Ich muss ja den Minister Gabriel nicht verstehen. Ich muss ja nur Sie verstehen. Welche Position haben Sie?
- Der Kollege Kubicki hat gerade den Zwischenruf gemacht, wir brauchen ein Schiedsgerichtsverfahren. Wenn es denn ordentlich gestaltet ist, ist dagegen nichts einzuwenden.
Herr Abgeordneter, ich muss doch sehr bitten. Mehr will ich an dieser Stelle nicht sagen. Ich finde, das war voll daneben. - Herr Abgeordneter Dr. Klug, ich frage Sie, ob Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner zulassen.
Ich bin dafür sehr dankbar, Herr Kollege Dr. Klug. - Erlauben Sie mir die Bemerkung. Die Position der Sozialdemokratie ist in der Tat, dass wir nicht zulassen dürfen, dass große Konzerne gegen Parlamentsentscheidungen von demokratisch gewählten Parlamenten geschützt werden. Das kann nicht richtig sein. Es mag bei einem Staat wie Nordkorea etwas anderes sein, dass man in solcher Weise Investitionsschutz betreiben muss, hier aber nicht. Ich weise aber darauf hin, dass die Aushandlung des Abkommens mit Kanada nicht unter Beteiligung einer SPD-Bundesregierung stattgefunden hat, sondern von der schwarz-gelben Vorgängerregierung mit ausgehandelt worden ist. Darauf weise ich ausdrücklich hin. Ich teile aber Ihre Position inhaltlich.
Deswegen sage ich es hier: Sie haben Recht, Investitionsschutz darf nicht so sein, dass hinterher Parlamentsentscheidungen durch überhaupt nicht legitimierte Gremien, die Konzerninteressen schützen, aufgehoben werden. Da muss das Primat der Politik gelten. Deswegen wird die Sozialdemokratie im Deutschen Bundestag auch nicht zustimmen können, und im Europäischen Parlament werden Ihre liberalen Parteifreunde auch nicht zustimmen können, wenn es zur Abstimmung kommt und solche undemokratischen Schiedsgerichtskonstruktionen gewählt werden.
Herr Kollege Stegner, ich räume ein, dass ich für diese Außenhandelsfragen kein Experte bin. Ich habe aber gelesen, dass es insgesamt 50 internationale Vereinbarungen dieser Art gibt, die die Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit geschlossen hat - meines Wissens auch zu Zeiten sozialdemokratisch geführter Bundesregierungen -, in denen Schiedsvereinbarungen fixiert worden sind. Vielleicht sollte man sich die Sache etwas genauer anschauen, zumal es ja auch kein Thema ist, das originär die Landespolitik tangiert und das wir direkt mit zu beeinflussen haben. Die Diskussion können wir aber gern noch einmal weiter vertiefen. Ich kann bloß nicht nachvollziehen, wieso etwas, das seit Jahrzehnten in mehreren Dutzend internationalen Vereinbarungen zu Papier gebracht worden ist, heute prinzipiell verteufelt werden muss. Man muss konkret gucken, was da drin steht. Es mag ja sein, dass man da auch Sicherungen einbauen muss, aber grundsätzlich sehe ich die Situation heute nicht prinzipiell anders, als sie in den zurückliegenden Jahrzehnten, auch unter früheren Bundesregierungen, gewesen ist.
Ich glaube, dass der entscheidende Unterschied darin besteht, dass es in der Vergangenheit im Wesentlichen auch Vereinbarungen mit Staaten gegeben hat, die nicht über so ein parlamentarisches System verfügen wie wir, und man in der Tat berechtigte Schutzinteressen hat. Ich glaube aber, es darf nicht sein - ich nehme einmal ein Beispiel -, dass von einem großen Konzern gegen eine gesetzliche Regelung zum Nichtraucherschutz, nach der auf Packungen: „Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit“ und ähnliche Dinge stehen, wegen entgangener Gewinne geklagt werden kann, und dadurch eine parlamentarische Regelung ausgehebelt wird.
- Bei den meisten Parlamenten ist das so. Aber es ist eine andere Situation, wenn man das mit Ländern, wie China und anderen, aushandelt, in denen der Parlamentarismus anders entwickelt ist als bei uns.
- Meines Wissens gibt es auch in den USA Verbraucherschutzregelungen, die so aussehen, dass zum Beispiel der Rohmilchkäse aus Europa nicht importiert werden darf, weil die Amerikaner Angst haben, dass die Bakterien sie ins Jenseits befördern könnten, obwohl Generationen von Franzosen diesen Rohmilchkäse mit großem Genuss zu sich genommen haben und auch nicht daran gestorben sind - und andere Europäer, die ihn auch gelegentlich kaufen, auch nicht.
