Protocol of the Session on September 10, 2014

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann haben Sie mich falsch verstan- den!)

- Sie haben gesagt, Investitionen in Bildung seien Investitionen, die in die Quote eingerechnet werden müssten, Investitionen in die Natur seien Investitionen, die in die Quote eingerechnet werden müssten. Sie müssten auch sagen, Investitionen in Sozialleistungen seien Investitionen, die in die Quote eingerechnet werden müssten, und zwar analog der Überzeugung von Frau Kraft: Sozialleistungen, die wir heute ausgeben, ersparen Sozialleistungen in

(Wolfgang Kubicki)

der Zukunft. Ich halte einen solchen Ansatz nicht nur für unökonomisch, sondern auch für wenig aussagekräftig, weil er uns nicht dazu führt, die wirtschaftlichen Kennziffern zu berücksichtigen, auf denen unser Haushalt letztlich basiert.

Wenn ein Haushalt dann gut ist, wenn man darin von Wachstum redet, dann ist dieser Haushalt gemessen an Ihren eigenen Definitionen hundsmiserabel. Könnte dieser Haushalt reden, dann würde er uns viel über Stagnation und Rückschritt erzählen. Wer bei diesen erschütternden Zahlen noch behauptet, er könne Schleswig-Holstein irgendeine vernünftige Zukunftsperspektive bieten, der führt die Menschen bewusst in die Irre.

Frau Ministerin Heinold, da hilft es nicht, wenn Sie jetzt für das Jahr 2018 generös eine Steigerung der Investitionen um 100 Millionen € angekündigt haben. Erstens sind Sie dann sicher nicht mehr im Amt, und zweitens werden Sie die Investitionsquote bis 2018 auf ein derart zukunftsvernichtendes Maß heruntergedrückt haben, dass in dieser Situation 100 Millionen € zusätzlich kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sind.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Mit dieser Politik zerstören Sie Zukunftschancen für Schleswig-Holstein, und zwar so nachhaltig, dass sich das Land hiervon lange nicht erholen wird.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie mir nicht glauben, dann lesen Sie entweder die aktuelle „Spiegel“-Titelgeschichte, oder hören Sie vielleicht ausnahmsweise auf Ihren eigenen Verkehrsminister. Der erklärte nämlich bei der Plenardebatte im Juli, dass die Landesstraßen im Jahre 1990 noch in einem guten Zustand waren. 24 Jahre und 22 Jahre SPD-Regierungsbeteiligung später sind mehr als 50 % dieser Straßen sanierungsbedürftig. Hätten wir in dieser Zeit 280 Millionen € investiert, hätten wir bis heute sage und schreibe 900 Millionen € Erhaltungsinvestitionen gespart, so der Verkehrsminister. Auch das neu aufgelegte Sondervermögen reicht hinten und vorn nicht, um des Sanierungsstaus Herr zu werden, so Minister Meyer.

(Zuruf Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

- Lieber Kollege Andresen, ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt. Wahrheiten tun manchmal weh, jedoch sind das Wahrheiten. Diese können Sie auch nicht durch noch so viele schöne Erklärungen wegwischen.

(Beifall FDP und CDU)

Das heißt, wer hier heute spart, der lässt seine Kinder am Ende mindestens dreifach bezahlen. Wer die Investitionsquote senkt, handelt nicht gerecht, sondern zutiefst rücksichtslos. Wenn die Steigerung der Investitionsquote keine Zukunftspolitik ist, was denn sonst? - Dies können Sie bei Ihrem Lehrmeister, bei dem Sie einmal Sprecher waren, getrost nachlesen, Herr Ministerpräsident Albig. Vor diesem Hintergrund klingen die Worte Ihrer ersten Regierungserklärung nur noch hohl und leer. Sie sagten hier nämlich, die Unternehmen hier im Land „brauchen Infrastruktur, die nicht nur behauptet wird, sondern auch kommt“.

