Protocol of the Session on September 10, 2014

Technisch, haushälterisch, mag das vielleicht richtig sein, aber darum geht es doch gar nicht. Wir haben uns entschieden, die Investitionen, die wir aus Einmalzahlungen vornehmen können, in Sondervermögen abzubilden. Ich gehe jetzt nicht auf die Kritik, was dieses angeht, ein, sondern sage, dass genau dieser Weg dazu führt, dass sie nicht Teil der Investitionsquote sind. Ohne den Investitionsbedarf völlig zu relativieren, werden wir Grüne nicht müde, darauf aufmerksam zu machen, dass die Investitionsquote als Kennziffer unzureichend ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Abgeordneter Lars Harms [SSW] - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Sie spiegelt nur bestimmte Haushaltstitel wider, nämlich Baumaßnahmen, den Erwerb von beweglichen und unbeweglichen Sachen, Beteiligungen an Unternehmen, Kapitalheraufsetzungen für Unternehmen und Darlehen. Alle anderen Ausgaben werden nicht bei der Berechnung der Investitionsquote berücksichtigt.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Natürlich braucht der Begriff Grenzen, damit er nicht beliebig wird. Dennoch gilt für uns auch und gerade: Bildungsausgaben sind wichtige Investitionen in die Zukunft des Landes und in unsere Kinder.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen einen Haushalt der Gerechtigkeit aufstellen. Dabei denke ich ausdrücklich an die Gerechtigkeit der Generationen, der Verantwortung für die uns nachfolgenden Menschen. Deshalb brauchen wir Investitionen in Klima und Bildung. Lieber Herr

Callsen, für uns ist auch eine Investition in Naturschutz eine Investition in die Zukunft - genauso wie Deichschutz.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann ist alles eine Investition!)

Auch die Energiewende ist für uns eine Investition in die Zukunft. Für sie sind im Haushaltsentwurf 1,2 Millionen € mehr eingestellt. Klimaschutz ist und bleibt unser grünes Thema. Das ist Zukunftsinvestition par excellence.

Meine Damen und Herren, drei Schwerpunkte will ich besonders hervorheben:

Erstens. Der Bericht gestern Abend im „SchleswigHolstein-Magazin“ über die falsche Kennzeichnung von Fleisch zeigt wieder einmal allzu deutlich: Wir brauchen eine verlässliche Finanzierung der Verbraucherzentralen. Wir setzen uns für eine Aufstockung der Landesmittel, aber auch für eine verursacherorientierte Finanzierung ein. Wenn die Fleischindustrie immer wieder Katzenfutter als Wurst verpackt, muss sie auch die Kosten für die Lebensmittelkontrolle tragen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Zweitens. Auch die Aufnahme der vielen Flüchtlinge, die in unser Land kommen und es bereichern, kann zur Zukunftsinvestition werden - nämlich dann, wenn wir den Menschen von Anfang an das Gefühl geben, dass wir sie in unserer Gesellschaft willkommen heißen, wenn wir ihnen die Möglichkeit eröffnen, unsere Sprache zu lernen, ihren Beruf auszuüben, wenn wir ihnen die Möglichkeit geben, sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen.

Drittens. Gerade das Flüchtlingsthema zeigt, dass wir mit den Kommunen in einem Boot sitzen. Der vorliegende Haushaltsentwurf stärkt die Kommunen. Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs befindet sich noch in der parlamentarischen Beratung, doch schon jetzt sind zusätzliche Mittel für die Kommunen eingeplant. Die Gesamtmasse soll um 13,5 Millionen € für die Schulsozialarbeit und 11,5 Millionen € für Infrastrukturmaßnahmen aufgestockt werden.

Zusammengefasst: Wenn wir Geld in die Hand nehmen, um mehr Lehrerstellen zu schaffen, sinkt die Investitionsquote. Wenn sich das Land an Unternehmen beteiligt - Stichwort HSH -, steigt die Investitionsquote.

(Eka von Kalben)

Wenn wir Grüne über Investitionen sprechen, denken wir an die Zukunft: an gedämmte Häuser, an Hörsäle und Labore in Universitäten, an moderne Krankenhäuser, an den öffentlichen Nahverkehr und an den Breitbandausbau in ländlichen Regionen. Sogar meine fast 90-jährige Tante berichtete neulich begeistert, dass ein neuer, schneller Internetanschluss bei ihr im Dorf nun regelmäßig die Möglichkeit gibt, mit ihrer Enkelin in Australien zu kommunizieren.

