Protocol of the Session on February 19, 2015

Ein ganz entscheidendes Problem - der Kollege Dr. Breyer hat es angesprochen - wird auch durch diese Technik nicht gelöst, nämlich dass Fahrer osteuropäischer Lkw bisher vielfach keine Verfolgung ihrer Ordnungswidrigkeiten fürchten müssen. Die Verfolgung ist sehr aufwendig, das ist auch ein technisches Problem, offenbar arbeitet Dataport gerade daran. Dieses Problem muss erst einmal gelöst werden, sonst bringt die Datensammelei nichts.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Ich sagte es bereits: An der Rader Hochbrücke muss das Problem angepackt werden, dass die viel zu schnellen Lkw ausgebremst werden. Wir halten diese Technik jedoch für den falschen Weg. Herr Dr. Tietze, Sie haben hier ausnahmsweise einmal einen sehr differenzierten Beitrag gehalten. Wenn die Grünen als Datenschutz- und Bürgerrechtspartei ernst genommen werden wollen, müssen Sie sehr genau überlegen, ob Sie da zustimmen oder nicht.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Ich glaube, Sie müssen sich am Ende dafür entscheiden, sich mit uns gemeinsam querzustellen.

(Christopher Vogt)

Ich bin den PIRATEN dankbar für die Initiative zu diesem Antrag, dem wir als FDP gern beigetreten sind. Ich appelliere an die Landesregierung, ihre Pläne zu überdenken und die Datensammelei nicht durchzuführen. Es muss eine schnelle Lösung an dieser Brücke geben, es muss jetzt etwas passieren.

(Beifall PIRATEN)

Deswegen: auf Section Control verzichten und konventionelle Maßnahmen durchführen. Polizei an der Brücke oder stationäre Blitzer am Anfang und am Ende würden am meisten helfen, aber nicht diese komische Datensammeltechnik. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Geschwindigkeitsüberwachung mittels Überwachung eines Abschnitts und nicht eines bestimmten Punkts wird in verschiedenen europäischen Ländern angewandt. Meist geschieht dies unter Nutzung von Hinweisschildern, die auf die streckenbezogene Überwachung hinweisen, und natürlich unter Löschung der Daten der Fahrzeuge, die die Geschwindigkeit nicht überschritten haben. Die Nutzung dieser Technik führte in den meisten Ländern an den betroffenen Strecken zu einer starken Verminderung von Unfällen und Verkehrsdelikten.

Vor diesem Hintergrund scheint die Anwendung dieser Technik erst einmal vorteilhaft zu sein. Der Autofahrer bremst nicht bei einer Blitzanlage scharf ab, um dann erst recht Gas zu geben, sondern er wird angehalten, über eine längere Strecke vorschriftsmäßig zu fahren. Das soll der positive erzieherische Effekt sein.

Nützlich wäre eine solche Technik auch auf Strecken, wie bei der Rader Hochbrücke, wo verschiedene Fahrzeugtypen verschiedene Geschwindigkeitsbegrenzungen haben. Das System der Abschnittskontrolle kann die einzelnen Fahrzeugarten unterscheiden, und somit werden nur die Fahrzeuge am Ende geblitzt, die die Geschwindigkeitsbegrenzung für ihren Fahrzeugtyp überschritten haben. Das ist ein bemerkenswerter Vorteil gegenüber anderen Messanlagen, die nur punktuell blitzen und zwischen Fahrzeugtypen nicht unterscheiden können.

Hier müsste man sonst die Geschwindigkeit für alle Fahrzeuge herabsetzen, um - in unserem Fall - auch die zu schnellen Lkw zu erwischen. Eine generelle Herabsetzung der Geschwindigkeit für alle, also auch für Pkw, wäre aber rechtlich fragwürdig.

Herr Abgeordneter Harms, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten König?

Selbstverständlich.

Lieber Kollege Harms, ich möchte Sie gern darauf hinweisen, dass bei Section Control jedes Fahrzeug geblitzt wird, nicht nur die, die zu schnell gefahren sind. Es blitzt zwar nicht beim Erfassen der Daten, aber die Daten werden erfasst. Was Sie meinen, ist, dass die Rechnung zugestellt wird, aber geblitzt wird jeder, einmal vorn, einmal hinten, und dann wird geguckt, was man davon nutzen kann. Das ist das, was wir kritisieren: Jeder wird geblitzt.

