Protocol of the Session on September 10, 2014

Das heißt, dass das auch sofort gelten soll, weil nämlich die Lehrerausbildung, also die Lehrkräfte, die noch kommen sollen, ja erst im Jahr 2022 zur Verfügung stehen werden. Darum sollen das auch jetzt die Lehrkräfte, die bereits in den Grundschulen und Sekundarstufe-I-Schulen unterrichten, bereits umsetzen. Das heißt, Sie reduzieren die Stunden für Sonderpädagogik in unseren Schulen zugunsten von Fachunterricht um die Hälfte.

Damit halbieren Sie die Ressourcen der Pädagogik, und das ist nicht in Ordnung. Wenn Sie ein solches Konzept auf den Weg bringen wollen, dann müssen Sie auch sagen, was Sie bereit sind, an Lehrerplan

(Heike Franzen)

stellen hier hineinzugeben. Wir haben heute Morgen im Rahmen der Haushaltsdebatte darüber debattiert.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Stegner, wir wollten 400 Planstellen mit einem Anteil in diesem Jahr von rund 50 Planstellen für die Sonderpädagogik bereitstellen. Da brauchen Sie mir mit Ihren Argumenten an der Stelle überhaupt nicht zu kommen.

(Beifall CDU - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD] - Weitere Zurufe SPD - Unruhe - Glocke Prä- sident)

- Entschuldigen Sie mal, Herr Stegner, die Zeit geht weiter. Sie sind stehengeblieben. Die Zeit dafür, dass Sie immer noch damit argumentieren, wir hätten schlechte Politik gemacht,

(Beifall CDU)

und Ihre schlechte Politik als angeblich ein bisschen besser darstellen, ist, glaube ich, vorbei. Sie sind seit zweieinhalb Jahren in der Regierungsverantwortung. Wir haben heute über den dritten Haushalt gesprochen, den Sie zu verantworten haben.

(Zurufe SPD)

- Genau, wunderbar! Wir haben entsprechende Anträge dazu gestellt. Die Anträge der Opposition zielten darauf, ab 1. August 2014 400 zusätzliche Planstellen zur Verfügung zu stellen.

(Unruhe - Glocke Präsident)

Das Wort hat die Frau Abgeordnete Franzen. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit den Worten der GEW enden, die den bildungspolitischen Sprechern heute eine E-Mail hat zukommen lassen, in der sehr treffend formuliert ist: Keine umfassende Beschreibung der Situation und der sich daraus ergebenden Schrittfolgen, fehlende Ressourcenplanung, fehlendes Konzept für die unterschiedlichen Professionen, fehlende Qualifikationsanforderungen für Schulassistenten und Schulbegleiter, Einsatz der Sonderschullehrkräfte, Zukunft der Förderzentren.

Meine Damen und Herren, die GEW hat recht. Ich bin nicht immer an ihrer Seite, aber an dieser Stelle bin ich es sehr wohl.

(Beifall CDU und Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir haben Ihnen vor den Sommerferien ein entsprechendes Konzept vorgelegt. Frau Ministerin, wir halten Ihr Konzept für die Inklusion nicht für tragfähig. Sie handeln nach dem Motto: Ich will alles auf einmal, egal, was es kostet, und wenn es das Wohl der Kinder in unseren Schulen ist. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Martin Habersaat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

„Schleswig-Holstein hat auf dem Weg zu einem inklusiven Schulsystem große Fortschritte erzielt. Schleswig-Holstein rangiert im bundesweiten Vergleich an erster Stelle. Dieser Erfolg beruht auf einem landesweiten Konzept zur Inklusion im Bildungswesen, das entgegen der Antragsbegründung nicht erst noch geschaffen werden muss: Es besteht bereits.“

Das war ein Zitat aus dem Inklusionsbericht, den uns die letzte Landesregierung vorgelegt hat, die uns in diesem Bericht mitgeteilt hat: Alles ist perfekt. Es gibt ein Konzept. - Das, liebe Frau Franzen, relativiert doch vieles von Ihrer künstlichen Aufregung, die Sie uns gerade hier präsentiert haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention ist ein großes - ich zitiere -:

„Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.“

Vor wenigen Monaten noch wäre das ein völlig unumstrittenes Ziel gewesen, auf das sich dieses Haus problemlos hätte einigen können. Immer gilt laut dieser Konvention, dass bei allen Maßnahmen, die

(Heike Franzen)

Kinder mit Behinderungen betreffen, das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt ist, der vorrangig zu berücksichtigen ist.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Diese UN-Konvention steht zur Umsetzung an. Wir diskutieren also nicht über die Frage, ob Inklusion verwirklicht werden soll, sondern darüber, wie das geschehen soll. Diese UN-Konvention wird die Schulen verändern, die Schulen in der Welt, in Deutschland und auch in Schleswig-Holstein. Dabei machen wir uns auf den Weg zu einem Ziel, das wir vermutlich nie ganz erreichen können, dem wir aber mit diesem Konzept ein erhebliches Stück näherkommen können. Ich bin Mitglied der größten regierungstragenden Fraktion und lobe das Konzept der Landesregierung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Da das in oppositionellen Kreisen in letzter Zeit häufig für Nachfragen sorgt, möchte ich an dieser Stelle auch sagen: Ich lobe es und habe kein Verhältnis mit dem Ministerpräsidenten, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Was nicht ist, kann ja noch kommen!)