(Beifall FDP und Hans-Jörn Arp [CDU])

Herr Ministerpräsident, recht hatten Sie. Allerdings haben Sie selbst bis jetzt in dieser Frage fast nur behauptet. Die Menschen im Land, die tagtäglich auf dem Weg zur Arbeit unter den katastrophalen Straßenschäden leiden, erwarten endlich Taten und keine Behauptungen. Wer so offensichtlich gegen die eigenen Ankündigungen handelt, der kann sich entweder gegenüber seinen Kabinettskollegen nicht durchsetzen oder will es nicht, weil ihm die politische Richtung egal ist. Beides wäre ein Armutszeugnis für einen Ministerpräsidenten. SchleswigHolstein kann sich weder eine Lame Duck noch einen Grüßonkel leisten. Sie wurden nicht gewählt, um einen Zustand zu beschreiben oder zu beklagen und hilflos nach Berlin zu zeigen. Sie sind gewählt worden, um diesen Zustand zu verändern. Genau das tun Sie aber offensichtlich nicht.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Herr Ministerpräsident, Sie müssen sich die Frage gefallen lassen: Glauben Sie selbst, dass Sie Ihrer Verantwortung für das Land noch gerecht werden, wenn Ihre Regierung das Gegenteil dessen tut, was Sie selbst als gut und richtig definiert haben? Meinen Sie, dass Sie noch die Richtlinien der Politik bestimmen; und zwar so, wie Sie es selbst für richtig halten? Die Menschen im Land können mit Recht hieran zweifeln.

Herr Kollege Dr. Stegner, wenn Sie einmal im Land umherfahren und nicht nur bei eigenen Parteifreunden zu Gast sind, dann werden Sie sehen, hören und erleben, wie besorgt die Menschen dieses Landes um die zukünftige Entwicklung in Schleswig-Holstein sind.

Aus einem Landeshaushalt kann man grundsätzlich mehr ablesen als die finanzpolitischen Schwerpunktsetzungen der Regierung. Es sind die kleinen, haushaltspolitisch vielleicht eher unbedeutenden Punkte, die Aufschluss darüber geben, wie die

(Wolfgang Kubicki)

Stimmungslage innerhalb der Regierung ist, wie viel Innovationsfreude und wie viel Resignation im weiteren Regierungshandeln stecken. Besonders der Einzelplan 03 gibt hierüber beredt Auskunft. Es ist eine Binsenweisheit: Je größer die Distanz zwischen den politischen Entscheidungsträgern und der Bevölkerung wird, je größer die Alltagsernüchterung auf Regierungsseite ist, umso mehr zieht sich der Herrscher in sich selbst zurück und konzentriert sich auf Repräsentation. So ist es auch hier.

(Beifall FDP und vereinzelt PIRATEN)

Es ist jetzt geplant, den Haushaltstitel Repräsentationsmittel der Staatskanzlei innerhalb von zwei Jahren insgesamt um fast 59 % zu erhöhen. Mit anderen Worten: Der Ministerpräsident legt einen seiner politischen Schwerpunkte prozentual gesehen auf seine präsidiale Darstellung.

(Beifall FDP und Uli König [PIRATEN])

Wer glaubt, dass er auf diesem Weg das Land voranbringt, verwechselt sein eigenes Wohl mit dem Wohl des Landes. 30 % weniger Investitionen, aber 60 % mehr Repräsentation helfen Schleswig-Holstein nicht und Ihnen auch nicht, Herr Ministerpräsident.

(Beifall FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist aber nicht der einzige Hinweis im Einzelplan 03, der darauf hindeutet, dass es nicht mehr so gut um die Stimmungslage innerhalb dieser Koalition steht. Ein paar Seiten weiter finden wir folgenden interessanten Haushaltstitel namens „Zukunftsentwicklung des Landes Schleswig-Holstein“. Fairerweise sei hinzugefügt, dass es diesen Titel schon seit einigen Jahren gibt; allerdings hat die Albig-Regierung diesen inhaltlich neu ausgestaltet. Der Ministerpräsident dachte sich wahrscheinlich zunächst: Zukunft ist für alle gut, deshalb stocke ich diesen Titel um das 2,4-fache auf. In Prozentzahlen ausgedrückt: Das sind für das Jahr 2015 genau 238 % dessen, was im Haushalt 2014 als Soll ausgepreist ist.

