Protocol of the Session on December 12, 2014

Für die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Rasmus Andresen.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Für uns Grüne ist klar: Bund und Länder brauchen die Einnahmen aus dem Soli. Die Zukunft des Solidaritätszuschlags wird momentan im Kontext der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs diskutiert. Da prallen viele unterschiedliche Interessen aufeinander, die nicht immer an Parteigrenzen festzumachen sind, sondern sehr oft anhand der Ländergrenzen.

Was die Zukunft des Solis betrifft, gibt es verschiedene Modelle, die zurzeit diskutiert werden: einen Altschuldentilgungsfonds, die Kopplung an Infrastrukturprogramme, die Integration in die Einkommensteuer, die Verrechnung mit bestehenden Aufgaben der Länder und noch vieles andere mehr. Unsere Koalition kann sich mit vielen dieser Vorschläge anfreunden. Die Abschaffung des Solis hingegen bringt uns nicht weiter.

Wir brauchen bei den Bund-Länder-Verhandlungen maximale Flexibilität, um eine sinnvolle Verwendung des Solis zu erreichen. Aber unsere klare Priorität ist und bleibt der Altschuldentilgungsfonds. Ein Altschuldentilgungsfonds ist der beste Weg, um den Ländern wieder Luft zum Atmen zu geben. Nur mit einem Altschuldentilgungsfonds können sich hochverschuldete Länder von ihren großen Zinslasten befreien. Sie bekommen damit überhaupt erst die Gelegenheit, langfristig den Schuldenberg abzutragen.

Wir haben hier als Landtag - einige Kollegen haben darauf hingewiesen - bereits mehrere Beschlüsse für einen Altschuldentilgungsfonds gefasst. Die Einrichtung eines solchen Fonds ist in den Modellen, über die wir hier diskutiert haben, sehr stark an die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag gekoppelt. Auch zeitlich würde das Ganze sehr gut zusammenpassen; denn mit dem Auslaufen des bestehenden Länderfinanzausgleichs und der faktischen Zweckbindung des Solis an den Aufbau Ost beginnt die Ära der ausgeglichenen Länderhaushalte und damit der Einstieg in den Schuldenabbau.

Aber auch der Sanierungsstau bei der Infrastruktur und ein sehr stark unterfinanziertes Bildungssystems sind Gründe, dass wir auf die Einnahmen nicht verzichten können. Deshalb ist auch die Integration in die Einkommensteuer und die Verteilung an die Bundesländer über den Königsteiner Schlüssel für unsere Koalition ein gangbarer Weg.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich sehr klar positioniert. Das will etwas heißen; denn das ist bei ihr keineswegs immer so. Aber in diesem Falle hat sie sich sehr eindeutig positioniert. Wir begrüßen diese Positionierung ausdrücklich.

Niemand muss durch die Beibehaltung des Solis mehr bezahlen, Herr Kollege Garg. Die öffentlichen Kassen müssten aber im Gegenzug auf Einnahmen verzichten. Auch wenn so etwas immer schwer zu prognostizieren ist, reden wir wahrscheinlich im Jahre 2019 von 18 Milliarden €. Das ist ziemlich viel Geld für die öffentliche Hand. Deshalb kann man nur feststellen, es ist gut, dass die FDP weder im Bund noch in den Ländern haushaltspolitische Verantwortung trägt.

Alle Parteien, die den Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag geschafft haben, haben auch schon im Wahlkampf deutlich gemacht, dass das Aufkommen aus dem Soli den staatlichen Ebenen erhalten bleiben soll. Dass es jetzt Leute gibt, die auch in den öffentlichen Debatten so tun - nehmen wir den Journalisten Jörges vom „Stern“ einmal als Beispiel -, als ob das alles wieder Verarsche ist entschuldigen Sie den Begriff; aber ich glaube, das ist die Sprache, die er in diesem Zusammenhang benutzt -, ist unredlich, weil die Ideen und Konzepte auf dem Tisch liegen und die Parteien im Prinzip nur das machen, was sie vor der Bundestagswahl angekündigt haben.

