Protocol of the Session on December 12, 2014

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Abgeordneten Dr. Breyer?

Bitte.

Herr Dr. Stegner, ich will anerkennen, dass Sie das in Ihrem Redebeitrag gesagt haben. Nur steht im Antrag drin, der Landtag werde „folgende Maßnahmen zur Steigerung der Wahlbeteiligung prüfen“.

Die Antwort darauf ist, Herr Kollege Breyer, dass wir in der Tat glauben, dass es helfen kann, aber die Selbstbeschimpfung nach dem Motto, es bedurfte der in Notwehr gegründeten PIRATEN, um uns beizubringen, wie repräsentative Demokratie aussieht, wollte ich mir ausdrücklich nicht zu eigen machen; das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Das finde ich gelegentlich auch ein bisschen anmaßend. Ich glaube schon, dass alle Parteien, die hier sitzen, durchaus in der Lage sind, mit den Anforderungen umzugehen, die wir haben. Manchmal stilisieren Sie ein bisschen doll, finde ich, dass Sie uns das erst beibringen. Repräsentative Demokratie kann ergänzt werden durch direkte demokratische Elemente, aber sie sollte bitte nicht ersetzt werden, und wir sollten sie auch nicht diskreditieren. Dafür werbe ich leidenschaftlich.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Daniel Günther [CDU])

Deswegen ist es eher ein pluralistischer Ansatz, zu sagen: Jawohl, wir müssen immer darüber nachdenken, was wir in der Politik besser machen kön

nen, ganz bestimmt. Dazu kann übrigens jeder hier seinen Beitrag leisten. Ob wir formale Hürden senken, ob wir es Menschen mit Behinderung, ob wir es älteren Menschen, ob wir es jüngeren Menschen leichter machen, sich zu beteiligen - wir sehen, wie es zum Beispiel die Schweden schaffen, eine gute Wahlbeteiligung hinzubekommen auch mit solchen Fragestellungen -, ob man einen Wahlzettel nicht erst anfordern muss, sondern das vielleicht direkt macht, das prüfen wir alles, übrigens auch die Online-Wahl.

Wir haben nicht gesagt, dass wir das machen. Das zu prüfen, sich Anhörungen zu leisten, darüber zu diskutieren und am Ende zu befinden, was ist daran eigentlich schlecht? Das ist ein guter parlamentarischer Arbeitsprozess. Den wollen wir gemeinsam leisten, und Sie sind eingeladen, daran mitzuwirken, Herr Kollege Dr. Breyer.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Abgeordneter Dr. Stegner, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage oder -bemerkung des Abgeordneten König?

Bitte sehr.

Bitte schön.

Herr Stegner, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass im Jahre 2006 die Parteien in Deutschland die Wähler so schlecht vertreten haben, dass sich eine kritische Masse gefunden hat, um eine neue Partei zu gründen, die Piratenpartei? Das ist einfach Fakt.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Der Kollege Breyer war eines der Gründungsmitglieder und kann deswegen sehr authentisch davon berichten, was dazu geführt hat, dass die Piratenpartei in Deutschland gegründet wurde.

Wissen Sie, Herr Kollege König, mir ist es völlig schnurz, warum Sie sich gegründet haben und wie Sie das interpretieren.

(Dr. Ralf Stegner)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Dr. Heiner Garg [FDP])

Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen; das ist nicht mein Problem. Aber daraus anmaßend festzustellen, die Wähler seien so frustriert in Deutschland, dass sie darauf gewartet hätten, dass es die PIRATEN gibt: Ich überschätze repräsentative Umfragen nicht, aber wenn ich momentan die Rate Ihrer Zustimmung durch die Öffentlichkeit sehe, kann ich nicht erkennen, dass ein Großteil der Wähler die Lösung darin sieht, dass Sie hier sind. Das kann ich beim besten Willen nicht erkennen.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Also ein bisschen kleiner! Ich gebe zu, ich bin der Vertreter einer Partei, die die älteste demokratische Partei in Deutschland ist. Wir haben über 150 Jahre auf dem Buckel. Es gab Zeiten, da waren wir verboten, und Zeiten, da waren wir in der Opposition, und vieles andere mehr. Aber dann tut man sich ein bisschen schwer damit, wenn hier ein junger Kerl steht und sagt: Hört einmal zu, es bedurfte endlich der Gründung der PIRATEN, die Probleme in Deutschland zu lösen. - Das ist ein bisschen anmaßend, Herr Kollege, das weise ich schon ein Stück zurück.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, Daniel Günther [CDU] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage oder -bemerkung des Abgeordneten König?

Da mein Glaube an die Vernunftbegabtheit der Menschen groß ist, will ich Ihnen noch einmal eine Chance geben, dass Sie vielleicht noch etwas Ernsthafteres fragen. Bitte schön.

Herr Stegner, die PIRATEN haben sich gegründet, weil sie keine Partei gefunden haben, die ihren Wählerwillen repräsentiert hat.

(Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn Sie sagen, es ist Ihnen vollkommen schnurz, warum Leute so frustriert mit der Politik sind, dass sie anfangen, ihre eigene Partei zu gründen und damit sogar in Landta

ge einzuziehen, dann verstehe ich, warum die Wähler über Sie frustriert sind.

Verehrter Herr Kollege König, ich habe nie gesagt, mir ist es egal, wenn Leute frustriert sind, sondern ich habe gesagt, mir ist egal, wie Sie das interpretieren. Ich mache Ihnen einfach einen Vorschlag: Treten Sie in einen Wettbewerb ein; wir schauen, ob Sie nach der nächsten Wahl wiederkommen. Alles andere wird sich finden.

