Ich vermute, Sie sind darüber unterrichtet, dass für die übernächsten Tagesordnungspunkte Ausschussüberweisung ohne Aussprache beantragt wurde.
Ich erteile dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Dr. Robert Habeck, das Wort.
Vielen Dank Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben ja einen Punkt der Anfrage schon gestreift, als es um den Gewässerschutz ging. Wir haben 1,1 Millionen Rinder und 1,5 Millionen Schweine in Schlewig-Holstein. Die Schweine in Schleswig-Holstein werden bei sinkenden Schlachtkapazitäten in der Vergangenheit wieder mehr. Bundesweit ist die Situation anders. Es gibt geradezu ein Überangebot an Schlachtkapazitäten. In Niedersachsen ist die Schlachtkapazität in den letzten Jahren um 50 % angestiegen, also gegenläufig zu dem, was wir in Schleswig-Holstein erlebt haben. Entsprechend gibt es in den Schlachthäusern einen enormen ökonomischen Druck. Die Gewinnmargen sind gering. Der Wettbewerb im Markt sorgt dafür, dass der Druck, Kosten einzusparen,
Die Landesregierung möchte in Schleswig-Holstein gern höhere Schlachtkapazitäten halten oder, wenn es geht, auch ausbauen. Für große Schlachtbetriebe - das sind im Wesentlichen die Schlachthäuser in Husum, Kellinghusen und Bad Bramstedt - gibt es mit den Betreibern immer wieder Gespräche. In Bad Bramstedt - das haben Sie wahrscheinlich der Presse entnommen - gibt es inzwischen ein Bekenntnis von VION zum Standort Schleswig-Holstein. In Kellinghusen gibt es seit vielen Jahren Gespräche, ob ein anderer oder der gleiche Betreiber den Schlachthof fortführen oder ausbauen kann. Ein Konzept, das dann beurteilt werden könnte, liegt allerdings noch nicht vor. Immer wieder wird nachgefragt, es gibt aber noch keinen Vollzug zu vermelden.
Eine Förderung von großen Schlachthäusern ist europarechtlich nicht möglich und entsprechend sind die Möglichkeiten, die das Land dort hat. Ich halte es letztlich auch nicht für sinnvoll. Es muss sich wirtschaftlich tragen. Es kann nicht sein, das die öffentlich Hand die geringen Gewinnmargen, die im Fleischmarkt erzielt werden, durch öffentliches Geld ausgleicht. Das macht keinen Sinn. Etwas anderes ist es - das ist auch erklärte Strategie der Landesregierung - bei den kleineren Schlachthöfen in Schleswig-Holstein. Wir haben noch etwa 100 regionale direktvermarktende Schlachter in Schleswig-Holstein. Durch die ELER-Mittel versuchen wir, die direkte Verarbeitung und Vermarktung zu fördern. Das ist keine Antwort auf die 1,1 Millionen Rinder und die 1,5 Millionen Schweine, aber doch ein Teilsegment, das wir ausbauen können.
Es ist auch aus Tierschutzgründen sinnvoll. Alle Tiere, die weite Wege transportiert werden müssen, möglicherweise noch die A 7 hinunter durch Hamburg, im Stau stehen, überschreiten möglicherweise die zulässigen Transportzeiten. Es ist damit zu rechnen, dass die Transportzeiten für die Tiere noch einmal gesenkt werden. Insofern sind wir aus Tierschutzgründen sehr daran interessiert, weitere Schlachtkapazitäten in Schleswig-Holstein zu halten.
Lassen Sie mich bei dem Stichwort „ökonomischer Druck“ noch kurz auf eine Medienberichterstattung der letzten Woche zu sprechen kommen, weil sie damit ein Stück weit ursächlich verbunden ist beziehungsweise mit dem Komplex, der vermutlich zur Stellung dieses Berichtsantrages geführt hat, nämlich der Frage von Verbraucherschutz, Hy
giene und Tierschutz in den Schlachthöfen. Ich sagte schon, dass in dem begründeten Strukturwandel der ökonomische Druck erheblich ist und dass dem der gesellschaftliche Anspruch, den wir auf jeden Fall hochhalten müssen, Tierschutz und Hygienestandards hochzuhalten, entgegenläuft. Das muss man auch durchsetzen. Wir können es nicht dulden - das haben wir ja am Fall Bad Bramstedt häufig diskutiert -, dass Abstriche bei Tierschutz, Hygiene oder Verbraucherstandards gemacht werden.
