Protocol of the Session on March 19, 2015

Das, was das Land in solidarischer Zusammenarbeit mit den Kommunen für die Flüchtlinge leistet, ist vorbildlich, was man von der Politik einer völlig anderen Ebene nicht sagen kann, und damit meine ich die Politik der Europäischen Union. Dort liegt nämlich ziemlich alles in Schieflage. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass zehn der 28 EU-Mitgliedstaaten ungefähr 90 % der Flüchtlinge aufnehmen. Mehr Schieflage geht wirklich nicht. Eine einheitliche EU-Flüchtlingspolitik und - dies füge ich hinzu - eine humane Flüchtlingspolitik sucht man an dieser Stelle vergebens. Der Knackpunkt sind doch die Verpflegungskosten und die Unterbringungsmöglichkeiten. In diesem Fall gibt es keine Steuerung. Dabei könnten genau diese zentralen Aufgaben durch den EU-Haushalt gesteuert und unterstützt werden; bei Agrarsubventionen geht das ja schließlich auch. Warum soll das also nicht auch in der Flüchtlingsfrage möglich sein? Jeder Schritt in Richtung Begradigung dieser Schieflage wäre weit mehr als das, was bisher überlegt worden ist.

Das Einzige, was man vonseiten der EU präsentiert, ist das Vorhaben der Etablierung von EU-Außenlagerstationen in Nordafrika. Das ist nun wirklich eine völlig irre Idee. Aus Sicht des SSW funktioniert das allerhöchstens in der Theorie. Ich halte es auch für menschenunwürdig, dass man einen Grundrechtsanspruch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland irgendwo in Nordafrika geltend machen muss. Die Leute müssen doch eine Chance haben, auch hierher zu kommen und ihr Recht geltend zu machen. Es mag dann eine juristische Entscheidung sein, was mit den Leuten passiert. Es geht aber nicht an, so eine Art Blockbollwerk in Nordafrika aufzubauen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bleibt zu hoffen, dass dies nicht die letzte Idee der Europäischen Kommission in puncto Flüchtlingspolitik gewesen ist. Es wäre gut, wenn sich die EU bei der Verteilung der Flüchtlinge und bei der Unterbringung und Verpflegung aktiver einbringen würde.

Abschließend möchte ich auf das Thema Flüchtlingsausschuss zu sprechen kommen. Ich möchte gleich vorab sagen: Wir haben über so etwas schon mehrfach im Ältestenrat gesprochen. Das ist auch der richtige Weg. Dort organisiert man all das, was für die Zusammenarbeit in diesem Parlament eine Rolle spielt. Dafür ist der Ältestenrat da. Es ist absolut unüblich, hier im Parlament Anträge zu Ausschussbesetzungen zu stellen.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

Wir sollten uns weiterhin darauf verständigen, dass wir das nicht im Konflikt machen, sondern immer nur im Konsens. Ich glaube, der Ältestenrat ist der beste Ort dafür, eine solche Einigkeit herbeizuführen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fakt ist, dass es in der Tat einen zuständigen Ausschuss für die Fragen rund um die Flüchtlingsthematik gibt, nämlich den Innen- und Rechtsausschuss. Wenn sich Abgeordnete für ein Thema besonders interessieren, dann war es nach meiner parlamentarischen Erfahrung in diesem Hause immer möglich, dass sich diese Abgeordneten dann auch die Zeit dafür freischaufeln. Das hat in der Vergangenheit ausnahmslos geklappt. Noch nie musste für Terminwünsche Einzelner ein separater Ausschuss eingerichtet werden. Ich sehe auch keinen Grund dafür, warum das jetzt plötzlich der Fall sein sollte.

Mehr als dieses Thema an den Anfang einer jeweiligen Ausschusssitzung zu setzen, geht nicht. Genau das aber haben wir schon getan. Ich bin mir sicher, dass sich die wöchentliche Arbeit im Innenund Rechtsausschuss weiterhin zuverlässig diesem wichtigen Thema widmen wird. Jeder interessierte Abgeordnete ist herzlich eingeladen, an den Sitzungen des Ausschusses teilzunehmen. Er steht jedem Menschen offen, auch Frau Beer.

