Meine Damen und Herren, leider hat die Landesregierung nicht nur an einer Stelle in ihrem Gesetzentwurf versagt, sondern nahezu auf ganzer Linie. Nicht nur Ministerin Wende, auch der Ministerpräsident und die Finanzministerin tragen die Verantwortung für diesen Scherbenhaufen. Das bisherige Verfahren hat nicht nur dem Hochschulstandort Schleswig-Holstein geschadet. Es ist eine Zumutung für die angehenden Lehramtsstudenten und ein Affront gegenüber dem Parlament und den bereits angeschriebenen Anzuhörenden. Herr Kollege Günther hat ja uns völlig zu Recht schon vorgetragen, dass es Stellungnahmen gab, die sagten: „Wir wissen gar nicht, wozu wir uns eigentlich äußern sollen, was jetzt eigentlich Faktenlage ist.“ Es ändert sich ja nahezu jeden Tag. Insofern ist diese Anhörung völliger Unsinn gewesen, die Sie auf den Weg gebracht haben, nachdem Sie ja schon - auch ein Novum im Parlament - vorher, bevor die Gesetzentwürfe im Parlament gelandet sind, eine Anhörung beschlossen haben. Das ist schon wirklich ein bemerkenswertes Verfahren. Wenn es auch angesichts dieser Umstände nicht ganz leichtfällt, hier heute über die Inhalte zu debattieren, sollten wir es im Sinne der wichtigen Sache dennoch versuchen. Ich kann die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen an dieser Stelle nur noch einmal vor Schnellschüssen warnen. Ermöglichen Sie endlich einen Neustart, und lassen Sie uns zu einem geordneten parlamentarischen Verfahren zurückkehren.
Meine Damen und Herren, im Gesetzentwurf der Landesregierung liest man beim Punkt Alternativen: „Keine.“ Ganz nüchtern: „Keine.“ Diese Behauptung hat die Ministerin jedoch bereits durch ihr eigenes Handeln in den letzten Tagen selbst widerlegt - ein wirklich bemerkenswerter Vorgang. Natürlich gibt es Alternativen zu dem vorgelegten Gesetzentwurf, und es ist auch dringend notwendig, dass diese hier diskutiert werden.
Daran ändert auch der mit den beiden Universitäten am Dienstag getroffene Kompromiss nicht allzu viel. Es ist zwar positiv zu sehen, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass in diesen Tagen die beiden Universitäten wieder miteinander reden. Die zentralen Probleme aber bleiben.
Die Koalitionsfraktionen haben ja am Dienstag erklärt, dass sie für den Ausbau in Flensburg noch einmal 1 Million € drauflegen müssen, obwohl die Ministerin die bisherigen Zahlen erst am Donnerstag im Ausschuss - wie ja auch schon gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten vor dem Landtag in
der Apriltagung - erneut mit Vehemenz verteidigt hatte und obwohl die vergleichsweise teuren Laborfächer Physik und Chemie jetzt gar nicht mehr ausgebaut werden sollen - eine wirklich interessante Kalkulation. Das zeigt, wie unseriös die im Gesetzentwurf der Landesregierung vorgesehenen Zahlen sind.
Wer soll denn eigentlich diese neuen zusammengeschusterten Zahlen glauben, wenn es noch immer keine seriösen Berechnungen dafür gibt? Es ist wirklich - um das Wort „skandalös“ an dieser Stelle zu vermeiden - bemerkenswert, dass die Koalitionsfraktionen mal eben so auf die Expertise der Hochschulabteilung des Ministeriums zurückgreifen und so den Job der Landesregierung nachholen. Das hat es in diesem Land noch nicht gegeben, dass einfach die Koalitionsfraktionen sagen: Wir übernehmen jetzt die Abteilung des Ministeriums, bestellen sie ein. Die sollen uns das übers Wochenende noch einmal vorrechnen, und wir legen dann neue Zahlen vor. - Was ist das für eine Regierungspolitik? Mit gutem Regieren, Herr Ministerpräsident, hat das alles nichts zu tun.
