Protocol of the Session on September 12, 2014

(Beifall SPD und SSW)

Das bedeutet aber auch, dass der Biolandbau derzeit finanziell wenig attraktiv ist. Hier brauchen wir ein klares Signal, Wertschätzung und Anerkennung der gesellschaftlichen Leistungen des Biolandbaus, um die Betriebe im Biolandbau zu halten. Wir haben deshalb nicht nur die Beibehaltungsprämie 2012 wieder eingeführt, das MELUR hat aktuell auch die Fördersätze angehoben. Denn die Produktionsweise geht mit Mehrarbeit und höheren Kosten einher. Das bedeutet, dass wir die sich ergebenden Spielräume durch die Neuberechnung der Durchschnittsprämie auf Bundesebene nutzen müssen. Wir müssen wie andere Bundesländer - so zum Beispiel Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern - den Ökolandwirten die Möglichkeit eröffnen, in die neuen Förderbedingungen zu wechseln.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Flemming Meyer [SSW])

Um aber einen signifikanten Schritt nach vorne zu kommen, brauchen wir eine strategische Ausrichtung. Daher sind wir dem Minister dankbar, dass das MELUR die Erarbeitung einer Gesamtstrategie für die Entwicklung des ökologischen Landbaus in Schleswig-Holstein in Auftrag gegeben hat. Nur wenn die Betriebe, Verbände, Institutionen, die Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam die Zukunft des Ökolandbaus gestalten, kann eine nachhaltige Entwicklung auf den Weg gebracht werden.

Die Nachfrage nach Bioprodukten wächst und wird weiter wachsen. Ein europäisches Forscherteam unter Leitung der Universität Newcastle hat im Rah

men einer Metastudie festgestellt, dass die Qualität von Lebensmitteln stark vom Anbau beeinflusst wird. Biologische Anbaumethoden führen zu höheren Gehalten an ernährungsphysiologisch erwünschten Inhaltsstoffen. Hier liegt auch der große Irrtum der EU-Ökoreform: Nicht die Abwesenheit von unerwünschten Substanzen entscheidet, was öko ist, sondern die besonderen Inhaltsstoffe und die Gestaltung der Produktionsabläufe.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

An diesem wachsenden Markt sollen auch schleswig-holsteinische Ökobetriebe teilhaben. Also muss über die Wertschöpfung durch Verarbeitung und Vermarktung, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und die Erschließung neuer Märkte nachgedacht und strategisch entschieden werden. Ein Öko-Kompetenznetzwerk Schleswig-Holstein kann einen entscheidenden Beitrag zur Etablierung ökologischer Landbauweisen leisten - ein Netzwerk, in dem das Wissen und die Initiativen über EU-Förderperioden, GAK-Rahmen und Legislaturperioden hinweg gebündelt werden.

Ganz wichtig ist mir, dass wir den Ökolandbau nicht gegen die konventionelle Landwirtschaft entwickeln wollen, nein, beides: nachhaltig und ressourcenschonend auf hohem Qualitätsniveau in der schleswig-holsteinischen Kulturlandschaft.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Daher bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. Den Änderungsantrag der CDU möchten wir insbesondere wegen der wichtigen Hinweise zu dem Förderprogramm „Vielfältige Kulturen im Ackerbau“ auch für die konventionelle Landwirtschaft in den Umwelt- und Agrarausschuss überweisen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Heiner Rickers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Eickhoff-Weber, Sie haben mich so angeschaut, als solle ich klatschen. Geklatscht habe ich nicht, aber in weiten Teilen sind wir nicht ganz

(Kirsten Eickhoff-Weber)

so weit auseinander. Ich werde versuchen zu erläutern, warum.

Unser Agrarminister auf Bundesebene - das haben Sie, denke ich, auch live in Potsdam am letzten Wochenende erlebt, Herr Minister -, hat - das zitiere ich mit Genehmigung des Präsidenten - wörtlich gesagt:

„Wir wollen alle zusammen ein gesundes Wachstum des ökologischen Landbaus ermöglichen. Er trägt wegen seiner ökologischen Vorteile und seiner Anforderungen hinsichtlich des Tierwohls entscheidend zur Gestaltung einer nachhaltigen Landwirtschaft bei.“

Dem können natürlich auch wir von der CDU uns nicht verschließen. Deswegen ist in der Grundaussage auch daran gar nicht zu rütteln.

