Protocol of the Session on September 12, 2014

Frau Kollegin Midyatli, wir sollten die Reihenfolge nicht durcheinanderbringen. Es war ja nicht so, dass Ihr Innenminister vorgeprescht ist und wir jetzt handeln. Es war so, dass wir bereits im letzten Jahr einen Antrag vorgelegt haben, der ein Zweckentfremdungsverbot gefordert hat. Herr Kollege Kubicki, der Antrag ist im Ausschuss nicht abgelehnt worden. Nachdem sich bis heute nichts getan hat, sind wir in Vorlage gegangen und haben einen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt.

Herr Kollege Kubicki, ich möchte noch etwas zu den Studierenden sagen. Sie haben ja etwas leichtfertig gesagt, die sollen sich nicht so haben, die können auch einmal weiter weg von der Uni wohnen. Sie wissen, dass es in Schleswig-Holstein im Vergleich zu anderen Bundesländern unterdurchschnittlich wenig Wohnheimplätze gibt. Studierende, die weiter weg von der Uni wohnen wollen, sind darauf angewiesen, dass es zur Universität eine Anbindung gibt. In vielen Gegenden von Kiel oder Lübeck ist es zum Beispiel abends so, dass man gar nicht mehr zu Abendveranstaltungen der Universität kommen kann. Das heißt, dass nicht jede Wohnung auch für Studierende geeignet ist und dass bei kleinen Wohnungen ein besonderes Mietproblem vorhanden ist.

Das Mietgutachten des Innenministeriums hat ergeben, dass bei Wohnungen mit einer Größe von weniger als 40 m2 die Mieten in Schleswig-Holstein in den letzten Jahren im Schnitt um 5 % gestiegen sind. In Kiel oder Lübeck sind sie aber um 8 oder 9 % gestiegen. Wir haben somit durchaus ein besonderes Problem bei den kleinen Wohnungen, wie sie insbesondere Studierende benötigen.

Herr Abgeordneter Dr. Breyer, erlauben Sie eine Zwischenbemerkung oder -frage der Frau Abgeordneten Midyatli?

Herr Kollege Breyer, soll ich Ihre Ausführungen so verstehen, dass die Studierenden an der FH Kiel in Dietrichsdorf dort keinen bezahlbaren Wohnraum finden und wir die Studentenwohnheime noch

(Lars Harms)

weiter ausbauen sollten? Ihre Aussage ist sehr interessant.

- Frau Kollegin Midyatli, ich habe von dem speziellen Fall, den Sie nennen, gar nicht gesprochen, sondern von der allgemeinen Situation.

- Sie haben von Sylt gesprochen. Dann kann ich auch für die Studierenden sprechen.

- Das können Sie sehr gern. Allgemein ist die Situation für Studierende schwierig, wie Sie auch in den Stellungnahmen gegenüber unserem Landtag angegeben haben. Die Studierendenvertretungen in Lübeck und Kiel haben unseren Vorstoß ausdrücklich begrüßt und gefordert.

Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung oder -frage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Vielen Dank, Herr Präsident. - Lieber Herr Kollege, würden Sie mir zugestehen, dass erstens die möglichen Probleme im Personennahverkehr der Städte Kiel, Lübeck und Flensburg mit der Wohnraumsituation überhaupt nichts zu tun haben?

Würde es Ihnen zweitens einleuchten, dass wir es bei über 20.000 Studierenden an der Uni Kiel schwer hinbekommen würden, die alle um den Blücherplatz herum unterzubringen?

- Erstens. Nein, das gestehe ich Ihnen nicht zu -

(Zurufe PIRATEN, SPD und SSW)

Herr Abgeordneter, Sie dürfen dazu jetzt gern etwas sagen, wenn Sie möchten.

Für Studierende kommen von vornherein nur Wohnungen infrage, von denen sie auch ihre Universität erreichen können. Das liegt doch auf der Hand, Herr Kollege Kubicki.

Wenn Sie kritisieren, wir bräuchten keine generelle Lösung für ein regionales Problem, bitte ich Sie, auch zur Kenntnis zu nehmen, dass unser Gesetz

entwurf genau das vorsieht. Lars Harms, deswegen haben wir applaudiert, als Sie sagten, die kommunale Ebene solle entscheiden. Unser Gesetzentwurf sieht vor, dass jede Stadt und jede Gemeinde selber entscheiden soll, ob sie diese Probleme haben und ob sie dieses Instrument nutzen wollen.

(Beifall PIRATEN)

Herr Kollege Kubicki, ich kann nur sagen, Sie können gern Politik für Manhattan machen.

(Heiterkeit PIRATEN und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir machen Politik für Sylt, für die Städte im Hamburger Rand, für Lübeck, Kiel und Flensburg. Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN)

Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament sehe ich nicht. Wir kommen jetzt zur Landesregierung. Ich erteile Herrn Innenminister Andreas Breitner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt folgen Ausführungen für das ganze Land.

Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, Dauerwohnraum zu schützen. Erreicht werden soll dies durch ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum, über das die Gemeinden entscheiden können. Dazu zunächst zwei grundsätzliche Ausführungen: Erstens. Ja, auch die Landesregierung steht hinter dem Ziel, das Wohnen für unsere Bürgerinnen und Bürger dauerhaft zu sichern. Verschiedene Initiativen belegen das, so die erfolgreiche Offensive für bezahlbares Wohnen oder die Einführung der mietrechtlichen Kappungsgrenze, die noch in diesem Herbst beschlossen werden soll. Zweitens. Wir befürworten auch den Vorschlag, die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen zu stärken und ihnen das Instrument des Zweckentfremdungsverbots an die Hand zu geben.

