Protocol of the Session on January 23, 2015

Grundlage der gesamten Betrachtung ist ja der § 35 Baugesetzbuch, der in Absatz 1 sagt, dass im Außenbereich Vorhaben nur zulässig sind, wenn - so sagt er dann in Nummer 5 - es der Nutzung von Vorhaben der Windenergieanlagen dient. Ursprüng

(Olaf Schulze)

lich sollte das Aussiedeln von Bauernhöfen erleichtert werden. Bei der Novellierung des Baugesetzbuches spielten dann hier bekannte politische Namen wie der des ehemaligen Ministerpräsidenten PeterHarry Carstensen und der von Herrn Austermann eine Rolle, die die Novellierung dahin gehend genutzt haben, um das auch für Windenergieanlagen und Wasserenergieanlagen zu öffnen. Zugleich hat der Bundesgesetzgeber dies akzeptiert, jedoch dadurch eingeschränkt, dass die Raumordnung dies in den Ländern ordnend einschränken darf. So heißt es in Absatz 3:

„Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen …“

Unser Runderlass Windenergie schreibt dann vor:

„Auf Grund der Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung in den Raumordnungsplänen ist außerhalb dieser Flächen die Errichtung von raumbedeutsamen Windkraftanlagen ausgeschlossen (lan- desplanerisches Ziel) und innerhalb der Flächen die besondere Eignung des Gebietes festgestellt (landesplanerischer Grundsatz).“

Diese Ausschlusswirkung entfällt natürlich jetzt durch das OVG-Urteil.

Was sind die Folgen? - Zunächst einmal hat sich etwas gravierend geändert. Auch ich finde den Antrag der FDP für einen Runden Tisch gut. Durch den Beitrag des Ministerpräsidenten haben wir ja erfahren, dass er dazu bereits einlädt und sehr offen dafür ist. Der Runde Tisch ist gut.

Es ist aber nicht so, dass wir nun im Nirwana verschwinden, sondern § 35 BauGB gilt natürlich. Eine Anlage, die möglicherweise außerhalb der Flächen liegt, wird auch nicht beim Bauamt beantragt. Das Bundesimmissionsschutzgesetz ist vom OVG nicht für nichtig erklärt worden. Der Runderlass Windenergie, Herr Ministerpräsident, da müssen wir auch einmal nachschauen, war ja als AVV, also als Allgemeine Verwaltungsvorschrift, handlungsleitend zumindest für die Behördenentscheidungen. Er gilt nach wie vor. Die dort getroffenen Abstandsregelungen summieren die verschiedenen Ansprüche, die sich insbesondere aus dem BImSchG ergeben, sodass der Entscheider alle Belange berücksichtigt, wenn er die Abstände, die dort im Runderlass empfohlen worden sind, einhält. Auch das gilt nach wie vor. Das heißt also, die Genehmigungen werden nach wie vor nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz unter Abwägung aller

öffentlichen Belange getroffen. Alle TÖB werden beteiligt.

Die Kommunen haben jetzt, wenn neue Anträge gestellt werden, grundsätzlich die Möglichkeit, Flächennutzungspläne und B-Pläne aufzustellen und damit selber innerhalb der Kommunen Windenergieanlagenbau zu konzentrieren.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu dem Oppositionsführer. Er sagte, es habe einen Aufstand gegen die zweite Auslegung gegeben. Dem galt der Aufstand nicht. Das Gericht sprach sogar von einer dritten Auslegung. Das kann natürlich eine Kaskade bis ins Unendliche werden. Unsere Forderung war damals - ich halte sie nach wie vor aufrecht und für richtig und habe sie wirklich mit verschiedenen Rechtsspezialisten überprüft -, dass wir hätten erklären können, dass die Gebiete, die aus der ersten Auslegung streitfrei hervorgegangen sind, zugelassen werden.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Eben nicht!)

- Ich kann Ihnen sagen, ich habe mich mit dieser Frage sehr profund beschäftigt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Hauptberuflich!)

Nehmen wir an, ich habe 120 Gebiete. 60 davon sind streitfrei, aber 60 nicht. Dann muss ich die 60 auslegen. Die Verwaltung selber hat ja die ersten 60 gar nicht zur Auslegung zugelassen, weil sie nicht streitbefangen waren. Dann habe ich noch 30 übrig. Dann lande ich mit den letzten fünf, die vielleicht noch streitbefangen sind und die ich auch noch einmal auslegen muss, im Jahr sieben. Ich habe aber Gebiete, deren Eignung zweifelsfrei und streitfrei ist. Wenn wir also in Zukunft eine solche Übung noch einmal machen, können wir, denke ich, nur diesen Weg beschreiten. Ob wir es tun, bedarf einer intensiven Prüfung. Darum ist es auch richtig, sehr kurzfristig noch einmal einen Runden Tisch zu veranstalten, um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen.

