Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe bereits in den letzten Wochen gesagt und wiederhole es gerne: Ich persönlich werde gern über vieles besser, intensiver und konstruktiver mit allen hier beraten. Denn auch das ist Opposition. Opposition bedeutet, dass man sich vieles wünschen, aber nicht ohne Weiteres umsetzen kann. Das ist doof. Ein von den PIRATEN vorgelegter Haushalt hätte sicherlich anders ausgesehen. Wir hätten wohl eher den Blick für jüngere Menschen gehabt und auch für die zukünftigen Generationen. Die Maxime unserer Haushaltspolitik wäre sicherlich nicht: Wir sparen, koste es, was es wolle.
Nun kommt normalerweise der Einwurf, dass wir doch selbst Vorschläge unterbreiten sollten. Aber auch das ist Opposition: Wir müssen aufzeigen, wo es bei Ihnen hakt.
Ich erlebe eine Regierung, die sich vor allem durch Überheblichkeit auszeichnet, die eigenmächtig ist und den von ihr vor der Wahl beschworenen Dialog meist und am liebsten mit sich selbst führt. Diese Regierung hat die Bodenhaftung verloren. Das Auftreten Ihrer Bildungsministerin ist nur das augenfälligste Beispiel dafür, wie man Koalitionen gegen sich schmiedet, die es eigentlich gar nicht gibt. Sie verhindern eine sachliche Auseinandersetzung, weil Sie selbst Personalquerelen und schlechtes Handwerk in den Vordergrund schieben. Sie tun das immer wieder, und das schadet einer seriösen Politik. Wir erinnern uns an die Geschichte um den Datenschutzbeauftragten und an die laufende Diskussion über die Landeszentrale für politische Bildung.
In einem Interview hat der SPD-Fraktionsvorsitzende dazu dem NDR gegenüber sinngemäß gesagt, die Opposition möge sich nicht aufregen, sondern Wahlen gewinnen. Dann könne sie ebenso schalten und walten. Ich sage dazu: Jede Oppositionsfraktion in diesem Landtag ist gut beraten, diese Regierung in Zukunft nicht zu kopieren.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, haben ein Schulgesetz verabschiedet, das vordergründig mehrere hundert Stellen Personal generiert, ohne dabei die Unterrichtssituation für alle auch nur im Ansatz zu verbessern. Wir teilen viele bildungspolitischen Ideen, wollen die Gemeinschaftsschulen und eine bessere Lehrerbildung. Aber uns war klar, dass diese Ideen zurzeit nicht zu finanzieren sind.
Wir wollen zuerst eine Verbesserung der Unterrichtsversorgung, und wir wollen uns auf den Weg machen, diese annähernd zu 100 % zu erfüllen. Wir wollen als progressive Partei eine Basis schaffen, die eine gute Ausgangslage für die Verwirklichung von richtigen Ideen bietet. Sachlichkeit vor Ideologie und Gutsherrenart!
Es kann doch nicht sein, dass von den Lehrerplanstellen, die Sie jetzt nicht abbauen, keine einzige in den Primarbereich gehen soll, obwohl seit dem 1. August durch viele politisch gewollte Veränderungen dort zum Lehrermangel noch weitere Aufgaben, zum Beispiel durch die Veränderungen bei der Leistungsbewertung, hinzukommen.
Wir wollen das, und wir haben dazu auch einen Antrag gestellt. Aber dann muss man auch diese Schulen personell stärken. Darum hätten wir die Planstellen gebraucht, die die Opposition vor der
Sommerpause gefordert hatte. Das wollten Sie nicht. Da waren Sie mit den Planstellen für Gymnasien und Gemeinschaftsschulen zufrieden. Wir jedoch können diese Zufriedenheit nicht teilen. Dort, wo Ideologie über Sachlichkeit siegt, müssen wir Nein sagen, auch wenn wir Ihre Ziele grundsätzlich teilen. Mit dieser politischen Gutsherrenart verprellen Sie politische Unterstützer und machen Sie Ihre eigenen Ideen kaputt. Wir können den Eltern doch nicht ernsthaft sagen, dass sich alles zum Guten wenden werde, wenn erst einmal die geburtenschwachen Jahrgänge kommen. Das Warten auf Schülerrückgang ist doch kein Regierungshandeln; so jedenfalls stellen wir uns das nicht vor.