In den Erläuterungen zu diesem Titel finden wir folgenden, wahrscheinlich ziemlich arglos in den Entwurf hineingeschriebenen Hinweis: Die Stabsstelle Koordinierung und Planung der Staatskanzlei ist neben der Steuerung des Arbeitsprogramms der Landesregierung unter anderem zuständig für den Bereich „Koordinierung der Koalitionspartner und Verbindungsreferententätigkeiten“.

Das ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Weder ein Ministerium noch die Staatskanzlei dürfen sich nur einseitig politischen Interessen ver

pflichtet fühlen. Wenn die Koordinierungsarbeit der Koalitionsfraktionen mit Steuermitteln geleistet wird, dann ist das vor dem Hintergrund der bisherigen Zusammenarbeit der Koalition vielleicht notwendig, erlaubt ist das aber noch lange nicht.

(Beifall FDP)

Es ist tatsächlich auch parlamentarisch ganz offensichtlich unfair. Die Oppositionsfraktionen im Schleswig-Holsteinischen Landtag bekommen gemäß Fraktionsgesetz den Oppositionszuschlag in Höhe von je 60.000 € ja gerade als Nachteilsausgleich. Diese Regierung stellt den Nachteil mit dem Aufblasen dieses Haushaltstitels aber wieder her. Wer hier noch glaubt, es gehe beim Haushaltstitel „Zukunftsentwicklung des Landes Schleswig-Holstein“ um das Land Schleswig-Holstein, der muss sich schwer getäuscht fühlen. Es geht hier zunächst einmal um die Zukunft der Koalition.

Es gibt in einem Haushalt viele Möglichkeiten, die Zukunft des Landes zu gefährden. Die Koalition ergreift fast alle. Ich nenne das Stichwort Wissenschaftspolitik. Wir erinnern uns: Ministerpräsident Albig erklärte in seiner richtungweisenden Regierungserklärung am 13. Juni 2012 vor diesem Hohen Hause Folgendes:

„Wir brauchen unsere Hochschulen als Impulsgeber, als Kreativzentren für innovative Produkte, Verfahren und Methoden. Sie sind die Basis für den derzeitigen und - wichtiger noch - auch für den künftigen Wohlstand unseres Landes. Wir müssen so viel besser, innovativer und kreativer sein, als wir im internationalen Standortwettbewerb, vor allem bei den Arbeitskosten, teurer sind.“

Zusammengefasst: Gut ausgestattete Hochschulen sind die Grundlage für unseren künftigen Wohlstand. Herr Ministerpräsident, die Antwort Ihrer Regierung, lautet hierzu: Sie senken die Zuschüsse an die Hochschulen des Landes um fast 5,7 Millionen €, trotz zusätzlicher BAföG-Millionen und trotz sprudelnder Steuereinnahmen. Das ist Ihre Art, für künftigen Wohlstand zu sorgen. Damit nicht genug: Das eigens für den Sanierungsstau bei den Hochschulen vorgesehene Sondervermögen soll jetzt mit dem Haushaltsbegleitgesetz abgeschwächt werden. Die Hochschulen im Land haben diese Sanierung dringend nötig, das ist jedem hier im Hohen Hause klar. Jetzt wird laut Gesetzesbegründung aber um Folgendes ergänzt:

„Die Zweckbestimmung des Sondervermögens wird erweitert um Maßnahmen, die die vom UKSH genutzten Gebäude betreffen.

(Wolfgang Kubicki)

Hierfür kann Bedarf entstehen, soweit die Bauaufgaben nicht dem UKSH übertragen und von diesem in Zusammenarbeit mit einem privaten Partner erfüllt werden.“

Mit anderen Worten: Teile der baulichen Sanierung des UKSH werden auf Kosten der Hochschulen des Landes geleistet. Das war definitiv nicht Sinn und Zweck dieses Sondervermögens. Ich erwarte auch von den Abgeordneten von SPD, Grünen und SSW, dass sie sich gegen diese hochschulfeindlichen Pläne ihrer Regierung stellen.

