Protocol of the Session on December 12, 2014

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Als ich den Antrag der FDP gelesen habe, war ich doch erschrocken: Einmal wieder ein typischer Antrag nach dem Motto: Wenn jeder sich selbst hilft, ist allen geholfen. Sie lernen es wohl nicht mehr, dass das nicht stimmt. Der Solidaritätszuschlag beträgt 5,5 % der fälligen Einkommensteuer, sofern diese den Betrag von 972 € bei Alleinstehenden und 1.944 € bei Verheirateten oder Verpartnerten übersteigt. Für einen unverheirateten Verkäufer mit 25.000 € Jahreseinkommen macht das rund 220 € aus, für eine Ärztin mit einem Jahreseinkommen von 60.000 € sind es rund 940 €.

Ja, das ist viel Geld. Gerade in den unteren Lohnbereichen können 20 €, die man mehr oder weniger zur Verfügung hat, viel ausmachen. Wir sehen aber, dass die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag dringend gebraucht werden. Erst gestern in der Haushaltsdebatte haben Sie, verehrte Damen und Herren von der Opposition, mit großer Inbrunst dargelegt, was wir alles instand setzen, reparieren, fördern und investieren wollen. Ich frage mich nur: Wovon?

Den Solidaritätszuschlag auslaufen zu lassen, wäre genau die falsche Entscheidung. Die strukturschwachen Regionen der neuen und der alten Bundesländer brauchen die Einnahmen nämlich, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Nach wie vor halten wir Steuererhöhungen für sinnvoll, zum Beispiel bei der Erbschaftsteuer, einem höheren Spitzensteuersatz und einer Vermögensteuer. Wir können diese zurzeit in Berlin auch wegen der Vereinbarungen, die die Große Koalition getroffen hat, nicht erreichen. Das bedauern wir, denn ein höherer Beitrag von denjenigen, die ihn tragen könnten, ist für uns eine Frage der Gerechtigkeit.

(Dr. Heiner Garg)

(Beifall SPD)

- Danke. Jetzt geht es darum, die öffentliche Hand nicht noch weiterer Einkommensquellen zu berauben. Wenn es nach uns ginge, dann hätten wir einen Altschuldenfonds vereinbart, damit SchleswigHolstein ebenso wie andere Länder und der Bund spürbar beim Abbau unserer Schulden entlastet wird.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD] und Lars Harms [SSW])

Das scheint aber nach wie vor nicht durchsetzbar zu sein. Wir finden das schade und sind überzeugt, dass dies für alle Beteiligten eine vernünftige und finanziell attraktive Möglichkeit gewesen wäre. Aber gerade dann, wenn ein Altschuldenfonds zurzeit nicht machbar ist, sollten wir darauf setzen, dass es gemeinsame Anstrengungen für gemeinsame Lösungen gibt.

Entscheidend ist, dass zukünftig Bund und Länder von den Einnahmen profitieren. Entscheidend ist auch, dass wir in die Lage versetzt werden, unsere Zukunftsaufgaben zu erfüllen. Dazu zählen gute Bildung von der Kindertagesstätte über Schule, betriebliche und universitäre Ausbildung bis hin zum lebenslangen Lernen, weil nach unserer Überzeugung Investitionen in Bildung die beste Vorsorge für die Zukunft sind. Dazu zählt eine gute Infrastruktur.

Gerade erst gestern hat die Landesregierung einen Infrastrukturbericht vorgelegt, der klar aufzeigt, wo wir Schwerpunkte setzen und investieren sollten. Auch mit dem Straßenzustandsbericht liegt seit wenigen Monaten erstmals eine schonungslose Bilanz vor. Dazu zählt eine gute Umwelt mit einer Ausrichtung auf unsere Stärken wie erneuerbare Energien, nachhaltiger Tourismus und die Vielfalt der Lebensräume.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Dazu zählt eine gerechte Gesellschaft, denn von der gefühlten Gerechtigkeit hängen viele Faktoren wie Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Motivation ab.

Seit 2012 machen wir in Schleswig-Holstein wieder deutlich, wohin wir steuern. Der Stabilitätsrat honoriert das, indem er immer wieder den Kurs bestätigt, den wir steuern. Ebenso wie andere strukturschwache Regionen brauchen wir hierfür aber verlässliche Einnahmequellen und nicht Steuer- und Abgabengeschenke für Besserverdienende.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Geschenke?)

- Wir haben hier unterschiedliche Auffassungen. Wir bitten die Landesregierung daher, sich in den laufenden Bund-Länder-Verhandlungen weiterhin dafür einzusetzen, dass es für Schleswig-Holstein spätestens ab 2020 eine spürbare finanzielle Entlastung gibt. Zu den vorliegenden Änderungsanträgen beantrage ich, dass wir in der Sache abstimmen, und ich bitte, dem Antrag der Regierungskoalition zuzustimmen sowie den Änderungsantrag der CDU abzulehnen, denn die Hinweise in dem Änderungsantrag mit der Schwerpunktsetzung auf Zinserhöhungen, aber insbesondere auf die kalte Progression entsprechen nicht unserer Auffassung. Daher bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Tobias Koch das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Dr. Garg, mit der Möglichkeit, sich von uns abzugrenzen, wollten wir Ihnen heute ein Weihnachtsgeschenk machen.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD] und Wolf- gang Kubicki [FDP])

In gleicher Art und Weise haben Sie dies vor der letzten Bundestagswahl im letzten Jahr versucht. Das ist Ihnen mit diesem Thema nicht so richtig gelungen. Dass wir jedoch irgendwelche Zusagen und Worte brechen würden, stimmt nicht. Schon in unserem Wahlprogramm hatten wir schriftlich festgehalten, dass wir den Soli zukünftig für die Altschuldentilgung einsetzen wollen. Das waren unsere Aussagen vor der Wahl.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Worum geht es? - 30 Jahre nach dem Fall der Mauer ist im Jahr 2019 der Wiederaufbau der neuen Bundesländer nach den Vorstellungen des Gesetzgebers abgeschlossen. Der Solidarpakt, der die finanzielle Unterstützung des Bundes für die neuen Länder regelt, läuft deshalb 2019 aus.

Der Solidaritätszuschlag ist hingegen etwas anderes. Er ist eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer, die zeitlich unbefristet erhoben wird und deren Einnahmen im Übrigen nicht zweckgebunden sind. Die Rechtmäßigkeit dieser Ergän

(Lars Winter)

zungsabgabe hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 8. September 2010 ausdrücklich festgestellt.

Wir haben gestern in unserer Haushaltsdebatte festgestellt, dass wir allein in Schleswig-Holstein einen fast 5 Milliarden € schweren Investitionsstau vor uns herschieben. Außerdem trägt unser Land schwer an den Schulden von fast 27 Milliarden €. Wenn man sich allein diese beiden Zahlen vor Augen führt, dann wird schnell klar, dass es bundesweit nicht gelingen wird, den Sanierungsstau und die Altschulden gleichermaßen abzubauen und zeitgleich die Steuer- und Abgabensätze zu senken.

Als Union haben wir uns klar und eindeutig gegen Steuererhöhungen ausgesprochen. Mit dieser Forderung haben wir uns in der Koalition mit den Sozialdemokraten durchgesetzt. Herr Kollege Garg, Sie sehen, wir grenzen uns sowohl zur FDP als auch zur SPD ab.

(Beifall CDU)

Das war vielleicht das Erfolgsrezept dafür, dass wir 41 % der Wählerstimmen haben und die stärkste politische Kraft in der Mitte sind und Sie alle nicht.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Lachen SPD)

Wir wollen aber auch mit einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur unseren Wohlstand erhalten, und wir wollen endlich mit der Tilgung von Schulden beginnen. Deshalb bedarf es einer Nachfolgeregelung für den Solidaritätszuschlag. Das von uns präferierte Modell eines Altschuldentilgungsfonds sieht vor, die Einnahmen zukünftig direkt für die Tilgung von Altschulden einzusetzen. Die sich dadurch ergebenden verringerten Zinszahlungen eröffnen dann den Spielraum für mehr Investitionen.

