Ich möchte auch den letzten Punkt gern aufgreifen: Ja, wir müssen uns den Krankenhausplan genau angucken, gern überarbeiten, aber immer mit der obersten Priorität: Qualität, gesunde Kinder, gesunde Schwangere.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich ausdrücklich auch über den Antrag des Kollegen Dudda, der sich die Mühe gemacht hat, die vielen Anregungen von Montag in einen Antrag zu gießen, und würde mich sehr freuen, wenn wir am Ende eine gemeinsame Linie im Sozialausschuss finden würden. - Vielen Dank.
Das ist die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass der Antrag von Herrn Dudda jetzt ein Antrag der Piratenfraktion und der FDP-Fraktion geworden ist. Sie haben die Drucksache soeben auf den Tisch gelegt bekommen.
Jetzt gehen wir weiter in den Beratungen. Für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Anita Klahn das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass wir uns dem Antrag der PIRATEN anschließen konnten, weil er tatsächlich all die Probleme im Detail aufgelistet hat.
In der Art und Weise, wie Sie das eben vorgetragen haben, beschreiben Sie die Situation sehr genau. Ich
würde mir wünschen, dass Sie in der Regierungskoalition entsprechenden Einfluss haben, damit wir da jetzt wirklich vorankommen.
Denn die Geburtshilfe in Schleswig-Holstein hat, wie es zurzeit ausschaut, einen ganz schweren Stand. Wir haben rückläufige Geburtenzahlen bei gleichzeitiger Zunahme der Risikogeburten, erhöhte Qualitätsanforderungen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, niedrige Fallpauschalen für die Geburten, gleichzeitig die Verpflichtung, eine 24 Stunden an sieben Tagen die Woche zu leistende Versorgung. Das bringt Vorhaltungskosten mit sich mit zusätzlichen, exorbitanten Haftpflichtprämien. Tragische Unglücksfälle wie in Oldesloe und Sylt unterstützen die Vorbehalte gegen die kleinen Geburtshilfestationen zusätzlich. Letztendlich sind die geriatrischen Abteilungen einfach lukrativer. Wer will es da verdenken, dass die Krankenversicherungen und Krankenhausbetreiber da genau hingucken?
Sie haben es erwähnt, bis 2012 waren die Schließungen relativ unspektakulär. Die jungen Familien haben Ausweichmöglichkeiten gefunden, die sie akzeptiert haben. Mit der angedachten Schließung der Eckernförder Geburtsklinik wendete sich das Blatt. Die Kommunalpolitik hat sie erhalten. Leider haben wir das für Sylt und Oldenburg nicht hinbekommen. Liebe Kollegin Pauls, es geht nicht mehr nur um die Inseln und Halligen, sondern es geht inzwischen um ganz Schleswig-Holstein.
Wir diskutieren seit Jahresbeginn nahezu monatlich über die Entwicklung der Geburtshilfe in Schleswig-Holstein. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Landesregierung hier Lösungen anbietet und den Familien und Schwangeren angemessene Lösungen aufzeigt.
Sie haben Boardingkonzepte angesprochen. Das ist sicherlich richtig, aber Sie verweisen immer wieder auf andere Länder, ganz besonders gern auf Skandinavien. Dort gibt es Patientenhotels. Das ist etwas ganz anderes als Boarding. Wenn man hört, wie es übergestülpt wurde, wie es kurzfristig gemacht wurde, ist es sicherlich eine erste Lösung, Ferienwohnungen anzumieten, aber eine wirkliche Lösung ist das nicht.
Meine Damen und Herren, ich höre trotz aller Beteuerungen des Ministeriums, dass etwas getan werde und es voraussichtlich keine weiteren Schließungsabsichten gebe, genau das Gegenteil. Ich habe den Eindruck, dass es dem Ministerium an dieser Stelle nicht unangenehm ist, dass die Krankenversicherungen und Klinikbetreiber diese unangenehme Strukturentscheidung treffen. Denn bereits in den Jahren 1998/99 wurde im Rüschmann-Gutachten, das Ihnen allen bekannt sein sollte, auf den notwendigen Umbau der medizinischen Versorgung, und zwar in allen Disziplinen, bei einer sich verändernden Bevölkerungsstruktur hingewiesen. Eine ehrliche öffentliche Diskussion hat es dazu nicht wirklich gegeben.
