Protocol of the Session on September 27, 2012

Zurück zum Gesetzentwurf. Es ist vieles gesagt worden, was in den Anhörungen in den Ausschüssen noch beraten werden soll.

(Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki, vielleicht hören Sie zu. Dann kann ich auch zu dem Gesetzentwurf etwas sagen. Ich glaube nämlich, dass man da gemeinsam hingucken muss. Es gibt in der Tat viele höchstrichterliche Entscheidungen, die beachtet und umgesetzt werden müssen. Ich möchte gern, dass das, was am Ende herauskommt - darum geht es -, rechtssicher ist. Daran haben wir alle ein Interesse. Aber wir dürfen auch nicht so tun, als hätten wir so große Angst, dass wir gar nichts machen. Das ist kein guter Leitfaden für Politik.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich glaube auch, es gibt noch handwerkliche Einzelheiten, die begradigt werden können. Da wollen wir uns auch mit der Administration beraten, dies zu tun. Aber das sind Einzelheiten.

Über einen Punkt mache ich mir allerdings in der Tat Gedanken, nämlich wie wir die Kontrolle dessen, was im Gesetzentwurf steht, eigentlich gestalten, speziell: Wie wollen wir mit § 15 des Entwurfs umgehen? Die Landesregierung ist natürlich bemüht, die Bürokratien eher ab- als aufzubauen. Finanzen und Personal für eine zentrale Kontrollstelle fehlen dann schmerzlich an anderer Stelle. Ich glaube, hier ist Kreativität gefragt, wie wir das im Einzelnen gestalten. Insofern stehe ich zu meinen Worten, Herr Callsen. Ich möchte auch an dieser Stelle

in der Umsetzung so wenig Bürokratie wie möglich.

Ich bin davon überzeugt, dass wir gemeinsam ein bürokratisches Prüfungsverfahren vermeiden können, indem wir Mindestlöhne und Tariftreuevorschriften kontrollieren. Ich möchte das ganz bewusst im Zusammenhang mit einem noch zu schaffenden Vergabe- und Korruptionsregister sehen, und das möglichst im gesamten norddeutschen Raum. Die ersten Gespräche mit Hamburg haben stattgefunden. Es gibt eine große Bereitschaft, gemeinsam etwas zu machen. Das könnte dazu führen, dass wir wirklich ein schlankes Verfahren bekommen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, kurz gefasst lässt sich sagen: Der Gesetzentwurf ist der Versuch, den Anspruch der sozialen Marktwirtschaft, Wohlstand für alle, wieder auf die Tagesordnung der Wirtschaftspolitik zu setzen. Das ist gut so. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt PIRATEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf in der Drucksache 18/187 dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Besucherinnen und Besucher der Hannah-Arendt-Berufsschule in Flensburg, Schülerinnen und Schüler des Berufsbildungszentrums aus Bad Segeberg und die AG 60plus aus Bad Segeberg. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Noch eine kleine Ergänzung: Bei der AG 60plus ist eine frühere Kollegin von uns dabei, habe ich gerade gehört, nämlich Frau Olef, ehemalige Abgeordnete hier im Landtag. - Seien Sie uns herzlich in Ihrer alten Wirkungsstätte willkommen!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 28 und 42 auf:

(Minister Reinhard Meyer)

Gemeinsame Beratung

a) Digitale Gesellschaft ermöglichen - Haftungsrisiken begrenzen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/173

b) Bundesratsinitiative zur Stärkung der Freiheit und der Privatsphäre im Internet

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/195

Zum Antrag zu Teil a) erteile ich dem Antragsteller, der FDP-Fraktion, Herrn Christopher Vogt, das Wort. - Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs sind mittlerweile unter Umständen alle haftbar zu machen, aus deren Netzwerken heraus illegale Aktivitäten ausgeübt werden. Dieses Urteil hat in unserem Land für erhebliche Unruhe und für Verwirrung gerade unter den Gewerbetreibenden gesorgt. Viele Gaststätten, Bäckereien und Cafés haben wegen des möglichen Haftungsrisikos ihre Funknetze für Kunden und Dritte geschlossen. Auch in Schleswig-Holstein gibt es zahlreiche Beispiele.

Die WLAN-Betreiber können nach gegenwärtiger Rechtslage - anders als etwa die kommerziellen Anbieter von DSL-Verbindungen - für alles haftbar gemacht werden, was über ihre Netze geschieht, auch wenn diese von der Tat selbst überhaupt keine Kenntnis hatten.

Vorher getätigte Investitionen in den Komfort und die Attraktivität der Geschäfte liegen jetzt leider brach. Die Kunden können sie nicht mehr nutzen. Damit ist in der Tat niemandem gedient. Anstatt die Funknetze wie bisher ihren Kunden unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, werden die Netzwerke deshalb nicht selten geschlossen und können von den Kunden und auch Dritten nicht mehr genutzt werden.

Die gegenwärtige Rechtslage durch das Gerichtsurteil passt für die FDP-Landtagsfraktion mit der Vorstellung von einer digitalen Gesellschaft nicht zusammen.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, eine digitale Gesellschaft ist aus unserer Sicht nicht möglich, wenn der Bäcker, der es seinen Kunden ermöglicht, das Internet während des Aufenthalts in seinem Geschäft unentgeltlich zu nutzen, für eventuelle Rechtsverletzungen Dritter haftbar gemacht werden kann. Für Hotspots haften kommerzielle Anbieter - 1 & 1, Telekom, Vodafone; wie sie alle heißen - wiederum, die sich möglicherweise nur wenige Meter von den jeweiligen Geschäften entfernt befinden, in solchen Fällen nicht. Das ist aus unserer Sicht absolut unausgewogen.

