Protocol of the Session on February 19, 2014

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Super Durchset- zungskraft haben Sie offensichtlich!)

Das ist und bleibt unsere Position. Diese Position wird auch in letzter Zeit aktuell durch neue, kritische Stimmen aus allen gesellschaftlichen Bereichen untermauert. Es reicht schon die alltagspraktische Vernunft aus, um einzusehen, dass das Betreuungsgeld besser für die Qualitätssicherung in der Tagesbetreuung, besser für Sozialstaffeln, für die Entwicklung von Familienzentren und meinetwegen auch - wie von Ihnen vorgeschlagen - für die Tagespflege eingesetzt werden sollte. Da sind wir uns einig.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Warum haben Sie es nicht durchgesetzt?)

- Das ist so. Aber wo ist Ihr angekündigtes vereinfachte Steuersystem? Also hören Sie auf, Herr Garg!

Es ist inzwischen Allgemeingut, dass die Möglichkeit früher kindlicher Bildung einen starken Einfluss auf den Bildungswerdegang insbesondere von Kindern aus sozial benachteiligten Familien hat. Wir haben jüngst eine OECD-Studie - Jobs for Immigrants - zur Kenntnis genommen, die verdeutlicht, dass gerade Kinder aus Zuwandererfamilien einen erheblichen Gewinn aus frühkindlicher Bildung, aber einen negativen Effekt bei Bezug des Betreuungsgeldes haben. Es gibt einen weiteren Hinweis, dass das Erziehungsgeld in Thüringen zu einem 15-prozentigen Rückgang der Teilnahme in Kitas geführt hat.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wo schlägt sich das im Koalitionsvertrag nieder?)

- Ich will in dieser Sache nicht Sie, die FDP, überzeugen, sondern eigentlich müssten doch all diese Argumente die CDU und CSU überzeugen, aber das ist nicht der Fall. All das ist offensichtlich nicht genug verinnerlicht, sodass es bei der CDU nicht zu einem Wandel in der Einschätzung kommt. Leider geht die CDU immer noch diesen Weg der CSU, anstatt das zu tun, was erforderlich und auch offensichtlich bei einigen Parteigenossen angekommen ist, dass es eine politisch ungemein schmerzliche Entscheidung ist, dem Weg der CSU folgen zu müssen.

Nach wie vor lautet der Appell an Sie: Ändern Sie Ihre Position, damit wir hier zu einer anderen Einschätzung und zu einem anderen Weg kommen können!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ja, es ist klar - und ich dachte schon, dass Sie meinen, das unwahrscheinlich ausnutzen zu können -, dass es auf Koalitionsebene keine Vereinbarung gegeben

hat, das Betreuungsgeld abzuschaffen. Aber wenn Sie in den Koalitionsvertrag gucken, werden Sie sehen, dass es auch keine Verständigung darüber gibt, dass es einen Erhalt des Betreuungsgeldes geben soll.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist interessant: So wird es abgeschafft!)

- Ja, und wir haben noch mindestens vier Jahre Regierungszeit vor uns und auch länger, so meine Einschätzung. Deswegen setzen wir darauf, dass es zu einer politischen Veränderung auf Bundesebene kommen kann durch den Druck, den die neue Familienministerin machen wird,

(Beifall SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das gucken wir uns an!)

und durch den Druck, den wir auch von SchleswigHolstein aus machen werden. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt, mit dem wir unsere Regierung und unsere Sozialministerin bitten, auf Bundesebene dafür zu werben und Druck zu machen, dass die Zusage des Koalitionsvertrags, die Kitas auszubauen, zügig auf den Weg kommt,

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

und dass man sich gemeinsam zwischen Ländern und Bund an ein neues, ein stimmiges politisches Gesamtkonzept für die Kinder- und Familienpolitik macht, ein Gesamtkonzept, das insbesondere für Kinder aus benachteiligten Familien gute Voraussetzungen für gleiche Bildungs- und Entwicklungschancen schafft.