Aus allen diesen Gründen glaube ich nicht, dass wir einen weiteren Ausschuss brauchen; denn wir haben einen gut funktionierenden Ausschuss. Bevor man sich immer über weitere Ausschüsse unterhält nach dem Motto „wenn ich nicht mehr weiterweiß, gründ‘ ich einen Arbeitskreis“, wäre es vielleicht schlau, sich einmal um die einzelnen Probleme zu kümmern.

Wenn man sich die Bilanz der Landesregierung und der Koalition ansieht, dann ist diese Bilanz durchaus nicht schlecht. Natürlich können wir immer noch besser werden. Wir haben eine 70/30Prozent-Aufteilung zugunsten der Kommunen. Wir haben 1,5 Millionen € in Baumaßnahmen gesteckt. Wir fördern Projekte zur Einbindung des Ehrenamtes im Flüchtlingsbereich. Wir bemühen uns darum, auch eine Gesundheitskarte einzuführen und vieles mehr, über das auch schon meine Vorredner gesprochen haben.

Das sind die Punkte, über die wir diskutieren müssen. Das sind die Punkte, die wir schon geleistet ha

(Lars Harms)

ben und über die wir auch politisch diskutieren können, ob wir damit einverstanden sind oder nicht.

Ich bin gern bereit, sowohl im Innen- und Rechtsausschuss als auch in diesem Hohen Hause über weitere Maßnahmen zu diskutieren, damit wir dann - Kollegin Herdejürgen sagte schon: „So machen wir das“ - wirklich auch etwas für die Flüchtlinge tun können, statt uns immer mit uns selbst zu beschäftigen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne die Landfrauen aus Eckernförde. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag.

(Beifall)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat die Frau Abgeordnete Astrid Damerow.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich zu einem Dreiminutenbeitrag gemeldet, weil es ein oder zwei Punkte gab, zu denen ich doch noch etwas sagen wollte.

Zunächst, Herr Innenminister, zum Thema Scheingefechte. Es ist immer ganz beliebt, eine Diskussion unter Hinweis darauf abzuwürgen. Hier geht es aber nicht um Scheingefechte, sondern es geht darum, dass wir unsere Aufgabe als Opposition wahrnehmen. Diese besteht darin, der Regierung auch einmal deutlich zu machen, wo wir ihre Fehler sehen. Das ist in keiner Weise gegen Flüchtlinge und Asylbewerber gerichtet, sondern richtet sich ganz allein gegen die Art ihrer Arbeit und Durchführung. Ich denke, das ist unser gutes Recht und unsere Aufgabe.

(Beifall CDU und PIRATEN)

Zum Thema Ausschuss für Flüchtlings- und Integrationspolitik. Es ist richtig, es gab eine Vereinbarung im Ältestenrat. Diese haben wir dann auch, wie der Ältestenrat es vereinbart hatte, im Innenund Rechtsausschuss diskutiert. An der Stelle - die Kollegen Harms und Dr. Dolgner waren dabei muss ich sagen: Die Ausschussvorsitzende hat einen Vorschlag unterbreitet, und anschließend kamen die Vorschläge. Natürlich stand dieses Thema jedes Mal auf der Tagesordnung. Dazu kam dann

der Beitrag von Herrn Harms, dieses nur dann zu tun, wenn es auch einen Antrag zu dem Thema gibt, wenn die Landesregierung gleich zu Beginn des Ausschusses einen Vertreter in den Ausschuss entsendet und wenn es wirklich nötig ist. Mit Verlaub, das ist das, was wir heute bereits im Innen- und Rechtsausschuss praktizieren. Das war auch nicht der Hintergrund unseres Wunsches nach einem besonderen Ausschuss.

Nun noch einmal zu dem Kollegen Klug. Herr Klug, was Ihre Einlassungen hinsichtlich des Bundestagsabgeordneten und Landesvorsitzenden der CDU Schleswig-Holstein Ingbert Liebing angeht, wissen Sie sehr genau, dass er sich auf Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten bezogen hat, die natürlich erkennbar kein Aufenthaltsrecht erhalten werden. Diese nicht mehr auf die Kommunen zu verteilen, ist eine Forderung, mit der er nicht alleine steht. Diese Forderung wird ebenso von den kommunalen Spitzenverbänden erhoben.