(Beifall FDP)

An dieser Stelle wird es wirklich Zeit, mit einer großen Legendenbildung dieser Koalition aufzuräumen. Die führenden Repräsentanten dieser Koalition haben mehrfach erklärt, dass ihr politischer Schwerpunkt bis 2017 auf die Bildungspolitik gelegt wird. Der Ministerpräsident erklärte am 18. Juni dieses Jahres vor den angeblich respektlosen, törichten und dummen Demonstranten, dass diese Landesregierung so viel Geld für Bildung ausgebe wie noch nie in der Geschichte des Landes. Wir haben für den Haushaltsentwurf 2015 nachgerechnet und Bemerkenswertes festgestellt: Das ist absolut und relativ falsch. Herr Ministerpräsident, im kommenden Jahr will Ihre Regierung, exakt 1.964.319.900 € für Schul- und Hochschulpolitik zahlen. Zum Vergleich: In allen drei Haushaltsjahren unter Schwarz-Gelb hat das Land nicht nur relativ, sondern sogar absolut mehr Geld für die Schulund Hochschulpolitik bereitgestellt. Selbst im Haushaltsjahr 2010, in dem wir am wenigsten für diese Bereiche ausgegeben haben, lag dieser Ansatz um gut 20 Millionen € höher als im Jahr 2015 unter Rot-Grün-Blau.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viel schlimmer aber ist das, was wir jetzt für die Öffentlichkeit dokumentieren: Relativ gesehen sank der Anteil der Bildungsausgaben inklusive der Ausgaben für Kindertagesstätten gemessen am Haushaltsvolumen von 17,35 % im Jahr 2011 auf jetzt nur noch 14,93 %. Wenn das Ihre Schwerpunktbildung ist, wenn das Ihre Investitionen in die Zukunft sind, dann haben Sie hier komplett versagt.

(Beifall FDP)

Hören Sie also auf, sich hier als die Koalition der Bildungspolitik darzustellen. Die Zahlen sagen etwas ganz anderes. Noch einmal: Wir dokumentieren das jetzt für die schleswig-holsteinische Öffentlichkeit genau.

Sie haben nicht nur mit Ihrer vollkommen verkorksten Bildungspolitik das Vertrauen bei den Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern und Eltern zerstört sowie bildungspolitische Maßnahmen auf den Weg gebracht, von denen Sie überhaupt noch nicht wissen, wie Sie diese finanzieren können, sondern auch die künftige Lehrerbesoldung die Finanzierung der Inklusion stehen in den Sternen und diese Sterne stehen nicht günstig für Sie.

Sie stecken auch noch weniger als die Vorgängerkoalition ins System. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie weit bei Ihnen Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, dann ist er hiermit vollbracht.

Herr Ministerpräsident, dieser Haushaltsentwurf Ihrer Regierung dokumentiert Stagnation, Stillstand und Perspektivlosigkeit. Er sagt mehr über Ihr Regierungshandeln aus, als Ihnen lieb sein kann.

Die Menschen können aber erwarten, dass die Regierung dem Land eine politische Richtung vorgibt. Der Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss den Menschen zeigen, welches seine Ziele und Pläne für die Zukunft des Landes Schleswig-Holstein sind. Das muss mehr sein als die Verteidigung von Positionen und Posten. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat deren Fraktionsvorsitzender, der Herr Abgeordnete Torge Schmidt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe bereits in den letzten Wochen gesagt und wiederhole es gerne: Ich persönlich werde gern über vieles besser, intensiver und konstruktiver mit allen hier beraten. Denn auch das ist Opposition. Opposition bedeutet, dass man sich vieles wünschen, aber nicht ohne Weiteres umsetzen kann. Das ist doof. Ein von den PIRATEN vorgelegter Haushalt hätte sicherlich anders ausgesehen. Wir hätten wohl eher den Blick für jüngere Menschen gehabt und auch für die zukünftigen Generationen. Die Maxime unserer Haushaltspolitik wäre sicherlich nicht: Wir sparen, koste es, was es wolle.