- Ja, das tue ich gerade. - Darum geht es genau nicht. Ich habe zu Beginn meiner Rede sehr deutlich gemacht, dass wir als CDU wie alle anderen auch wissen, dass wir Zuwanderung brauchen. Das steht überhaupt nicht zur Debatte.
Dann habe ich darauf hingewiesen, dass die Asylgesetzgebung, die sich mit dem Schutz von Menschen befasst, nicht vermischt werden darf mit der Fachkräftedebatte. Das Recht von Asyl ist unabhängig von dem Bedarf nach Fachkräften zu akzeptieren. Ich denke, darüber besteht doch wohl Einigkeit.
Ich habe dann aber auch deutlich gemacht, dass wir selbstverständlich über die Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes diskutieren. Ich möchte diese Diskussion aber vom Kopf auf die Füße stellen. Wir haben überhaupt keinen Dissens - auch wenn Herr Stegner diesen gern konstruieren möchte.
- Nein, Herr Stegner, ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu. Ich habe nur gesagt, lasst uns genau angucken: Was haben wir, was brauchen wir, müssen wir das in ein neues Gesetz fassen, müssen wir Regeln weiterentwickeln? Wir müssen mit den Betroffenen reden - und das ausführlich im Ausschuss. Mehr habe ich nicht gesagt. Das ist die einmütige Meinung innerhalb der gesamten CDU-Fraktion. Ich gebe hier nicht nur meine persönliche Meinung oder die Meinung von drei oder vier Fraktionsmitgliedern wieder, sondern das ist Fraktionshaltung. Ich finde, die ist ebenso klar wie die von Ihnen allen auch.
Also, lassen Sie uns darüber diskutieren, wo wir besser werden müssen. Ob dieses Gesetz dann am Ende ein eigenständiges Einwanderungsgesetz wird oder warum nicht, kann auch ein Signal sein. Aber bevor wir das beschließen, brauchen wir die inhaltliche Diskussion. - Vielen Dank.
Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Peter Lehnert, ebenfalls von der CDU-Fraktion, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Dreiminutenbeiträge.
Ich wollte darum bitten, dass wir für die Diskussion nachher im Ausschuss - ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass wir sie dort weiterführen sollten - doch noch einen Blick auf die Faktenlage werfen. Frau von Kalben, die ich ansonsten sehr schätze, hat in ihrer Rede nämlich gesagt, dass wir in den letzten Jahren oder Jahrzehnten im Saldo Abwanderungstendenzen gehabt hätten. Ich verweise einmal auf die Zahlen von „SPIEGEL ONLINE“.
Wir haben in den letzten 25 Jahren genau zwei Jahre gehabt, in denen wir minimale Abwanderungen in Deutschland hatten. Insgesamt haben wir in Deutschland von 1991 bis zum Jahr 2014 im Saldo - also saldiert Zuwanderung und Abwanderung 6 Millionen Zuwanderungen. Wir hatten im letzten Jahr 470.000, im Jahr 2013 400.000 und rechnen im Jahr 2015 mit netto 600.000 bis 800.000 Zuwanderungen. Ich glaube, das sollte man in den Diskussionen schon sagen, dass wir in Deutschland - das sagt übrigens auch die OECD, also nicht nur „SPIEGEL ONLINE“ - das Land sind, das eine sehr starke Zuwanderung hat. Das spricht auch für die Attraktivität Deutschlands. Deshalb sollte man das in der Diskussion auch nicht so negieren.
Wir sollten darüber diskutieren, welche Art von Zuwanderung wir haben wollen und wo wir Gesetze, die wir im Augenblick haben, nachsteuern müssen, weil wir Fehlentwicklungen feststellen. Ob wir das dann mit einem Einwanderungsrecht machen oder ob wir die derzeitige Gesetzeslage weiterentwickeln, sollten wir dann in den Fachausschüssen diskutieren.
Ich möchte nur, dass kein falscher öffentlicher Eindruck entsteht. Deutschland ist ein Zuwanderungsland. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Das soll es auch in Zukunft bleiben. - Vielen Dank.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Peters, der sich dazu an das Mikrofon begeben hat?
Sehr geehrter Herr Kollege Lehnert, haben Sie sich auch die Mühe gemacht, einmal auf die Prognosen für die Zukunft im Hinblick auf die Zuwanderung und die Abwanderung und deren Saldo zu schauen? Dort sieht die Situation meines Wissens nach schon deutlich anders aus.