Zum Vergleich mit der Geburtshilfe in anderen europäischen Ländern! Die Kollegin Rathje-Hoffmann hat auf die Veranstaltung des vdek hingewiesen. Dort wurde gesagt, dass wir in Ländern wie Portugal, Finnland, Schweden, Dänemark eine ganz andere Situation vorfinden. Ja, wunderbar. In Portugal leben 118 Einwohner auf einem Quadratkilometer, in Dänemark 129, in Schweden 22 und in Finnland 7. In Deutschland - ich muss ja die Länder im Ganzen vergleichen - leben 226 Einwohner pro Quadratkilometer, in Schleswig-Holstein immerhin noch 178.
Diese Zahlen zeigen auf, dass wir einen wesentlich höheren Bedarf haben. - Natürlich kann ich das im Durchschnitt berechnen, Frau von Kalben.
Beim Thema Säuglingssterblichkeit, das immer wieder angeführt wurde und wo darauf verwiesen wurde, dass Deutschland dort einen schlechten Status einnehme, möchte ich auf einen Bericht aus Österreich hinweisen. Dort werden schlicht die gemeldeten Daten angezweifelt. Die Zahlen wurden von den 184 bewerteten Ländern mit völlig unterschiedlichen Kriterien gemeldet, was die Bewertung von Lebend- und Totgeburten betrifft.
Wir haben in Deutschland einen ganz anderen Anspruch als die Österreicher. Bei uns wird das Kind als lebend geboren gemeldet, wenn es - ich sage es so; es ist eine traurige Geschichte - auch nur eine kurze Schnappatmung gemacht hat und dann verstirbt. Das wird in anderen Ländern ganz anders bewertet.
Holstein. Er ist in diesem Vergleich extrem hoch. Sie vermischen in der Argumentation um die Schließung der Geburtshilfe schlicht und einfach die Sterblichkeit bei Frühgeborenen unter 1.500 g mit normalen Geburten. Ich kann das nicht akzeptieren. An dieser Stelle sollten wir uns die ehrliche Frage stellen, wie viele hochspezialisierte Kliniken wir für diese Frühgeburten in Schleswig-Holstein brauchen.
Vom vdek wurde uns aufgezeigt, wir bräuchten eigentlich nur noch zwei. Dann sind aber die Landbereiche, die Westküste, Ostholstein, völlig ausgeblendet. Daraufhin wurde von dem Vertreter gleich korrigiert, dass wir natürlich auch andere Angebote bräuchten. Die Frage ist, in welchem Level sie da sein müssen. Das müssen wir ganz dringend klären.
Ich möchte zum Schluss kommen. Das SchwarzePeter-Spiel der Landesregierung ist für die Schwangeren, ehrlich gesagt, unwürdig. Wälzen Sie die Verantwortung nicht ab!
Zeigen Sie nicht auf andere! Frau Ministerin - ich sehe, Sie hören mir sehr aufmerksam zu -: Tun Sie etwas! Tun Sie etwas für die Schwangeren! Nicht nur Papiere! Handeln Sie!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um eines gleich vorwegzunehmen: Dieses Thema ist keines, an dem sich die Opposition wahltaktisch abarbeiten sollte. Auch alle anderen Fraktionen sollten das nicht tun. Es ist ein Thema, das Menschen berührt, weil es Menschen konkret und in einer besonderen Situation privat betrifft.
Geburtshilfe - das halte ich ausdrücklich fest - ist ein Thema, das allen hier im Raum hoffentlich gleichermaßen am Herzen liegt, das keine parteipolitischen Gräben aufreißen lassen sollte und das auf dem ersten Blick viel einfacher aussieht, als es in seiner Komplexität tatsächlich ist. Das haben alle gesundheitspolitischen Sprecher am Montag bei einem Empfang beim vdek, als wir das Thema Pränatalzentrum besprochen haben, mitbekommen. Ich danke dem vdek ausdrücklich dafür, weil es eine gelungene Veranstaltung war, in der wir sehr viel erfahren und gelernt haben. Das ist auch der Grund für den Änderungsantrag der PIRATEN zum CDUAntrag, dem sich die FDP angeschlossen hat.
