Protocol of the Session on January 24, 2014

(Beifall SPD)

Die gleichen Anforderungen, die wir für die Westküstenleitung angesetzt haben, gelten auch für den Stromleitungsbau in Ostholstein. Im Koalitionsvertrag der Küstenkoalition steht:

„Für den Um- und Ausbau der Stromtrassen gilt das Prinzip: Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau.“

Daran halten wir uns, und wir stehen auch dazu, dass der in Ostholstein produzierte Windstrom abtransportiert werden muss.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

2012 haben wir von der Bundesnetzagentur die Nachricht bekommen, dass die Stromtrassen Lübeck-Göhl und Göhl-Kiel nicht nötig seien. Damals wurde noch von geringen Zubauraten ausgegangen. 2013 wurde mit den im Landesentwicklungsplan vorgesehenen Zubauoptionen noch einmal neu gerechnet. Hier hat ganz besonders Minister Habeck dazu beigetragen, dass wir auch dieses noch einmal neu berechnet bekommen. Dabei ist herausgekommen, dass ein Neubau Kiel-Göhl weiterhin nicht nötig ist, und das ist auch gut so. Da sind wir uns sicher alle einig. Ich hoffe, Sie, Herr Kollege, auch.

Für die Strecke Göhl-Lübeck wurden vier Szenarien geprüft: Zweimal wurden die Verstärkung und der Zubau der 110-kV-Leitungen geprüft, zweimal der Neubau einer 380-kV-Leitung.

Dabei wurde festgestellt, dass das heutige Netz den Zubau von Windkraftanlagen und deren Strommenge nicht aufnehmen kann und die Netzinfrastruktur ausgebaut werden muss. Beide geprüften Möglichkeiten wurden als geeignet beurteilt, allerdings ist die 380-kV-Leitung günstiger und bietet Einspeisereserven. Das hat der Minister in seinem Bericht gerade noch einmal vorgetragen.

Mit diesem Votum der Bundesnetzagentur werden wir jetzt gemeinsam mit den Betroffenen vor Ort und den Netzbetreibern den Netzausbau in Ostholstein voranbringen, damit wir als Windland Nummer eins auch weiterhin wie vorgesehen den Windkraftausbau umsetzen und den wichtigen Beitrag Schleswig-Holsteins zur Energiewende leisten können.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal auf den Beitrag von Herrn Kumbartzky eingehen, weil er ein bisschen süffisant Herrn Schulze als den selbst ernannten Energieexperten der SPD bezeichnet hat. Ich finde, das ist eine Tonalität, die gehört nicht hierher. Er ist der ordnungsgemäße, seit Jahren aktive und gut arbeitende energiepolitische Sprecher und Kollege von Ihnen, Herr Kumbartzky.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist vor allem vor dem Hintergrund eine etwas gewagte Nummer gewesen, weil Sie dann noch die Netznutzungsentgelte lokalisieren wollten. Die werden aber als Umlage nach dem Briefmarkensystem - so wie eine Briefmarke von Kiel nach Osterby genau dasselbe kostet wie von München nach Osterby - bundesweit umgelegt. Die Bundesnetzagentur kontrolliert das.

Das war die eine Fehläußerung, die andere Fehläußerung kam zum Pumpspeicherkraftwerk und war auch nicht so sehr von fachlicher Expertise getragen. Wenn Sie einmal die Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland insgesamt untersuchen, dann stellen Sie fest, dass dort die Jahresnutzungsstunden sehr stark zurückgegangen sind. Hintergrund ist die von Wirtschaftsminister Rösler vertorfte Verknappung des Zertifikatehandels für Kohlekraftwerke.

Wir haben zurzeit einen völlig überfüllten Produktionsmarkt im Stromsektor. Unser Pumpspeicherkraftwerk des deutschen Kraftwerksparks ist der Export ins Ausland. So ist die ökonomische Wahrheit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das hat mit dem OWAG in Schleswig-Holstein gar nichts zu tun. Wenn Sie das bezweifeln, zeige ich Ihnen gern die Statistiken dazu.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Zu welchen Prei- sen denn, Herr Matthiessen?)