Also, mit anderen Worten: Es ist sicherlich ganz klar auf die Einhaltung von Kriterien des Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitsschutzes zu achten. Das darf nicht durch irgendwelche Regelungen des Freihandelsabkommens ausgehebelt werden. Wenn wir uns auf dieser Basis verständigen können, dann haben wir ja sogar Einigkeit in diesem Punkt. Danke, Herr Kollege Stegner.
Meine Damen und Herren, eine ganz kurze Anmerkung zum Thema Demokratie in Europa. Eine Gemeinschaft mit immerhin jetzt 500 Millionen Menschen auch noch demokratisch zu gestalten, ist nicht ganz so einfach, weil natürlich zwischen der zentralen Ebene und den einzelnen Bürgern in einem solch großen Staatengebilde eine enorme Distanz besteht. Deshalb ist meine feste Überzeugung, dass dieses Europa, wenn es sich im Sinne einer vertieften Integration weiterentwickelt, heute schon geradezu lebensnotwendig davon abhängt, dass man die Zuständigkeiten und die Rechte zwischen den unterschiedlichen politischen Ebenen ordentlich austariert.
Da kommt nun das Prinzip der Subsidiarität ins Spiel, das durch den Vertrag von Lissabon Ende 2009 noch einmal gestärkt worden ist. Wir müssen in der Tat stärker darauf hinwirken, dass das, was nicht unbedingt auf europäischer Ebene geregelt werden muss - Herr Voß hat ja darauf hingewiesen, dass schon sehr viel europäisch geregelt ist -, in der
weil das vor Ort gelebte europäische Demokratie bedeutet, sozusagen das Ausfüllen eines Rahmens, in dem auch noch Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort vorhanden bleiben.
Für mich sind die Wahrnehmung und die Anwendung des Subsidiaritätsgedankens von ganz zentraler Bedeutung. Ich hatte ja die große Ehre, diesen Landtag Mitte Dezember 2013 in Berlin im Bundesrat auf der Subsidiaritätskonferenz des Ausschusses der Regionen zu vertreten. Ich kann Ihnen berichten, dass ganz viele Kolleginnen und Kollegen aus Parlamenten anderer EU-Staaten und auch der Regionalparlamente der festen Überzeugung sind, dass wir im Sinne dieses Subsidiaritätsgedankens in Europa einen Mentalitätswandel brauchen. Das ist aus meiner Sicht ein ganz entscheidender Punkt für die Weiterentwicklung der europäischen Demokratie.
Deswegen ist es auch unsere Aufgabe als Landtag so wie wir das vereinbart haben -, etwa im Rahmen des Frühwarnsystems zur Subsidiaritätskontrolle, darauf zu achten, dass es nicht zu einem Übermaß an zentralistischen Regelungen kommt, sondern dass wir die Karte der regionalen Ebene spielen. Das setzt voraus, dass wir uns auch noch besser als in der Vergangenheit vernetzen, denn nur durch eine verbesserte Zusammenarbeit der Parlamente bekommt man eine kritische Masse von Stimmen zusammen, die dann sagen: Stopp, bei dem Punkt wollen wir das und das nicht, sonst ziehen wir die gelbe Karte oder auch die orange Karte. Einer der Vorschläge, der in Berlin diskutiert wurde, war, ob man nicht auch eine richtige rote Karte einführen sollte, mit der die Parlamente mit einer qualifizierten Mehrheit Einspruch gegen ein Gesetzesvorhaben der EU-Kommission erheben könnten, sodass es effektiv gestoppt wird. Das ist meiner Meinung nach durchaus ein Vorschlag, über den man im Rahmen der Strukturreform der EU näher reden kann.
Noch eine kurze Anmerkung zu dem Bericht der Landesregierung. Besonders wichtig ist für uns - da stimme ich der Ministerin Spoorendonk ausdrücklich zu - die Ostseezusammenarbeit, die ja lange auch von allen Fraktionen getragen worden ist.
Ich habe allerdings den Eindruck, dass sich diese Ostseezusammenarbeit gerade unter der jetzigen Landesregierung mehr und mehr auf ein gutes Verhältnis zum Nachbarland Dänemark reduziert. Es
ist ja auch alles zu begrüßen, was die Ministerin dazu an Fortschritten referiert hat. Das ist alles richtig und wichtig, aber mein Eindruck ist, dass der etwas weitere Blick in die gesamte Ostseeregion hinein zunehmend schwächer und unvollständiger wird und dass die Entwicklungen, die zum Beispiel in den 1990er-Jahren von Björn Engholm angestoßen worden sind, schwächer werden und weit hinter uns liegen. Ich finde, dass wir uns bei der Zusammenarbeit im gesamten Ostseeraum nicht weiterentwickelt haben, sondern dass hier eher die Gefahr einer Rückentwicklung besteht.