Lassen Sie mich zitieren:

„Vor allem bei Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten muss das Asylverfahren abgeschlossen sein, bevor die dezentrale Zuweisung an die Kommunen erfolgt.“

Ich habe hier aus dem Aktionsprogramm zur Flüchtlingspolitik des SPD-Bundesparteivorstands von November 2014 zitiert. Deshalb habe ich gar nicht verstehen können, warum Sie vorhin so enthusiastisch oder frenetisch geklatscht haben; denn auch Ihr eigener Vorstandsbeschluss sagt dies.

(Zuruf CDU)

Insofern ist das also nicht irgendeine skandalöse oder dumme Forderung, die unser Landesvorsitzender erhoben hat, sondern das ist eine sehr praktikable Forderung, die von vielen anderen gesellschaftlichen Gruppierungen ebenfalls erhoben wird.

Nur weil wir noch nicht genügend Aufenthaltsplätze haben, diese Forderung einfach abzulehnen, ist ein bisschen zu einfach, Herr Kollege Klug. Denn Sie haben sehr genau gewusst, was dahinterstand. Deshalb hielt ich diese Einlassung für völlig verfehlt.

(Vereinzelter Beifall CDU - Wortmeldung Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Stegner, bitte schön.

Sie gestatten eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

(Lars Harms)

Liebe Frau Kollegin Damerow, dieser Beschluss ist mir nicht nur bekannt, sondern ich habe an ihm mitgewirkt. Er stammt aus einem größeren Papier, allerdings mit einem Kontext, der sich komplett von dem unterscheidet, was der Kollege Liebing in der Pressemitteilung von sich gegeben hat. Das ist nämlich eine ganz andere Linie, die eher in die Richtung geht zu sagen, unser Problem sei, dass wir nicht schnell genug unsere Flüchtlinge auswiesen. Das ist der Hintergrund, vor dem er sich äußert. Das ist ein komplett anderer Kontext. Wenn Sie unser Papier lesen würden - ich stelle Ihnen das gern zur Verfügung, Frau Kollegin Damerow -, dann könnten Sie die Inhalte erfassen, die da drinstehen. Das hat mit dem, was Herr Liebing gesagt hat, wirklich nichts zu tun. Was Herr Liebing wollte, ist billige Polemik gegen die Landesregierung von sich zu geben. Das hat der Kollege Dr. Klug messerscharf analysiert. Ich stimme jedem seiner Sätze in diesem Zusammenhang zu.

(Vereinzelter Beifall SPD, Beifall Dr. Heiner Garg [FDP] und Lars Harms [SSW])

- Herr Kollege Stegner, das ist aus Ihrer Sicht durchaus menschlich verständlich und nachvollziehbar. Ihre Interpretationskompetenzen sind mir hinlänglich bekannt. Infolgedessen nehme ich das einfach so hin. Fakt ist, es steht in Ihrem Papier oder in dem Papier Ihres Bundesvorstands fast wortgleich das, was in unserem Zehnpunktepapier auch steht, für das Sie uns hier ganz fürchterlich verteufelt haben.

(Serpil Midyatli [SPD]: Abgeschrieben!)

- Nein, ob es abgeschrieben ist, darum geht es nicht. Es geht nicht darum, sondern es geht einfach darum, dass ich es ausgesprochen begrüße, dass auch der SPD-Bundesvorstand immerhin so weit in der Realität angekommen ist, dass er dieses Verfahren vorschlägt.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine weitere Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Frau Kollegin Damerow, als profunde Kennerin der Sache: Ist Ihnen bekannt, dass es auch Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern gibt, die nicht abgeschoben werden, obwohl sie aus sicheren Herkunftsländern kommen, und dass über die Frage, ob sie abgeschoben werden nicht das Land entscheidet, sondern der Bund?

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Ja, natürlich. Und Ihnen, Herr Kollege Kubicki, ist doch durchaus bekannt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese Fälle bearbeiten, Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sind - ich betone: des Bundesamtes. Es ist eine ziemliche Haarspalterei, die Sie hier gerade betreiben.

Die Philippika des Kollegen Klug gegen unseren Landesvorsitzenden war ganz unterhaltsam, aber in der Sache völlig verfehlt. - Danke sehr.

(Vereinzelter Beifall CDU - Zurufe FDP)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Dr. Kai Dolgner.

(Serpil Midyatli [SPD]: Ich bitte, dass nur noch Herr Dr. Klug redet! - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Okay, damit sind wir einver- standen! - Heiterkeit und weitere Zurufe)