Protocol of the Session on October 10, 2014

Gleichzeitig sage ich: Diejenigen, die an alten Strukturen festhalten, sind nicht in der Mehrheit. Die ganz große Mehrheit der werdenden Mütter wendet sich gern an medizinische Spitzenzentren. Sie nehmen funktionierende Boardingkonzepte gut an.

Ich hoffe, dass es gelingt, in einem sachlichen und offenen Verfahren ein modernes, zukunftsfähiges Regionalkonzept zu entwickeln, das am Ende alle überzeugt.

Der CDU-Antrag ist gut, weil wir seinetwegen die Situation der Geburtshilfe bei uns verantwortlich angehen. Die Erkenntnisse des MDK-Gutachtens konnte er noch nicht berücksichtigen. Deshalb ist er

(Wolfgang Dudda)

etwas ungenauer als die Folgeanträge. Der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Änderungsantrag ist mir zu unverbindlich, was den Zeitplan angeht. Was Ankündigungen angeht, hat die Kollegin Rathje-Hoffmann schon ausführlich Stellung bezogen. Von daher ist er mir einfach zu unverbindlich.

(Beifall PIRATEN, FDP und Katja Rathje- Hoffmann [CDU])

Wir brauchen auch wegen des Zeitdrucks an dieser Stelle Präzision.

Inhaltlich jedoch ist der Koalitionsantrag ziemlich deckungsgleich mit dem Antrag von PIRATEN und FDP. Weil alle Anträge das Richtige wollen, könnte ich allen Anträgen zustimmen, auch dem der Koalition. Ich habe erfahren, dass wir weiteren Beratungsbedarf haben und möglicherweise - diese Zeichen deuten sich an - zu einem interfraktionellen Antrag kommen, der dem Land vielleicht besser hilft, als wenn wir uns hier rumstreiten. - Vielen Dank.

(Beifall)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, bitte begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler des Herder-Gymnasiums in Rendsburg. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Herr Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben uns in der letzten Zeit intensiv mit dem Thema Geburtshilfe beschäftigt und das aus sehr gutem Grund. Ich denke, die Situationen auf Sylt und in Oldenburg haben eines deutlich gemacht: Wenn es um die Sicherstellung einer flächendeckenden und qualitativ hochwertigen Geburtshilfe geht, gibt es keine einfachen Lösungen. Auch die bloße Aussage: „Wo ein Wille ist, ist auch Weg“, hilft uns nicht weiter, denn für solch einfache Parolen ist das Thema einfach zu komplex.

Die besorgniserregende Tendenz in diesem wichtigen Bereich der Gesundheitsversorgung ist auch in der letzten Debatte hier im Landtag deutlich geworden: Die Zahl der Kliniken mit Geburtshilfeabteilung ist in Deutschland zum Beispiel im Zeitraum

von 1991 bis 2010 von 853 auf 453 gesunken. Diese Zahl spricht eine deutliche Sprache. Umso wichtiger ist für mich der Hinweis, dass es natürlich nicht nur um Profit gehen darf. Ich denke, so manche Klinik sollte sich immer wieder einmal darauf besinnen, dass sie einen Versorgungsauftrag zu erfüllen hat. Auch wenn die Einflussmöglichkeiten der Politik sicherlich begrenzt sind, hoffe ich, dass wir alle gemeinsam die Praxis, sich Rosinen herauszupicken und unrentable Bereiche fallenzulassen, verurteilen.

Kein Zweifel, losgelöst von Einzelfällen steht fest, dass wir alle - die Kreise, das Land und der Bund in der Pflicht sind, einen verlässlichen Rahmen für ein bedarfsgerechtes Angebot in der Geburtshilfe sicherzustellen. Wir brauchen funktionierende Netzwerke im Land, an denen nicht zuletzt die Hebammen beteiligt werden. Auch die Probleme bei der Finanzierung ihrer Leistungen und bei den Versicherungsprämien müssen endlich gelöst werden. Für die Kinderkliniken und Geburtshilfeabteilungen, die in Regionen liegen, die heute und in der Zukunft besonders von der demografischen Entwicklung betroffen sind, muss dringend eine tragfähige Lösung her. In diesem Zusammenhang ist es ungemein wichtig, dass alle, auch der Bund, ihrer Verantwortung nachkommen.

Es ist offensichtlich, dass die Sicherstellung einer flächendeckenden Geburtshilfe nur gelingt, wenn sich alle betroffenen Ebenen engagieren und wenn wir intensiv zusammenarbeiten. Das Land ist hierbei auf einem richtigen Weg.

