Protocol of the Session on July 9, 2014

Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun der Kollege Heiner Rickers.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben die Situation nur teilweise richtig beschrieben. Auch in Ihrem schriftlichen Bericht sind Statistiken bemüht worden und Zahlen ausgewiesen, die ich aufzuarbeiten versuche. Sie haben recht, dass 1,5 - vielleicht auch nur 1,3 - Millionen Schweine in Schleswig-Holstein gezüchtet werden. Sie müssen bedenken, dass zweimal im Jahr im Umlauf in einem Schweinestall geschlachtet wird. Wir erzeugen glücklicherweise - wir können auf den Qualitätsstandard stolz sein - in SchleswigHolstein 2,5 Millionen Mastschweine, die jedes Jahr irgendwo geschlachtet und verarbeitet werden müssen. Da kommen wir zum großen Knackpunkt. Nur 25 % dieser Schweine, also gut 600.000, werden in Schleswig-Holstein geschlachtet. Alle anderen müssen aus Schleswig-Holstein herausgefahren werden. Das haben wir beschrieben. Überlegen Sie einmal, welche Menge an Lkw jeden Tag auf der Straße unterwegs ist. Sie können sagen, dass das bei der letzten Landesregierung genauso wie bei Ihnen war, dass Sie nichts machen können, dass die Statuten so sind, wie sie sind. Es war aber nicht nur bei der letzten Landesregierung so. Der Markt ist eng. Die Konkurrenz ist groß. Es sind 300 Lkw, die vornehmlich nach Süden durch den Elbtunnel nach Niedersachsen fahren. Jetzt fahren sie nicht mehr nach Niedersachsen - auch das steht nicht in dem Bericht -, sondern auf der A 20 in Richtung Polen.

Der größte Vermarkter hier im Lande hat glaubhaft beschrieben, dass die Schlachtkosten in Polen und die Infrastruktur dorthin - die A 20 bis nach Stettin - so günstig sind, dass man aus Schleswig-Holstein mit einem vollgeladenen Lkw durchaus 180 bis 200 Mastschweine lieber nach Polen und nicht mehr nach Rheda-Wiedenbrück fährt.

Noch einen Größenvergleich, wieder Schweineschlachtung: Der größte Schweineschlachtbetrieb in Kellinghusen - Sie haben ihn genannt - schlachtet am Tag, wenn er alles auslastet und zu lange arbeiten lässt, vielleicht auch unter widrigen Bedingungen, weil die Leute 14 Stunden arbeiten müssen vielleicht einmal 2.000 Schweine oder - in Ihrer Statistik ausgedrückt -: drei Betriebe, die über die Meldequoten kommen und in der Woche mehr schlachten als angesagt, also 2.000 Schweine am Tag oder 15.000 Schweine in der Woche. Die Firma Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, der größte Schlachthof in Europa, schlachtet 25.000 Schweine am Tag.

Nun fragen wir uns: Ist das eine zu viel und das andere zu wenig? Oder müssen wir große Strukturen auch in Schleswig-Holstein stützen? 25.000 pro Tag, 100.000 pro Woche - Sie können sich ausrechnen, wie viele Lkw-Touren das in Schleswig-Holstein ersparen würde.

Wir sind auf das Thema Schlachthofkapazität - da bin ich dem Kollegen Kumbartzky äußerst dankbar - durch die Probleme beim Schlachtbetrieb VION gekommen. Richtig gesagt worden ist, dass wir nicht alles wieder aufarbeiten wollen. Wir sind uns einig: Tierwohl und Wertschöpfung brauchen nicht auf der Straße zu bleiben, sondern in SchleswigHolstein. Tierwohl und Wertschöpfung wollen wir nicht exportieren.

Ihre Aussage, Schlachtkapazitäten in SchleswigHolstein zu halten, können wir nur begrüßen. Das haben Sie auch schriftlich gesagt. Das sagt aber noch lange nicht aus, in welche Richtung das gehen soll. Sie könnten auch ein klares Bekenntnis dazu aussprechen, dass Sie die Strukturen - groß und klein, ich habe versucht, das darzustellen - in Schleswig-Holstein fördern. Dazu gehört eine vernünftige Infrastruktur. Dazu gehört auf jeden Fall auch die politische Aussage, dass Sie das, was Sie auf der Straße, im Lkw lassen, in Schleswig-Holstein ansiedeln wollen.