Jetzt kann gern jemand von der Regierungsbank aufstehen und die gut 700 Lehrerplanstellen bewerben, die nicht gestrichen werden. Am Ende bleiben weniger Lehrerstellen im System, sodass der Kollege Stegner in der darüber geführten Debatte auf Nachfrage deutlich sagte, dass wir von einer 100prozentigen Unterrichtsversorgung noch lange weit entfernt bleiben werden. Das ist die Generationengerechtigkeit dieser Regierung: „Es tut uns leid, aber ihr seid einfach im falschen Jahr geboren!“
Wer über Schule redet, der muss auch über Hochschulen reden. Die Hochschulrektorenkonferenz hat für ihren Bereich eine Berücksichtigung bei der Verteilung der BAföG-Millionen eingefordert. Zu Recht formulierte der Präsident der CAU damals, dass wir auch heute für diejenigen sorgen müssten, die morgen unsere Smartphones und Computer bauten. Aber bevor über eine gesunde Finanzierung der Hochschulen und der Universitäten nachgedacht wurde, haben Sie sich für eine teure Lehrerbildung entschieden, von der bis heute niemand weiß, wie sie am Ende finanziert wird. Dass die vorgelegten Daten nichts, aber auch gar nichts mit einer seriösen Finanzplanung zu tun haben, weiß in diesem Land jeder. Das konnte auch gar nicht gelingen mit einer Ministerin, die den Begriff „Wirtschaftlichkeitsprüfung“ gar nicht kennt und nicht weiß, was sich dahinter überhaupt verbirgt.
Auch hier siegte Ideologie über Sachlichkeit. Das ist, war und bleibt traurig. Über Folgekosten hat diese Regierung überhaupt noch nicht nachgedacht.
Gleiches Gehalt für gleich langes Studium findet der Kollege Habersaat zwar fair, und es ist auch nichts dagegen zu sagen, dass diese faire Bezahlung aber zulasten der heutigen Gymnasiallehrer geht, das bleibt im Raum stehen.
Wie fair dies Gymnasiallehrer finden, werden wir sehen, wenn die Pläne der Regierung, die heute noch sehr diffus sind, Realität werden.
Aber nicht nur im Bildungssektor fehlen Stellen. Wenn wir Sie jetzt fragen, wie die Personalsituation in den Justizvollzugsanstalten aussieht, bekommen wir regelmäßig zu hören, dass alles paletti sei. Dabei ist der Krankenstand mit 31,42 Tagen enorm hoch. Er ist doppelt so hoch wie bei allen anderen Beamtinnen und Beamten und Landesbediensteten. Der Vergleich mit allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Land ist noch erschreckender. Hier beträgt der Faktor 2,5.
Durch diese dünne Personaldecke werden die restlichen Angestellten im Justizvollzug stärker belastet. Aber nicht nur dort gibt es das Problem; Angebote für Häftlinge, deren Resozialisierung notwendig ist, werden übermäßig oft abgesagt. Sie können Häftlinge nicht einfach wegsperren und hoffen, dass sich dieses Problem von allein erledigen wird. Der Vollzug ist eine Aufgabe des Landes, an deren Ende die Resozialisierung stehen muss.
Das nächste Beispiel ist Vion. Der Mitarbeiter, der den Schlachthofskandal aufgedeckt hat, ist nach wie vor krank, seine Zukunft ist ungewiss. Dass sich dieser Mitarbeiter getraut hat, in Anbetracht der Zerstörung seiner Existenz diesen Skandal aufzudecken, genießt meinen größten Respekt. Ich kann aber nur allen davon abraten, es ihm gleichzutun. Offensichtlich ist ein solches Verhalten politisch nicht gewollt. Anders kann ich das Im-StichGelassen-Werden durch die Regierung nicht deuten, zumal es nicht das erste Mal ist. Ein solches Verhalten haben wir schon vor Jahren miterlebt. Es ist doch absurd, dass Mitarbeiter aus Angst vor der Zerstörung der persönlichen Zukunft Missstände, die die Gesundheit aller Menschen gefährden, verschweigen. Dieses Verhalten der Landesregierung ist nicht neu, auch schon Regierungen vor ihr haben so reagiert. Vor diesem Hintergrund muss man doch jedem davon abraten, gegen sein Gewissen zu handeln. Das kann und darf jedoch nicht Ziel sein. Wir müssen froh sein über jeden und jede, der oder die Missstände aufdeckt. Hier müsste endlich von Ihnen, Herr Albig, ein Zeichen kommen. Lassen Sie uns doch gemeinsam versuchen, das Bundesbeamtengesetz zu ändern.