Summa summarum kann man aber sagen: Es gibt jetzt keinen Grund für Panik. Das war auch der Titel meiner Presseerklärung. Sondern wir haben nach wie vor ein sehr geordnetes Verfahren.

Es gibt auch recht praktische Gründe, weshalb man jetzt keine Angst vor Wildwuchs haben muss. Denn würde jetzt ein Antragsteller einen neuen Antrag außerhalb der Eignungsräume stellen, hätte er sich angesichts der vielen Anträge, die jetzt aus den Eignungsräumen heraus gestellt worden sind, hinten anzustellen. Er wird ja nicht bevorzugt.

(Detlef Matthiessen)

Das Gleiche gilt auch für das Folgende. Das ist vielleicht ein noch entscheidenderes Argument, ein wirtschaftliches Argument. Er muss auch eine Mühle haben. Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass man nicht einfach wie bei einem Autohaus sagen kann: Ich gehe ins Autohaus, kaufe mir einen neuen Peugeot und fahre damit durch die Gegend. Das ist bei Windkraftanlagen ganz entschieden anders. Da gibt es erhebliche Wartezeiten. Die großen Planungsbüros aus Schleswig-Holstein haben natürlich Vorsorge im Hinblick auf die Eignungsräume getroffen. Ich denke nicht, dass andere so schnell an Windenergieanlagen herankommen. Da haben wir noch sehr viel Zeit, mehrere Jahre, bis eine erste Mühle aufgrund des Urteils des OVG hier in Schleswig-Holstein tatsächlich aufgestellt wird.

Wir werden dieses Thema sicherlich weiter beraten. - Ich danke so weit erst einmal für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und Oliver Kumbartzky [FDP])

Für die FDP-Fraktion erteile ich das Wort dem Abgeordneten Oliver Kumbartzky.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, ich danke ganz herzlich für den Bericht und begrüße die sehr sachliche Debatte, die wir zu diesem Tagesordnungspunkt führen.

(Beifall FDP, Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Flemming Meyer [SSW])

Ich werde die 14 Minuten nicht voll ausschöpfen. Ich will auch nicht alles wiederholen. Aber ein paar Punkte sind mir doch sehr wichtig.

Wir haben gesehen, dass dieses Urteil im ersten Moment für sehr viel Aufruhr sorgte. Es gab Zitate wie „heftig“, „unschön“, „Schlag ins Kontor“, „Flurschaden für die ganze Branche“. Aber wir haben zum Beispiel gestern Abend auch gesehen, dass sich die Wogen erst einmal ein wenig geglättet haben, weil man sieht, dass es nicht so schlimm ist, wie man im ersten Moment vielleicht dachte. Was uns auch nicht weiterbringt, meine Damen und Herren, sind Schuldzuweisungen von der einen auf die andere Seite und zurück. Das Kind ist nun einmal in den Brunnen gefallen.

Nun geht es darum, die Ist-Situation zu meistern. Denn alle Beteiligten, ob es die Investoren sind, die Behörden, die Gemeindevertreter oder auch die Anwohner, brauchen nun Gewissheit darüber, was das Urteil im Konkreten für sie bedeutet. Aus diesem Grund, aufgrund der guten Dialogkultur und aufgrund der wirklich guten Zusammenarbeit beim Thema Windenergie, haben wir diesen Runden Tisch vorgeschlagen. Ich freue mich, dass schon eingeladen worden ist, bevor der Beschluss gefasst worden ist. Das ist hervorragend. Ich freue mich auch, dass wir das heute beschließen werden. Ich freue mich über Ihre Zustimmung, sodass dokumentiert wird, dass der Wille des Parlaments ist, dass dieser Runde Tisch einberufen wird.

(Beifall FDP, Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Flemming Meyer [SSW])

Der Lösungsprozess sollte schnellstmöglich eingeleitet und die Arbeit sowie auch die Ergebnisse des Runden Tisches transparent allen Bürgern zugänglich gemacht werden. Das ist mir sehr wichtig. Unter anderem soll sichergestellt werden, dass die in Schleswig-Holstein sehr hohe Akzeptanz für die Windkraft auch weiterhin, um es mit den Worten des Ministerpräsidenten zu sagen, stark bleibt. Die Landesregierung muss zudem sehr schnell verlässliche Planungsgrundlagen für die zuständigen Behörden, Kommunen und Unternehmen schaffen.

Bei aller Erschütterung, die das Urteil auslösen mag, wird die Energiewende in Schleswig-Holstein gelebt, meine Damen und Herren. Gerade bei der Windenergie war und ist Schleswig-Holstein Vorreiter. Der erste Windpark, Herr Schulze hat es erwähnt, ist in Schleswig-Holstein entstanden. Er hätte auch erwähnen können, wo genau: in Süderdithmarschen. - Sehr richtig, wunderbar!