Aber - da will ich schnell auf den Punkt kommen und nicht wiederholen, warum Ökolandbau in Schleswig-Holstein nicht so angenommen wird wie woanders - das Programm steht, und der Minister hat verkündet, dass die Fördersätze sowohl für die Umstellungs- als auch für die Beibehaltungsprämie ab 2015 sehr stark ansteigen, beim Ackergrünland von 0 € in unserer Regierungszeit auf immerhin fast 240 € je Jahr und Hektar und bei Gemüse sogar auf 360 € je Jahr und Hektar.

Wir alle kennen die Statistiken. Wir wissen auch, dass von öko auf konventionell rückumgestellt wird. Wir wissen auch alle, dass 2015 eine neue Förderperiode beginnt. Insofern wird es Zeit, darüber zu diskutieren.

(Unruhe)

Ich will Ihnen mit auf den Weg geben, was Sie alles bedenken können, wenn Sie nicht nur ideologisch an dieses Thema herangehen und Ihrem Klientel dienen wollen, sondern wirklich nachhaltig etwas für Schleswig-Holstein auf der ökologischen Seite erreichen wollen. Es kann nicht heißen: Nur der Ökobauer ist der gute Bauer, und der konventionelle nicht.

(Beifall CDU und FDP - Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Sehr schön: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, war es der Mais - ein schönes Zitat vom Landesbauerntag. Darauf kommen wir vielleicht noch. Wie gesagt: keine Ideologie. Deswegen fange ich mit den Punkten an, von denen ich fordere, sie bei einem Konzept zu bedenken. Ich würde mich freuen, wenn wir da eingebunden würden.

Denken Sie an die Ökobilanz. Herr Minister, Sie kennen den Artikel von Professor Taube aus dem letzten Monat, der auf diesem Gebiet seit über eineinhalb Jahren forscht. Die Ökobilanz ist ganz wichtig. Es geht um Produkteinheit, nicht immer nur um die Fläche. Sie wissen, dass der Ökolandbauer bei Wasser und Tierwohl weit im Vorteil ist, aber bei der Klimabilanz sieht es schlecht aus. Allen ist bekannt, dass wir beim Ökolandbau die doppelte Fläche für gleiche Mengen brauchen. Also eine Kuh braucht nicht einen Hektar, sondern zwei, und um eine Dezitonne Getreide anzubauen, brauchen Sie nicht einen Quadratmeter, sondern das Doppelte. Das macht die Klimabilanz so schwierig.

Sie wissen auch, dass wir eine gewisse soziale Komponente berücksichtigen sollen. Können wir uns alle teurere Lebensmittel erlauben? Können wir bei einer Milliarde hungernder Menschen auf dieser Welt wirklich in der Intensität in der Landwirtschaft produzieren?

(Zuruf Lars Winter [SPD])

Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Zwischenfragen sind nicht gestellt worden.

Können wir uns bei der sozialen Komponente wirklich erlauben, dass Lebensmittel wesentlich teurer werden, wenn alle Ökolandbau betreiben würden, und können wir uns erlauben, dass wir nicht exportieren und damit indirekt den Hunger auf der Welt schüren?

(Zurufe)

Wollen wir die Ökolandwirtschaft tatsächlich dauerhaft von einem Riesensubventionstopf abhängig machen? - Das kann doch nicht unser Ziel sein! Solche Höchstfördersätze zu gewähren und gleichzeitig die Schuldenbremse bis 2020 einzuhalten, wird schwer möglich sein. Sie wecken Hoffnung bei den Ökolandbauern, und diese Hoffnung kann auch ganz schnell ins Gegenteil umschlagen.

Herr Minister, bitte geben Sie uns auch eine Antwort auf die Frage, wie es mit einer Kappung, einer Degression aussieht. Stellen Sie sich vor, Sie hätten 1.000 ha und stellen auf Ökolandbau um. Dann bekommen Sie 300 € Hektarprämie aus dem EU-Topf und 240 € Prämie für den Ackerbau aus Ihrem Topf für Ökolandwirtschaft. Das sind schon

(Heiner Rickers)

rund 550 €. Dann würden Sie noch für Agrarumweltmaßnahmen - das haben Sie verkündet - eine Doppelförderung erhalten und erreichen damit eine Abhängigkeit vom Staat in Höhe von irgendwo zwischen 600 und 700 € Förderung pro Hektar. Bei 1.000 ha sind Sie schnell bei 600.000, 700.000, 800.000 oder 900.000 € pro Jahr. Ist das der richtige Weg? Brauchen wir nicht eine Kappung oder eine Degression?