(Beifall SPD und Lars Harms [SSW])

Ich will gern noch zu anderen Punkten etwas sagen, nämlich zu der Frage nach den Nichtwählern. Kollege Harms hat Recht, man darf in der Tat die Stimme auch nicht abgeben; das ist wahr. Was mich aber ärgert, ist die Stilisierung von Nichtwählern, dass prominente Schauspieler und andere öffentlich für ihre Dummheit werben, dass sie sagen, nicht wählen sei irgendwie cool. Nicht wählen ist nicht cool, sondern nicht wählen ist meiner Meinung nach doof, weil es in der Demokratie wichtig ist, seine Stimme abzugeben. Die Demokratie bleibt nämlich nicht von allein. Das ist der Teil, den ich meinte.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zum Kollegen Kubicki würde ich gern sagen: Sie mögen recht haben, manchmal überzieht man in der Frage, wie man Dinge ausdrückt. Aber die Grundwerte unserer Partei heißen Freiheit, Gerechtigkeit und

(Wolfgang Baasch [SPD]: Solidarität!)

- Solidarität. Danke schön, Wolfgang, das wäre mir noch eingefallen.

(Heiterkeit SPD)

Das mit der Gerechtigkeit, Herr Kollege Kubicki, ist für uns in der Tat eine Leidenschaftsfrage. Dann kann man sagen, man findet bestimmte Regelungen ungerecht. Das tun wir hier. Gute Arbeit bedeutet uns mehr als anderen. Ich finde übrigens, die Arbeitnehmer erwirtschaften den Wohlstand in unserem Land. Das darf man ausdrücken. Da können andere anderer Meinung sein. Aber das werden wir weiterhin tun, und darüber werden wir auch streiten.

Anders allerdings - das will ich sagen - ist das mit dem Pairing. Beim Pairing geht es nicht darum, dass irgendeiner etwas gewährt, finde ich, sondern Pairing ist eine Frage von grundsätzlicher Fairness.

(Dr. Ralf Stegner)

Es ist nicht schön, wenn Menschen sehen, dass zum Beispiel jemand in das Parlament gebracht werden muss, der krank ist, weil anders wichtige Interessen nicht vertreten werden können. Es geht nicht darum, dass Sie großzügig Dinge verteidigen, die wir machen. Wir waren auch lange Opposition und haben das mitgetragen. Vielmehr ist zu fragen: Wie gehen die miteinander um, wenn es nötig ist, dass kranke Leute in das Parlament geschleppt werden? Das kann es nicht sein. Leidenschaftlicher Streit, ja, aber das ist etwas, was wir nicht tun sollten. Sie wissen ganz genau, wenn das das erste Mal passiert, kehrt es sich gegen diejenigen, die dafür gesorgt haben, dass es so ist. Deswegen glaube ich, an dieser Stelle sollten wir zur Fairness zurückkehren. Ich verstehe, dass man mit Entscheidungen nicht einverstanden ist, auch mit Personalentscheidungen; weiß Gott verstehe ich das. Ich war oft genug selber frustriert, wenn wir bei Ihnen in der letzten Legislaturperiode unterlegen sind. Aber trotzdem sollte es nicht so weit kommen, dass Kranke hereingebracht werden müssen. Denn die Mehrheit hier im Hause ist schon das Ergebnis einer demokratischen Wahl - wenn ich das einmal sagen darf. Die wünscht sich nicht, dass das durch zufällige Krankheiten verändert wird. Das wünscht sich die Bevölkerung wirklich nicht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deswegen, finde ich, sollten wir diesen Teil meiner Meinung nach hinbekommen.

Ein Letztes. Ich bin ganz optimistisch, dass wir in dem Verfahren, das wir hier vor uns haben, Herr Kollege Günther und andere, am Ende mit einem Vorschlagskatalog kommen, der dazu beitragen kann, dass das, was Sie hier beklagen, ein Stückchen besser wird, dass wir zum Beispiel ein paar Dinge an den Schulen oder auch in den Kommunen anders regeln können und beim Wahlgesetz vielleicht auch das eine oder andere probieren können. Da gibt es kein Patentrezept.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Ich komme zum Ende, Herr Präsident. - Ich glaube allerdings, dass die Debatte heute Morgen eine sehr gute ist, weil sie nämlich zeigt: Wir streiten über die Dinge, aber wir haben auch gemeinsame Interessen, insbesondere gegen die Extremisten, gegen die Feinde und Skeptiker der Demokratie. Denn die

Demokratie lebt. Sie ist das Beste, was diesem Land jemals passiert ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Reihenfolge der Redner für die nächsten fünf Beiträge ist: Garg, Beer, Kubicki, Bernstein und Erdmann. Zunächst hat das Wort der Herr Abgeordnete Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich habe mich nach dem Debattenbeitrag des Kollegen Breyer zu Wort gemeldet, weil ich Ihre Intonierung etwas merkwürdig fand, Herr Kollege. Hier sitzen 69 Kolleginnen und Kollegen. Ich darf diesem Landtag seit 2000 angehören. Ich war immer stolz darauf, Volksvertreter sein zu dürfen. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was ich hier vorn zum Besten gegeben habe. Wenn man wichtigen Zeitungen dieses Landes glauben darf, sind manche von uns kleiner, manche größer, aber jeder und jede von uns tut das, was wir hier tun, aus Überzeugung, und tut das, was wir hier tun, selbstverständlich, um jeden Tag aufs Neue bei Wählerinnen und Wählern, bei Bürgerinnen und Bürgern, Vertrauen zu gewinnen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)