(Beifall SPD)

Ich glaube, dass dies möglich ist. Also, warum keine neue Bundesratsinititative zu dieser Zeit? - Weil wegen der Haltung von CDU und CSU auf kurze Sicht die Normenkontrollklage von Hamburg aussichtsreicher ist.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD] und Lars Harms [SSW])

Wenn Sie sich die ansehen, werden wahrscheinlich auch Sie unsere Bewertung teilen, dass das Betreuungsgeld sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht verfassungswidrig ist. Die formelle Verfassungswidrigkeit ergibt sich aus der mangelnden Gesetzgebungskompetenz des Bundes, da sind wir uns wahrscheinlich einig. Das Recht der Gesetzgebung liegt nach Artikel 70 Grundgesetz prinzipiell bei den Ländern, soweit nicht das Grundgesetz dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für das betreffende Gesetz übertragen hat. Dies ist an Voraussetzungen geknüpft, die hier nicht vor

liegen. Das hat Hamburg in seiner Begründung zu dieser Klage sehr überzeugend dargelegt.

Ich bin also zuversichtlich und erwarte, dass das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeldgesetz kippen wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und wenn nicht?)

- Dann haben wir eine neue politische Situation, auf die wir mit einem neuen gesamtpolitischen Familienkonzept vorbereitet sein sollten. Ich denke, dass auf dem Weg zu diesem Konzept so manche Einsicht möglicherweise dann doch bei der CDU erfolgt, sodass wir hier einen anderen Weg gehen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir lehnen den Antrag von der FDP-Fraktion und den Ergänzungsantrag der CDU ab. Unser Antrag ist in der Sache eindeutig und konsequent. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank. - Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Dr. Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist für die meisten von Ihnen nichts Neues: Wir Grüne halten das Betreuungsgeld für falsch. Es ist falsch und es bleibt falsch,

(Beifall Wolfgang Dudda [PIRATEN])

falsch für die Familien und falsch für die frühkindliche Bildung. Wir halten es auch für verfassungswidrig. Das Betreuungsgeld wird bisher erst von einem Teil der Anspruchsberechtigten in Schleswig-Holstein überhaupt beantragt. Das macht deutlich: Eine politische Erfolgsgeschichte sieht anders aus. SPD, SSW und wir Grüne sind uns einig: Wir wollen gleich gute Bildungs- und Entwicklungschancen für alle Kinder.

(Beifall SSW)

Dazu gehört mehr Geld für Bildungs- und Betreuungsangebote, mehr Geld für Qualität, für mehr Personal, für flexiblere Öffnungszeiten. Deswegen greifen wir den Kommunen in Schleswig-Holstein beim Ausbau der Kinderbetreuung kräftig unter die Arme. Das ist für das Land in der jetzigen Situation ein finanzieller Kraftakt, den wir stemmen. Ich sage Ihnen für uns Grüne: Wir stemmen den

(Dr. Gitta Trauernicht)

gern; denn kluge Familien- und Bildungspolitik ist aus unserer Sicht die beste Investition in die Zukunft.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wer hier gut sät, wird morgen auch gut ernten, und er wird morgen eine Generation haben, die gut ausgebildet ist und eine gute Perspektive und eine gute Zukunft hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie bemühen in Ihrer Argumentation immer wieder einmal das Argument der Wahlfreiheit. Eine alleinerziehende Mutter, die vor Ort keine Kinderbetreuung hat, hat doch keine Wahlfreiheit. Bei diesem Argument kann ich Ihnen nur sagen: Das greift zu kurz. Da sind wir von grüner Seite ganz anderer Meinung. Wir wollen eine Lösung, die allen Familien einen Rechtsanspruch einräumt. Es kommt ein Problem hinzu: Wenn diese Frau irgendwann in den Beruf zurückkehren möchte, hat sie ein großes Problem, wenn sie zu lange aus dem Beruf herausgewesen ist. Auch das wissen Sie, liebe Kollegin Rathje-Hoffmann.

