Protocol of the Session on February 19, 2014

Unsere bisherigen Regelungen stellen eine ausgewogene Lösung dar. Ich bin jedoch gesprächsbereit. Im Rahmen der Ausschussbefassung haben wir einige Fragen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Dies sollten wir mit der gebotenen Intensität auch tun. Ich habe deutlich gemacht, dass ich eine gewisse Skepsis habe, aber ich betone, den Diskussionen offen entgegenzutreten. Ich freue mich auf konstruktive Ausschussberatungen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Kai Dolgner das Wort.

(Petra Nicolaisen)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man über Altersgrenzen diskutiert und die einzelne Person betrachtet, hat das immer etwas Willkürliches. Das liegt in der Natur der Sache. Wenn Alexander der Große bereits mit 26 Jahren ein Weltreich erobert hat, könnte er heutzutage in Schleswig-Holstein noch nicht einmal Bürgermeister werden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Zu spät! - Beifall PIRATEN)

Andererseits gibt es auch 40-Jährige, bei denen man beobachten kann, dass sie nicht einmal den eigenen Hund unter Kontrolle haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Hat Stegner einen Hund?)

- Ich finde es nett, dass Sie das Alter von Herrn Stegner auf 40 Jahre schätzen. Das werde ich entweder ihm überbringen oder Ihrem Optiker einen Tipp geben. Eines von beiden werde ich machen.

Wenn wir gesetzliche Mindestaltersgrenzen diskutieren, lassen sich immer beliebig viele Einzelbeispiele konstruieren, bei denen sie nicht passen. Altersgrenzen können also immer nur eine grobe Durchschnittsbetrachtung sein. Sie sind zudem auch noch von unserer eigenen Erwartungshaltung und von der Schwierigkeit der Aufgabe und Entscheidungsfähigkeit abhängig. Das haben wir bei der Debatte zum Wahlalter mit 16 Jahren erlebt. Während die einen 16-Jährige für reif halten, halten die anderen 16-Jährige nicht für reif. Sie garnieren dies häufig mit Einzelbeispielen aus ihrer Umgebung.

Die FDP schlägt nun für einen Teil der kommunalen Wahlbeamten, Bürgermeister und Landräte, eine Absenkung auf 21 Jahre und eine Streichung der Höchstaltersgrenze für die Erstwahl vor. Kollege Kubicki hat das ausgeführt. Im Ausschuss kann er uns vielleicht noch einmal erklären, warum er allerdings meint, dass Lübecker Senatoren irgendwann zu alt werden können und rechtzeitig ausscheiden müssen. Das hat er wohl bei der Formulierung des Gesetzentwurfs etwas vergessen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das können wir doch genauso regeln! - Zuruf Christopher Vogt [FDP])

- Genau, das habe ich eben gerade konstatiert. Ich hatte jetzt nicht den Verdacht, dass Herr Saxe dringend eingreifen und sich schützend vor seine Senatoren schmeißen müsste.

Anhand des Gesetzentwurfs habe ich mich gefragt, warum es eigentlich dieses Mindestalter von 27 Jahren gibt. Nach der heutigen Rechtslage, auch was die Beamtenlaufbahn angeht, gibt es keine plausible Antwort. Wir müssen einfach feststellen: Das ist ein Restant. Das kann keiner mehr begründen.

Ob wir die 21 Jahre nehmen, wie sie in anderen Kommunalverwaltungen zu finden sind, ist fraglich. Der Bezug zum Strafrecht ist nicht immer sehr gut. Man könnte auch den Bezug zur vollen Geschäftsfähigkeit herstellen. Schließlich geht es ja nicht darum, strafrechtliche Verantwortung zu übernehmen, bei der Leitung einer Verwaltung. Jedenfalls sollte es nicht unbedingt darum gehen, wenn man es entsprechend gut macht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das kann schnel- ler kommen, als man denkt! - Beifall PIRA- TEN)

- Bei der Leitung einer Verwaltung, wohlgemerkt. Es ging nicht um Fraktionsvorsitzende, falls sie diese kleine Anspielung machen wollten. Da gibt es keine Altersbegrenzung.

