Protocol of the Session on February 20, 2014

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/1549

Strukturelles Defizit abbauen, für Altschuldenfonds werben

Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/1614

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tobias Koch von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Jahre 2010 haben wir die Schuldenbremse in unsere Landesverfassung aufgenommen. Damals haben im Vorfeld die finanzpolitischen

Sprecher der Fraktionen in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe zusammengesessen, diese Verfassungsänderung erarbeitet und miteinander vereinbart. Wir haben dazu nicht nur die damals bereits im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse eins zu eins übernommen, sondern wir haben auch den Weg bis zum Jahre 2020 definiert und mit in die Verfassung hineingeschrieben.

Finanzpolitik und Haushaltsdebatten haben sich in Schleswig-Holstein dadurch grundlegend geändert. Bei allen politischen Unterschieden, die bei einzelnen Schwerpunktsetzungen nach wie vor genauso bestehen wie bei dem konträren Blick auf die Einnahme- oder auf die Ausgabeseite, bei all diesen Unterschieden gibt es seitdem dennoch eine große Gemeinsamkeit hier in diesem Haus, nämlich das klare Bekenntnis dazu, das strukturelle Haushaltsdefizit bis zum Jahre 2020 vollständig abzubauen.

Mit dem Jahresabschluss 2013 haben wir zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren wieder einen Haushaltsüberschuss erzielt und konnten sogar Schulden zurückführen. Beim Abbau des strukturellen Defizits sind wir noch nicht ganz so weit. Da haben wir noch eine Wegstrecke vor uns. Wie immer werden die letzten Meter die schwierigsten sein, Frau Ministerin. Aber auch hier hat der Jahresabschluss 2013 deutlich besser abgeschnitten als der Plan. Auf der anderen Seite schiebt Schleswig-Holstein nach wie vor einen Schuldenberg von knapp 27 Milliarden € vor sich her.

Wenn Sie mit Bürgerinnen und Bürgern über Finanzpolitik diskutiert und die Regeln der Schuldenbremse erläutert haben, dann werden Sie vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht haben, nämlich dass Otto Normalbürger mit seinem gesunden Menschenverstand anschließend etwas ungläubig fragt, ob er es richtig verstanden habe, dass wir ganze zehn Jahre brauchen werden, allein um mit der Schuldenmacherei Schluss zu machen, und ob es tatsächlich richtig sei, dass wir auf diesem Weg bis 2020 Jahr für Jahr neue Schulden machen werden, oder ob es wirklich stimme, dass selbst die Regeln der Schuldenbremse bis zum Jahr 2020 nicht dazu führen werden, dass auch nur ein einziger Euro an Schulden wirklich zurückgezahlt worden sein wird.

Wenn man dann all diese Fragen den Bürgern mit einem klaren Ja beantworten muss, dann wird der große Erfolg der Schuldenbremse doch plötzlich nichtig und klein, um es in Anlehnung an einen Songtext von Reinhard Mey zu sagen.

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

Meine Damen und Herren, deshalb darf der Jahresüberschuss 2013 kein einmaliges Ereignis bleiben. Dieser Jahresüberschuss hat das Potenzial zu einer historischen Zäsur. Nach mehr als 50 Jahren des Schuldenaufbaus können wir jetzt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten den Schuldenabbau in Angriff nehmen. Deshalb darf das nicht ein einmaliger Glückstreffer bleiben, sondern wir müssen das zu einer echten Trendwende werden lassen.

Meine Damen und Herren, deshalb ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, die Schuldenbremse weiterzudenken, um von der Schuldenbremse zur Schuldentilgung zu kommen. Für die Union sage ich ganz deutlich: Wir wollen den politischen Handlungsspielraum zurückgewinnen, den uns rund 900 Millionen € Zinszahlungen Jahr für Jahr nehmen. Wir wollen nicht länger von den Kapitalmärkten abhängig sein und zweistellige Millionenbeträge dafür ausgeben müssen, um Zinssicherung zu betreiben. Dieses Geld können und wollen wir besser und sinnvoller für Bildung und Infrastruktur ausgeben.

(Unruhe)

Deshalb schlagen wir Ihnen mit unserem Antrag vor, einen Tilgungsplan für die Altschulden des Landes aufzustellen. Genau wie bei der Schuldenbremse müssen wir auch hier nicht nur das Ziel vereinbaren, sondern auch den Weg dorthin definieren. In welchem Zeitraum wollen wir die Altschulden tilgen? In welchen Schritten soll dies geschehen? Wie lässt sich eine solche Schuldentilgung rechtlich verankern?

Genau das ist Sinn und Zweck unseres Antrags. Ich habe gesehen, dass die Regierungsfraktionen dazu gestern einen Änderungsantrag eingebracht haben, mit dem sie den Grundsatz unseres Antrags durchaus übernehmen, teilweise sogar Sätze eins zu eins kopiert haben. Das begrüße ich.