Das ist das Modell, das die Finanzministerin vertritt, und das ist das Modell, das Konsens zwischen den finanzpolitischen Sprechern aller Fraktionen dieses Hauses gewesen wäre, wenn es nicht einen SPD-Fraktionsvorsitzenden gegeben hätte, der einen solchen fraktionsübergreifenden Beschluss damals nicht zugelassen hat. Auch damals sind Grüne und SSW eingeknickt und haben auf Druck der SPD im Landtag etwas ganz anderes beschlossen, als es die Finanzministerin immer vertritt, nämlich die Einnahmen für Zinszahlungen zu verwenden.

Meine Damen und Herren, wenn die Vereinbarung eines Altschuldentilgungsfonds im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen scheitern sollte, dann deshalb, Herr Kollege Steg

ner, weil Sie und Olaf Scholz aus Hamburg einen Vorschlag gemacht haben, der noch nicht einmal hier im Konsolidierungshilfeland Schleswig-Holstein konsensfähig gewesen ist. Wir nehmen Realitäten zur Kenntnis. Im Rahmen der laufenden Gespräche zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehung sind wir vor diesem Hintergrund auch für andere Modelle offen. Ein solches Modell könnte zum Beispiel die Integration des Soli in den Einkommensteuertarif sein.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Keine Steuererhö- hungen!)

- Herr Kollege Dr. Garg, aus unserer Sicht geht das aber nur unter einer Bedingung: Wenn der Einkommensteuertarif angefasst wird, dann muss im gleichen Zuge zwingend auch die kalte Progression abgebaut werden. Diese schleichende Steuererhöhung darf es dann nicht länger geben.

(Beifall CDU - Zurufe FDP)

Nach unserem Parteitagsbeschluss vom Mittwoch dieser Woche soll dazu ein erster Schritt noch in dieser Wahlperiode erfolgen. Bei einer Einbeziehung des Soli in die Einkommensteuer muss dann das Jahr 2019 genutzt werden, um dieses fortzusetzen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Na klar, die 40 % müssen ja gesichert werden!)

Meine Damen und Herren, das alles haben aber nicht wir als Landtag zu entscheiden, selbst der Bundesrat hat insoweit kein Mitspracherecht; denn über das Solidaritätszuschlagsgesetz entscheidet der Bund ganz alleine.

Die Länder sind hier also nicht in der Situation, Forderungen zu stellen, sondern sie sind im Gegenteil auf das Wohlwollen und die Unterstützung des Bundes angewiesen. Wenn der Bund dann aber miterleben muss, wie die von ihm gewährten Hilfen, zum Beispiel bei den BAföG-Mitteln, zweckentfremdet werden, dann ist das denkbar schlecht für unsere Verhandlungsposition.

(Beifall CDU und Dr. Heiner Garg [FDP])

Da können Sie stöhnen, so viel Sie wollen. Wer wie Sie die BAföG-Millionen nicht, wie vorgesehen, insbesondere den Hochschulen zukommen lässt oder noch schlimmer: wer wie Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen das Geld überhaupt nicht in Bildung investiert, der verschlechtert die Verhandlungsposition der Länder ganz immens.

Deshalb sage ich als Vertreter der CDU-Fraktion ganz klar:

(Tobias Koch)

Erstens. Wir brauchen eine Nachfolgeregelung für den Solidaritätszuschlag, um mit den daraus erzielten Einnahmen den Investitionsstau und die Altschulden abzubauen.

Zweitens. Damit dieses auch auf Länderebene gelingt, wäre es sehr zu begrüßen, wenn der Bund die Länder im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen dabei unterstützt.

Drittens. Im Falle einer Integration des Soli in die Einkommensteuer muss dieses zwingend mit einem Abbau der kalten Progression einhergehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Rasmus Andresen.