Es gibt jetzt eine Debatte darüber, ob eine neue EU-Verordnung, die ein anderes Kontrollsystem vorsieht, eine Verschlechterung der Hygienestandards oder des Verbraucherschutzes vorsieht. Diese Verordnung ist 2011 eingesetzt worden. Sie ist durch die EU-Kommission beschlossen worden. Die Bundesregierung unter Frau Ilse Aigner hat dem zugestimmt. Das Land Schleswig-Holstein oder meine Person waren damit nicht befasst. Diese Verordnung sieht vor, dass das System geändert wird. Man versucht nicht mehr am Ende den Tierkörper selbst, sozusagen das Tier erst nach seinem Leben, abzutasten, aufzuschneiden und dann zu untersuchen, sondern einen risikobasierten Gesamtansatz zu wählen. Er versucht, von der Geburt des Tieres über die Krankheitsbilder, über das Kurieren des Tieres bis hin zur Schlachtung, die Risikogruppen zu identifizieren und dann gezielt zu untersuchen. Ich halte das für plausibel. Man findet das, was man sucht, besser, wenn man weiß, wonach man sucht.
Die Ergebnisse, die die europäische Gesundheitsagentur zu dieser Änderung gebracht haben, sagen, dass die bisherigen, sehr alten traditionellen Techniken des Abtastens und Aufschneidens nicht die Ergebnisse zutage gefördert haben, die man sich von ihnen erhofft hat. Auf der anderen Seite haben sie aber die Gefahr von Kreuzkontaminationen, also die Übertragung von Mikrobakterien von einem Schlachtkörper auf den anderen mit sich gebracht. Insofern ist das ein Ansatz, der erfolgversprechend sein kann, wenn er denn mit Leben erfüllt wird. Grundvoraussetzung dafür, dass das gelingen kann, ist ein gut funktionierender Datenaustausch, ein Informationsfluss, die Bereitstellung von Möglichkeiten dem nachzugehen, und dann aber auch an den Schlachthöfen bei Risikogruppen die Bänder anzuhalten oder langsamer zu fahren. Das muss auf jeden Fall eingeführt werden. Insofern wird die Debatte, die im Moment geführt wird, der Komplexität nicht gerecht. Wir sollten uns nicht zu sehr mit der Vergangenheit beschäftigen, sondern dieses neue System, das in der Struktur gut sein kann, mit Leben füllen. Dafür sind die Länder gerade dabei,
einen Kriterienkatalog zu erarbeiten und dann hoffentlich gemeinsam mit der Bundesregierung dafür zu sorgen, dass dieser risikobasierte Ansatz zu einem hohen Standard beim Verbraucherschutz führen wird. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. - Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Oliver Kumbartzky von der FDP-Fraktion als Antragsteller des ursprünglichen Berichtsantrags das Wort.
Vielen Dank, liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für den Bericht, sowohl für den mündlichen als auch den schriftlichen. Gerade der schriftliche Bericht bringt es im ersten Satz direkt auf den Punkt:
Gleichzeitig dokumentiert der Bericht auch, dass die Schlachtung größtenteils außerhalb des Landes stattfindet. Es gibt da die Beispiele von den Schweinen, die nur noch zu 30 % in SchleswigHolstein geschlachtet werden, und die übrigen 70 % werden nach Niedersachsen, MecklenburgVorpommern, Brandenburg oder sogar bis nach Sachsen verbracht. In unserem Antrag zu diesem Berichtsantrag haben wir darum gebeten, dass Sie auch darauf eingehen mögen, welche Maßnahmen und Strategien sie zum Erhalt und gegebenenfalls auch zur Ausweitung der Schlachtkapazitäten ergreifen beziehungsweise verfolgen. Hier muss ich ganz ehrlich sagen, ist die Antwort äußerst dünn.
Sie verweisen in dem schriftlichen Bericht einzig und allein auf die ELER-Mittel für Kleinst- und Kleinbetriebe. Dass es für Großbetriebe keine staatlichen Mittel geben kann, was Sie eben sagten, unterstreiche ich auch. Das ist absolut klar. Ich frage mich aber: Was ist mit den Rahmenbedingungen? Was tun Sie dafür, dass sich auch große Betriebe ansiedeln?
Ich komme darauf gleich noch einmal zu sprechen, wenn wir über das Beispiel VION reden. Dieser Bericht, den Sie sowohl mündlich als auch schriftlich gegeben haben, lässt eindeutig ein klares Bekenntnis zum Ausbau und zum Erhalt von Schlachtkapazitäten vermissen.