Ich habe versucht, das eben in meinem Beitrag deutlich zu machen, nämlich mit den Schätzungen für 2015. Ich kann das vielleicht an den Zahlen noch einmal deutlich machen. Wir hatten 2013 eine Nettozuwanderung in Höhe von 400.000, 2014 geschätzt 470.000. Ich habe jetzt einmal die neuesten Zahlen der Landesregierung genommen, nämlich 20.000 Flüchtlinge. Wenn Sie das auf den Bund hochrechnen, sind wir bei ungefähr 600.000. Das würde bedeuten, dass wir für 2015 netto 600.000 bis 800.000 Zuwanderungen haben werden. Das hieße allein für die letzten Jahre 2013, 2014 und 2015 1,5 Millionen.
Wir haben also eher eine Steigerungstendenz, wenn Sie das in dem Vergleich zu den Vorjahren sehen. Wir haben auf jeden Fall eine massive Zuwanderung in Deutschland. Wir wollen diese Zuwanderung, wir sind ein Einwanderungs- und ein Zuwanderungsland. Ich glaube, wir diskutieren politisch mehr darüber, wie wir das steuern können und welche Fehlsteuerungen wir durch die bisherige Gesetzgebung haben. Aber wir haben eine deutlich steigende Tendenz.
Das ist auch nachvollziehbar. Schauen Sie sich beispielsweise die Arbeitslosenquote in Deutschland an, die extrem niedrig ist. Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa. Das spricht sich in der Welt rum. Die Leute gucken ja auch im Internet nach, wie die Lage und Situation in Deutschland ist. Das spricht sich dann auch herum. Deshalb hat Deutschland eine unheimliche Attraktivität, eine Ausstrahlung auf Zuwanderer.
Wir sollten die Einzelheiten im Fachausschuss noch einmal miteinander besprechen. Ich denke einmal, in dem einen oder anderen Punkt sind wir uns näher, als das manche hier glauben. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin, vielen Dank. - Lieber Herr Lehnert, vielen Dank, dass Sie das hier noch einmal klargestellt haben, was vielleicht in meinem Beitrag eben etwas schief herübergekommen ist. Fakt ist aber - ich glaube, dass ist eher der Punkt, auf den ich an der Stelle verweisen wollte -, dass selbst, wenn es im Saldo ein kleines Plus gibt -
- Sie haben das über die verschiedenen Jahre summiert. Es ist trotzdem so, wenn Sie auf die Seiten der Wirtschaftsverbände gehen, sehen Sie das Frau Damerow hatte auch gesagt, dass wir in der Diskussion gerade auf Wirtschaftsverbände hören wollen -, dass der Unternehmerverband, die IHK und die Handwerkskammer sowohl in SchleswigHolstein als auch bundesweit sagen, dass das, was zurzeit an Zuwanderung kommt und es an Möglichkeiten, Jugendliche hier in Deutschland besser zu qualifizieren, gibt, nicht ausreichen wird, um den demografischen Wandel perspektivisch zu beherrschen oder in den Griff zu bekommen. Das reicht nicht, um den Fachkräftemangel zu mildern. Das ist der Punkt.
Das, was wir an positivem Saldo haben - da gebe ich Ihnen recht, da habe ich mich falsch ausgedrückt - reicht nicht aus. Das heißt, das ist vor dem Hintergrund des Bedarfs an Zuwanderung, den wir haben, nicht ausreichend. - Da mögen Sie den Kopf schütteln, das ist aber das, was gerade Sie auch angemahnt haben und auf was Sie hingewiesen haben, nämlich dass wir auf die Wirtschaftsverbände hören müssen, auf das, was die uns widerspiegeln.
Ich nehme das sehr ernst, wenn die Handwerkskammer sagt: Bitte helft uns doch gerade jetzt, wenn wir hier Flüchtlinge haben, die wir ausbilden und integrieren wollen. Helft uns dabei, dass sie schneller anerkannt werden, damit sie hierbleiben können. Denn was nützt es, wenn ich jemanden in meinen Betrieb hineinhole, der dann aber immer Angst haben muss, abgeschoben zu werden? Ich investiere in ihn, bilde ihn aus, und am Ende der Ausbildungszeit oder eventuell schon früher wird ihm
Frau Kollegin von Kalben, bei dem zweiten Punkt sind wir uns relativ schnell einig, dass das keinen Sinn macht, und dass da auch Handlungsbedarf besteht.