Herr Kollege, ich muss Sie unterbrechen und Ihnen sagen, dass ich diesen Begriff nicht entschuldige.

(Tobias Koch)

Ich bitte Sie, jetzt fortzufahren und solche Worte nicht mehr weiter zu verwenden.

Zugleich frage ich Sie, ob Sie eine Bemerkung des Kollegen Dr. Garg akzeptieren.

Natürlich akzeptiere ich eine Bemerkung des Kollegen Dr. Garg.

Vielen Dank, Herr Kollege Andresen. - Also ob das von Ihnen gewählte Wort oder das etwas parlamentarischere Wort „Wählertäuschung“ zutrifft, überlasse ich Ihrer Interpretation. Aber würden Sie mir zumindest recht geben, wenn ich Ihnen sage, dass ganze Generationen von Politikerinnen und Politikern, insbesondere von Union und FDP, nach der Einführung des Solidaritätszuschlags versprochen haben, dass es sich hierbei um eine befristete Abgabe handelt?

- Das will ich nicht in Abrede stellen. Es geht ja auch darum, das Ganze jetzt verfassungskonform auszugestalten. Nichtsdestotrotz war diese Frage Thema im Bundestagswahlkampf. Ich wiederhole mich: Alle Parteien, die auch jetzt wieder im Deutschen Bundestag vertreten sind beziehungsweise wieder eingezogen sind, haben vor der Wahl ganz klar gesagt, dass der Soli nicht abgeschafft werden soll. Genauso verhalten sie sich jetzt auch. Auch Sie haben mit diesem Thema Wahlkampf gemacht und haben Ihre Position ebenfalls beibehalten. Deshalb kann man den Parteien nicht vorwerfen, dass sie im Bundestagswahlkampf etwas anderes gesagt haben als das, was sie jetzt de facto auch tun wollen.

Am Schluss meiner Rede möchte ich noch kurz auf den Antrag der Union eingehen, den ich ein wenig irre finde; denn alle Argumente, Herr Kollege Koch, die Sie gerade für die Beibehaltung des Aufkommens aus dem Soli eingebracht haben, könnten Sie eins zu eins auch gegen Ihren Vorschlag verwenden, die kalte Progression abzubauen. Da gilt genau dasselbe. Die Steuerquote ist seit Jahren stabil und steigt nicht etwa. Gleichzeitig haben wir extrem viele öffentliche Aufgaben, deren Umfang immer weiter anwächst, wir haben Sanierungsstau in der Infrastruktur, Bildungsfragen und Probleme in der sozialen Gerechtigkeit zu lösen. Es gibt eine ganze Menge Aufgaben, für die die öffentliche Hand auch künftig tätig sein muss, wofür sie die Einnahmen auch dringend braucht.

Jetzt aber ohne zu wissen, wie ein Konzept zum Abbau der kalten Progression aussehen könnte und ob das eine strukturelle Wirkung entfachen könnte, so etwas einfach einmal in den Raum zu werfen, weil Sie sich am Montag oder am Dienstag auf Ihrem Parteitag so entschieden haben, also den Abbau der kalten Progression mit einem Federstrich in Ihrem Antrag unterzubringen, halte ich für unseriös und entspricht wirklich keiner finanzpolitischen Seriosität. Wir können uns ja durchaus über Modelle zum Abbau der kalten Progression unterhalten. Aber so, wie Sie das machen, kann man es nicht machen.

Unser Koalitionsantrag hingegen sagt Ja zu einer gerechten Verteilung der Einnahmen aus dem Soli zwischen dem Bund und den Ländern. Wir stärken unserer Finanzministerin für die Verhandlungen in Berlin mit den anderen Ländern, die ja so unterschiedlich sind von Bayern, Hessen, Baden-Württemberg bis in den Osten hinein - natürlich auch nach Schleswig-Holstein hinein -, den Rücken. Dasselbe gilt auch für den Ministerpräsidenten, zumindest dann, wenn Sie ihm erlauben, diese Position auf der Ministerpräsidentenkonferenz für unser Land zu vertreten. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion der PIRATEN hat das Wort der Abgeordnete Dr. Patrick Breyer.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist ganz interessant, in der Debatte zu beobachten, dass die FDP beim Thema Solidaritätszuschlag zu ihren Wurzeln als Steuersenkungspartei zurückfindet. Vielleicht wird demnächst auch wieder das alte Guido-Mobil ausgemottet und von Spinnweben befreit. Sie haben in Ihrem Ausgangspunkt ja durchaus ein berechtigtes Argument.