(Beifall FDP, Karsten Jasper [CDU] und Jens-Christian Magnussen [CDU])

Das erinnert mich an den alten Spruch: Wo Dithmarschen ist, da ist vorne.

(Beifall Karsten Jasper [CDU] und Jens- Christian Magnussen [CDU])

- Zwei klatschen, das ist so eine Sache.

(Zurufe SPD)

- Sie stimmen aber trotzdem dem Antrag zu? - Alles klar.

Meine Damen und Herren, die Windenergie genießt große Akzeptanz, insbesondere auch aufgrund der Bürgerbeteiligung, aufgrund der Bürgerenergie. In

(Detlef Matthiessen)

sofern kann das OVG-Urteil auch eine riesige Chance sein, auch Bürgerenergie neu zu denken, neu aufzustellen, noch besser zu machen. So kann das Land gestärkt aus dem Urteil hervorgehen.

Vielleicht wird es an einigen Stellen neue Eignungsflächen oder neue Windenergieanlagen geben, die vorher ausgeschlossen waren, beispielsweise aufgrund charakteristischer Landschaftsräume. Ich kann schon verstehen, dass einige Gemeinden gesagt haben: Warum ist die Nachbargemeinde in einem charakteristischen Landschaftsraum, aber wir nicht? - Wir werden sehen, was daraus folgen wird.

Aber, meine Damen und Herren, neben den Chancen gibt es natürlich auch Risiken. Es wäre fatal, wenn in die Gemeinden, in denen klare Bürgervoten gegen Windenergie gefasst wurden, Investoren von außen kommen und sich mit neuen Anlagen breitmachen. Herr Matthiessen, Sie haben gesagt, natürlich gebe es Lieferengpässe. Aber es könnte auch sein, dass ein Investor, der eigentlich im Süden oder in der Mitte Deutschlands planen wollte, mit seiner Anlage, die er quasi schon gekauft hat, schnell umzieht. Es wäre fatal, wenn das in Gemeinden passiert, die sich vorher klar gegen Windenergie ausgesprochen haben.

Das wäre aber nicht nur fatal für die Akzeptanz, sondern natürlich auch für die Wertschöpfung. Denn das Gute an der Bürgerenergie ist, dass die Wertschöpfung im Land, in den Kommunen bleibt.

(Beifall FDP und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein Aspekt, den ich noch erwähnen will, ist die technische Machbarkeit. Der Netzausbau ist natürlich ein sehr wichtiger Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende. Deswegen muss man schon sehen, wie der Windkraftausbau läuft, wie der Ausbaustand bei den Übertragungs- und Verteilnetzen sowie die Entwicklung der Speicher- und Steuerungstechniken aussieht. Bis jetzt wusste der Netzbetreiber, wo die Windeignungsflächen liegen. Dorthin musste er bauen. Wenn jetzt neue Flächen entstehen, ist das natürlich auch eine sehr große Herausforderung für den Netzausbau.

Wir müssen uns auch im Klaren darüber sein, dass mehr Windenergieanlagen und neue Netzanschlüsse auch höhere Netzentgelte für die Stromverbraucher bedeuten, die sie dann zahlen müssen. Wir sollten uns daher im Ausschuss und natürlich auch am Runden Tisch noch einmal intensiv mit dem Thema Netzentgelte beschäftigen.

Dazu liegt ein Antrag der FDP-Fraktion vor. Wir fordern bundeseinheitliche Netzentgelte. Es ist so, dass in dünn besiedelten Räumen höhere Netzentgelte gezahlt werden als in Ballungszentren. Ich denke, man sollte die Netzentgelte so fair und gleichmäßig verteilen, wie das bei der EEG-Umlage gemacht wird.

(Beifall FDP)

Mein Fazit der heutigen Debatte lautet: Gegenseitige Vorwürfe bringen uns nicht weiter. Wichtig ist der Netzausbau. Es bleibt unerlässlich, verlässliche Planungsgrundlagen zu erstellen. Ebenso ist der Runde Tisch unerlässlich. Die FDP-Fraktion ist selbstverständlich bereit, sich im weiteren Dialog konstruktiv einzubringen. Schleswig-Holstein ist das wissen wir - die Wiege der Windenergie. Gemeinsam werden wir das in den Brunnen gefallene Kind schon schaukeln und wieder aufpäppeln.

In dem Urteil steckt auch eine sehr große Chance. Die sollten wir nutzen. Wir sollten dabei keine Zeit verlieren. Deswegen schenke ich der Windenergie die achteinhalb Minuten Redezeit, die ich noch gehabt hätte. - Vielen Dank.

(Beifall FDP)