(Beifall Wolfgang Dudda [PIRATEN])

- Damit - bevor Sie zu intensiv applaudieren - endet aber auch schon unsere Übereinstimmung mit Ihrem Gesetzentwurf. Der größte Teil meiner Rede befasst sich jetzt mit dem Gegenteil.

Der Entwurf ist ein Flickenteppich entsprechender Regelungen aus Bayern, Hamburg und Berlin. Sie haben zusammengefügt, was nicht zusammenpasst,

(Dr. Patrick Breyer)

an vielen Stellen nicht zusammenpasst, und vor allen Dingen auch nicht zu unserem Land passt. Rechtstechnisch fällt zum Beispiel auf, dass insbesondere durch die Übernahme von Regelungen aus Stadtstaaten die Zuständigkeiten im Gesetzentwurf nicht schlüssig sind. Kompetenzen, die dort dem Senat eingeräumt werden und sinnvollerweise in einer Hand liegen, sind im Gesetzentwurf an Gemeinden und Landesregierung verteilt. Ebenso haben wir inhaltliche Probleme mit dem Entwurf. Er lobt besonders, dass nicht nur bestehender Dauerwohnraum gesichert, sondern auch Ferienwohnungen in Dauerwohnraum zurückverwandelt werden sollen.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] und Uli König [PIRATEN])

Geplant ist also eine gesetzliche Rückwirkung mit all ihren verfassungsrechtlichen Problemen.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Wie in Ber- lin!)

- Ihr großes Vorbild ist Berlin. Richtiger Einwurf, Herr Dr. Breyer. Passt Berlin für Schleswig-Holstein? Ist dieses in den Gebieten Schleswig-Holsteins, die vom Tourismus leben, überhaupt vertretbar, oder droht hier nicht auch erheblicher Schaden für die Tourismuswirtschaft im Land? Das war eine rhetorische Frage. Dies muss sorgfältig abgewogen werden. Hier zeigt sich jedenfalls die Gefahr einer schlichten Übertragung von Regelungen auf Schleswig-Holstein, die für strukturell völlig andere Gebiete, wie hier Berlin, geschaffen wurden.

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer?

Nein, das tue ich nicht. - Noch ein letzter Kritikpunkt. Ich meine das konstruktiv. Durch das Zusammentragen verschiedener Regelungen nach dem Motto „Erlaubt ist, was gefällt“, ist ein sehr umfangreiches Gesetz entstanden, das einen erheblichen bürokratischen Aufwand verspricht. Stichworte sind zum Beispiel Sonderregelungen für Treuhänder oder Detailregelungen zur Datenerhebung und Datenverarbeitung. Ich habe lieber übersichtliche, schlanke und verständliche Gesetze statt abschreckende Bürokratie.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, Volker Dornquast [CDU] und Wolf- gang Kubicki [FDP])

Deshalb werfen wir einfach einmal einen Blick über die Landesgrenze, aber nicht Richtung Berlin, sondern Richtung Nordrhein-Westfalen. NordrheinWestfalen regelt die Befugnis zum Erlass eines Zweckentfremdungsverbots in einem Paragrafen seines neuen Wohnungsaufsichtsgesetzes. Daran könnten wir - ich betone: könnten wir - uns ein Beispiel nehmen, aber vorher diskutieren wir darüber.

Was plant nun die Landesregierung? Wir haben mit der Konzeption eines Wohnungsaufsichtsgesetzes begonnen, das sowohl auf einen angemessenen Wohnungsstandard hinwirkt als auch die Kommunen zum Erlass von Zweckentfremdungssatzungen befugt. Beide ordnungsrechtlichen Ansätze sind dann in einem Gesetz miteinander verbunden. Die sonderrechtlichen Handlungsmöglichkeiten der Kommunen zur Sicherung des Wohnbestandes werden umfassend dargestellt. Für unausgereifte Schnellschüsse sehen wir dagegen keine Veranlassung. Die Kommunen können Dauerwohnraum bereits jetzt durch städtebaurechtliche Erhaltungssatzungen durch § 172 des Baugesetzbuchs schützen. Auf der Insel Sylt wurde von dem Instrument bereits mehrfach umfangreich und erfolgreich Gebrauch gemacht.

Erinnern möchte ich abschließend daran, dass es in Schleswig-Holstein bis zum Jahr 2000 eine Zweckentfremdungsverordnung des Landes gab. Sie war bei den Kommunen nicht sonderlich beliebt. Es gab keine Gemeinde, die für eine Verlängerung der Verordnung plädierte. Stattdessen machten sich mehrere Gemeinden für eine vorzeitige Aufhebung stark.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört, hört!)

Das Zweckentfremdungsverbot, das Genehmigungsverfahren und Kontrollen nach sich zieht, wurde als sperriges Instrument - ich wiederhole also mein Zitat - mit hohem Verwaltungsaufwand empfunden, das die Kommunen belastete.

Bemühen wir uns also jetzt um einen mit den Kommunen sorgfältig abgestimmten Gesetzentwurf, der praktikable Regelungen enthält und dann auch vor Ort Wirkung zeigen kann. Das würde zu Schleswig-Holstein deutlich besser passen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Wolfgang Kubicki [FDP])

(Minister Andreas Breitner)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 18/2108 dem Innenund Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf: