Inklusion setzt gewaltige gesellschaftliche Veränderungen voraus; Veränderungen, die bereits begonnen haben, die aber noch lange nicht abgeschlossen sind. Deshalb reichen die Maßnahmen unseres Inklusionskonzepts als Teil des Inklusionsberichts auch über diese Legislaturperiode hinaus. Das Konzept besteht aus zehn Handlungsfeldern, auf denen die inklusive Beschulung qualitativ verbessert werden soll.
Eines der wichtigsten Handlungsfelder ist die Lehrkräftebildung. Mit dem gerade verabschiedeten Gesetz sind die Weichen für die Realisierung der inklusiven Schule bereits gestellt worden. Der Umgang mit Heterogenität und besonderen Förderbedarfen wird zukünftig zum festen Bestandteil aller Ausbildungsphasen gehören, und er wird ein Schwerpunkt der Lehrkräftefortbildung sein.
Des Weiteren sollen die Kriterien, nach denen Lehrkräfte für Sonderpädagogik im inklusiven Unterricht der Regelschulen eingesetzt werden, transparenter und verlässlicher werden. Regionale Steuerungsgruppen werden dafür die entsprechenden Maßstäbe entwickeln und für die Gestaltung der inklusiven Schule ein beständiges und offenes Dialogforum zwischen den Schulleitungen der allgemeinbildenden Schulen auf der einen Seite und den Förderzentren auf der anderen Seite schaffen.
Die Förderzentren bleiben selbstverständlich erhalten. Sie werden diejenigen Kinder und Jugendlichen unterrichten, die diesen geschützten Raum temporär oder vielleicht auch immer benötigen. Letzteres trifft insbesondere auf Schülerinnen und Schüler mit einer schweren geistigen und körperlichen Behinderung zu. In jedem Kreis beziehungsweise in jeder kreisfreien Stadt wird künftig mindestens ein Förderzentrum als ZiB, Zentrum für inklusive Bildung, ausgebaut. Die ZiB selbst haben keine eigenen Schüler. Sie sollen ausschließlich der Unterstützung der inklusiven Beschulung in den Regelschulen dienen und die Regelschulen beim inklusiven Unterricht unterstützen.
Eine inklusive Schule zeichnet sich dadurch aus, dass sie den unterschiedlichen Förderbedarfen prinzipiell selbst Rechnung tragen kann; Förderbedarfe, die von Lernschwäche bis hin zu Hochbegabung
reichen. Inklusive Schule gelingt deshalb nur, wenn entsprechendes Personal zur Verfügung steht. Auch das ist wichtig: Inklusive Schule benötigt mehr als gut ausgebildete Lehrkräfte. Inklusive Schule besteht aus multiprofessionellen Teams. Deshalb werden wir die Schulsozialarbeit verstetigen, indem das Land die bisher vom Bund gezahlten Mittel selbst aufbringt. Das sind in summa 18 Millionen €. Deshalb werden wir die Zahl der Schulpsychologen verdoppeln, und deshalb werden wir ab Sommer 2015 insgesamt 314 Assistenzkräfte etablieren, um so dem von Lehrerinnen und Lehrern immer wieder geäußerten Wunsch nach helfenden Händen nachzukommen.
Eckpunkte für die Qualifizierung der zukünftigen Schulassistenzkräfte wurden bereits am 27. Juni 2014 bei uns im Ministerium erarbeitet. Sie sollen jetzt im Dialog mit den Betroffenen weiterentwickelt und diskutiert werden. Das ist Dialog, meine Damen und Herren.
Der Qualitätssprung, der mit dem Aufbau einer multiprofessionellen innerschulischen Unterstützungsstruktur, bestehend aus lehrendem und nicht lehrendem Personal, einhergeht, kann aus meiner Perspektive nicht hoch genug veranschlagt werden; es ist ein Quantensprung, mit dem Kosten in Höhe von mehr als 30 Millionen € verbunden sind.
Meine Damen und Herren, ich will keinen Wettbewerb um die höchste Inklusionsquote, sondern ich möchte die Qualität unserer Inklusion verbessern.
Die Entwicklung hin zu einer inklusiven Schule benötigt Zeit und einen langen Atem. Ich lade Sie alle ein, diesen Prozess konstruktiv zu begleiten und mitzugestalten. Inklusion ist keine rein schulische Aufgabe, Inklusion ist ein gesellschaftlicher Auftrag,
eine Herausforderung an unser Denken, unsere Menschlichkeit und unser Handeln. Lassen Sie uns diese Herausforderung gemeinsam annehmen und gemeinsam gestalten.
Fest steht: Inklusion fängt in den Köpfen und Herzen der Menschen an, und sie hört bei den Ressourcen nicht auf.
Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir 20 Damen der Frauenunion aus Rendsburg. Das sind Gäste der Frau Abgeordneten Katja RathjeHoffmann. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die SPD-Fraktion mit einem Dreiminutenzuschlag, weil die Regierung drei Minuten länger gesprochen hat, der Herr Abgeordnete Martin Habersaat.
- Für die SPD-Fraktion? - Moment. Ich höre gerade, die CDU-Fraktion spricht zuerst. Das ist hier falsch aufgeschrieben,
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, man mag es kaum glauben, dass Sie für dieses Inklusionskonzept, das heute vorliegt, ganze zwei Jahre gebraucht haben, zwei Jahre, obwohl Sie dieses Thema zu Ihrem Topthema machen wollten. Selbst in diesem Jahr wurde es noch zweimal verschoben, einmal wegen des Gerichtsurteils zur Schulbegleitung und einmal wegen der erweiterten Möglichkeiten durch die frei werdenden BAföG-Mittel. Beide Verschiebungen können aber nichts mit dem Bericht zu tun haben, der uns heute vorliegt.
Die Schulbegleitungen kommen in Ihrem Bericht überhaupt nicht vor. Also kann das Urteil nicht der Grund für die Verschiebung gewesen sein.
Die benannten BAföG-Mittel können es auch nicht gewesen sein, meine Damen und Herren; denn in Ihrem Bericht ist Folgendes zu lesen:
„Die in dem Bericht angekündigten Maßnahmen orientieren sich an den verfügbaren Ressourcen, um dem Gebot der Haushaltskonsolidierung Rechnung zu tragen. Deshalb sollen die zusätzlichen Planstellen, die ab dem Schuljahr 2014/15 zur Verfügung stehen, vorrangig dazu genutzt werden, um die Unterrichtsversorgung der allgemeinbildenden Schulen - und dort die Sekundarstufe I - zu verbessern … Darüber hinausgehende Steigerungen, etwa im Bereich der Lehrkräfte für Sonderpädagogik,“
Das, meine Damen und Herren, meinen Sie, Frau Ministerin, auch ernst; denn laut Haushaltsentwurf gibt es auch für das Schuljahr 2015/16 nicht eine einzige zusätzliche Planstelle für die Sonderpädagogen.
Anschließend wird auf den Aufbau der Schulassistenzen verwiesen. Dies ist schön. Aber, meine Damen und Herren, die Schulassistenzen können nicht die Fachlichkeit von Sonderpädagogen an unseren Schulen ersetzen. Eigentlich hätte die Devise heißen müssen: erst die fachliche Expertise der Sonderpädagogen, dann die Schulassistenzen. Das jedoch, was Sie jetzt machen, ist „Sonderpädagogik light“.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ausweitung der Stellen für die Schulpsychologen wird mit Lehrerstellen refinanziert und geht damit zulasten der Unterrichtsversorgung. Und die so viel gelobte Finanzierung der Schulsozialarbeit wird bei den Kommunen kaum ankommen, wenn der Innenminister seine fatalen Pläne zum FAG umsetzen wird.
Ihr Konzept ist nicht einmal fertig. Die Ressourcensteuerung soll verbessert werden. Die Parameter dazu sollen in diesem Schuljahr erarbeitet werden. Das Gleiche gilt auch für die neu zu bildenden „Zentren für inklusive Bildung“. Die Aufgabenbeschreibung wird ebenfalls erst jetzt bearbeitet. Das sind zwei ganz zentrale Stellschrauben in Ihrem Konzept. Was haben Sie eigentlich in den letzten zwei Jahren gemacht?
Meine Damen und Herren, ein klares Bekenntnis zu Förderzentren sieht auch anders aus als das, was die Ministerin hier gerade vorgestellt hat. Die Förderzentren für geistige Entwicklung und schwere körperliche Behinderungen dürfen noch ein bisschen bleiben. Mit dem neuen Planstellenzuweisungsverfahren haben Sie denen allerdings massiv die Planstellen und somit die Lehrkräfte entzogen. Jetzt unterrichten hier Erzieherinnen und Erzieher. Das ist nicht deren Aufgabe. Wie kompensieren Sie das? Nicht etwa mit zusätzlichen Lehrkräften in die Schulen hinein, nein, den Erzieherinnen und Erziehern soll jetzt der Status des Fachlehrers anerkannt werden. Das ist für die Arbeit der Erzieher schön, aber auch das ist „Sonderpädagogik light“. Diese Personen sind nämlich nicht mit einer Lehrbefähigung ausgestattet.
Und für die Förderzentren Lernen ist klar, wohin die Reise geht. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler an den Schulen soll weiter verringert werden. Das wird unweigerlich zu weiteren Schließungen dieser Schulen führen, und das alles, ohne die notwendigen Ressourcen an sonderpädagogischen Lehrkräften an den allgemeinbildenden Schulen bereitzustellen.
Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter. Mit der neuen Lehrerausbildung wollen Sie den Stundenanteil der Sonderpädagogen in unseren Schulen noch weiter reduzieren. Ich zitiere aus dem Bericht:
„Denn durch die erweiterte Ausbildung für den Fachunterricht können diese Lehrkräfte künftig im Umfang bis zur Hälfte ihrer regelmäßigen Arbeitszeit auf Planstellen der allgemeinbildenden Schulen eingesetzt werden.“
Das heißt, dass das auch sofort gelten soll, weil nämlich die Lehrerausbildung, also die Lehrkräfte, die noch kommen sollen, ja erst im Jahr 2022 zur Verfügung stehen werden. Darum sollen das auch jetzt die Lehrkräfte, die bereits in den Grundschulen und Sekundarstufe-I-Schulen unterrichten, bereits umsetzen. Das heißt, Sie reduzieren die Stunden für Sonderpädagogik in unseren Schulen zugunsten von Fachunterricht um die Hälfte.