Es gibt lediglich zweimal einen Satz, in dem geschrieben steht, dass ein Erhalt von Schlachtkapazitäten in Schleswig-Holstein wünschenswert wäre wünschenswert. Ein Erhalt von Schlachtkapazitäten ist nicht nur wünschenswert, sondern dringend geboten, und zwar aus tierschutzfachlicher und auch aus volkswirtschaftlicher Sicht. In diesem Zusammenhang begrüße ich die Ankündigung von VION, in Schleswig-Holstein einen neuen Betrieb errichten zu wollen. Die Voraussetzung, die VION dafür genannt hat - jetzt kommt es nämlich -, ist, das sich das Land als verlässlicher Wirtschaftsstandort erweisen müsse. Das hat der Geschäftsführer gesagt. Das kann ich auch absolut nachvollziehen. Ich hoffe auch, dass sich das Land als verlässlicher Wirtschaftsstandort verhält. Denn unabhängig von den Ereignissen die in Bad Bramstedt geschehen sind, ist das Land leider mittlerweile meilenweit davon entfernt, wirtschaftsfreundlich zu sein. Dazu gab es seit Regierungsantritt einfach zu viele wirtschaftsfeindliche Gesetze und Verordnungen.
Hinzu kommt eben auch, dass die Verkehrsinfrastruktur sträflich vernachlässigt wurde. Es macht doch überhaupt keinen Sinn und es ist Tierquälerei, wenn die Tiere, die transportiert werden müssen, vor dem Elbtunnel im Stau stehen.
(Minister Dr. Robert Habeck: Wenn es in Schleswig-Holstein Schlachthöfe gäbe, müssten sie nicht so weit transportiert wer- den! Deshalb ist es günstig, Schlachtkapazi- täten zu haben!)
- Ja. Genau deswegen ist es vernünftig, hier die Infrastruktur und auch die Verkehrsinfrastruktur aufzubauen - damit sich nämlich Gewerbebetriebe
hier ansiedeln können. Genau richtig. Deshalb freue ich mich, dass wir da endlich einmal einer Meinung sind, was den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur betrifft. - Vielen Dank.
Ich freue mich, dass Sie an dieser Stelle so einig sind, weise aber darauf hin, dass wir eigentlich vereinbart haben, dass es keine Dialoge zwischen Regierungsbank und Redner gibt.
Meine Damen und Herren, zweifellos stehen Schlachthöfe im Fokus einer kritischen Öffentlichkeit. Für den Betreiber bedeutet dies, dass er sehr genau und transparent die Einhaltung aller gesetzlichen Regelungen sicherstellen muss. Die Politik ist verantwortlich, diese Regelung dem Stand von Wissenschaft und Forschung anzupassen und Skandalisierungen zu vermeiden. Beim Betrieb von Schlachthöfen sind strenge tierschutz- und lebensmittelrechtliche Regelungen einzuhalten. Davon dürfen keine Abstriche gemacht werden. Fehlbetäubungen müssen ausgeschlossen werden. Schließlich ist jedes nicht betäubte Rind eines zu viel. Es müssen auch die notwendigen baulichen und technischen Voraussetzungen vorhanden sein. Das Personal muss geschult sein und den Betäubungsvorgang gezielt überwachen können.
Auf die Vorfälle in Bad Bramstedt will ich heute nicht näher eingehen. Dazu haben wir, wie Sie wissen, umfangreich Akteneinsicht beantragt, und wir werden darüber im zuständigen Ausschuss sicherlich noch intensiv beraten. Ich muss aber sagen, dass ich überrascht und erschüttert war, Herr Dr. Habeck, als wir letzte Woche im Ausschuss von Ihnen - fast nebenbei - hörten, dass Ihr Ministerium schon früher als bisher bekannt über Mängel beim Schlachthof Bad Bramstedt informiert worden war. Das hatten Sie bislang verschwiegen. Wir hatten Akteneinsicht auch für das Jahr 2013 beantragt, und hoppla, während dieser Sitzung, in der wir das beantragten, sagt Minister Habeck noch ganz schnell, dass da 2013 schon etwas war, und zwar, dass es schon Hinweise gab, auf die nicht reagiert worden ist. Ich finde schade, dass es so gekommen ist.
Ich finde auch den Punkt bedauerlich, den Sie zum Schluss Ihrer Rede angesprochen haben, nämlich das Thema Fleischbeschauer und dass sie nicht mehr schneiden sollen. Ich frage mich, warum Ihr
Er weicht vollkommen davon ab. Sie nehmen das alles so lapidar hin und sagen, das, was die EU möchte, sei alles plausibel. Wieso sind denn die Tierärzte empört? Wieso sind die Verbraucherschützer empört? Mir erschließt sich wirklich nicht, warum Sie den Verbraucherschutz einfach aushöhlen wollen. Das finde ich höchst bedauerlich.
Man kann es auch so zusammenfassen: Ihnen fehlt wirklich der Wille, die Landwirtschaft zu stärken. Zudem bleiben der Tier- und der Verbraucherschutz leider auf der Strecke.