Meine Damen und Herren, wir wollen die Energiewende. Dazu gehört die Leistungsabführung der dezentral erzeugten Energie. Dazu gehört auch eine

(Olaf Schulze)

380-kV-Leitung in Ostholstein. Das sind immerhin 3.800 V.

Herr Abgeordneter Matthiessen, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Abgeordneten Kubicki?

Ja, ich bin ja höflich. Herr Kubicki, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Kollege Matthiessen, ich habe Ihren Ausführungen entnommen, dass Deutschland Strom exportiert. Würden Sie uns als Experte freundlicherweise mitteilen, zu welchen Preisen das geschieht?

- Herr Kubicki, das geschieht in folgenden Dimensionen: Die deutsche Stromproduktion lag Ende 2012 bei 606,7 TWh und Ende 2013 bei 596 TWh. Die Produktion ist um 10,7 TWh oder 1,75 Prozentpunkte zurückgegangen. Das ist ein Erfolg des Stromsparens und der Effizienztechnologie, insbesondere im Gewerbebereich.

Wir haben aber erhebliche Strommengen ins Ausland exportiert. Wir haben aus Holland Beschwerden, dass das zum Teil mit der Weiterreichung negativer Börsenpreise ins Ausland erfolgt mit katastrophalen Verwerfungen in der dortigen Stromproduktion.

Ich finde, wir sollten Exportland bleiben, aber auf das Level, das wir vorher gewohnt waren, zurückfallen. Dazu gehört, dass die Kohlekraft ungeeignet ist. Wir haben im Moment eine fluktuierende Erzeugung, die zunimmt, und einen riesigen alten Kraftwerkspark. Trutz Graf Kerssenbrock, der ehemalige energiepolitische Sprecher der Fraktion der CDU, kam hier immer mit folgendem Satz an: Windlast sei nicht grundlastfähig. Als sei Grundlast eine Tugend - das ist sie natürlich nicht! Es ist der Mangel, Leistung modulieren zu können. Auf diesen Mangel muss man nicht stolz sein, sondern diese alten Gurken müssen schnellstens vom Markt verschwinden. Die sind im Wesentlichen schuld am deutschen Exportüberschuss in Verbindung mit der Verbilligung der Zertifikate. Sie sind von 40 € auf 3,50 € herabgegangen. So wird Kohlestrom natürlich billig.

Das war - glaube ich - jetzt die Antwort über eine Minute hinweg.

(Heiterkeit)

Jetzt hat der Abgeordnete Kubicki den Bedarf, eine weitere Frage zu stellen.

Bitte, Herr Kubicki.

Herr Präsident, ich habe nur eine Verständnisfrage, weil ich nicht zu den Experten gehöre wie Herr Matthiessen. - Habe ich das richtig verstanden, dass der Stromexport in die Niederlande von uns bezahlt wird, dass wir dafür kein Geld bekommen? Ich habe den negativen Börsenpreis so verstanden. Also, wir exportieren und zahlen dafür, dass wir exportieren?

- Das liegt daran, dass diese alten Möhren, so ein Braunkohlekraftwerk seine Leistung nicht modulieren kann. Es möchte auch am nächsten Tag noch Strom verkaufen und sagt sich: Heute feuere ich nicht herunter, weil ich es nicht kann, ich brauche ja sechs Tage, um im Volllastbetrieb zu feuern. Infolgedessen mache ich heute lieber durch, obwohl der Strommarkt gar keinen Strom will, der Klimaschutz mich schon gar nicht interessiert, und belaste damit die holländischen Kollegen mit negativen Handelspreisen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die freuen sich doch!)

Das ist doch eine absurde Situation, was Deutschland im Moment als Stromexporteur in Europa vorexerziert.

Herr Abgeordneter Matthiessen, nunmehr begehrt der Herr Abgeordnete Hamerich, Ihnen eine Frage zu stellen.

Wir können das auch privatissime außerhalb dieses Hohen Hauses klären.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die freuen sich doch, dass die kostenlos Strom bekommen!)

(Detlef Matthiessen)

Vielleicht können wir jetzt wieder so miteinander verkehren, dass ich die Fragen zuordne. Jetzt begehrt der Abgeordnete Hartmut Hamerich, eine Frage zu stellen.