Beim ersten Punkt bin ich mir nicht ganz so sicher, weil die Schätzungen und die Äußerungen der Wirtschaftsverbände natürlich noch auf der Grundlage des alten Datenmaterials abgegeben wurden. Die Landesregierung hat uns bis vor zwei Tagen ja auch - das werfe ich ihr gar nicht vor - eine Schätzung bei der Zuwanderung von Flüchtlingen gegeben, die noch bei 10.000 lag. Das hat sich jetzt in den letzten Tagen oder Wochen dramatisch geändert. Diese Zahlen sind natürlich noch nicht in die Argumentation der Wirtschaftsverbände eingeflossen. Ich finde, wir sollten uns in der Fachausschussberatung über die Fragen der Notwendigkeit der Höhe der Zuwanderung dann auch noch einmal die aktualisierten Zahlen anschauen.
Da gebe ich ihnen recht. Wenn Sie jetzt zum Beispiel den großen Zuzug, den wir aktuell aus dem Kosovo haben, ein Drittel der dortigen Bevölkerung, einrechnen, muss man natürlich überlegen, wie vielen von ihnen man hier ein sinnvolles Angebot machen kann. Dann - da gebe ich Ihnen recht könnten sich die Prognosen etwas geändert haben. Das bedeutet aber doch erst recht, dass wir denjenigen, die jetzt hier herkommen, die zum Teil Deutsch sprechen und ausgebildet sind, auch eine Perspektive geben müssen, hier bleiben zu können. Wenn Sie die einbeziehen, dann machen bestimmte politische Ideen, die die CDU zurzeit noch hat, erst recht keinen Sinn. Wenn wir uns da einig sind und
Frau Damerow, ich wollte noch gern etwas dazu sagen, dass Sie hier gesagt haben, Sie fühlten sich missverstanden. Ich muss Ihnen sagen: Bei den ersten beiden Punkten gebe ich Ihnen recht. Da haben wir vielleicht ein Missverständnis gehabt.
Zu einem dritten Punkt und der Frage, wie stark Sie sich für ein Einwanderungsgesetz engagieren oder nicht. Sie sagen ehrlich: Lassen Sie uns im Ausschuss darüber reden, vielleicht können Sie uns überzeugen. Okay. Man muss es trotzdem zur Kenntnis nehmen: Es ist ein politischer Unterschied, zu sagen: Ja, wir wollen das, ja, wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, weil wir uns aktiv dafür einsetzen wollen, dass sich massiv etwas ändert, oder zu sagen: Okay, wenn ihr der Meinung seid, kommen wir vielleicht dazu. Ich finde, das ist zumindest in der Tendenz politisch ein Unterschied, und den muss man einmal klar benennen dürfen. Danke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich noch einmal zu dem zu Wort gemeldet, was Herr Lehnert gesagt hat. Die Zuwanderungszahlen besagten relativ wenig, wenn man so viele Menschen mit einem ungeklärten Aufenthaltsstatus hat. Ich habe mich eben an Herrn Wansleben gewandt und ihn in dem konkreten Bundesratsverfahren um Unterstützung gebeten, bei dem wir momentan an der Union scheitern, das so hinzukriegen, dass Jugendliche eben nicht zurückgehen müssen. Das könnten Sie unterstützen, statt hier einerseits und andererseits zu sagen. Sie könnten hier klar unterstützen und sagen: Wir unterstützen das, wir fördern das, wir reden mit unseren Unionskollegen in Berlin, und dann klappt das. Herr Lehnert, das wäre gut gewesen. Wenn die Debatte dazu führen könnte, dann wäre das prima. Was die demografische Entwicklung angeht, so sage ich Ihnen: Wir werden gar keine Wahl haben.
Die Frage ist: Gestalten wir das, oder wird das mit uns gestaltet? - Darüber haben wir hier miteinander zu reden.
Liebe Frau Kollegin Damerow, Sie haben gesagt, ich wolle Sie in eine Ecke stellen. Ganz im Gegenteil. Ich wollte Ihnen helfen, da rauszukommen. Ich ahne, dass Sie viel näher bei uns sein möchten, als Sie dürfen. Das ist mein Gefühl. Daher wollte ich Ihnen sagen: Sagen Sie hier doch, Sie sind auf der Seite von Tauber und nicht auf der Seite von Bosbach und der CDU. Sagen Sie hier doch, Sie wollen mehr integrieren und nicht mehr abschieben. Sagen Sie doch, Sie sind nicht generell gegen die doppelte Staatsbürgerschaft oder das Wahlrecht, sondern wir können darüber reden. Ob Herr Günther das zulässt, weiß ich nicht, aber ich würde es klasse finden, wenn dies das Ergebnis der Debatte wäre. Dann sind Sie raus aus allen Ecken und voll in der Mitte dieses Hauses. Das wäre wunderbar. - Vielen herzlichen Dank.