(Beifall Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] und Uli König [PIRATEN])

Die Haltung der Grünen zur Vorratsdatenspeicherung ist in den Koalitionsvertrag mit aller Klarheit eingeflossen, Herr Kollege Stegner hat das gerade zitiert. Er hat auch im letzten Jahr in der „Süddeutschen Zeitung“ - wie immer treffend - das Problem auf den Punkt gebracht. Er hat dort gesagt: Die Vorratsdatenspeicherung ist tot. - Meine Damen und Herren, solange der Europäische Gerichtshof inhaltlich nicht von seiner im April 2014 verkündeten Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung abrückt, werden alle Reanimierungsversuche an diesem Vorhaben scheitern.

(Beifall PIRATEN und Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Daran ändert sich auch nichts, wenn die Herren de Maizière und gelegentlich auch Herr Gabriel die Auferstehung dieses Wiedergängers der Innenpolitik beschwören. Wenn man sich das EuGH-Urteil vom 8. April 2014 mit klarem Verstand durchliest, wird man feststellen, dass das Gericht mit zwei klaren Festlegungen der Vorratsdatenspeicherung den Garaus gemacht hat.

Erstens. Die anlasslose Massenspeicherung von Telekommunikationsdaten sämtlicher Bürgerinnen und Bürger ist ein klarer Verstoß gegen die gesetzlichen Vertraulichkeitsgarantien für Berufsgeheimnisträger, also Ärzte, Psychotherapeuten, Rechtsanwälte und Notare, Seelsorger und Journalisten. Es wurde bisher noch kein gangbarer Weg aufgezeigt, wie eine technische und rechtliche Lösung gefunden werden kann, die Daten dieser Be

rufsgruppen - es sind Hunderttausende von Menschen in diesem Land - von der VDS auszunehmen.

Zweitens. Die Anlasslosigkeit der Vorratsdatenspeicherung ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs unverhältnismäßig und verletzt die Grundrechte auf Privatleben, auf Datenschutz und freie Meinungsäußerung. In dieser Hinsicht ist die Entscheidung völlig eindeutig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesen beiden Festlegungen ist jedoch das Wesensmerkmal und das Herzstück der Vorratsdatenspeicherung aufgehoben worden: Ohne Anlass, nur auf Vorrat, weil vielleicht einmal etwas sein könnte, Telekommunikationsdaten sämtlicher Menschen im Staat zu speichern, das geht nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PI- RATEN, SSW und Beate Raudies [SPD])

Es kommt auch nicht darauf an, ob es für wenige Tage oder sechs Monate gemacht werden soll. Die Ablehnung des EuGH ist kategorisch. Konsequenterweise haben auf dieser Grundlage in diesem Monat in zwei europäischen Staaten Verfassungsgerichte die Vorratsdatenspeicherung verboten, und zwar in den Niederlanden und in Bulgarien.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Aus diesem Grund können wir Ihrem Antrag auch heute aus ganzem Herzen zustimmen: Solange Grüne an einer Regierung in Schleswig-Holstein beteiligt sein werden, wird die Haltung dieses Bundeslandes in dieser Frage auch dem Bund gegenüber immer klar und eindeutig sein. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt SPD und Beifall Wolfgang Ku- bicki [FDP])

Für die Piratenfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Patrick Breyer das Wort, der sein Wort an den Fraktionsvorsitzenden Torge Schmidt abgibt.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn mein Kollege Herr Dr. Breyer üblicherweise zur Vorratsdatenspeicherung spricht, mache ich das heute einmal. Ich glaube, es ist auch egal, welcher PIRAT hier heute steht.

(Dr. Ralf Stegner)

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Im Prinzip haben wir doch in der Piratenpartei alle dieselbe Meinung.

(Beifall PIRATEN)

Ich glaube, bei der Vorratsdatenspeicherung gibt es sogar so etwas wie Parteizwang in der Piratenpartei.