Auch wenn das als ein bisschen klein-klein erscheinen mag, dazu noch eine letzte Anmerkung: Es ist schon ein Symptom, dass derzeit etliche Stellen im Hanse-Office, das ist die gemeinsame Vertretung der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein in Brüssel, von schleswig-holsteinischer Seite aus unbesetzt sind. Wenn man nicht einmal hinbekommt, dass man eine schlagkräftige Landesvertretung in Brüssel organisiert und personell unterfüttert, dann ist das ein Alarmzeichen. Da muss diese Landesregierung, Frau Kollegin Spoorendonk, noch ordentlich nachlegen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion der PIRATEN hat die Frau Abgeordnete Angelika Beer das Wort.
Bevor sie mit ihrer Rede beginnt, bitte ich Sie, mit mir gemeinsam neue Gäste zu begrüßen. Es sind Vertreterinnen und Vertreter der Jugendorganisation der deutschen Minderheit in Nordschleswig/Sydjylland. Das sind Gäste der SPD-Fraktion. Weiter sind eingetroffen Vertreterinnen und Vertreter des Bundesfreiwilligendienstes Kiel BuFDis 27plus und Schülerinnen und Schüler der Heinrich-HarmsRegionalschule aus Butzfeld. - Ihnen allen ein herzliches Willkommen im Kieler Landeshaus!
Danke schön. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde als Erstes kurz auf die Abwesenheit unseres Fraktionsvorsitzenden eingehen, dann auf den Bericht der Landesregierung und auf einzelne Punkte, die in der Debatte eine Rolle gespielt haben.
Wir sind keine deutsche Partei, sondern die internationale und europäische Piratenpartei. Für uns heißt das, dass wir Europa grenzenlos verstehen, uns grenzenlos wünschen. Das ist unsere Vision. Wir streiten insbesondere für Minderheiten.
Deswegen entschuldige ich Torge Schmidt. Wir haben überlegt, dass es richtig ist - gerade, wenn wir über Europa und Minderheiten und anderes reden -, dass unser Fraktionsvorsitzender in dieser Sekunde an der Gedenkveranstaltung im Hiroshimapark zur Erinnerung an die Deportation der deutschen Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten im Jahr 1940 teilnimmt. Es ist also keine Ignoranz der Debatte, sondern der Wunsch, diese Erinnerung zusammen mit unseren Minderheiten zu erleben.
Die Europäische Union ist notwendig, und sie ist unverzichtbar. Zu keinem anderen Zeitpunkt gab es mehr europapolitische Einflüsse auf das Alltagsleben der Bürgerinnen und Bürger, ihre Gegenwart und Zukunft, als heute. Die Hälfte aller deutschen Gesetze - das ist heute schon mehrmals gesagt worden; einige sprechen von bis zu 80 % - sind von der EU abhängig oder durch sie geprägt. Es ist weltweit einmalig - Herr Kollege Klug hat es gerade gesagt -, dass für 500 Millionen Menschen über nationale Grenzen hinweg politische Rahmenbedingungen geschaffen werden können. Wir möchten uns an diesem Prozess beteiligen.
Eine der größten Errungenschaften der Europäischen Union ist der Wegfall der Grenzen und damit einhergehend die Freizügigkeit für die Bürgerinnen und Bürger, für die wir in der Regel hier alle zusammen streiten.
Allerdings - das will ich hier auch noch einmal ganz klar sagen - ist die Europäische Union nicht nur eine wirtschaftliche Nutzgemeinschaft, zu der sie manchmal degradiert wird, sondern auch eine Schutzgemeinschaft. Die EU ist, das sollten wir zu keinem Zeitpunkt vergessen, auch eine Friedensunion, denn ihre Gründung kam durch den Wunsch zustande, nie wieder Krieg mit sinnloser Zerstörung führen zu müssen.
Ich möchte an diesem Punkt auf die Frage der Ukraine eingehen. Das Thema ist eben schon mehrmals erwähnt worden. Es gibt in der Bewertung dieser Krise sicherlich auch unterschiedliche Herangehensweisen. Es ist nicht die erste kriegerische Auseinandersetzung an den Grenzen unserer Europäischen Union seit 70 Jahren. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns nach langem politischem Streit über die Verantwortlichkeit - gerade
auch Deutschlands, aber auch der anderen europäischen Staaten - zu einer von den Vereinten Nationen nicht legitimierten Intervention im ehemaligen Jugoslawien entschieden haben.
Wir haben es als Europäische Union noch nicht geschafft, diesen schwarzen Flecken auf unserer Landkarte zu schließen und alle damals involvierten Balkanstaaten in die Europäische Union aufzunehmen. Das ist ein Defizit. Und das ist auch immer noch ein Krisenelement, das wieder zu Instabilität in der Europäische Union führen kann.