Falsch ist es jedoch zu sagen: Wenn der Solidaritätszuschlag beibehalten werden würde, dann läge eine Steuererhöhung vor. Der Kollege Koch hat schon zu Recht gesagt, dass der Soli entgegen öffentlicher Beteuerungen nie befristet war. Insofern kann es sich nicht um eine Steuererhöhung handeln.

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wenn man ihn bei- behalten würde, dann ist das sehr wohl eine Steuererhöhung!)

- Nein, wenn man ihn so beibehalten würde, wie er jetzt ist, wäre es keine Steuererhöhung. Richtig ist aber, Herr Kollege Dr. Garg, dass der Öffentlichkeit gegenüber über Jahre hinweg vonseiten der Bundeskanzlerin und allen regierungstragenden Fraktionen beteuert worden ist, dass es sich um eine zweckgebundene Steuererhöhung handele, um den Osten aufzubauen, in dem damals tatsächlich desolate Zustände geherrscht haben. Das müssen wir ernst nehmen und können es nicht so einfach vom Tisch wischen.

Rasmus Andresen, es macht es auch nicht besser, wenn dieses öffentliche Versprechen schon im letzten Bundestagswahlkampf gebrochen worden ist, sondern das war ein Versprechen. Wenn wir es uns zur Regel machen, immer wieder solche öffentlichen Erklärungen später nicht einzuhalten, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass uns die Bürgerinnen und Bürger überhaupt nicht mehr glauben, wenn wir ihnen heute sagen, dass wir etwas zu einem bestimmten Zweck machen.

Deswegen ist die Position der PIRATEN, dass man diese öffentlich verkündete Zweckbindung allenfalls dann aufheben und ändern kann, wenn man sehr gute Gründe dafür geltend machen kann, warum man ausnahmsweise nicht an dem öffentlich Verkündeten festhält. Solche sehr guten Gründe könnten aus meiner Sicht darin liegen, dass man eine Zweckbestimmung mit Blick auf die Altschuldentilgung treffen und sagen würde, dass der Zweck des Aufbau Ost zwar erledigt ist, wir aber einen genauso oder noch dringenderen Zweck ins Auge fassen, nämlich die Geißel der erdrückenden Last der Altschulden zu tilgen, die verhindert, dass wir die erforderlichen Investitionen, die zum Erhalt unseres Landes- und Bundesvermögens erforderlich sind, aufbringen können und dass wir die erforderlichen Ausgabenspielräume für Bildungsausgaben haben.

Wenn man es also mit konkreter Zweckbindung mit Blick auf die Tilgung von Schulden begründen würde, würden die Bürgerinnen und Bürger das vielleicht verstehen und akzeptieren können. Aus meiner Sicht würde nicht akzeptiert, das zu sagen, was in den Anträgen der CDU steht: Wir würden das gerne machen. Aber wenn das für Altschuldentilgung nicht geht, nehmen wir das Geld gern an Hauptsache, es fließt in die Kasse. - Das wird von den Bürgerinnen und Bürgern nicht akzeptiert, und damit zerstören Sie Vertrauen auf öffentliche Be

teuerungen und Zusicherungen von uns, die hinterher nicht eingehalten werden.

Wir haben in der Steuerpolitik leider zu viele gebrochene Wahlversprechen und seltsame Kompromisse gesehen. Ich erinnere an die Mehrwertsteuererhöhung 2005. Die CDU war in den Bundestagswahlkampf mit der Ankündigung gezogen, die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte erhöhen zu wollen. Das ist Ihnen teuer zu stehen gekommen. Die SPD wollte das gar nicht machen. Als Ergebnis der Koalitionsverhandlungen kam heraus,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: 3 %!)

sie um drei Prozentpunkte zu erhöhen.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit dem Thema zu tun?)