(Beifall FDP, PIRATEN und vereinzelt SPD)

Ich finde, wir können hier nicht geschlossen für einen schnelleren Ausbau des Breitbandnetzes einstehen und anschließend zulassen, dass eine solche Rechtslage die Entwicklung in unserem Land nachhaltig ausbremst.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Doch nicht nur für die Gewerbetreibenden ist die derzeitige Rechtslage eine Belastung, sondern auch für die privaten Nutzer.

(Beifall Abgeordneter Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Das wird oftmals vergessen. Wenn diese ihren WLAN-Zugang für Dritte öffnen, laufen sie Gefahr, für den möglichen Unfug anderer haften zu müssen. Diese Form der Haftung lässt sich aus unserer Sicht nur schwer begründen. Wir fordern die Landesregierung deshalb auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass Bürger und Gewerbetreibende, die einen unentgeltlichen Zugang über ein lokales Funknetz ermöglichen, bei Urheberrechtsverletzungen zukünftig haftungsrechtlich mit kommerziellen Anbietern gleichgestellt werden. Darum geht es uns.

(Beifall FDP, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Es ist ja bekannt, dass die Länder Hamburg und Berlin im Bundesrat eine gemeinsame Initiative zu diesem Thema eingebracht haben. Diese Initiative hat jedoch nach unserer Auffassung große inhaltliche Schwächen, durch die sie in der Praxis weder umsetzbar wäre noch die geforderte Gleichstellung mit kommerziellen Diensteanbietern erreichen würde. Im Text zur Bundesratsinitiative heißt es: Die Umsetzung

„… soll unter Wahrung der Rechte und Rechtsverfolgungsmöglichkeiten der Inhaber

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

von Urheberrechten und der Funktionsfähigkeit der Strafverfolgung geschehen.“

Meine Damen und Herren, gemeint ist - das zeigt der Antrag aus dem Berliner Abgeordnetenhaus, der Grundlage für diese Bundesratsinitiative ist -, dass die Netzwerkinhaber praktisch ihren Kunden hinterherschnüffeln sollen. Das ist das, was dort eigentlich gemeint ist und dort verklausuliert aufgeschrieben wurde.

Wenn die kommerziellen Anbieter - übrigens völlig zu Recht - den Kunden beim Surfen nicht hinterherschnüffeln sollen, warum soll das dann der Bäckereibetreiber, der Gastronom machen? Das ist doch völlig irre.

(Beifall FDP, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Die geforderte persönliche Identifizierung haben auch die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus erkannt und heftig kritisiert. Die Kritik, die von vielen Experten kam, ist absolut nachvollziehbar. Niemand würde bei solchen vorgeschriebenen Hürden und verbleibenden Risiken sein Netzwerk wieder für Kunden und Dritte öffnen. Deshalb ist es wenig zielführend, was dort vorgelegt wurde.

Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend noch kurz zu dem Antrag der PIRATEN kommen, den Sie hier vorgelegt haben. Das ist ein sehr umfangreicher Antrag. Ich finde, der Antrag greift einige sehr interessante Punkte auf. Jedoch sind nach meiner Recherche die Punkte 2 und 3 Ihres Antrages bereits Bestandteil des kürzlich novellierten Telekommunikationsgesetzes. Vielleicht können Sie gleich dazu etwas sagen. Ich hoffe, dass Sie sich, wenn Sie schon einen eigenen Antrag vorlegen, hier auch zu Wort melden. Um sicherzustellen, inwieweit die von Ihnen genannten Sachverhalte bereits Eingang im Gesetz gefunden haben, schlage ich eine Beratung des Antrags im Wirtschaftsausschuss vor.

Der Punkt 9 Ihres Antrages ist trotz der ausführlichen Begründung im Text für mich nicht abschließend geklärt. Die unscharfe Formulierung erläutert meines Erachtens nicht eindeutig - vielleicht können Sie gleich etwas dazu sagen -, ob mit Spyware auch Cookies gemeint sind. Ein grundsätzliches Verbot von Cookies lehnen wir ab. Soweit diese Formulierung aber nur darauf abzielt, Spyware zu unterbinden, könnte dieser Punkt durchaus unsere Zustimmung finden.

Wie gesagt, Ihr Antrag enthält einige gute Punkte. Zu einer abschließenden Klärung würden wir dann

die Beratungen im Wirtschaftsausschuss, vielleicht auch federführend im Innen- und Rechtsausschuss, hinzuziehen. Eine kurze Diskussion im Plenum ist aus meiner Sicht angesichts des Umfangs Ihres Antrages und der vielen unterschiedlichen Punkte nicht möglich.

Mit großer Freude aber habe ich hier vernommen, dass die Koalitionsfraktionen heute vorhaben, unserem Antrag zuzustimmen und mit uns gemeinsam eine Initiative der Landesregierung anstoßen wollen. Das freut mich sehr. Aus diesem Grund möchte ich für unseren Antrag die Abstimmung in der Sache beantragen. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, SSW, vereinzelt SPD und PI- RATEN)