Wir dürfen auch als Konsolidierungsland den Anschluss an die Zukunft nicht verlieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir denken nicht an Leuchtturmprojekte und Wahlkreisgeschenke, sondern an notwendige Infrastruktur und an den Erhalt von Sicherheitsstandards an Gebäuden und Brücken. Ganz konkret sprechen wir zurzeit über die Sanierung des UKSH. Wir werden das am Freitag hier im Parlament behandeln. Ich bin froh, dass wir zumindest an dieser Stelle sehr große Einigkeit haben.

Fakt ist, dass wir neben den Pensionslasten und den Altschulden mit dem Verfall der Infrastruktur keine weitere Belastung auf den Schultern der kommenden Generationen aufladen dürfen. Das wäre zutiefst unsolidarisch, meine Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Die Haushaltsberatungen haben gerade erst begonnen. Wir werden unsere Schwerpunkte setzen. Ich lade auch die Opposition dazu ein, sich konstruktiv an der Gestaltung zu beteiligen. Wir haben einen guten Entwurf vorliegen. Wir haben gute Rahmenbedingungen. Jetzt liegt es an uns, den Haushalt im Sinne der Menschen in Schleswig-Holstein mit iTüpfelchen zu versehen. Ich freue mich auf die parlamentarischen Beratungen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir eine weitere Gruppe von Schülerinnen und Schülern der Klaus-Groth-Schule Neumünster. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, der Herr Abgeordnete Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zu dem eigentlichen Kern meiner Rede komme, möchte ich zwei Vorbemerkungen machen, eine betreffend den Kollegen Dr. Ralf Stegner und eine weitere betreffend die Finanzministerin dieses Landes. Beiden Reden habe ich sehr interessiert gelauscht.

Herr Dr. Stegner, wann immer Sie hier auftreten und beklagen, wie der Zustand dieses Landes nach zweieinhalb Jahren Schwarz-Gelb sei, muss ich daran erinnern, dass wir von 1990 bis Ende 2014 24 Jahre hatten, in denen 22 Jahre lang die Sozialdemokraten Regierungsverantwortung getragen haben.

(Beifall FDP - Zuruf Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir beklagen den Zustand unserer Straßen. Daran sind zumindest 22 Jahre sozialdemokratische Regierungsverantwortung mit beteiligt. Wir beklagen den Zustand unserer Schulen, unserer Bildung und Ausbildung, der sozialen Ungerechtigkeiten dort. Daran sind Sozialdemokraten zumindest 22 Jahre beteiligt. Das bei den vielen Angriffen, die wir ertragen müssen von Ihnen, Herr Dr. Stegner, zu erwähnen, scheint mir für die schleswig-holsteinische Öffentlichkeit wichtig.

(Beifall FDP und CDU - Zuruf Sandra Red- mann [SPD])

- Ich halte meine Rede nicht für Sie, damit Sie jetzt weinen oder nicht weinen, sondern ich halte meine Rede für die schleswig-holsteinische Öffentlichkeit, für die Menschen dieses Landes, die wissen wollen, wohin die Reise in diesem Land geht.

(Zurufe SPD)

Frau Ministerin Heinold, Sie wissen, wie sehr ich Sie schätze. Jetzt immer zu erklären, das, was die Haushaltsstrukturkommission 2009/2010 beschlossen habe, sei so grausam gewesen, und sie machten alles wesentlich besser, lässt leider unberücksichtigt, dass natürlich auch im Rahmen der weiteren Entwicklung das, was die Haushaltsstrukturkommission einmal beschlossen hatte, natürlich angepasst worden wäre - so wie auch Sie etwas anpassen.

(Eka von Kalben)

Ich kann mich - wenn Sie meine Worte schon zitieren - daran erinnern, dass es Sie und Minister Habeck waren, die in einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärt haben, eine Neuverschuldung null bis zum Jahre 2020 sei absolut unmöglich, mindestens 500 Millionen € würden übrig bleiben. Ich freue mich, dass Sie durch das sehr intensive Bremsen schon von Schwarz-Gelb - wir mussten anfangs einen Pfad bis 2020 beschreiten - heute eines Besseren belehrt worden sind und sich darüber freuen, bereits früher mit der gestellten Aufgabe fertig zu werden als ursprünglich geplant.

