Protocol of the Session on February 19, 2015

(Beifall PIRATEN)

und zwar aus den folgenden Gründen.

Erstens. Das Section-Control-Verfahren ist weitaus teurer als die herkömmliche Geschwindigkeitsmessung.

Zweitens. Das Verfahren ist zudem weitaus fehleranfälliger, weil es jedes zwanzigste Fahrzeug überhaupt nicht richtig erkennen und kontrollieren kann. In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen: Die Erfolgsmeldungen aus dem Ausland, welche Erfolge dadurch zu erzielen seien, beruhen alle auf einem Vergleich mit einer komplett unüberwachten Strecke, aber nicht auf einem Vergleich mit der konventionellen Messtechnik. Deswegen sind die genannten Zahlen überhaupt nicht aussagefähig.

(Beifall PIRATEN)

Drittens - und das ist für uns ganz entscheidend leistet eine solche Apparatur zur technischen Erfassung aller Fahrzeuge einer zukünftigen Zweckentfremdung der Daten bis hin zu einer Erstellung von Bewegungsprofilen Vorschub, wie dies in Großbritannien bereits gemacht wird. Für uns PIRATEN ist eine verdachtslose Massenerfassung unbescholtener Autofahrer inakzeptabel.

(Beifall PIRATEN und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, beim Thema Pkw-Maut sind wir uns einig gewesen, dass wir nicht wollen, dass die Entrichtung der geplanten Pkw-Maut mittels eines Kfz-Massenabgleichs kontrolliert werden soll. Deswegen darf eine solche Technologie zur Geschwindigkeitsüberwachung an dieser Stelle nicht zum Einsatz kommen.

(Beifall PIRATEN)

Was macht stattdessen Sinn? Wir sollten uns das genau anschauen; denn das Ziel, die Rader Hochbrücke zu erhalten, bis sie saniert ist, ist natürlich

richtig. Wir haben aber gestern Abend von den beratenden Ingenieuren erfahren, dass die Geschwindigkeit weniger entscheidend für die Lebensdauer von Brückenbauwerken ist. Zudem haben wir der Zeitung entnehmen müssen, dass zwei Drittel der Lkw-Fahrer, die zu schnell fahren, aus dem Ausland kommen, sodass wir eh Probleme haben, Bußgelder einzutreiben, weil es schwierig ist, die Fahrer zu ermitteln. Das ist in vielen anderen Staaten gar nicht möglich.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem Sinn dieser Geschwindigkeitsmessung. Herr Minister, wenn wir aber nach einer Prüfung zu dem Ergebnis kommen, dass es sehr wichtig ist, die Geschwindigkeit auf der Rader Hochbrücke zu kontrollieren, dann hätten wir doch schon längst und ohne Gesetzesänderung konventionelle Messtechniken einsetzen können.

(Beifall PIRATEN und FDP)

Dies ist nicht nur kostengünstiger und effektiver, sondern auch schneller auf die Straße zu bringen. Durch eine Ankündigung der Geschwindigkeitsund Abstandsmessung auf Schildern kann eine substanzschonende Fahrweise bestmöglich sichergestellt werden. Ich freue mich, dass auch der zuständige Landrat, Herr Dr. Schwemer, gesagt hat, die Radarfalle dürfe gern deutlich angekündigt werden. Sie diene schließlich dem Schutz der Hochbrücke, aber nicht dazu, die Autofahrer abzukassieren.

(Beifall PIRATEN und FDP)

Herr Minister Meyer, daher fordern wir Sie auf, die teuren, ineffizienten und zudem aus politischen Gründen gar nicht realisierbaren Pläne zum Fotografieren rechtstreuer Autofahrer aufzugeben. Dann können Sie sich der breiten Unterstützung dieses Hauses sicher sein, wenn es darum geht, die Sicherheit der Rader Hochbrücke zu gewährleisten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN und FDP)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Axel Bernstein.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was sich hinter den Begriffen „Section Control“ oder „Abschnittskontrolle“ verbirgt, brauche ich nicht noch einmal im Detail darzustellen.

(Dr. Patrick Breyer)

Laut Berichterstattung im „Hamburger Abendblatt“ vom 6. Februar dieses Jahres haben Verkehrs- und Polizeiexperten des Landes eine Arbeitsgruppe gebildet. Das ist per se keine schlechte Geschichte. Vielleicht hören wir gleich noch Näheres dazu, was die bisherigen Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe sind. Weiter heißt es in diesem Artikel, das Verkehrsministerium sei auch mit dem amtierenden Landesdatenschutzbeauftragten Thilo Weichert darüber im Gespräch.