(Christopher Vogt [FDP]: Da gibt es noch keine Altersbegrenzung!)

In diesem Fall ist es gar nicht notwendig, eine Durchschnittsbetrachtung zu machen. Denn nur weil man sich auf ein Wahlamt bewirbt, wird man ja nicht automatisch gewählt. Das möchten zwar einige, und es gibt politische Systeme, in denen das so ist, aber bei uns ist das zum Glück nicht so. Das heißt also, dass diejenigen, die die Kandidaten wählen, diese Betrachtung machen können, die wir bei anderen Altersgrenzen nicht machen können. Sie können eine sehr individuelle Betrachtung durchführen und entscheiden, ob sie denjenigen für reif halten, das Amt zu übernehmen. Es mag sein, dass es auch 21- oder 22-jährige sehr verantwortungsvolle junge Leute gibt, die sich entsprechend präsentieren. Im Zweifel kann man sie auch wieder abwählen.

Nach unseren Erfahrungen mit der direkten Demokratie bei den Bürgermeisterwahlen, aber auch bei den Landratsbesetzungen haben sich Spaßkandidaten nie durchgesetzt. Die Wählerinnen und Wähler und auch diejenigen, die das besetzen können, wie beispielsweise Amtsdirektoren, können sehr wohl die Persönlichkeiten einschätzen. Ich habe vollstes Vertrauen in unsere Kommunaldemokratie, dass bei einer Absenkung der Altersgrenze - welches auch immer der richtige Wert sein mag - die kommuna

le Demokratie in ihren Grundfesten nicht erschüttert werden würde.

Zum Thema Höchstaltersgrenze von 62 Jahren und damit 68 Jahre als Altersruhestandsgrenze gibt es noch ein paar Fragen im Ausschuss zu klären. Ob solche Ungleichbehandlungen mit den Lebenszeitbeamten - die werden ja im selben Artikel des Gesetzes geklärt - rechtlich möglich sind, ist zuerst zu klären. Dann können wir uns überlegen, ob das wünschenswert wäre. Andererseits müssen wir aber auch anerkennen, dass es in Wirtschaft und Politik und da müssen wir gar nicht bis Adenauer zurückgehen - sehr wohl Jobs gibt, die mindestens genauso schwierig sind, wie Bürgermeister einer mittelgroße oder großen Gemeinde zu sein. Ich denke an den Bundesfinanzminister, der immerhin 71 Jahre alt ist.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Der Bundeskanz- lerkandidat der SPD ist 66 Jahre alt!)

- Offensichtlich kennen Sie schon den Kanzlerkandidaten, ich noch nicht.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ja, der war 66 Jahre alt. Das ist keine Frage.

(Christopher Vogt [FDP]: Er wird es wie- der!)

- Das wissen wir nicht. Sie haben richtigerweise ausgeführt, das einzige Mal, bei dem die CDU eine absolute Mehrheit hatte, war es mit jemandem, der schon die 70 gerissen hatte. Wenn ich mich richtig erinnere, hat die FDP damals das Alter kritisiert, als es darum ging, wie lange Herr Adenauer noch weitermachen kann.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

- Bei dir wären noch 50 Jahre Karriere in verschiedenen Ämtern möglich.

- Sei es, wie es sei. So etwas wie Lebensalter, wo jeder mitsprechen kann, weil jeder ein Lebensalter hat und sich ein Lebensalter erhofft, führt bei mir zu einer spannenden Erwartung auf die Debatten in den Innen- und Rechtsausschusssitzungen. Am Ende der Debatte wird es wohl eher so sein - relativ unabhängig von der Meinung der Kollegen von der CDU, das ist nun einmal Demokratie -, dass wir nicht als das rückständigste Land in Deutschland dastehen werden. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Ines Strehlau das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wir finden Ihren Antrag interessant.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Herr Stoltenberg hat das auch immer gesagt: interessanter erster Ansatz!)

Er passt in die Diskussionen zur Altersdiskriminierung und zur politischen Beteiligung von jungen Menschen.