Das Betreuungsgeld ist nicht ausgewogen. Es wird in voller Höhe auf soziale Transferleistungen angerechnet - ein Nullsummenspiel für die Eltern, ein Verlust an Teilhabechancen für die Kinder. Das kann nicht das Ziel kluger Familienpolitik sein. Deshalb haben wir schon mehrfach versucht, das Betreuungsgeld zu verhindern, als es noch der richtige Zeitpunkt war. Aus unserer Sicht ist der Antrag der FDP völlig aus der Zeit gefallen.

Wir haben von grüner Seite zu Oppositionszeiten dreimal Anträge gegen die Einführung des Betreuungsgeldes gestellt, als es noch möglich gewesen wäre, das Betreuungsgeld zu verhindern - dreimal ohne Erfolg. Es ist dreimal von CDU und FDP abgelehnt worden. Es ist auch kein Geheimnis, dass ich Ihnen damals für meine Fraktion vorgeschlagen habe, den Ländern das Betreuungsgeld zu überlassen. Das hätte 80 Millionen € pro Jahr für Schleswig-Holstein bedeutet - 80 Millionen € pro Jahr für Familien, Kinder und gute Bildung. CDU und FDP haben abgelehnt - sehr bedauerlich.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es!)

Jetzt stellt die FDP einen ähnlich lautenden Antrag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, er ist leider völlig aus der Zeit gefallen. Der Zeiger der Uhr hat sich weiter gedreht. Ich stimme meiner Kollegin Gitta Trauernicht absolut zu: Der Antrag, den wir Ihnen vorlegen, zeigt eine Perspektive auf, wie wir bei

den jetzigen Bestimmungen in Schleswig-Holstein weiter vorankommen. Deswegen werbe ich sehr für Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank. - Das Wort hat Herr Wolfgang Dudda von der Piratenfraktion.

Frau Präsidenten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schön, wenn das Parlament berechenbar ist. Ich hatte damit gerechnet, dass Herr Garg die Zitate der SPD bringt. Sie sagen alles zum Unfug des Betreuungsgeldes. Daran ist kein falsches Wort. Alles, was von der SPD zitiert worden ist, ist richtig. Eigentlich habe ich nichts zu ergänzen. Kurz vor Feierabend möchte ich die Debatte nicht in die Länge ziehen.

Ich möchte, ergänzend zu allem anderen, was wir gehört haben, noch sagen, warum wir PIRATEN gegen das Betreuungsgeld sind. Wir setzen uns für eine gleichwertige Anerkennung der verschiedenen Familienmodelle ein. Eine finanzielle Bevorzugung eines Modells lehnen wir ab. Das ist einer der Gründe, aus dem wir das Betreuungsgeld ablehnen.

Wir sehen den Antrag der FDP differenziert. Zum einen danken wir Ihnen für Ihren Antrag, weil ohne ihn der Antrag der Koalitionsfraktion nicht gekommen wäre, der weiter geht. Zum anderen ist der Antrag gut, weil Sie damit Geld für infrastrukturelle Maßnahmen freimachen. In seinem zweiten Punkt schafft er aber nicht das Mehr an Wahlfreiheit, das in der Überschrift des Antrags steht. Hier kommt die FDP mit ihrem eigenen Liberalitätsbegriff ein wenig durcheinander. Das kann vorkommen, wenn man die Ideen anderer verfolgt. Als PIRAT weiß ich sehr gut, dass man beim Kopieren gut beraten ist, wenn man den Geist einer Idee erkundet. Das hat die FDP bei der Hamburger Idee, das Betreuungsgeld zur Ländersache zu machen, offensichtlich nicht getan.

Die Hamburger Klage vor dem Bundesverfassungsgericht und die Aussagen des Hamburger Bürgermeisters Scholz aus dem Herbst vergangenen Jahres vor den Koalitionsverhandlungen bedienen den Ansatz, das Betreuungsgeld als Kindergelderhöhung an alle Eltern auszuschütten, völlig unabhängig davon, ob die Eltern die Kinder zu Hause be

(Dr. Marret Bohn)

treuen oder in die Krippe bringen. Mit diesem Antrag übertrumpft die FDP sogar schon die SPD, die sonst alles immer so gießkannenartig regeln möchte.