Ich frage mich auch, was nun aus dem angeblich so dringend benötigten Ausbau der MINT-Kapazitäten in Flensburg geworden ist. Das war doch im April der Kern der Rede des Ministerpräsidenten. Hat das jetzt keine Bedeutung mehr? Oder ging es doch allein um die Frage der Anerkennung der Abschlüsse? Die gestern verkündete Einigung mit dem Ausbau nur einiger weniger Fächer in Flensburg auf das Niveau der Sekundarstufe II löst dieses elementare Problem nicht. Das war doch offenbar der entscheidende Grund, warum überhaupt das Gesetz geändert wurde.
Jetzt sind Sie beinahe wieder beim Ausgangspunkt angekommen, ohne eine überzeugende Lösung für das Anerkennungsproblem vorweisen zu können. Meine Damen und Herren, es dürfen keine Studenten in einen Studiengang mit Abschlüssen geschickt werden, die am Ende nicht als Lehrer in anderen Bundesländern anerkannt werden. So etwas darf es nicht geben. So sollte man mit der beruflichen Perspektive junger Menschen, die Lehrer werden wollen, nicht umgehen.
Hinzu kommt: Sie wollen weiterhin unnötige Doppelstrukturen in Flensburg schaffen, die Umsetzung des geplanten Praxissemesters ist weiterhin völlig unklar, und die zukünftige Besoldungsstruktur wollen Sie auch weiterhin ausblenden. Die
Ministerin hat uns im Ausschuss erklärt, dass es hierüber immerhin erste Gespräche mit der Gewerkschaft GEW geben würde, die dies allerdings öffentlich dementiert hat. All dies zeigt, dass dieser Gesetzentwurf der Landesregierung nach wie vor nicht beratungsfähig ist.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat mit ihrem Gesetzentwurf eine klare Alternative zu den Plänen der Landesregierung vorgelegt. Ich gehe natürlich davon aus, dass alle Abgeordneten sich bereits intensiv damit auseinandergesetzt haben. Ich möchte dennoch kurz anhand von sechs Punkten darstellen, was uns wichtig ist.
Punkt 1. Nach unserem Entwurf sollen sich die Lehramtsstudiengänge an den bestehenden Schularten orientieren. Es bestehen unterschiedliche Anforderungen an die Lehrkräfte an den einzelnen Schularten, was sich auch in der Ausbildung der Lehrkräfte widerspiegeln sollte. Im Gegensatz zum Entwurf der Landesregierung wollen wir das Lehrerbildungsgesetz nicht nutzen, um damit Schulstrukturpolitik zu betreiben und bereits die nächste Schulreform vorzubereiten. Wir wollen keine weitere Aushöhlung der Gymnasien in unserem Bundesland.
Punkt 2. Unser Vorschlag vermeidet teure und völlig unnötige Doppelstrukturen und spielt die Universitäten nicht gegeneinander aus. Ich habe zwar zur Kenntnis genommen, dass sie jetzt wieder an einem Strang ziehen wollen. Das haben wir allerdings auch schon zu früheren Zeitpunkten gehört und haben dann am Ende wieder großen Krach mit ansehen müssen. Gemeinschaftsschullehrer, Grundschullehrer und Sonderpädagogen sollen weiterhin in Flensburg, Gymnasiallehrer in Kiel und Berufsschullehrer sollen entsprechend der bisherigen Aufteilung an beiden Standorten ausgebildet werden. Beide Universitäten werden gestärkt. Die Universität Kiel hat aus unserer Sicht zu Recht die Frage gestellt, welchen bildungspolitischen Sinn es haben soll, Doppelstrukturen aufzubauen, wenn die Schülerzahlen in den nächsten Jahren zurückgehen und die Landesregierung die Zahl der Referendariatsstudienplätze bereits reduziert hat. Die Ministerin hat darauf im Ausschuss ebenfalls keine Antwort geben können. Statt in überflüssige Quantität sollte das Land lieber in die Qualität der Ausbildung investieren.