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darüber sollten Sie nachdenken. Natürlich müssen wir - das haben Sie auf dem Landesbauerntag mitgenommen - mehr dazu übergehen, dass wir erfolgsorientierte Maßnahmen fördern, die das ganze Land nach vorn bringen, was die Ökobilanz angeht. Das sind die sogenannten Agrar- und Umweltmaßnahmen.

Ich würde mich freuen, wenn wir unseren Änderungsantrag im Agrarausschuss weiter diskutieren dürfen. Denn all diese Punkte sind für SchleswigHolstein wichtig. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Bernd Voß das Wort.

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist ja ganz neu, dass du für De- gression bist!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir merken, dass wir in Teilbereichen immer wieder neu zusammenrücken. Herr Rickers, vielen Dank, dass auch Sie sich jetzt für Kappung, für Degression aussprechen. Da hatten wir bisher einen Widerspruch miteinander. Das ist ein Fortschritt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Regierung hat bereits einiges bewegt, um den Ökolandbau in Schleswig-Holstein voranzubringen, und das ist gut so. Sie hat die Fehler der alten Landesregierung korrigiert, die Förderung für bestehende Betriebe zu streichen. Ökolandbau wurde wieder ein Leitbild der ländlichen Wirtschaftsentwicklung. Die Landesregierung hat dafür gesorgt, dass Schleswig-Holstein nicht mehr die rote Laterne unter den Bundesländern bei der Flächenförderung für

den Ökolandbau hat. Unter der alten Landesregierung war der Ökolandbau ein Stück weit ein Stiefkind. Die Landesregierung hat die Fördersätze angehoben, zunächst noch im alten ELER-Programm 2013 und vor Kurzem noch einmal einen draufgesattelt für das neue ELER-Programm, das ab 2015 greift. So weit die Pflicht, jetzt kommt die Kür.

Ziel muss letztlich das Wachstum sein. Frau Eickhoff-Weber hat deutlich gemacht, dass die Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung, sowohl dieser Bundesregierung als auch der schwarz-gelben Bundesregierung, 20 % vorsieht. Dafür muss sich in vielen Bereichen etwas bewegen. Das Wachstum ist kein Selbstläufer, auch nicht mit erhöhten Fördersätzen.

Wenn wir eine positive Entwicklung anschieben und nicht nur mit Finanzspritzen und zusätzlich einzelbetrieblicher Förderung herangehen wollen, dann wird es einiger anderer Dinge bedürfen. Denn dadurch erreicht man nur kurzzeitige Effekte, aber keine langfristige, nachhaltige Wirkung. Darum haben wir uns als Grüne bereits in der letzten Wahlperiode intensiv Gedanken darüber gemacht, welche Rahmenbedingungen es braucht, damit der Ökolandbau ein günstiges Klima bekommt, um sich im Land zu entwickeln.

Ich freue mich, dass das Ministerium jetzt aufbauend auf das Gutachten der Grünen-Landtagsfraktion aus dem Jahr 2012 eine Gesamtstrategie für den Ökolandbau gemeinsam mit verschiedenen Akteuren im Land entwickeln will und dazu bereits einen Auftrag erteilt hat. Für uns stehen Ökolandbau und konventionelle Landwirtschaft überhaupt nicht gegeneinander. Der Ökolandbau ist der Wegbereiter für eine insgesamt umweltgerechtere Landwirtschaft.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Weg kann und wird aber nicht sein, zurück zu einer Landwirtschaft der vergangenen Jahrhunderte zu gehen. Die Verfahren, Stallsysteme, Sorten, Maschinen, Geräte et cetera wurden durch die Pioniere des Ökolandbaus zwischenzeitlich weiterentwickelt, und sie müssen weiterentwickelt werden, damit die Landwirtschaft verbreitet diese Elemente aufnehmen kann, damit sie sich durchsetzen können.