(Zurufe)

Spaß beiseite: Der Landtag hat sich bereits zweimal gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Wenn ich mich richtig entsinne, hat jedes Mal Herr Dr. Stegner mitgestimmt. So verwundert es mich, dass ich in letzten Tagen Ihr Zitat gelesen habe. Ich gebe das jetzt voll und ganz wieder. Sie haben nämlich gesagt:

„Eine anlasslose und massenhafte Datensammlung wird es mit uns nicht geben.“

- Das stimmt.

„Allerdings: Eine vernünftige Datenspeicherung in engen Grenzen kann ein geeignetes Instrument zur schnellen Aufklärung von schweren Verbrechen wie der NSU-Mordserie sein.“

Da muss ich sagen: Dung bleibt Dung, Herr Dr. Stegner, auch wenn man ihn anders bezeichnet.

(Beifall PIRATEN)

Ob Sie es Vorratsdatenspeicherung nennen, Mindestdatenspeicherung, Quick Freeze oder „vernünftige Datenspeicherung in engen Grenzen“ - es bleibt Vorratsdatenspeicherung.

(Unruhe)

Ich kann Ihnen den Tipp geben: Wenn Sie das nächste Mal mit Heiko Maas oder Sigmar Gabriel telefonieren - eigentlich könnten Sie sich die Mühe sparen zu gucken, ob Sie das mit den Vorgaben des EuGH und des Bundesverfassungsgerichts irgendwie hinkriegen. Das werden Sie nicht hinbekommen. Im Prinzip sollten Sie das tote Pferd namens Vorratsdatenspeicherung einfach beerdigen.

(Beifall PIRATEN)

Herr Dr. Stegner, ich bin dankbar, dass Sie die NSU-Mordserie angesprochen haben, weil gerade die NSU-Mordserie gezeigt hat, dass Vorratsdatenspeicherung nicht zwangsläufig das Instrument ist, das hilft. Das Handy von Uwe Böhnhardt wurde bereits 1998 abgehört, und es gab keine Ermittlungsansätze.

(Beifall PIRATEN)

Glaubt man der Berichterstattung in der Presse, dann hätte den Ermittlungsbehörden sehr viel früher klar sein müssen, wer hinter den Verbrechen stand. Hätten die Ermittlungsarbeit und die Kommunikation der involvierten Sicherheitsbehörden besser funktioniert, hätte dieser rechtsextreme Terrorismus deutlich früher ein Ende gefunden.

(Beifall PIRATEN)

Ihr SPD-Bundesvorsitzender - ich nenne ihn jetzt einmal „Märchenonkel“ - Sigmar Gabriel hat im „Deutschlandfunk“ das alte Märchen erzählt, dass die Vorratsdatenspeicherung bei den Anschlägen in Oslo bei einer schnelleren Aufklärung geholfen hätte, er habe angeblich sogar die Norweger gefragt. Netzpolitik hat dankenswerterweise recherchiert und bei der norwegischen Botschaft nachgefragt. Wie Herr Kubicki schon sagt, es gab und gibt dort keine Vorratsdatenspeicherung. Das EWR-Abkommen, das 2011 getroffen wurde, ist nie zur Anwendung gekommen und wurde übrigens vom EuGH gekippt.

(Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich frage mich deshalb, mit wem Gabriel in Norwegen gesprochen hat. Vielleicht hat er sich einfach nur verwählt und den bayerischen Akzent von Hans-Peter Uhl für Norwegisch gehalten.

(Heiterkeit und Beifall PIRATEN)

Es gibt in keinem europäischen Mitgliedstaat empirische Belege dafür, dass die Vorratsdatenspeicherung zu einer höheren Aufklärungsrate führt, obwohl sie in vielen EU-Staaten jahrelang praktiziert worden ist. Sowohl in Bulgarien als auch in den Niederlanden wurde die Speicherung von Telefonund Internetdaten gerichtlich verboten, da die Privatsphäre der Bürger durch das umfassende Sammeln von Daten nicht verletzt werden dürfe.