- Das hat mit dem Thema zu tun, dass Sie schon zu oft in der Vergangenheit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger enttäuscht haben. Das trägt dazu bei, dass diese uns gar nichts mehr glauben.

(Beifall FDP)

Das schürt Politikverdrossenheit.

(Beate Raudies [SPD]: Das ist der Redebei- trag von heute Morgen!)

- Das ist der Redebeitrag, der leider an dieser Stelle wieder angebracht ist, Frau Kollegin.

Herr Abgeordneter, bevor Sie weiter fortfahren, frage ich Sie, ob Sie eine Bemerkung des Abgeordneten Andresen gestatten?

Herr Andresen, bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege. Das ist mehr ein Zwischenkommentar, denn ich finde Ihre Argumentation etwas schwierig.

Der Kern Ihrer Forderung ist gar nicht so weit von unserer Argumentation entfernt. Sie wollen, dass der Soli in einen Altschuldentilgungsfonds umgestaltet wird. Der Kollege Koch hat eben auch deutlich gemacht, dass

(Dr. Patrick Breyer)

das zumindest eine Position ist, mit der die CDU in diesem Land sehr gut leben kann. Gleichzeitig werfen Sie uns aber in Ihrer Rede vor, dass wir unehrlich wären, weil es grüne und sozialdemokratische Bundespolitiker - beim SSW sieht das etwas anders aus - gibt, die irgendwann einmal etwas ganz anderes das sage ich aus meiner etwas jüngeren Perspektive - versprochen haben.

Das passt doch nicht zusammen. Sie werfen uns sozusagen - ich will nicht von „Lüge“ sprechen - Wählertäuschung vor, sagen aber gleichzeitig, Sie machten das Ganze mit, hätten aber das bessere Argument. Das ist jedoch nur das Argument, das wir auch haben. Das hängt doch nicht zusammen. Entweder kritisiert man wie die FDP fundamental und fordert, dass der Soli abgeschafft werden muss, oder man wählt ein anderes Modell. Aber dann fällt die Hälfte Ihrer Kritik aus meiner Sicht weg.

Herr Kollege Andresen, ich hatte gehofft, dass ich deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass wir sagen: Wenn Sie schon von dem wegkommen wollen, was öffentlich verkündet und versprochen worden ist, braucht man dafür sehr gute Gründe. Allgemein zu sagen, man brauche das Geld - egal wofür, auch wenn es nicht für die Altschuldentilgung gedacht ist -, halte ich nicht für sehr gute Gründe, die an dieser Stelle angeführt werden.

Sie können damit zum Beispiel rechtfertigen, die Erbschaft- oder Vermögensteuer zu erhöhen und so weiter. Das kann man alles machen. Aber um den Zweck dieser konkreten zweckgebundenen Abgabe ändern zu wollen, dafür braucht man wirklich sehr gute Gründe, wenn man das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger erhalten will. Das Problem mit diesem Altschuldentilgungsfonds ist - ich verstehe das aus der Perspektive der anderen Länder -, dass diese auch nicht einsehen, dass diese Sparsamkeit bestraft wird und aus diesem Fonds zu gleichen Anteilen alle Altschulden getilgt werden.

Ich verstehe, dass sie sagen: Wenn wir weniger Altschulden gemacht haben, möchten wir, dass dieser Fonds so aufgeteilt wird, dass wir etwas davon haben. Man muss auf die Bedenken der anderen Länder eingehen, wenn man zu einer Lösung kommen will. Dann wären wir durchaus mit dabei. Aber was in Ihrem Antrag steht - Hauptsache, die Mittel kommen uns irgendwie zugute -, enttäuscht Vertrauen.

Zum Thema „Steuerbelastung“ möchte ich Folgendes sagen: Die aktuelle Belastung bei der Einkommensteuer und bei anderen Steuern ist krass ungerecht verteilt. Die Hauptsteuerlast unserer Gesellschaft tragen nicht diejenigen, die das meiste Vermögen und die die stärksten Schultern haben. Dieses Problem muss unabhängig vom Solidaritätszuschlag angegangen werden.