Protocol of the Session on February 19, 2014

Gut wäre es, wenn nicht Amtszeit an Amtszeit gereiht würde, wenn sich neue Leute auf Posten für das Bürgermeisteramt bewerben würden. Zum großen Teil mangelt es aber an Bewerberinnen und Bewerbern. Da müssen wir in der politischen Bildung noch viel besser werden und uns überlegen, wie kommunalpolitisches Engagement attraktiver gemacht werden kann. Dazu müssen wir als hauptamtliche Politikerinnen und Politiker genauso einen Beitrag leisten wie die kommunalpolitische Ebene. Nicht verbales Hauen und Stechen, sondern sachorientierte Debatten kommen an. Ich glaube, die Debatte zu diesem Thema ist dafür ein Beispiel.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Kai Dolgner [SPD])

Wir Grüne stehen für eine stärkere Jugendbeteiligung. Das kann bei der Kommunalpolitik nicht nur für das aktive, sondern muss auch für das passive Wahlrecht gelten. Das Führen einer Verwaltung

ist ein anspruchsvoller Job - keine Frage. Daher werden wir uns im Ausschuss ausführlich mit den Pro- und Kontraargumenten zu diesem Gesetzentwurf auseinandersetzen. Ein wichtiger Punkt dabei wird sein, ob und wie die Regelung der Pensionsansprüche mit einem späteren Beginn und Ende der Amtszeit in Einklang gebracht werden kann.

Ich denke, ob jemand geeignet ist, kann am besten vor Ort in den Kommunen entschieden werden. Wir brauchen Menschen vor Ort, die sich einmischen wollen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen - junge und alte. Das wollen wir als Grüne unterstützen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Abgeordneten der Piratenfraktion hat der Herr Abgeordnete Wolfgang Dudda das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kollegen! Der Gesetzentwurf ist nicht nur gut, sondern auch interessant und richtig. Er hätte schon lange eingebracht werden müssen. Das wird einem klar, wenn man sich an vorgestern Abend erinnert. Bei RTL hat ein 86-jähriger Diplom-Volkswirt aus Aumühle, der auch noch Bücher schreibt, 125.000 € abgeräumt, sich dem Kamerastress gestellt und das erfolgreich geschafft. Spätestens seit diesem Zeitpunkt wissen wir, dass die Leute heute anders drauf sind als vor 40, 50 Jahren.

(Zurufe)

- Bitte?

(Zurufe)

- Die sind top, ja. - Ich habe das Beispiel als Einstieg gewählt, weil es deutlich macht, es gibt einen Unterschied zwischen normalen Beamten und kommunalen Wahlbeamten. Die machen das nämlich freiwillig. Das ist der Unterschied. Man kann das nicht mit dem normalen Beamtenrecht vergleichen. Von daher sind alle Bemühungen, Komplikationen durch Pensionsbestimmungen einzuführen, fehl am Platz.

Die Diskriminierung der Älteren unter uns können wir uns aus zwei Gründen nicht leisten. Zum einen gibt unsere Verfassung vor, dass alle Menschen gleich sind, auch wenn Alter in dem Katalog in Artikel 3 Grundgesetz nicht ausdrücklich genannt ist. Unsere Gesellschaft wird in elf Jahren zu etwa

(Ines Strehlau)

60 % aus Menschen über 60 Jahren bestehen. Das muss sich auch in den Wahlämtern -

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und wir gehören dazu!)

- Bitte schön?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und wir gehören dazu!)

- Wir gehören dazu, wenn man uns noch so lange behalten will.

(Peter Eichstädt [SPD]: Wir waren dabei!)

- Wir waren dabei! - Alles andere wäre die beste Voraussetzung für eine unfriedliche Gesellschaft, die wir alle nicht wollen.

Zum anderen ist es aber auch so, dass immer weniger junge Menschen für das Wohl der älteren sorgen müssen. Auch sie haben das Recht, auf Ihre Geschicke entsprechend Einfluss zu nehmen. Da sie künftig ohnehin in der Minderheit sein werden, haben wir alles zu tun, um zu verhindern, dass sie sich darüber hinaus durch unsinnige gesetzliche Einschränkungen vom Mitmachen und Gestalten ausgeschlossen fühlen. Auch hier gilt, was ich für die Älteren gesagt habe: Alles andere ist die Voraussetzung für eine unfriedliche Gesellschaft.

Übrigens ist die Bevölkerung an dieser Stelle schon viel weiter als wir. Sie hat nämlich 2011 in einer Umfrage auf die Frage: „Soll es ein Mindestalter für Minister geben?“, mit 65 % geantwortet: „Nein, das soll es nicht geben“, und 33 % haben gesagt: „Das soll es geben“. Ich erinnere an das Beispiel von Claudia Nolte, die mit 28 Jahren dem letzten Kabinett Kohl angehört hat.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Mit großer Durch- schlagskraft!)

Die Vorstellungen, die früher galten, sind nicht mehr zeitgemäß, überholt und werden auch unserer demografischen Wirklichkeit nicht mehr gerecht. Wenn wir eine echte, tatsächliche Balance von Alt und Jung wollen, müssen wir da anfangen, wo Politik am direktesten spürbar ist, auf der kommunalen Ebene. Dort muss es für jeden und jede möglich sein - egal, wie alt man ist -, anzutreten und zu kandidieren. Ein 21-Jähriger kann genauso gut wie ein 80-Jähriger Landrat oder Bürgermeister sein, wenn er die Stimmen der Mehrheit auf sich vereint. Das ist der wesentliche Punkt, den auch der Kollege Dolgner angesprochen hat. Es ist nicht realistisch anzunehmen, dass ein 18-jähriger Kindskopf gewählt wird.