Glücklicherweise schlachten wir noch 90 % der Rinder hier in Schleswig-Holstein. Ein großer Schlachtbetrieb ist eben der in Bad Bramstedt. Er schafft es, im Jahr bis zu 50 % der hier produzierten

(Oliver Kumbartzky)

Rinder zu schlachten und zu verarbeiten. Insofern ist das nicht nur ein Global Player, sondern in Schleswig-Holstein auch ein wichtiger Player. Jetzt kommen die Dinge, die in der Vergangenheit nicht unbedingt dafür gesorgt haben, dass wir zukünftig solche Unternehmen in Schleswig-Holstein halten oder auch neu nach Schleswig-Holstein locken. Herr Minister, denken Sie darüber nach.

Wir haben über das Tiergesundheitsgesetz diskutiert. Von der Landesregierung wird darüber nachgedacht, 1 bis 3 % des Umsatzes bei Schlachtstätten oder beim Viehhandel tierseuchenpflichtig zu machen. Das wären bei 500 geschlachteten Rindern am Tag leicht 4.000 € täglich, die in den Tierseuchenfonds gehen sollen.

Das kann überhaupt nicht gehen. Denken Sie auch darüber nach, wie Sie die Fleischbeschau gemäß EU-Vorschriften anders organisieren wollen. In einer kleinen Struktur, in einem handwerklichen Betrieb können Sie die anliefernden Bauern nicht risikoanalysiert einschätzen und klassifizieren, indem Sie sagen: Die kommen aus einem Top-Betrieb oder einem schlechten Betrieb. Das schaffen Sie nicht, wenn in der Woche 50 Schweine geschlachtet werden. Das schaffen sie nur bei einem Großbetrieb wie in Nordrhein-Westfalen mit 25.000 Schweinen am Tag.

In sich ist Ihre Argumentation also nicht schlüssig. Was brauchen wir für Schleswig-Holstein? Ich fordere Sie deshalb auf: Entscheiden Sie sich für einen Weg. Blockieren Sie entweder das, was Realität ist, oder sprechen Sie sich für das andere aus. Dafür brauchen wir eine Gesprächsatmosphäre auf Augenhöhe. Wir brauchen auch einen Managementplan für Schleswig-Holstein. Der Ministerpräsident hat richtigerweise in diese Richtung argumentiert. Er fordert Gespräche auf Augenhöhe. Er fordert auch eine Ansprechstelle. Sie nennen es Ombudsmann. Wir nennen es vielleicht Krisenstab im Ministerium.

Zum Schluss erlauben Sie mir noch zu fragen: Warum hat es keine rechtzeitige Reaktion in Ihrem Ministerium - das sollten Sie öffentlich beantworten - auf Hinweise eines Whistleblowers gegeben, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist? Die Antwort auf diese Frage sind Sie uns schuldig geblieben. Sie haben nur gesagt, dass Sie heute wieder so arbeiten würden wie im Februar.

(Beifall CDU)

Das können wir nicht in allen Punkten unterstützten. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und Oliver Kumbartzky [FDP])

Das Wort für die Fraktion der SPD hat die Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich glaube, ich habe einen anderen Bericht bekommen. Ich danke dem Minister für den Bericht mit der Überschrift „Schlachtkapazitäten in Schleswig-Holstein“. Nichts anderes war gefragt, aber eine Menge mehr steht drin.

Die Vorgänge um den Schlachthof in Bad Bramstedt sind von vielen Stimmen als überzogen und unangemessen bezeichnet worden. Das sehe ich ganz anders. Hier hat es Missstände gegeben. So war die vorübergehende Schließung für Mensch und Tier die Ultima Ratio. Den Berichten des Ministers und den Darstellungen der Presse entnehmen wir, dass sich die Verhältnisse mittlerweile deutlich gebessert haben, sowohl für die Lebensmittelsicherheit als auch für das Tier.