Das ist im Übrigen auch im Sinne Flensburgs. Kollege Günther hat das angesprochen. Denn was wird passieren, wenn Kiel den gesamten Fächerkanon anbietet und zudem noch den Vorteil hat, als Volluniversität alle Fachbereiche vertieft anbieten zu
können? In Flensburg wird dann nicht das komplette Angebot gemacht, und viele Studiengänge werden sich noch über Jahre im Aufbau befinden. Was werden die Studierenden denn im Zweifelsfalle machen? Ich befürchte, sie werden am Ende mit den Füßen abstimmen. All das lässt sich vermeiden, wenn man am Schulartbezug festhält und auch an der bisherigen Aufteilung der Lehrämter zwischen den Universitäten.
Punkt 3: Deutsch und Mathematik sind die beiden zentralen Fächer im Grundschulbereich. Bundesländer, die verpflichtende Teile für Mathematik und Deutsch in das Studium für alle Lehrer integriert haben, schneiden bei entsprechenden Vergleichen deutlich besser ab als die anderen. Hier geht der Regierungsentwurf in die richtige Richtung. Da meine Fraktion beide Fächer jedoch für so zentral hält, um sich alles weitere Wissen überhaupt erschließen zu können, wollen wir hier noch einen Schritt weitergehen als Sie. Wir schlagen vor, dass Grundschullehrer zukünftig entweder Deutsch oder Mathematik wählen müssen.
Ein weiterer Punkt, der sehr zentral für die Studierenden und die Schulen ist, ist das Thema Praxisanteil im Studium. Es ist absolut richtig, dass der Praxisanteil im Studium erhöht werden muss. Jedoch sind die Planungen der Landesregierung zum Praxissemester untauglich und realitätsfern. Wir schlagen stattdessen die Einführung eines verpflichtenden Orientierungspraktikums vor, welches entweder vor der Aufnahme des Studiums oder direkt am Beginn des Studiums durchzuführen ist. Weiterhin wollen wir zwei weitere verpflichtende Praktika.
So wird ein vernünftiger Praxisbezug sichergestellt, ohne dass die Probleme des Praxissemesters entstehen.
Das von der Landesregierung vorgeschlagene Praxismodell ist organisatorisch für die Studierenden kaum umzusetzen. Auch nutzt die Landesregierung das Praxissemester als Sparmodell, um für diese Zeit den Universitäten keine Mittel für Lehrveranstaltungen bereitstellen zu müssen. Unglaublich ist auch, dass die Koalition, die immer von guter Arbeit spricht, den Studenten, die dann ja bereits einen Bachelor-Abschluss hätten, eine Bezahlung für ihr Praktikum an den Schulen vorenthalten will.
- Ja, das gucken wir uns gern an. Die Landesregierung hat im Ausschuss noch einmal darauf hingewiesen, dass das Mindestlohngesetz für verpflichtende Praktika nicht gilt. Deswegen ist die Landesregierung dort aus dem Schneider. Ein wirklich bemerkenswerter Vorgang!
Herr Kollege Andresen, wir wollen das Staatsexamen einführen. Ich freue mich schon auf Ihre Retro-Vorwürfe, die ja immer kommen. Vielleicht setzen Sie sich einmal in der Sache damit auseinander.
Acht Bundesländer haben das Staatsexamen. Sachsen ist dahin zurückgekehrt. Das wäre - wenn Sie erlauben, Herr Kollege Andresen - ein Studium aus einem Guss. Insofern schlagen wir das vor.
Das bringt mich zu meinem letzten Punkt: Die Auswirkungen auf die Besoldungsstruktur. Die Leichtfertigkeit, mit der diese Landesregierung die Besoldungsproblematik abtut, ist wirklich atemberaubend. Auch in der letzten Sitzung des Bildungsausschusses konnte die Ministerin darauf keine Antwort geben, welche besoldungsrechtlichen Folgen der Gesetzentwurf hat. Wenn Lehrer die gleichen Studienleistungen erbracht haben, müssen sie auch gleich bezahlt werden. Wir weisen auf dieses Problem seit über einem Jahr hin. Die Landesregierung verweist lediglich darauf, dass man nach Verabschiedung des Gesetzes darüber sprechen wolle. Das ist fahrlässig. Es geht immerhin um zweistellige Millionenbeträge pro Jahr. Ich wundere mich, dass die Finanzministerin auch hier die Füße bisher so stillgehalten hat und sich nicht darum kümmert.