- Lieber Kollege König, es ist nicht ganz richtig, was Sie sagen. Deswegen habe ich bewusst von Blitzen gesprochen. Das ist das umgangssprachliche Wort. Am Anfang wird ein Kennzeichen ermittelt. Nach dem Abschnitt wird festgestellt, wie die Durchschnittgeschwindigkeit war. War die Durchschnittsgeschwindigkeit zu hoch, dann wird von vorn geblitzt. Ich nenne es jetzt einmal Blitzen. Nageln Sie mich bitte nicht fest, ob da ein rotes Lämpchen leuchtet. Kennzeichen und Fahrer werden aufgenommen. Da wird ein Foto gemacht. Danach werden die Daten zwischen den anderen beiden Stellen, die die Streckenkontrolle vorgenommen haben, automatisch gelöscht, und nur noch der Geblitzte bleibt übrig. Das kann man bei unterschiedlichen Fahrzeugtypen unterschiedlich handhaben.

Das ist das, was ich noch einmal sagen wollte: Eine generelle Herabsetzung der Geschwindigkeit für alle, also auch für Pkw, wäre rechtlich fragwürdig. Denn eine Geschwindigkeitsbegrenzung darf nicht willkürlich erlassen werden. Zulässig sind Geschwindigkeitsbeschränkungen zum Beispiel bei Unfallschwerpunkten - das ist auf der Hochbrücke nicht der Fall -, bei Witterungseinflüssen - da haben wir solche Anlagen -, für Lärmschutz oder Tierschutz - eher selten auf der Brücke - oder wenn Fahrzeuge ein zu hohes Gewicht haben - da haben wir eine solche Begrenzung. Das sind alles sehr spezifische Gründe, die im Falle der Rader Hoch

(Christopher Vogt)

brücke für Pkw regelmäßig nicht angewandt werden können. Deshalb ist die Nutzung von normalen Blitzanlagen zumindest schwierig.

Allerdings gibt es natürlich erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken. Es können auf diesen Strecken Bewegungsprofile erstellt werden. Wenn nicht nur ein Abschnitt, sondern zukünftig eine ganze Region mit dieser Technik überwacht würde, hätte man ein riesiges Problem. Außerdem könnte man später auf die Idee kommen, ein solches System für Fahndungsmaßnahmen der Polizei zu nutzen und so durch die Hintertür wieder eine Art Vorratsdatenspeicherung vorzunehmen. All das wollen wir natürlich nicht.

(Beifall PIRATEN und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn wir also über die Abschnittskontrolle reden, dann reden wir über ein System, das nach unserer Auffassung auf jeden Fall folgende Kriterien erfüllen muss: Die Daten dürfen nur für die Geschwindigkeitsermittlung verwendet werden, und sie dürfen nicht mit anderen Systemen verknüpft sein. Die Messanlagen dürfen nur an spezifisch definierten Streckenabschnitten stehen und nicht flächendeckend in einer Region installiert werden. Natürlich müssen die Daten, die nicht benötigt werden, unverzüglich automatisch und spurlos gelöscht werden. Hinweisschilder müssen auf die Kontrolle hinweisen, damit sich der Fahrer danach verhalten kann. Das ist die allgemeine Grundlage, auf der wir diskutieren. Unterhalb dieser Standards lässt sich nach unserer Auffassung ein solches System ohnehin nicht installieren.

Der Verkehrsgerichtstag hat die Abschnittskontrolle 2009 mit Mehrheit empfohlen. Deshalb wird jetzt im Frühjahr ein Pilotprojekt in Niedersachsen durchgeführt. Nun könnte man sagen, dass man dieses abwarten sollte, bis wir Sicherheit haben. Allerdings wird die Auswertung eines solchen Pilotprojekts sicherlich noch drei bis vier Jahre in Anspruch nehmen, und so lange können wir bei der Rader Hochbrücke möglicherweise nicht warten. Wir brauchen eine frühere Entscheidung. Entweder können die Anlagen zur Abschnittskontrolle die von mir eben genannten Bedingungen erfüllen, dann ließe sich über eine Einführung diskutieren, oder sie erfüllen sie nicht, dann ist eine Einführung indiskutabel.

Ganz alternativlos ist die Abschnittskontrolle nicht. Es wäre auch denkbar, dass zivile Polizeistreifen auf diesem Teil der Autobahn mobile Geschwindigkeitskontrollen vornehmen, entweder direkt vor Ort

mit der klassischen Blitzanlage oder mit Fahrzeugen, die hinterherfahren. Allerdings wissen wir, dass diese Geschwindigkeitskontrollen sehr personalintensiv sind und richtig Geld kosten. Ob das machbar wäre, muss man sehen. Zumindest hätte man dann die Chance, erstens nur die Lkw herauszufiltern und zweitens bei denjenigen Fahrzeugführern, die aus Staaten kommen, in denen unsere Bußgeldbescheide nicht wirken, direkt abzukassieren. Der Lerneffekt würde sich also bei allen unmittelbar einstellen. Möglicherweise ist dies kurzfristig die beste Alternative, und den Rest sollten wir im Ausschuss beraten.