Die europäische Schlachtbranche hat in den letzten Jahrzehnten einen großen Strukturwandel erfahren. Deutschland hat sich im Schlachtbereich zu einem Billiglohnland entwickelt. Unsere Nachbarländer sind empört, denn dort verschwinden die Betriebe und damit die Arbeitsplätze, und die Tiertransporte dauern immer länger. Es gibt scharfe Kritik. Sie richtet sich gegen Niedrigstlöhne und unwürdige Arbeitsbedingungen auf deutschen Schlachthöfen, vornehmlich für Werkarbeiter aus osteuropäischen Ländern und deren unzumutbare Arbeits-, Sozial- und Wohnbedingungen. Die Kostendegression in großen Schlachthöfen ist das Ergebnis unwürdiger Arbeitsbedingungen.

Im Januar konnte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten nach zähen Verhandlungen mit der Arbeitgebervereinigung einen Mindestlohntarifvertrag für die deutsche Fleischwirtschaft abschließen. Das ist eine Stufenlösung, die hoffentlich am 1. August 2014 beginnt, keine Unterschiede zwischen Ost und West macht und auch für Leih- und Werkarbeiter gilt. Der Mindestlohn ist die Chance, dass sich Strukturen in der Fleischbranche entflechten und entwickeln.

(Beifall SPD und SSW)

(Heiner Rickers)

Auch in Schleswig-Holstein können Schlachtbetriebe und fleischverarbeitende Unternehmen eine wirtschaftliche Zukunft haben.

Für den Bericht bedanke ich mich, denn er führt aus, dass sich die Landesregierung bei ihrer Förderung der Verarbeitung und der Vermarktung von Fleisch auf regional orientierte Unternehmen konzentrieren wird. Aber auch die Förderung größerer Vorhaben wird in besonderen Fällen nicht ausgeschlossen. Der Erhalt von Schlachtkapazitäten in Schleswig-Holstein ist wichtig.

In Deutschland gibt es ein Überangebot an Schlachtkapazitäten, aber nicht in Schleswig-Holstein. Ganz im Gegenteil: In Schleswig-Holstein aufgewachsene Tiere werden über weite Strecken transportiert, bis sie endlich geschlachtet werden. Für die Fleischbranche ist das kein Problem, denn die Kosten dafür sind niedrig. Für die Tiere ist dies aber eine erhebliche Belastung. Das ist nicht im Sinne des Tierwohls, und der Tierschutz muss uns ein hohes Gut sein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Abläufe in den Schlachtbetrieben müssen optimal sein. Unnötiges Leiden, verursacht durch Mängel im Ablauf oder durch fehlende Qualifikation, kann nicht geduldet werden. Da bedarf es ausreichender und unabhängiger amtlicher Kontrollen und im Falle von Missachtung des Tierschutzes auch deutlicher Konsequenzen. Das gilt auch für die hygienischen Bedingungen in den Schlachtbetrieben und die Fleischbeschau. Hier darf nicht mit dem Ziel gespart werden, Zeit zu gewinnen und Kosten zu senken. Eine qualifizierte Kontrolle ist absolut notwendig. Dabei liegt es in der Verantwortung des Kontrollierenden, ob nur geschaut oder auch geschnitten und getastet wird.

(Beifall SPD und SSW)

Auch hier bedarf es unabhängiger amtlicher Strukturen; Strukturen, in denen auch diejenigen, die Mängel feststellen, Ansprechpartner und Sicherheit im Umgang mit ihren Informationen finden.