(Zuruf Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Auf der anderen Seite bedauere ich umso mehr, dass Sie mit Ihrem Antrag dafür sorgen, dass die Idee eines Tilgungsplans für unsere Altschulden ein Begräbnis erster Klasse bekommt, indem Sie gleichzeitig beschließen wollen, dass die Arbeiten daran für die nächsten Jahre sofort wieder eingestellt werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns doch nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren und abwarten, was bei der Bund-Länder-Kommission herauskommt. Wir waren damals das erste

Bundesland, das die Schuldenbremse in unsere eigene Landesverfassung aufgenommen hat. Wir könnten jetzt wieder Vorreiter in der Republik sein, einen solchen Tilgungsplan für unsere Altschulden als erstes Bundesland aufstellen und das als Impuls in eine Bund-Länder-Kommission einbringen.

Deshalb mein Appell an die regierungstragenden Fraktionen: Machen Sie diese Gemeinsamkeit doch nicht gleich wieder mit Ihrem Änderungsantrag zunichte! Haben Sie einmal die Größe, einem guten Vorschlag aus der Opposition zuzustimmen, selbst wenn dieser Vorschlag aus der CDU-Fraktion kommt!

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, wir haben mehr als 50 Jahre Jahr für Jahr neue Schulden gemacht, den Schuldenberg immer größer werden lassen und damit künftige Generationen immer weiter belastet.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Jetzt haben wir die Chance, hier zu einer Trendumkehr zu kommen.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident. - Jetzt haben wir die Chance zu einer Trendumkehr, die Schuldentilgung in Angriff zu nehmen. Dazu brauchen wir einen Tilgungsplan. Lassen Sie uns diesen Weg einschlagen, genauso wie wir es 2010 mit der Schuldenbremse getan haben.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und Dr. Heiner Garg [FDP])

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Lars Winter das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Schleswig-Holstein setzt sich für einen Altschuldentilgungsfonds für Länder und Kommunen ein. Das haben SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW in ihrem Koalitionsvertrag verankert.

(Tobias Koch)

Der Umgang mit Altschulden beschäftigt unseren Landtag seit vielen Jahren. Wir zahlen erhebliche Zinsen bei weiter steigendem Schuldenstand. Zusammen mit der Überzeugung, dass Nachhaltigkeit auch für die öffentlichen Haushalte gelten muss, war dies der Grund dafür, dass wir uns fraktionsübergreifend - wie Kollege Koch es schon gesagt hat - auf die Schuldenbremse verständigen konnten. Schon damals war klar: Der Verzicht auf neue Schulden ist richtig, reicht allein aber nicht aus. Hinzu kommen muss ein Plan zum Abbau der bestehenden Altschulden.

Sehr gern hätten wir diese Frage im Rahmen der letzten Föderalismuskommission mit gelöst. Zwar war Schleswig-Holstein darin außerordentlich gut vertreten. Wir konnten uns jedoch in dieser Frage damals nicht durchsetzen. Inzwischen sieht es hoffentlich anders aus. Das Sein bestimmt wohl auch hier ein Stück weit das Bewusstsein.

Auf Bundesebene ist meine Partei dafür angetreten, eine Lösung für die Altschulden der Länder und Kommunen zu finden, unter anderem durch die Einrichtung eines nationalen Schuldentilgungsfonds. SPD und CDU haben auch auf dieser Basis vereinbart, dass sie zum Themenbereich Bund-Länder-Finanzbeziehungen eine neue Kommission einsetzen wollen. Darin wird es unter anderem um Altschulden, Finanzierungsmodalitäten und Zinslasten gehen.

Meine Damen und Herren, die Instrumente für gute Haushaltsführung unter der Schuldenbremse sind vielfältig. Mit Freude erkenne ich, dass es auch dazu pragmatische Übereinstimmung und Zusammenarbeit zwischen Opposition und Koalition gibt. Wir haben bei der Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung zusammengearbeitet. Wir sind uns im Grunde einig, dass Sondervermögen ein guter und nachhaltiger Weg sind, um langfristige Investitionen zu tätigen, auch wenn wir im Detail unterschiedliche Schwerpunkte haben.

Meine Fraktion wird dafür eintreten, dass wir auch in Sachen Altschulden wieder einen gemeinsamen Weg gehen. Die Arbeitsgruppe auf Bund-LänderEbene wird die Rahmenbedingungen schaffen und Eckpunkte formulieren. Wir möchten gern mitbestimmen, auch als Landtag. Denn wer Verantwortung als Haushaltsgesetzgeber trägt, sollte auch bei der Umsetzung wichtiger Vorhaben mit im Boot sein.

(Beifall Sandra Redmann [SPD])

Daher schlagen wir vor, eine interfraktionelle Arbeitsgruppe einzurichten, wie auch Sie sie gerade

eben vorgeschlagen haben, die über die Ausgestaltung berät.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Schleswig-Holstein hat einen sehr guten Haushaltsabschluss 2013 erreicht. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen zeigt unser Konsolidierungskurs Wirkung. Das ist ein Grund, stolz zu sein.

(Zurufe)

Wir werden auf unsere Konsolidierungserfahrungen zurückgreifen, wenn die Schuldenbremse im Jahr 2020 voll greift.

(Zurufe)

Herr Abgeordneter Winter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Koch?

Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Kollege Winter, mögen Sie mir erläutern, zu welchem Zeitpunkt nach Ihrem Vorschlag die interfraktionelle Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufnehmen soll?

Die kann ihre Arbeit sofort aufnehmen.

Gestatten Sie eine Zusatzbemerkung?