Meine Damen und Herren, ich werbe um Zustimmung zum Antrag der Oppositionsfraktionen. Ermöglichen Sie einen Neustart, lassen Sie uns endlich ein vernünftiges Verfahren in Gang bringen! Dann können wir uns gern über die inhaltlichen Unterschiede austauschen. Nur so kriegen wir eine vernünftige Lehrerausbildung in unserem Land hin. - Ich danke ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.
Das Wort für die SPD-Fraktion hat jetzt der Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner. - Herr König, durch den Beitritt, den Sie zum Antrag von CDU und FDP gemacht haben, hat sich Ihr Antrag erledigt. Da der gemeinsame Antrag schon durch den
Abgeordneten Günther begründet worden ist, ist nach unserer Geschäftsordnung jetzt nach der Stärke der Fraktionen Herr Dr. Stegner dran.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich in den vergangenen Wochen die Zeitung aufgeschlagen habe, musste ich oft an Peer Steinbrück denken. Der hat sinngemäß gesagt: Geht es um Leben oder Tod? - Nein, es ist schlimmer.
Woher kommt eigentlich die Aufregung über die Lehrerbildung in Schleswig-Holstein? Nachvollziehen kann ich sie nicht. Was tut die Regierungskoalition? Erstens. Wir setzen unsere Bildungspolitik fort. Wir setzen die Ergebnisse der Bildungskonferenz um.
Zweitens. Wir tun das, wozu besonders der Philologenverband und andere uns ermahnt haben. Wir lassen nicht zu, dass in Schleswig-Holstein Discount-Lehrerinnen und Discount-Lehrer ausgebildet werden. Bei uns gibt es keine Schmalspur-Schulen. Ich möchte hinzufügen: Schon die zentralen Prüfungen verhindern die Differenzierung in ein Abitur erster und zweiter Klasse.
Schon mit dem neuen Schulgesetz, das die Große Koalition 2007 auf den Weg gebracht hat, hat Schleswig-Holstein Konsequenzen aus den Ergebnissen der PISA-Studie gezogen. Sie haben uns einen geradezu empörend engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungs- und damit Lebenschancen bescheinigt, und wir haben daraufhin unter anderem die Schulstrukturen in unserem Land grundlegend verändert. Die bestmöglichen Bildungschancen für jedes Kind und jeden Jugendlichen in Schleswig-Holstein zu sichern, ist und bleibt die tragende Säule unserer Regierungskoalition aus SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW.
Herr Abgeordneter Dr. Stegner, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Abgeordneten Kubicki?
Lieber Herr Kollege Dr. Stegner, habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass in den letzten 20 Jahren sozialdemokratischer Bildungspolitik in Schleswig-Holstein Discount-Lehrer und Schmalspur-Lehrer ausgebildet worden sind?
- Herr Kollege Kubicki, wenn Sie sich weniger auf Einbildung und mehr auf Bildung konzentrieren würden, hätten Sie mich richtig verstanden. Ich habe etwas anderes gesagt. Ich habe gesagt, dass unser Weg - anders als Ihr Bildungsminister Klug das wollte - dazu führt, dass wir gleichberechtigt zum Abitur kommen, und zwar auf Gymnasien, Gemeinschaftsschulen und Beruflichen Gymnasien, und die Lehrerausbildung, die neu gemacht wird, für diese Schulstrukturen angepasst wird, und das nicht mit Ihrer Retro-Politik, Herr Kollege Kubicki. Das unterscheidet uns von Ihnen. Wenn Sie da noch etwas lernen, kann das ja nur nützen.
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Kommt außer Parolen auch noch etwas Inhaltliches, oder müssen wir uns das jetzt weiter anhö- ren? - Unruhe)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was der Großen Koalition damals nicht mehr gelungen ist, war, die Ausbildung unserer künftigen Lehrerinnen und Lehrer an die neuen Schulstrukturen anzupassen. Auch die CDU/FDP-Regierung hat diese Aufgabe nicht abgearbeitet.