Worum geht es? Nach den vielen Diskussionen und Gesprächen, nach Besuchen von aktiven Müttern mit Kindern und Hebammenaktivistinnen gelangte das Thema der Schließung von Geburtshilfestationen einmal mehr - muss man ja sagen - auf die politische Tagesordnung. Der Reflex der meisten von uns war damals: Geht gar nicht! Stationen müssen erhalten bleiben, um kurze Wege für die werdenden Mütter zu gewährleisten und so ein Mindestmaß an Qualität und Sicherheit sicherzustellen. Das war auch mein Reflex - das gebe ich zu. Das war auch ein Reflex, weil ich immer in Zorn gerate, vor allem, wenn auf Gewinnoptimierung ausgerichtete Privatkonzerne vermeintlich weniger gewinnbringende Stationen zugunsten lukrativer Stationen schließen.
Auch wenn ich in der Sache dabei bleibe, dass dies ein großes Problem ist, nehme ich mich an dieser Stelle ausdrücklich zurück und möchte das Gesamtproblem auf die Fakten lenken, die uns am vergangenen Montag von Herrn Dr. Koke vom MDK nahegebracht wurden. Wir alle kennen die Faktoren, die heute die Rahmenbedingungen für die Geburtshilfestation im Land setzen: rückläufige Geburtenzahlen, immer älter werdende erstgebärdende Mütter, steigende Risikofaktoren mit einhergehenden steigenden Anforderungen an die medizinische Qualität.
Man muss auch unangenehme Wahrheiten sagen können und sagen können, dass wir im Parlament und in der Politik auch lernen. Dazu gehört eben auch, dass der bloße Erhalt der behandelnden Geburtshilfestationen eben nicht mehr diesen Anforderungen Rechnung trägt. Wissenschaftlich untermauern konnte Herr Dr. Koke auch die unmittelbaren Zusammenhänge zwischen Qualität und der Geburtenanzahl und die Tatsache, dass die Entfernung zu
nächst nichts mit der Qualität der Sicherheit zu tun hat. Am Montag wurde die Vorsorge, die Hinführung zur Geburt, in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt - eine Perspektive, die für uns unmittelbare Konsequenzen für die Politik haben muss.
Politik muss ausgestalten, was Praxis erfordert. In diesem Fall habe ich den politischen Auftrag ausgemacht, ein regionales Konzept, einen Masterplan einzufordern, der allem, was wir wissen, allem, was wir dazugelernt haben, und allem, was für die Zukunft nötig ist, Rechnung trägt.
Der CDU-Antrag kam vor dem Gutachten und der wissenschaftlichen Betrachtung der Situation. Ich gebe zu, dass mich die Tatsache, dass SchleswigHolstein bei den Frühgeborenen im Bundesdurchschnitt schlechte Werte hat, sehr betroffen gemacht hat. Mich machen auch die bundesweit schlechten Werte im internationalen Vergleich betroffen. So hoffe ich, dass wir gemeinsam für Schleswig-Holstein und von Schleswig-Holstein ausgehend ein Zeichen setzen werden, dass wir nicht an den Erkenntnissen aus anderen europäischen Ländern vorbei an alten Merkmalen festhalten, weil es so schön einfach ist.
Ich wünsche mir, dass der Antrag von FDP und PIRATEN als Einladung zum Gespräch verstanden wird. Ich sage klipp und klar, was ich erwarte: Der Masterplan dazu muss öffentlich mit maximaler Transparenz entwickelt werden, damit er verstanden und akzeptiert wird. Seine Kernpunkte müssen von uns allen erklärt werden. Denn machen wir uns nichts vor: Wir haben zu viele Geburtshilfestationen, und es wird viel Vermittlungsarbeit notwendig sein, um die Skeptiker zu überzeugen.
Gleichzeitig sage ich: Diejenigen, die an alten Strukturen festhalten, sind nicht in der Mehrheit. Die ganz große Mehrheit der werdenden Mütter wendet sich gern an medizinische Spitzenzentren. Sie nehmen funktionierende Boardingkonzepte gut an.