Ich möchte daran erinnern: In diesem Haus haben wir uns kürzlich mit großer Mehrheit auf wichtige Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Geburtshilfe in Schleswig-Holstein geeinigt. Auf dieser Grundlage arbeitet unsere Landesregierung gerade mit großem Einsatz. Dass sich nicht alle Probleme von heute auf morgen lösen lassen, versteht sich von selbst.

Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Unser Ziel ist und bleibt ein umfassendes Konzept für die Sicherstellung der Geburtshilfe in Schleswig-Holstein, das sowohl stationäre als auch ambulante Angebote enthalten muss. Es soll - das können Sie unserem Antrag ebenfalls entnehmen - Eingang in den überarbeiteten Krankenhausrahmenplan finden. Hierbei müssen nicht nur besondere regionale Bedürfnisse berücksichtigt, sondern auch alle betroffenen Gruppen angemessen beteiligt werden. Genau das werden wir tun.

(Wolfgang Dudda)

Ich freue mich auf die Anträge, die sowohl von der CDU als auch gemeinsam von PIRATEN und FDP gekommen sind. Es bringt uns in der Sache weiter, gemeinsam auf Lösungen hinzuarbeiten.

Vorhin wurden Vergleiche mit Schweden, Finnland oder Portugal angesprochen. Es gibt immer wieder Vergleiche zur Säuglingssterblichkeit. Man muss dabei jedoch viel tiefer gehen.

(Anita Klahn [FDP]: Ja!)

Ich habe mir die Situation in Dänemark angesehen. Dort dreht es sich nicht nur um die Säuglingssterblichkeit. So sind beispielsweise spastische Lähmungen aufgrund von Unterversorgung in Dänemark stark zurückgegangen, nachdem man Konzentrationen gemacht und Perinatalzentren des Levels 1 eingeführt hat. Das sind wichtige Faktoren, die man einbeziehen muss.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht also nicht nur um Säuglingssterblichkeit. Deshalb lohnt es sich sehr wohl, auch einmal über den Tellerrand zu schauen, obwohl man nicht alles vergleichen kann.

(Anita Klahn [FDP]: Genau! Das ist es doch!)

- Man kann nicht alles vergleichen.

(Anita Klahn [FDP]: Genau!)

Aber es lohnt sich sehr wohl, mal über die Grenze zu schauen und ins Detail zu gehen. Denn dabei kann man bestimmt einiges lernen.

Wie gesagt: Der bloße Vergleich der Zahlen der Säuglingssterblichkeit erzählt nicht die ganze Wahrheit.

(Anita Klahn [FDP]: Das machen doch aber die Verbände auch!)

Da gibt es noch ganz andere Probleme. - Mange tak!

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus dem Kreis der Abgeordneten sehe ich keine weitere Wortmeldung. - Dann hat nun für die Landesregierung die Ministerin für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung, Frau Kristin Alheit, das Wort.

Danke schön, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir alle erleben in den letzten Monaten, wie wichtig das Thema Geburtshilfe für ganz viele Menschen bei uns im Land ist - auch emotional. Sie erwarten von uns, der Landesregierung, aber auch von ihren parlamentarischen Vertreterinnen und Vertretern, wir sollten ihre Geburtshilfe vor Ort sichern. Ehrlich gesagt: Wie sollte man ihnen das verdenken? Wie sollte man das nicht verstehen können?

Ich glaube: In allen Beiträgen, die wir gehört haben, sind wir uns in dem Ziel einig, eine qualitativ hochwertige und möglichst gut erreichbare Geburtshilfe flächendeckend zu sichern.

Angesichts der komplexen rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen ringen wir um die bestmögliche Lösung. Das kommt in den vorliegenden Anträgen, auch in dem Antrag von PIRATEN und FDP, ganz deutlich zum Ausdruck. Es wird deutlich, wie in ganz unterschiedlichen Ansätzen für dieses Ringen geworben wird und wie diese Anträge für dieses Ringen stehen.

Eines kann man an allen drei Anträgen erkennen und ablesen: Es gibt keine einfachen, vor allem auch keine schnellen Lösungen für die Geburtshilfe. Es steht uns gut an, das gemeinsam so zu sagen. Wer die Erwartung an schnelle politische Antworten weckt, weckt, ehrlich gesagt, nicht erfüllbare Erwartungen, die am Ende nicht nur einer Person, etwa mir, sondern uns allen auf die Füße fallen werden. Das sollten wir bei allem notwendigen Streit gemeinsam im Kopf behalten.