Ich tue das aus Überzeugung und aus vier guten Gründen.

Erstens. Dieses Konzept legt Wert auf die Qualität der Bildungsangebote und lässt sich nicht auf einen Wettlauf um die höchste Quote ein. Das ist für Schülerinnen und Schüler, aber auch für Lehrerinnen und Lehrer und alle an Schule Beteiligten die entscheidende Botschaft. Wir wollen es gut machen. Dafür haben wir die Lehreraus- und -weiterbildung reformiert. Dafür wollen wir die Zahl der Sonderpädagogen an unseren Schulen ausbauen und verlässlicher gestalten. Frau Franzen, der Trick ist: Wenn Sonderpädagogen zur Hälfte ihrer Stelle in ihrem Fach und zur anderen Hälfte als Sonderpädagogen eingestellt sind, dann können wir, wenn wir die Zahl der Sonderpädagogik-Stunden gleichhalten, die Zahl der sonderpädagogischen Expertise an unseren Schulen verdoppeln. Das ist toll.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zweitens erkennt dieser Bericht an, dass Inklusion nicht ohne zusätzliche Ressourcen zu erreichen sein

wird. Auch da sei mir noch kurz ein Blick in den Rückspiegel gestattet - ich zitiere -:

„Die bisherige Entwicklung hat gezeigt, dass sich die inklusive Beschulung im Rahmen der vorhandenen Ressourcen verwirklichen lässt.“

Das war Kollege Klug. Das waren nicht wir. Das hielten wir damals schon für falsch. Jetzt freuen wir uns, dass ein Konzept vorliegt, dass das einräumt, meine Damen und Herren.

Wir wollen unsere Schulen durch eine zusätzliche schulische Assistenz stärken, für den Anfang mit 13,2 Millionen € im Jahr, und zwar zunächst die Grundschulen. Nun gibt es kritische Stimmen - das räume ich ein -, die den Vorwurf erheben, die Arbeitsplatzbeschreibung für die schulischen Assistenten sei noch nicht fertig. Das steht übrigens auch im Bericht; darin wird nichts anderes behauptet. Besser als Nörgelei wären jetzt Vorschläge, wie wir das denn konstruktiv gestalten können. Meine Damen und Herren, wir gestalten hier etwas Neues. Wir haben die Chance, Inklusion gemeinsam zu verbessern. Das könnte doch einmal ein Arbeitsansatz sein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Schulsozialarbeit wird langfristig durch das Land abgesichert. Da sprechen wir aktuell über 17,7 Millionen € im Jahr. In diesem Zusammenhang muss auch daran erinnert werden - Kollege Stegner hat das heute Vormittag schon getan -, dass wir die Schüler-Lehrer-Relation im Gegensatz zu unseren Vorgängern deutlich verbessern.

Letzter Punkt aus der Kategorie: Bis Ende 2015 soll die Zahl der im schulpsychologischen Dienst Tätigen verdoppelt werden. Das klingt nach einer großen Zahl. Wenn man weiß, dass das eine Erhöhung von 16 auf 32 ist, relativiert es sich. Aber auch das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Drittens wird ein Ziel formuliert, auf das alle Maßnahmen hin ausgerichtet werden können. Das Ziel ist eine Schule, die offen ist für alle jungen Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit, offen für Kinder mit oder ohne körperliche und/oder geistige Behinderungen und sonderpädagogischen Förderbedarf, offen für Kinder aus Bullerbü und aus der Bronx, wie es an einer Stelle formuliert wurde, offen auch für Spezialtalente und Hochbegabte. Langfristig sollen alle Schulen mit multiprofessionellen Teams und einer sonderpädagogischen Grundversorgung

(Martin Habersaat)

ausgestattet sein. Was ist das für ein großer Schritt nach vorn, wenn wir das schaffen?

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zukünftig sollen die Schulen so ausgestattet sein, dass sie ein Kind annehmen können, ohne dass erst die Mängel dieses Kindes festgestellt werden und wegen dieser vermeintlichen Mängel dann Sonderressourcen an diese Schule vergeben werden. Dazu ist - ich gebe es zu - ein großes Umdenken erforderlich. Aber als Ziel ist das doch etwas, hinter dem wir uns alle hier versammeln können, oder etwa nicht?

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)