Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, wie schafft man es eigentlich, einen Prozess zu verlieren, indem man gleichzeitig zu wenig und zu viel Bürgerbeteiligung macht? So etwas ist schwer hinzubekommen, wenn man es vorsätzlich und mit voller Absicht anpeilt. Das unfreiwillig zu erreichen, das muss Ihnen erst einmal jemand nachmachen.
Ein Fazit kann man auf jeden Fall ziehen: Wie Bürgerbeteiligung funktioniert, wie sie ausgestaltet sein muss, damit sie vor Gericht Bestand hat, das wissen Sie offenbar nicht.
Wir haben allgemein in Schleswig-Holstein das Problem, dass in Verfahren zur Genehmigung von Windkraftanlagen die Rechte der betroffenen Bürger möglichst kurz gehalten werden. Es wird nach Möglichkeit vermieden, eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Sie haben unsere Änderungsanträge zum Landesplanungsgesetz abgelehnt, die bei großen
Vorhaben mehr Bürgerbeteiligung vorgesehen haben. Nach Ihren Vorschlägen zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes sehen Sie sogar weniger Bürgerbeteiligung vor.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Günther, in der heutigen Debatte möchte ich auf Folgendes hinweisen: Nicht das Urteil ist das Problem, sondern das Gesetz. Nicht das Urteil sollte uns schockieren oder Anlass zur Besorgnis geben, sondern das Gesetz, auf dessen Grundlage so entschieden werden musste. Für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, die sich engagiert haben und Bürgerbegehren auf den Weg gebracht haben, muss das Urteil wie eine krasse Ohrfeige wirken. Das ist richtig.
Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist offensichtlich nicht bewusst gewesen, dass die Feststellung: „Hier wollen wir lieber keine Windmühlen“, als Ausschlusskriterium rechtlich nicht trägt. Herr Ministerpräsident, das hätten Sie aber wissen müssen. Bei der Planerstellung kann man nicht frei entscheiden, welche Gebiete geeignet sind und welche nicht. Das Planungsrecht schreibt eine Abwägung vor. Auf dieser gesetzlichen Grundlage ist eine freie Entscheidung eben nicht möglich.
Eine dritte Anhörung haben Sie einfach sausen lassen. Das ist uns PIRATEN vor allem deshalb gut in Erinnerung, weil wir im Zuge einer Fragestunde zum geplanten PROKON-Testwindfeld im Naturpark Aukrug extra gebeten hatten, den Kabinettsbeschluss zu den Regionalplänen noch einige Wochen aufzuschieben. Aber Sie haben die Bitte damals buchstäblich in den Wind geschlagen. Sie haben als neue Landesregierung die Ärmel hochgekrempelt, um die Energiewende schnell und entschlossen voranzubringen. Dabei haben Sie aber an der entscheidenden Stelle auf die Bürgerbeteiligung verzichtet. Dafür hat das OVG Ihnen jetzt die Quittung ausgestellt.
Hinsichtlich des Ziels, den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch auf mindestens 300 % zu steigern, sind wir der gleichen Meinung wie Sie. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, muss man aber gründlich vorgehen. Das erfordert auch eine Überprüfung der rechtlichen Umsetzbarkeit zu Beginn des Prozesses.
Hektik ist nie ein guter Ratgeber. Der Schaden ist jetzt größer, als wenn man besonnen und mit etwas mehr Gelassenheit gehandelt hätte.
An die Staatskanzlei gerichtet sage ich: Sagen Sie nicht, Sie hätten keine Hinweise bekommen. Nicht nur wir hatten in Bezug auf Aukrug gebeten, den Fuß etwas vom Gas zu nehmen.
Auch die Kvertreter haben während des Verfahrens immer wieder auf die Probleme und Mängel hingewiesen. Sie haben zwar die schriftlichen Einwendungen im vorgeschriebenen Verfahren beantwortet, aber den schon damals vorgetragenen Wunsch nach einem Runden Tisch, um ins Gespräch zu kommen, abgelehnt. Darauf haben Sie sich nicht einlassen wollen.
Fehler analysiert man, um für die Zukunft daraus zu lernen. Ich will deswegen den Blick nach vorne richten. Was ist jetzt zu tun? Solange das OVG-Urteil nicht schriftlich vorliegt, sind die Auswirkungen des Urteils noch nicht voll absehbar. Wir haben aber konkrete Vorstellungen davon, wie es gesellschaftlich weitergehen soll. Für uns PIRATEN ist klar, dass am eingeschlagenen Weg der Bürgerbeteiligung kein Weg vorbeiführt. Die Menschen in unserem Land haben ein Anrecht darauf, ihr persönliches Lebensumfeld mitzugestalten. Das bedeutet eben auch, dass eine Gemeinde einen Windpark ablehnen können muss, wenn sich an anderer Stelle ein Ort findet, an dem der Park auch errichtet werden könnte.
(Beifall PIRATEN - Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kom- men da andere Bürger! - Zuruf Lars Harms [SSW])
- Herr Kollege Harms, wir haben vorhin schon gehört - das hat auch der Ministerpräsident ganz richtig gesagt -: Wenn wir das Ziel haben, 1,5 % oder 1,7 % der Fläche auszuweisen und wir diese Fläche an einem Ort haben, an dem die Bürger mit einer Errichtung von Windenergieanlagen einverstanden sind, dann gibt es gar keinen Grund, den Bau dieser Windanlagen an Stellen durchzusetzen, wo sie nicht erwünscht sind, wo die Bürger dagegen sind und dagegen protestieren.
(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Mensch Meier, Herr Meyer! Was ist das für ein Unsinn! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das hat das Ge- richt doch gerade verworfen!)
Wenn Sie, liebe Landesregierung, es ernst meinen mit der Bürgerbeteiligung, dann müssen Sie jetzt tätig werden. Wir erwarten von Ihnen einen Gesetzentwurf, der dem Bürgerwillen zur Geltung verhilft. Das wird sicherlich nicht ganz einfach. Das sollte
aber gelingen; denn nicht nur die Fraktionen, sondern auch die Vertreter der Erneuerbare-EnergienUnternehmen haben gestern Abend ganz deutlich gemacht: In Bezug auf die Bürgerbeteiligung besteht ein ganz breiter Konsens in unserem Land. Deswegen ist es, Herr Ministerpräsident, nach meiner Einschätzung nicht nur möglich, gesetzlich Ausschlussgebiete zu definieren, sondern durchaus auch möglich, im Gesetz zu verankern, dass der Wille der Kommunen vor Ort und der Wille der Bürger, der in Bürgerentscheiden zum Ausdruck gebracht wird, zu beachten ist.
Es ist doch von öffentlichem Belang, dass die Akzeptanz der Energiewende gesichert wird. Das ist doch ein sachlicher Grund dafür, bestimmte Gebiete auszunehmen. Es ist von öffentlichem Belang, dass die Bezahlbarkeit der Energiewende gesichert wird. Wir können von Projektbetreibern und Investoren erwarten, dass sie, wenn sie Windkraftanlagen an einem bestimmten Standort bauen wollen, dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger mitgehen und das unterstützen. Es gibt viele Instrumente dazu. Das Stichwort Bürgerwindparks ist schon genannt worden. Es gibt Möglichkeiten der finanziellen Beteiligung. Es gibt genügend Instrumente, um Standorte zu finden und im Einklang mit den Bürgerinnen und Bürgern die Energiewende voranzutreiben. Deswegen müssen aber nicht überall Windparks entstehen können. Ein Runder Tisch kann dabei helfen, diesen breiten gesellschaftlichen Konsens herzustellen. Deswegen unterstützen wir den diesbezüglichen Antrag. Der Ministerpräsident hat die erste Einladung bereits ausgesprochen.
Wichtig ist, dass es in unserem Land keinen Wildwuchs gibt. In diesem Zusammenhang möchte ich noch eine Frage stellen. Herr Ministerpräsident, wenn Sie meine Zwischenfrage erlaubt hätten, hätte ich Sie genau das gefragt: Warum haben Sie den Vorschlag des Gemeindebundes, in der Zwischenzeit zumindest eine Veränderungssperre zu prüfen und auf den Weg zu bringen -
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dafür ist er doch gar nicht zuständig! - Zuruf Ministerpräsi- dent Torsten Albig)
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Breyer. Ich bitte Sie, dies zu respektieren und ihn aussprechen zu lassen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wir haben also ein Thema, bei dem wir alle am selben Strang ziehen wollen und können. Diese Einigkeit in der Sache bietet zumindest politisch ideale Voraussetzungen, um Bürgerbeteiligung gesetzlich einwandfrei zu verankern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Auch ich bedanke mich bei dem Ministerpräsidenten für den Bericht. Ich bin auch ganz froh darüber, dass diese Debatte zum größten Teil recht sachlich war.
(Beifall SSW, SPD, CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP= Zugegeben, auch wenn der Kollege Breyer meint, dass wir das alles schon hätten wissen müssen, hat mich das Urteil des OVG Schleswig doch sehr überrascht. Für uns als SSW war es schon immer sehr wichtig, dass der Ausbau der Windenergie in geordneten Bahnen verläuft. Ich erinnere an die Zeit, in der es eben keine klaren Reglungen hin- sichtlich der Errichtung von Windkraftanlagen gab. Da hat es in manchen Teilen des Landes wirklich erhebliche Probleme gegeben, und das hat zu sehr viel Unfrieden in den betroffenen Gemeinden ge- führt. Aus diesem Grund haben wir immer begrüßt, dass das Land das planerische Steuerungsinstru- ment nutzt und Eignungsflächen für Windkraftanla- gen ausweist. Neben den rechtlichen und planerischen Vorausset- zungen war für uns wichtig - das möchte ich hier gern hervorheben -, dass die Bürgerinnen und Bür- ger vor Ort darüber entscheiden können, ob in der (Dr. Patrick Breyer)
Gemeinde Eignungsflächen für Windkraftanlagen ausgewiesen werden sollen. Heute wissen wir, dass das OVG dies anders sieht. Gemeindebeschlüsse und Bürgerbeteiligungen gegen Windkraft dürfen nicht als hartes Tabukriterium herangezogen werden.
Für uns als SSW ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an solchen Planungen ein wichtiger Bestandteil für die Energiewende. Die kann letztendlich nur gelingen, wenn die entsprechende Akzeptanz in der Bevölkerung vorherrscht. Wir wissen aus der Vergangenheit: Je höher die Bürgerbeteiligung, desto höher ist auch die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger bei der Errichtung von Windkraftanlagen in den Kommunen. Dieser Aspekt war parteiübergreifend immer Konsens bei der Teilfortschreibung der Regionalpläne. Daher ist es unheimlich bedauerlich, dass das OVG Schleswig diesen Aspekt für unwirksam erklärt hat.
Aber es ist nun einmal so, wie es ist. Nun gilt es, das Urteil zu prüfen und zu bewerten, um daraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Das bedeutet aber nicht, dass der Ausbau der Windenergie bei uns im Land zum Stillsand verdonnert ist. Es bedeutet allerdings auch nicht, dass der Ausbau im rechts- und planungsleeren Raum stattfindet. Es gibt klare Regelungen, die weiter ihre Anwendung finden. Hierzu zählt der Runderlass „Grundsätze zur Planung und zur Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung bei Windkraftanlagen“. Dadurch werden den Gemeinden und Genehmigungsbehörden Entscheidungshilfen für die Bauleitplanung und für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Windkraftanlagen an die Hand gegeben. Darüber hinaus gibt es klare Regelungen zum Immissionsschutz, zum Bau- und Planungsrecht, zum Naturschutz, zum Luftverkehr oder zum Denkmalschutz.
Rechtliche Vorgaben sind also vorhanden. Ob und inwieweit sie im Genehmigungsverfahren neu zu bewerten oder auszulegen sind, sollte noch einmal geprüft werden.
Wer die Medien verfolgt, stellt aber fest, dass das Urteil landauf, landab für viel Unruhe gesorgt hat, bei den Anlagen- sowie den Netzbetreibern, den Gemeinden, den Ämtern und Kreisen und letztendlich bei den Bürgern. Insbesondere dort, wo man sich bewusst gegen die Errichtung von Windkraftanlagen entschieden hat, herrscht Ungewissheit dar
über, was das Urteil in der Konsequenz letztendlich bedeutet. Das ist gut nachvollziehbar. Daher gilt es, die Situation zu analysieren und zu bewerten. Alles auf null zu stellen, die Genehmigungsverfahren auf Eis zu legen und auf neue rechtliche Grundlagen zu warten, kommt aus Sicht des SSW gar nicht infrage. Das würde mindestens zwei Jahre dauern. Diese Zeit haben wir nicht. Für die Windenergiebranche wäre eine solche Entscheidung wirklich fatal. Wir wollen die Windenergie im Land weiter geordnet ausbauen und dies mit den vorhandenen rechtlichen Vorgaben.
Auch ich begrüße den Antrag der FDP und die Initiativen, die der Ministerpräsident in diese Richtung schon ergriffen hat. - Jo tak.
Vielen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung und stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag - Drucksache 18/2652 (neu) - durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.
Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 18/2662. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig von Ihnen so beschlossen. - Ich danke Ihnen.