Denn, meine Damen und Herren, natürlich sind hier alle für eine Geburtshilfe, die flächendeckend, wohnortnah und qualitativ hochwertig ist. Nur sind Wohnortnähe und hohe Versorgungsqualität nicht immer einfach unter einen Hut zu bringen. Das ist bei der Botschaft ganz schön deutlich geworden, die von der vdek-Veranstaltung bei Ihnen offensichtlich angekommen ist. Das erleben wir auch ganz aktuell im Zielkonflikt. Das lässt sich nicht so einfach wegdiskutieren. Es ist in mehreren Beiträgen deutlich geworden, dass viele werdende Mütter das ganz genau verstehen. Sie machen das deutlich, indem sie in die geburtshilflichen Zentren gehen, denen eine Kinder- und Intensivstation angeschlossen ist.

Ich möchte einen Qualitätsindikator nennen, der hier noch nicht so häufig genannt wurde wie die Geburtssterblichkeit: In Schleswig-Holstein sind

(Flemming Meyer)

die niedrigsten Kaiserschnittsraten in den größeren geburtshilflichen Einrichtungen zu verzeichnen. Im Jahr 2013 haben zwei Drittel aller Geburten in diesen regionalen Zentren stattgefunden. Dies ist ein Teil der Entwicklung - das ist erkennbar bei allen angekommen -, den wir nicht wegdiskutieren können und bei dem ich der festen Auffassung bin, wir sollten ihn gestalten. Zu dieser Gestaltung gehören Stichworte wie unterstützende Maßnahmen dort, wo es sich nicht verhindern lässt, dass die Wege weiter werden, und dass auch die hier bereits genannten Boarding-Konzepte gut und vernünftig ausgebaut wurden. Auch die Schulung von Rettungsdienstkräften gehört dazu, ebenso wie die Stärkung der ambulanten Versorgungsstrukturen und -netzwerke.

Auch die in den Anträgen genannten Instrumente wie die Abbildung der Geburtshilfe im Krankenhausplan oder ein Konzept der stationären Geburtshilfe durch regionale Akteurskooperation zu stärken, sind wichtige Ziele und stellen ganz wichtige Bausteine dar, die wir selbstverständlich bei der Geburtshilfe in Schleswig-Holstein einbeziehen. Mein Haus arbeitet - das wissen Sie - am Konzept zur Sicherstellung der stationären geburtshilflichen Versorgung in Schleswig-Holstein.

Natürlich holen wir uns Fachleute dazu. Diesen Auftrag hat uns der Landtag vor den Sommerferien gegeben. Ich finde es eigentlich ein bisschen schade, dass noch gar nicht anerkannt wurde, dass wir vor den Sommerferien einen dicken Bericht vorgelegt haben, der die Situation sehr genau beschreibt und der die Perspektiven und Handlungsnotwendigkeiten aufzeigt, auf denen wir jetzt alle aufbauen.

(Anita Klahn [FDP]: Oh!)

Ich will hier etwas zu Protokoll geben, das ich zwar schon häufig gesagt habe, das aber ein bisschen unterzugehen droht.

(Anita Klahn [FDP]: Der Bericht war eher dürftig!)

Der Krankenhausplan ist ein wichtiges Instrument. Aber er ist ein Instrument, um Träger zur Versorgung zuzulassen. Er ist kein Instrument, um Träger zur Versorgung unabhängig von Qualitätserfordernissen zwingen zu können. Selbstverständlich werden wir an keiner Stelle solche Kriterien definieren, die den fachlichen Mindeststandard der Leitlinien der Fachgesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe infrage stellen. Bereits im jetzigen Krankenhausplan haben wir qualitativ hochwertige Versorgungsstrukturen als Leitgedanken gehabt. Dies gilt

übrigens für alle Fachbereiche, auch für die Geburtshilfe.

Wir werden diesen Gedanken, wenn wir den Krankenhausplan überarbeiten, natürlich verstärkt in den Blick nehmen, ebenso wie die demografische Entwicklung, die wir schon jetzt haben und die sich zukünftig fortsetzen wird. Wir werden mit der Bearbeitung beginnen, sobald uns die derzeitigen Überarbeitungen, die auf bundesgesetzlicher Ebene erfolgen, bekannt sind. Das werden wir dann hier diskutieren und mit unseren neuen Anforderungen mit allen Beteiligten erörtern. Denn schon von Gesetzes wegen gehören die Krankenhausträger und die Krankenkassen dazu.