Das Bekenntnis zum Verbraucherschutz in Ihrem Koalitionsvertrag ist anscheinend nur ein Lippenbekenntnis. Sie tönen groß von Optimierung der Beratungsangebote. Die Verbraucherzentralen in Schleswig-Holstein sind seit Jahren in Finanznot. Aber wenn Optimierung bedeutet, dass der Standort Heide gefährdet ist, haben Sie Ihren Koalitionsvertrag definitiv erfüllt. Jedes Jahr aufs Neue ist die Verbraucherzentrale gezwungen, als Bittsteller aufzutreten. Dass die Verbraucherzentralen wichtig sind, muss ich Ihnen sicherlich nicht sagen. Ich tue das schließlich jedes Jahr. Ich weiß, dass wir eine Schuldenbremse haben. Es ist wichtig, den Schuldenberg für die nächsten Generationen abzutragen. Dies darf aber nicht zulasten der Bürgerinnen und Bürger gehen. Diese Probleme sind hausgemacht, ergeben sich aber aus dem politischen Gesamtkonstrukt.
Von den allgemeinen Finanzierungs- und Struktursorgen einmal abgesehen, kennen wir die Unzufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UKSH aus vielen Gesprächen und persönlichen Eindrücken. Ich nenne nur das Stichwort Tarifautonomie und erinnere an Menschen, die vor dem Landeshaus im wahrsten Sinne des Wortes vor Wut schäumten. Sich als Regierung in der Weise einzumischen und die Menschen zu knebeln, ist - unabhängig von der Sinnhaftigkeit eines TVL-Beitritts ein Unding und wird von uns PIRATEN kritisiert.
Wieder einmal erleben wir die inzwischen leider bekannte Gutsherrenart dieser Regierung, die immer und immer wieder von der Sache ablenkt und die Menschen gegen sich aufbringt, und zwar auch die, die ihre Rechte bei der Sozialdemokratie gut aufgehoben hofften. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich in diesem Kontext an dieser Stelle ein besonders schönes Zitat bringen muss, und zwar eines von ver.di-Verhandlungsführer Steffen Kühhirt aus den Demo-Tagen:
„Die SPD ist in der Arbeitnehmer-VerarschePartei angekommen, und da nützt es auch nichts, dass Herr Stegner ab und zu den linken Clown geben darf.“
Wenn das also in Arbeitnehmerkreisen so angekommen ist, dann darf ich die SPD hier im Landtag als stärkste Regierungsfraktion fragen: Wofür stehen Sie denn eigentlich noch?
Dies sind nur einige wenige Beispiele. Diese zeigen aber auf erschreckende Weise, dass Ihnen Menschen anscheinend egal sind. Sie lassen sie Stück für Stück im Stich. Ich muss mich wirklich fragen, ob das die soziale Politik ist, für die Sie vermeintlich stehen. Sie bringen strukturiert Menschen gegen sich auf. Ansonsten ist vieles reiner Aktionismus.
Da wir gerade bei Aktionismus sind: Ihren Aktionsplan „Politische Jugendbildung“ haben wir mit initiiert und finden wir gut. Den Aktionsplan „Homophobie“, der dringend nötig ist, tragen wir mit, um nur ein paar Beispiele zu nennen. „Und nun?“, fragt der Bürger. „Tja, das war‘s“, sagt die Regierung. Dass ein Aktionsplan nur einmal eine Finanzierung für seine Umsetzung erhält, ist uns klar. Aber was passiert dann? Aktionsplan gemacht und aus die Maus? Wir hätten uns nach einem Aktionsplan eine nachhaltige Verankerung gewünscht. Das geschieht nicht. Damit bleibt Ihre Politik auch in diesen Bereichen kurzatmig und auf schnelllebige Effekte aufgebaut.
Oder nehmen wir das „Jahr der kulturellen Bildung“. Alles schön und gut. Aber wenn die mehr oder weniger geglückte PR-Aktion der beteiligten Ministerinnen keinen nachhaltigen Niederschlag in der Politik findet, halte ich solche Ereignisse für entbehrlich. Was machen wir denn nun mit den ästhetischen Unterrichtsfächern? Wo bleibt eine gezielte Lehreranwerbung für diese Fächer? Alles Fehlanzeige. Alles nur für den Moment geplant.