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und PIRATEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Detlef Matthiessen.

(Zurufe)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Datenfülle löst immer die Tendenz aus, die Daten zu gebrauchen. Ich will jetzt nicht von Missbrauch reden. Umgekehrt sagt der Landesdatenschutzbeauftragte: Datenarmut befreit einen und ist der beste Datenschutz.

Wir diskutieren hier über das Problem, wie wir eine Brücke, deren Haltbarkeit von Ingenieuren auf 12 Jahre prognostiziert wird, so schützen, dass wir sie tatsächlich noch 12 Jahre zur Verfügung haben und sie uns nicht durch missbräuchliche Nutzung vorher zerdroschen wird. Wenn wir das primär unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten diskutieren, finde ich, geht es uns ganz schön gut.

Herr Dr. Breyer, Sie haben vom Treffen der beratenden Ingenieure gestern Abend beim Parlamentarischen Abend berichtet. Meiner Meinung nach haben Sie die Antworten etwas leichtfertig interpretiert. Herr Dr. Tietze und ich haben die Gelegenheit genutzt, den geballten Ingenieursachverstand zu den Zusammenhängen der statischen Belastungen zu befragen. Natürlich geht zur Hauptsache das Achsgewicht ein. Ein Lkw belastet die Straße so viel wie 40.000 Pkw.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Deswegen bräuchten wir Gigaliner!)

(Lars Harms)

Dazu kommt, dass einer, der schneller fährt, mit demselben Achsgewicht mehr Schäden verursacht als einer, der steht. Da haben die Ingenieure von einem sogenannten Schwingungsbeiwert geredet, der zwischen 1 und 1,3 liegt. Das heißt, die Geschwindigkeit kann die Straßenschäden um ein Drittel erhöhen und ist deswegen nicht ohne Belang.

Den Hauptaspekt, der herausgearbeitet worden ist, hat Herr Dr. Tietze eben angedeutet. Wenn ich eine Geschwindigkeitsbegrenzung vor der Brücke mache, habe ich die Situation: Dichter Verkehr staut sich auf, hinter der Brücke zerrt er sich wieder auseinander. Das heißt, ich habe unter Umständen eine größere Lkw-Dichte auf der Brücke. Das ist - haben die Ingenieure gesagt - das wahre Schlimme.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Also weg mit der Geschwindigkeitsbegrenzung!)

Wir müssen uns also auch Gedanken machen - Herr Minister, Sie haben durch Beschilderung dafür Sorge getragen -, dass ein bestimmter Abstand zwischen den Lkw zu halten ist. Die Frage ist - es ist ein gerechtfertigter Anspruch, so etwas zu kontrollieren und durchzusetzen -: Schaffen wir es, dass die Abstände eingehalten werden?

Das war es, was ich von gestern Abend mitgenommen habe, Patrick Breyer, und das wollte ich hier kundtun. Ich freue mich auf die Ausschussberatungen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Uli König.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gern noch auf einen Punkt in dieser Debatte hinweisen. Sie haben die ganze Zeit gesagt, dass Section Control sehr erfolgreich sei, um Unfallzahlen zu verringern. Meines Wissens nach geht es hier nicht um Unfallzahlen. Die Rader Hochbrücke ist nicht als der Unfallschwerpunkt Schleswig-Holsteins bekannt. Es geht darum, dass wir unsere Brücke so lange retten, bis wir eine neue haben, und diese Brücke nicht zu früh kaputtgeht. Das ist das Thema. Dafür brauchen wir kein Section Control.

(Beifall PIRATEN)

Dafür brauchen wir ganz normale, einfache Blitzer, wie man sie überall kennt. Wir brauchen auch keine verdeckten Blitzer, sondern Blitzer, die groß sind, die man weit sehen kann, sodass sich alle an dieses Tempolimit halten, und davon auch gern mehr als einen.

Kommt man in die schöne Stadt Lübeck, erkennt man, dass sie an einigen Ecken sehr gut demonstriert, wie das funktioniert. Da wird gefühlt alle 30 m ein Blitzer aufgestellt. Ich weiß, es ist in Wirklichkeit ein bisschen weiter. Da macht es überhaupt keinen Sinn, zwischen den Blitzern zu beschleunigen, weil man sofort von dem nächsten erwischt wird.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß nicht, welchen Sportwagen man fahren könnte, sodass man zwischen den Blitzern noch beschleunigen könnte. Mein Auto schafft das nicht.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Meines schon! - Heiterkeit)

- Wir fahren nicht alle Alfa Romeo wie der Kollege Garg.