Wenn man dieses Thema im Wesentlichen unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes betrachtet, wie es mein Vorredner gemacht hat, dann empfiehlt sich ein Blick nach Niedersachsen, wo es einen Modellversuch zum Thema Section Control gibt, der vom dortigen Landesdatenschutz grünes Licht bekommen hat. Der Verkehrsgerichtstag fordert die Erprobung von Section Control und hat dafür klare Kriterien definiert.

Wir von der CDU gehören ganz gewiss nicht zu denjenigen, die reflexhaft Schnappatmung bekommen, wenn der Polizei Daten von Verkehrsteilnehmern übermittelt werden, weil wir der Überzeugung sind, dass mit diesen Daten rechtmäßig und verantwortungsvoll umgegangen wird.

(Beifall CDU und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Abgeordneter Dr. Bernstein, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogt?

Immer gern.

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bernstein. - Kann es sein, dass es in Niedersachsen ein anderer Hintergrund war, dass es dort nämlich darum ging, sozusagen einen Unfallschwerpunkt zu entschärfen, während es hier darum geht, ein Brückenbauwerk länger zu erhalten? Das hat natürlich eine andere rechtliche und insbesondere datenschutzrechtliche Auswirkung.

- Den genauen datenschutzrechtlichen Unterschied zwischen Unfallschwerpunkt und Brücke müssen Sie mir bei Gelegenheit einmal erklären.

(Heiterkeit und Beifall CDU und Olaf Schul- ze [SPD] - Christopher Vogt [FDP]: Ver- kehrsgerichtstag!)

Nichtsdestotrotz ist klar: Es handelt sich in Niedersachsen um einen Modellversuch. Man kann ihn nicht eins zu eins auf Schleswig-Holstein übertragen. Darauf komme ich noch zu sprechen.

Wie gesagt gehen wir davon aus, dass Daten von Verkehrsteilnehmern, die unserer Landespolizei übermittelt werden, zunächst einmal nicht missbraucht werden. Insbesondere bei der Technologie, die hier diskutiert wird, erfolgt eine Auswertung von Kennzeichen nur in den Fällen, in denen eine Geschwindigkeitsübertretung festgestellt wird. Alle anderen Daten, so mein Kenntnisstand, werden unausgewertet wieder gelöscht. Insofern sehe ich aus datenschutzrechtlicher Sicht zunächst einmal kein unüberwindliches Problem.

Der zweite Aspekt ist das Thema Verkehrssicherheit. Zusätzliche Maßnahmen zur Geschwindigkeitsüberwachung müssen verkehrlich gerechtfertigt sein. Sie müssen ein Mehr an Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer bringen. Sie müssen technologisch erprobt und zuverlässig sein.

Denkbar wäre, dass die Abschnittskontrolle an bestimmten Stellen dazu einen Beitrag leisten kann. Sie ist aus unserer Sicht aber weder im großen Maßstab erforderlich noch im großen Maßstab finanziell sinnvoll, sondern sie kann höchstens eine punktuelle Ergänzung der bestehenden Maßnahmen zur Geschwindigkeitsüberwachung sein.

Gerade lange Brücken oder lange Tunnel, bei denen es auf eine angemessene Fahrweise ankommt, würden sich möglicherweise anbieten. Insbesondere die Rader Hochbrücke, bei der es im ureigenen Interesse der Verkehrsteilnehmer liegt, mit ihr im gegenwärtigen Zustand besonders pfleglich umzugehen, bis das Ersatzbauwerk da ist, legt das eventuell nahe.

Deshalb gibt es von uns an dieser Stelle kein Nein in der Sache, aber auch kein ungeprüftes Ja, sondern den Überweisungsantrag an den Innen- und Rechts- sowie mitberatend den Wirtschaftsausschuss.

Wir wollen mehr Informationen über den Stand der Dinge in Schleswig-Holstein, über die konkrete Technologie, für die man sich entscheiden könnte. Wir wollen keine Stimmungsmache für oder gegen die Abschnittskontrolle, ohne dass alle Fakten auf dem Tisch liegen.