Grüne Politik steht für Einmischen, für Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger und für eine starke Demokratie. Dazu passen die bestehenden Altersregelungen für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Landrätinnen und Landräte nicht wirklich.

Das Sammelsurium an Regelungen für das passive Wahlalter aller Art verwundert doch sehr und lässt das bestehende Mindestalter von 27 Jahren als sehr willkürlich gegriffen erscheinen. Bundespräsidentin oder Bundespräsident, Verfassungsrichterin oder Verfassungsrichter und bayrische Ministerpräsidentin oder bayrischer Ministerpräsident kann man erst mit 40 Jahren werden. Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler dürfen hingegen ab 18 Jahren das Geschick des Landes lenken.

Auch auf kommunaler Ebene sind die Regelungen ganz unterschiedlich: In Thüringen ist zuletzt ein Antrag der FDP gescheitert, das Wahlalter von 21 auf 18 Jahre zu senken.

(Christopher Vogt [FDP]: Außenminister mit 26!)

Anders in Österreich: Dort dürfen junge Menschen Bürgermeisterin und Bürgermeister oder Landrätin und Landrat mit 18 Jahren werden. Auch nach oben gibt es für Ministerinnen und Minister oder Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler, anders als für die kommunalen Wahlbeamtinnen und Wahlbeamten, keine Altersgrenze; Adenauer war immerhin 73 Jahre alt, als er das erste Mal zum Kanzler gewählt wurde.

Ja, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister stehen der Verwaltung vor. Das aber tun eine Bundeskanzlerin oder ein Bundeskanzler oder eine Ministerin oder ein Minister auch. Natürlich braucht es dafür Personalführungskompetenzen, und auch Kommunalerfahrung ist wünschenswert. Viele 18-Jährige

(Dr. Kai Dolgner)

sind für das Amt zu unerfahren. Andererseits bringt auch nicht jeder, der alt genug ist, die erforderliche Kompetenz für ein solches Amt mit.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wohl wahr!)

Stichwort: Quereinsteiger. Das musste Kiel zuletzt schmerzlich erfahren.

(Vereinzelter Beifall CDU - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das war doch Ihre Kandidatin!)

Wenn sich jemand mit 18 Jahren schon lange politisch engagiert, kann er oder sie genauso gut auf das Amt vorbereitet sein. Frische Ideen gegen Erfahrung - warum muss eins mehr wiegen als das andere? Unsere grüne Fraktionsvorsitzende im Kieler Rat, Lydia Rudow, macht mit ihren 23 Jahren einen Superjob.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Es klatschen alle, die sie noch nie gesehen haben!)

Vergessen wir nicht zuletzt: Es entscheiden, zumindest bei den hauptamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die Bürgerinnen und Bürger. Wir trauen ihnen schon zu, die richtige Personalentscheidung zu fällen. Es mag sein, dass man im Regelfall mit 18 oder 21 Jahren zu jung und mit 65 oder 67 Jahren in der Regel zu alt ist. Aber in Einzelfällen kann es Menschen geben, die trotz ihres Alters geeignet sind. Unsere Gesellschaft wird älter. Wenn jemand noch fit genug ist, den Job zu machen, und eine Mehrheit im Rat oder von den Wählerinnen und Wählern bekommt, warum nicht?

Gut wäre es, wenn nicht Amtszeit an Amtszeit gereiht würde, wenn sich neue Leute auf Posten für das Bürgermeisteramt bewerben würden. Zum großen Teil mangelt es aber an Bewerberinnen und Bewerbern. Da müssen wir in der politischen Bildung noch viel besser werden und uns überlegen, wie kommunalpolitisches Engagement attraktiver gemacht werden kann. Dazu müssen wir als hauptamtliche Politikerinnen und Politiker genauso einen Beitrag leisten wie die kommunalpolitische Ebene. Nicht verbales Hauen und Stechen, sondern sachorientierte Debatten kommen an. Ich glaube, die Debatte zu diesem Thema ist dafür ein Beispiel.