Herr Präsident, ich lasse die Frage gern zu.

Bitte schön.

Mein sehr verehrter Herr Kollege Detlef Matthiessen, da nicht nur der Kollege Olaf Schulze, sondern auch Sie nicht nur selbst ernannter energiepolitischer Sprecher sind, sondern durch die Arbeit der vergangenen Jahre anerkannte Sprecher für Energiepolitik sind, möchte ich, dass Sie zur Kenntnis nehmen, dass 380 kV nicht 3.800 V sind. Ich weiß nicht, ob wir hier noch Schüler zu Besuch haben, die mit der richtigen Information nach Hause gehen sollen, dass es 380.000 V sind.

Habe ich das nicht gesagt? 380 kV beziehungsweise 380.000 V. Damit kann ich fortfahren, Herr Präsident. - Das ist ziemlich viel. Daher redet man bei 380 und 220 kV auch von der Höchstspannungsebene oder vom Übertragungsnetz. Der Betreiber heißt Übertragungsnetzbetreiber und wird ÜNB abgekürzt.

In diesem Zusammenhang sind folgende Zahlen interessant: Unser ÜNB heißt bekannterweise TenneT, die Länge des deutschen Stromnetzes beträgt 1,78 Millionen km, das Übertragungsnetz davon beträgt 35.700 km. Die Strecke, über die wir heute Nachmittag reden, ist 50 km lang, nämlich von Göhl nach Siems in Lübeck.

Die Energiewende bedeutet auch einen wesentlichen Umbau des Stromnetzes. Die Netzstrukturen müssen weitgehend den neuen, dezentralen Strukturen angepasst werden. Bisher hatten wir Strukturen von zentralen Großkraftwerken im Gigawattbereich. Davon gingen die 380-kV-Leitungen aus, die über Mittelspannungsebene 110 kV mit Rauf- und Runtertransformieren dann irgendwann bei einem Bauernhof an der dänischen Grenze angekommen sind und der Leitungsquerschnitt diesen Bauernhof

noch mit 30 kW versorgt hat. Mit diesen 30.000 W begnügten sich dann die Ferkellampen und die Getreidetrocknung.

Plötzlich steht aber auf dem Acker eine Windmühle mit 2,5 Millionen W Leistung, und das nicht nur bei ihm, sondern auch beim Landnachbarn. Das führt in Nordfriesland in der Summe zu erwarteten 2,5 GW und in Dithmarschen zu 2 GW, in Ostholstein zu 1 GW. Wenn man 1 GW einmal als die Leistung eines Großkraftwerks, eines Atomkraftwerks nimmt, dann bauen wir also das Vielfache der bisherigen Atomkraftwerke in die Fläche. Diese Leistung müssen wir natürlich abführen. Meine Damen und Herren, im Schleswig-Holsteinischen Landtag tragen alle Parteien diese Politik mit. Wir wollten ja die Erweiterung der Windeignungsfläche. Wer A sagt zur Windenergie, muss natürlich B sagen zur Leistungsabführung.

Die Bundesnetzagentur hat den Bedarf für eine 380-kV-Leitung an der Ostküste festgestellt, und meine Fraktion trägt dies mit, zumal wir dies mit unserem grünen Stromplan bereits im April 2011 gefordert haben, ebenso wie wir die Leitung GöhlKiel kritisch gesehen haben. Beide damaligen Positionen wurden jetzt nach eingehender technischer Prüfung bestätigt.

Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass wir den Antrag der CDU nicht mittragen können. Herr Hamerich, Sie sind Jäger und wollen den Minister zum Jagen tragen. Ich sagte gerade, der Autor der Studie war 2011 Fraktionsvorsitzender, er ist jetzt Minister. Sie können davon ausgehen, dass der sich darum gekümmert hat, dass im Land die richtigen Netzstrukturen erreicht werden. Wir sind sehr zufrieden mit der jetzigen Prüfung. Die geschah natürlich nach einem engen Dialog mit dem Ministerium und der BNetzA als Prüfungsbehörde.