Vor diesem Hintergrund betrachte ich die Altersgrenze mit 18 oder 21 Jahren als ein bisschen kritisch. Es geht um die Botschaft, dass wir gar keine Altersgrenze brauchen. Das ist in NRW konsequenter umgesetzt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Volljährig sollten sie schon sein!)

- Volljährig sollten sie schon sein, das ist klar. - Erfahrung an sich ist aber kein Wert. Das hat der polnische Philosoph Jerzy Lec so wunderbar gesagt, als er den Satz sagte:

„Manche leben in einer so erstaunlichen Routine, dass es schwerfällt zu glauben, sie lebten zum ersten Mal.“

Unsere Gesellschaft wird den Mix aus jugendlicher Frische und Kreativität genauso brauchen wie die Erfahrung. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Herr Abgeordnete Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dank Rot-Grün-Blau und PIRATEN dürfen 16-Jährige bei uns im Land zur Kommunalwahl wählen gehen.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Diese Jugendlichen sind voll urteilsfähig. Im Zusammenhang mit der Wählbarkeit eines entsprechenden Kandidaten stellen sich nicht nur die jungen Leute heute folgende Frage: Warum muss der entsprechende Bürgermeister- oder Landratskandidat bei einer Direktwahl mindestens 27 Jahre alt sein? Das ist eine, wie ich finde, beachtliche Altersgrenze. Im Übrigen erscheint auch die Altersgrenze nach oben willkürlich. Es ist also folgerichtig, sich das alles genau anzusehen. Deshalb danken auch wir der FDP für diesen Gesetzentwurf.

Die Altersbegrenzung nach oben wurde auch schon als Altersdiskriminierung gebranntmarkt. Viele Redner haben schon darauf hingewiesen: Lebenserfahrung und Ähnliches spielen eine Rolle. Warum soll ein 67-Jähriger nicht Bürgermeister werden können, wenn er auch Minister werden kann? Inso

(Wolfgang Dudda)

fern glaube ich, es macht Sinn, darüber zu diskutieren. Ich glaube aber, eine umfassendere Diskussion wird es wahrscheinlich über die Frage der Absenkung der Altersgrenze geben. Dies war heute schon zu bemerken.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf würde diese Grenze auf 21 Jahre gesenkt. Ich bin davon überzeugt, dass wir den jungen Menschen eine Chance geben sollten. Wir sollten dies nicht nur tun, um den Wünschen der jungen Erwachsenen nachzukommen, sondern auch aus dem Interesse an einer lebendigen Demokratie heraus. Wenn sich junge Erwachsene aufstellen lassen können, dann würde dies vielleicht auch dazu beitragen, das Image dieser Ämter zu verändern. Von daher können wir vom SSW diesem Gesetzentwurf mit grundlegender Sympathie begegnen.

Mit dem 21. Lebensjahr beginnt die volle strafrechtliche Verantwortlichkeit als Erwachsener. Warum soll man dann nicht auch Landrat, Bürgermeister oder Oberbürgermeisterin werden können? - In Randers, in Dänemark, wurde ein 25-Jähriger zum hauptamtlichen Bürgermeister gewählt. Warum sollte so etwas bei uns in Schleswig-Holstein nicht funktionieren?

Auch in vier anderen Bundesländern hat man in der letzten Zeit die bisherige Altersgrenze für Bürgermeister und Landräte abgesenkt. Schleswig-Holstein hält im bundesweiten Vergleich mit der Beschränkung auf 27 Jahre als Mindestalter den absoluten Spitzenwert.

Im zuständigen Ausschuss müsste man diese Fragen einmal aufnehmen und prüfen, wie eine angemessene Altersgrenze zu definieren wäre. Vielleicht sollte diese sogar bei 18 Jahren liegen, das wissen wir heute noch nicht. Wir sollten ganz in Ruhe darüber diskutieren.

Das gleiche Prinzip könnte vielleicht auch für die hauptamtlichen Wahlbeamtinnen und Wahlbeamte gelten. Auch hier müsste man prüfen, wo eine entsprechende Altersgrenze angemessen wäre oder ob eine Altersbegrenzung überhaupt noch gerechtfertigt und zeitgemäß ist.

Ich bin mir sicher, dass wir in diesen Fragen gemeinsam mit den Akteuren vor Ort eine vernünftige Lösung finden werden. Wir als SSW sind - wie der Kollege Baasch es gerade eben schon sagte - in der Diskussion nach allen Seiten hin vollständig offen. Ich glaube, es wäre vernünftig, das Gesetz anzupacken und zu gucken, wie man hier eine vernünftige Lösung hinkriegt. Wenn andere Länder das ha

ben, warum sollten wir das nicht auch haben? - Ich will das haben.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat Herr Innenminister Andreas Breitner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstens. Wir danken der FDP für den Gesetzentwurf. Zweitens. Wir teilen weitestgehend die Argumente, die heute angesprochen wurden. Drittens. Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN, SSW und vereinzelt CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 18/1550 an den Innenund Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. – Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Ich weise darauf hin, dass im Anschluss an diese Vormittagssitzung in der Mittagspause der Europaausschuss zu einer Sondersitzung in Raum 139 zusammenkommt. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.