Auf Kontrollen müssen sich Verbraucherinnen und Verbraucher verlassen können. Im März des letzten Jahres haben wir hier über Lebens- und Futtermittelkontrollen gesprochen. Damals habe ich in meiner Rede gesagt: Die amtliche Lebensmittelüberwachung wird traditionell als ein Teil der Daseinsvorsorge betrachtet. Das will ich heute gern wiederholen. Wir sagen Ja zum Erhalt von Schlachtkapazitäten und auch zu mehr Schlachtkapazitäten in

Schleswig-Holstein. Wenn der Tierschutz und der Verbraucherschutz gewährleistet sind, wenn Arbeitsplätze im Sinne von guter Arbeit mit vernünftigen Löhnen gesichert sind, dann bedeuten Schlachtbetriebe und Fleischverarbeitung Wertschöpfung in den ländlichen Räumen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal sage ich herzlichen Dank an die Landesregierung und an die Mitarbeiter der Landesregierung für diesen Bericht. Gleich zu Beginn möchte ich mit einigen Sagen aufräumen, die heute wieder einmal von der Opposition in den Raum geworfen wurden.

Es heißt, durch das Tiergesundheitsgesetz belasteten wir die Branche mit zusätzlichen Kosten. Das Tiergesundheitsgesetz eröffnet die Möglichkeit, Kosten risikobasiert zu verteilen. Das heißt, es wird die Möglichkeit geschaffen, die Kosten von landwirtschaftlichen Betrieben dorthin anteilig zu verlagern, wo das Risiko liegt. Dieses liegt beim Viehhandel und bei den Schlachtbetrieben, nirgendwo anders. Es wird hier also kein neuer Kostenpopanz aufgebaut. Davon sollten Sie Abstand nehmen.

(Wortmeldung Heiner Rickers [CDU])

- Ja, bitte.

(Heiner Rickers [CDU]: Darf ich?)

Ich werte dies als Hinweis darauf, dass Sie die Bitte um eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rickers wohlwollend annehmen.

Herr Voß, können Sie sich an meine zweimalige Nachfrage im Rahmen der Sitzung des Umweltausschusses in der letzten Woche erinnern? Ich habe gefragt, ob nach dem Tiergesundheitsgesetz nicht zukünftig die Möglichkeit bestehe, in Schleswig-Holstein 1 bis 3 % des Umsatzes des Handels mit den Tieren und auch der Schlachtstätten mit in die Kasse einfließen zu

(Kirsten Eickhoff-Weber)

lassen, also Beiträge für den Tierseuchenfonds zu erheben? Diese Frage wurde zweimal an das Ministerium gestellt. Zweimal wurde sie mit Ja beantwortet. Nun erklären Sie mir, dass dies zukünftig nicht so sein soll.

Das habe ich Ihnen doch eben gerade erklärt. Die Kosten können risikobasiert erhoben werden. Es ist jetzt möglich, die Kosten im Viehhandel und bei den Schlachtstätten anders, als es bisher möglich war, umzulegen. Das ist der Hintergrund. Von daher ist die Darstellung so nicht richtig.

Gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Rickers?

Diese Aussage ist mir nach wie vor zu unklar. Was bedeutet das für den Viehhandel und für die Schlachtunternehmen? Nennen Sie bitte ein Beispiel.

- Beispiele werden sich aus den zukünftigen Beiträgen ergeben. Die Möglichkeit wurde im Tiergesundheitsgesetz geschaffen, und zwar risikobasiert. Nichts anderes wollen wir, nämlich die Kosten dort zu erheben, wo das Risiko ist. Diese Möglichkeit wurde durch das Tiergesundheitsgesetz geschaffen. Das heißt, wenn wir eine Kostendeckung haben, können Beiträge auf der anderen Seite sinken. Das ist doch logisch. Okay?

(Heiner Rickers [CDU]: Nein!)

Ich komme zum nächsten Punkt, nämlich zu Ihrer Anmerkung zur Neuregelung beim Fleischbeschaugesetz. Dieser Anhang zur EU-Regelung aus dem Jahr 2004 ist mit großer Mehrheit durch das Parlament gegangen, nachdem anscheinend eine ganze Reihe von Abgeordneten in den Ausschüssen und im Plenum umgefallen waren. Das waren zu einem großen Teil die Abgeordneten der Europäischen Volkspartei. Darauf möchte ich an dieser Stelle hinweisen. Sie können hier nicht eine andere Politik darstellen als die, der auf europäischer Ebene von Ihrer Partei zugestimmt wurde.