Oder nehmen wir das Inklusionskonzept der Landesregierung. Das sollte im Frühsommer auf dem Tisch liegen. Dass es verschoben wurde, fanden wir in Ordnung, weil dann auch die Finanzierung der Schulbegleitung sichergestellt werden sollte. Nichts davon traf ein. Wir bekamen das Konzept zwar wie versprochen zu spät, dafür aber ohne Substanz. Wer eine Unterlegung des Konzepts mit den erforderlichen Personalressourcen erwartet hatte, musste leider eine Null vermerken. Dazu steht nichts im Konzept. Das bedeutet, dass der wichtige, der vielleicht einzige wirklich unstrittige und ungemein wichtige Bereich und die größte Herausforderung der Politik keine Antwort erhalten haben; denn auch hier gilt: Gute Ideen sind eine gute Sache, aber Politik ist, wenn es konkret wird, und konkret wird hier nichts. Da hat eine Ministerin ihre inklusionspolitischen Kinderträume skizziert und mehr nicht.
Dabei gibt es dringende Probleme: Mein Kollege Sven Krumbeck beschäftigt sich seit Langem und intensiv mit der Situation der pädagogischen Hilfen in den Förderzentren. Sie leisten einen Großteil
der Unterrichtsstunden ab. Das wird aber nicht anerkannt. So bleiben sie günstige Ersatzlehrer, die jedoch nicht so gesehen werden, weil ein Erlass das verbietet. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, arbeiten diese hochengagierten Menschen praktisch im Niemandsland ohne entsprechende Anerkennung und Vergütung. Auch da hatte die Ministerin eine Idee, die aber von den Experten in ihrem Haus gleich wieder verworfen wurde und es nicht mal in Papierform schaffte. Die pädagogischen Hilfen indes warten immer noch auf eine Lösung. „Mensch“, möchte man da rufen, „machen Sie endlich die Augen auf, und machen Sie Politik für dieses Land und seine Menschen und nicht an beiden vorbei!“.
Wie Sie an Menschen vorbeiregieren, sehen wir auch bei der Grundsicherung. Sie wollen die Finanzierung der Grundsicherung neu regeln. Wenn dadurch bei den Menschen mehr ankommt, dann ist das eine gute Idee. Überschattet ist dies aber durch den wohl berechtigten Vorwurf der Selbstbedienung, der die sachliche Diskussion schon im Vorfeld überlagert. Der Bund wollte die Kommunen in der Grundsicherung entlasten. Was aber machen Sie? Sie streichen die gesamten 36 Millionen € an Landesmitteln. Jetzt frage ich Sie: Wo bleibt da die geplante Entlastung der Kommunen? Sie spielen hier linke Tasche - rechte Tasche, und das zulasten der ohnehin schon klammen Kommunen. Auch hier gilt: Sie machen durch Ihr Vorgehen vieles in der Diskussion kaputt, was einen sachlichen Diskurs verdient hätte. Sie zeigen in Perfektion, wie man Menschen gegen sich aufbringt, das muss man Ihnen lassen.
Herr Albig, da wir gerade bei Fragen sind: Im Mai letzten Jahres sind Sie nach Tallinn gereist und fassten den Besuch wie folgt zusammen:
„Bei einer Reise geht es auch darum, was wir von den Ländern lernen können. Estland ist zum Beispiel sehr weit im Bereich von Internet und elektronischer Kommunikation.“
„Ich habe Estland in meinen Besuchen als ein technologisch fortschrittliches Land erlebt, das vor allem im Bereich Internet führend und vorbildlich ist. Das Land nutzt die Möglichkeiten sehr viel stärker als Deutschland. Warum soll uns das nicht auch gelingen?“
Sie wollen fortschrittlich sein. Wieso finden wir dann auch in diesem Jahr keine Mittel für solche Vorhaben im Haushalt?
Den ersten Schritt sind wir gegangen. Nach vielen Diskussionen werden die Ausschusssitzungen endlich gestreamt. Haushaltspläne werden nach unserer Initiative veröffentlicht. Der nächste Schritt, den wir gerne mit dem Finanzministerium gehen wollen, ist die Veröffentlichung von Daten über die tatsächlichen Ausgaben. Aber ein wirkliches Open Government, bei dem der Bürger sich durch das Internet Behördengänge sparen kann - Fehlanzeige. Während Schleswig-Holstein noch im analogen Zeitalter schlummert, sind andere Bundesländer bereits zehn Schritte weiter. Es werden Konzepte geschaffen und Projekte entwickelt. Herr Albig, Sie müssten nicht einmal etwas Neues erfinden. Bei anderen Bundesländern abkupfern, kann auch manchmal gut sein.
Für meinen letzten Satz möchte ich mich präventiv bei den Kollegen Kubicki und Callsen entschuldigen; denn es bleibt mir nur noch festzustellen, dass wir mit unseren doch linken Themen bei den Kollegen von CDU und FDP ein offeneres Ohr finden als bei Ihnen, liebe Koalition.