(Beifall FDP und CDU)

Die heutige Debatte über den Haushaltsentwurf der Landesregierung dient nicht nur dazu, den Blick auf das kommende Jahr zu richten. Vor dem Hintergrund, dass wir in diesen Wochen etwa die Hälfte der 18. Legislaturperiode hinter uns gebracht haben werden, muss in der Debatte ebenso der Rückblick auf zweieinhalb Jahre Rot-Grün-Blau gestattet sein. Darüber hinaus ist es natürlich auch notwendig, unsere Erwartungen an das Regierungshandeln nicht nur für das kommende Jahr, sondern auch für die Zeit bis 2017 und darüber hinaus zu formulieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne Neid oder Übertreibung können wir festhalten, dass die Koalition in den vergangenen zweieinhalb Jahren die Weichen erkennbar neu gestellt hat. Ob diese Weichen auch richtig gestellt sind, darüber kann man sicherlich trefflich streiten. Aber dass die Koalition bisher durchgreifend untätig gewesen ist, kann niemand ernsthaft behaupten. Allerdings allein mit dem Zurückschrauben der vielzähligen, vermeintlich schlechten und schädlichen Gesetze von Schwarz-Gelb hatte diese Koalition - weiß Gott auch viel zu tun.

Ohne Übertreibung kann man aber sicher auch sagen, dass die unüberhörbare Ankündigung dieser Koalition, eine neue Form der politischen Dialogkultur einzuführen, vielfach Enttäuschung hervorgerufen hat. Hatte der Ministerpräsident höchstselbst in seiner Regierungserklärung vom 13. Juni 2012 beispielsweise noch gesagt: „An allen Entscheidungen, die unsere Hochschulen betreffen, werden wir sie teilhaben lassen“, werden selbst die überzeugtesten Befürworter dieser Koalition solche Worte heute - etwa im Hinblick auf die turbulente Geschichte des Lehrerbildungsgesetzes - wahrscheinlich nicht mehr reinen Gewissens unterschreiben können.

(Beifall FDP)

Auch die Demonstranten, die der Ministerpräsident als „töricht, dumm und respektlos“ beschimpft hat ich muss mich jetzt korrigieren: die Plakate, die er als „töricht, dumm und respektlos“ beschimpft hat -, haben sich unter einer „neuen Dialogkultur“ sicher etwas anderes vorgestellt als das, was die Koalition in dieser Legislaturperiode zu Beginn zu vermitteln suchte. Die groß angekündigte „neue“ Dialogkultur dieser Koalition ist allerdings nur ein Beispiel, wo Rot-Grün-Blau zwischen selbstgestecktem Anspruch und der Wirklichkeit eine klaffende Lücke hat entstehen lassen.

Was die grundsätzliche finanzpolitische Perspektive eines Haushaltes angeht, haben Sie, Herr Ministerpräsident, in Ihren Reden vor diesem Hohen Hause zwei Wegmarken gesetzt, an denen Sie sich messen lassen müssen. Am 23. Januar 2013 erklärten Sie:

„Wir wollen, dass Schleswig-Holstein stärker wächst als in der Vergangenheit.“

Weiter sagten Sie in derselben Rede:

„Jeder gute Haushalt muss von Wachstum reden. Jeder gute Haushalt muss die Wachstumskerne, die ein Land hat, identifizieren und freisetzen.“

Ich habe Ihre Worte damals so verstanden, Herr Ministerpräsident, dass es auch Ihr Anspruch ist, einen „guten“ Haushalt vorzulegen. Wenn ich mir allerdings die Zahlen anschaue, dann zweifele ich daran ernsthaft und frage mich vielmehr: Könnte dieser Haushaltsentwurf reden, würde er sich dann nicht die Frage stellen, warum in ihm eine Investitionsquote von 6,7 % vorgesehen ist? Mit Ihrer erneuten Senkung der Investitionsquote auf den absoluten historischen Tiefstand tun Sie ja exakt das Gegenteil dessen, was Sie in der damaligen Rede selbst als gut und richtig definiert haben.

Wenn ich Frau von Kalben richtig verstanden habe, dann ist jeder ausgegebene Euro eine Investition.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann haben Sie mich falsch verstan- den!)