(Beifall CDU)

(Dr. Axel Bernstein)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Kai Vogel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage, die über dem gemeinsamen Antrag der PIRATEN und der FDP steht, ist: Wie lange hält die Rader Hochbrücke den jetzigen Belastungen stand, und was können wir für eine möglichst lange Nutzung dieser wesentlichen Autobahnbrücke tun?

Die Frage, welchen Stellenwert in diesem Zusammenhang der Datenschutz bei einer möglichen Section Control hat, ist eine sehr spannende und interessante Frage. Es geht darum, wie ein angenommener gesellschaftlicher Nutzen - der Erhalt einer für Schleswig-Holstein existenziell wesentlichen Autobahnverbindung - gegen eine angenommene Einschränkung individueller Datenschutzbelange abgewogen wird.

Konkret geht es um die Möglichkeit, eventuell später einmal auf der Rader Hochbrücke die Kennzeichen der Fahrzeuge zu scannen, um systematisch Geschwindigkeitsverstöße festzustellen. Dies könnte eine von mehreren Maßnahmen sein, um die Lebensdauer der Hochbrücke zu erhalten, bis der Neubau steht. Das wäre der Vorteil.

Der Nachteil wäre, dass die Kennzeichen aller Fahrzeuge gescannt werden, also auch die Kennzeichen von Fahrzeugen, deren Fahrerinnen und Fahrer sich perfekt an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten. Das ist ein Datenschutzrisiko, auch wenn alle Vorschriften zur Löschung der Daten perfekt eingehalten werden.

Und natürlich birgt das ganze Verfahren auch Unsicherheiten. Man weiß nicht, weil die Erfahrungen fehlen, wie stark die Erfassung Fahrerinnen und Fahrer motiviert, sich an Geschwindigkeitsvorgaben zu halten. Man weiß nicht, ob dies viel besser als bisherige Verfahren wirkt. Genau deshalb wird zurzeit ein Pilotprojekt in Niedersachsen durchgeführt.

Was sind die bekannten Fakten? Die Rader Hochbrücke hat eine prognostizierte Restnutzungsdauer von zwölf Jahren. Diese Vermutung basiert auf einer angenommenen Fahrzeugfrequenz und insbesondere einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h für Lkw mit einem Gewicht von mehr als 7,5 t. Doch leider halten sich die wenigsten LkwFahrer auf dieser 1,5 km langen Strecke an die Ge

schwindigkeitsbeschränkung und an die Abstandregelung.

Diese permanente Geschwindigkeitsüberschreitung führt zu stärkeren Schwankungen der Brücke, und dieses Aufschwingen belastet diese so stark, dass damit die Restnutzungsdauer vermutlich erheblich sinkt. Da ein Neubau ebenfalls mit circa zwölf Jahren kalkuliert wird, besteht dringender Handlungsbedarf, die jetzige Brücke so lange wie möglich zu erhalten.

Ich gebe zu, dass mehrere dieser Annahmen hypothetisch sind. Kommt es jedoch zu einer deutlich verringerten Nutzungszeit, die gegebenenfalls entstehen könnte, ist auf dieser sogenannten Europabrücke ein Verkehrschaos garantiert. Dieses darf es nicht geben. Daher muss die Geschwindigkeit der Lkw dringend reduziert werden.

Varianten für Geschwindigkeitskontrollen gibt es viele. Der Nachteil ist bei allen in Deutschland eingesetzten Geschwindigkeitsmessgeräten, dass diese nicht über eine längere Straßendistanz die Geschwindigkeitsüberprüfung realisieren, sondern nur direkt am Messpunkt. Den Effekt kennen wir: Genau vor dem Blitzer wird gebremst und danach wieder Gas gegeben. Dies ist bei stark frequentierten Straßen sehr stauproduzierend und nützt der Brücke definitiv nicht.

Die Abschnittkontrolle ist ein neues Messverfahren, welches bereits in den Niederlanden und in Österreich praktiziert wird. Die sogenannte Section Control kann eine Möglichkeit sein, auf dieser Autobahnbrücke eine Geschwindigkeitsreduzierung auf dem kompletten Abschnitt zu erreichen.

Der Deutsche Verkehrsgerichtstag hatte bereits 2009 vorgeschlagen, die Section Control in einem Bundesland zu testen. Der Bundesrat hat dem Pilotversuch für eine Testphase in einem Bundesland zugestimmt, und dieser Versuch soll ab Frühjahr 2015 für 18 Monate in Niedersachsen auf der B 6 durchgeführt werden.